Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 102 IA 368



102 Ia 368

53. Auszug aus dem Urteil vom 3. November 1976 i.S. Wasserfallen
Transport AG gegen Einwohnergemeinde Liestal und Regierungsrat des Kantons
Basel-Landschaft Regeste

    Art. 22ter BV; Zonenplanung.

    Öffentliches Interesse als Voraussetzung für die Zuteilung einer
Liegenschaft zur Zone für öffentliche Werke und Anlagen; zukünftiges
Raumbedürfnis des Gemeinwesens.

Sachverhalt

    A.- Die Wasserfallen Transport AG (im folgenden: Wasserfallen AG)
ist Eigentümerin der Parzelle Nr. 1558 am Gestadeckplatz in Liestal. Die
Liegenschaft misst 1526 m2 und ist überbaut. Die Gebäulichkeiten
sind an die Autobus AG, eine Tochtergesellschaft der Wasserfallen AG,
vermietet. Die Autobus AG befasst sich mit dem Transport von Gütern
und Personen.

    Die Einwohnergemeindeversammlung von Liestal stimmte am 7. und
15. September 1971 einer neuen Ortsplanung zu. Nach dieser wurde die
Parzelle Nr. 1558 der Wohn-/Geschäftszone 3 (WG 3) zugeteilt. In der Folge
beantragte der Gemeinderat dem Einwohnerrat von Liestal verschiedene
Änderungen der im September 1971 angenommenen Zonenordnung. Eine davon
betraf die Parzelle Nr. 1558. Der Gemeinderat führte dazu aus, die seit
1971 eingetretenen neuen Verhältnisse liessen es als ratsam erscheinen, auf
die Zuweisung dieser Parzelle zur WG 3-Zone zurückzukommen. Es zeige sich
heute, dass die Liegenschaft schon im Jahre 1971 der Zone für öffentliche
Werke und Anlagen (OeW-Zone) hätte zugeteilt werden sollen. Mit Beschluss
vom 24. Oktober 1973 strich der Einwohnerrat von Liestal die Parzelle
Nr. 1558 aus der WG 3-Zone und teilte sie der Zone für öffentliche Werke
und Anlagen zu.

    Diese Umzonung und weitere Änderungen machten ein neues Planauflage-
und Einspracheverfahren notwendig. Mit Einsprache vom 18. Dezember 1973
beantragte die Wasserfallen AG, die Parzelle Nr. 1558 sei aus der Zone
für öffentliche Werke und Anlagen zu streichen und wie ursprünglich
vorgesehen der WG 3-Zone zuzuteilen. Mit Beschluss vom 20. Mai 1975
erteilte der Regierungsrat des Kantons Basel-Landschaft der Ortsplanung
der Gemeinde Liestal teilweise die Genehmigung und wies die Einsprache
der Wasserfallen AG ab.

    Das Bundesgericht hat die staatsrechtliche Beschwerde der Wasserfallen
AG gutgeheissen.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 3

    3.- Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts kann sich das
öffentliche Interesse für eine Eigentumsbeschränkung und insbesondere
für ein Bauverbot, wie es die Zuteilung einer Liegenschaft zur Zone für
öffentliche Werke und Anlagen zur Folge hat, auch aus einem zukünftigen
Bedürfnis des Gemeinwesens ergeben. Es muss sich jedoch, wie das
Bundesgericht wiederholt ausgeführt hat, um ein Bedürfnis handeln,
das vom Gemeinwesen möglichst genau anzugeben und dessen Eintritt mit
einiger Sicherheit zu erwarten ist (BGE 94 I 136; 88 I 295 f.; nicht
veröffentlichtes Urteil Zocchetti vom 7. März 1973, E. 2).

    a) Die Gemeinde Liestal hat im bundesgerichtlichen Beschwerdeverfahren,
in welchem sie auf eine selbständige Vernehmlassung verzichtet hat,
nicht dargelegt, welche Gründe eine Zuweisung der Parzelle Nr. 1558 zur
Zone für öffentliche Bauten und Anlagen verlangen. Auch im Antrag des
Gemeinderates an den Einwohnerrat von Liestal zur nachträglichen Änderung
der Zonenordnung finden sich hierüber keine näheren Ausführungen. Lediglich
der Vernehmlassung des Regierungsrates ist zu entnehmen, dass die
Liegenschaft möglicherweise für den Bau einer Autoeinstellhalle
benötigt werde. Diese Angabe ist jedoch zu allgemein und ausschliesslich
hypothetischer Natur. Überdies würde die Fläche der Parzelle Nr. 1558
die Verwirklichung eines solchen Vorhabens kaum gestatten.

    b) Der Regierungsrat räumt in seiner Vernehmlassung ein, dass die
genaue Verwendung der Parzelle Nr. 1558 im heutigen Zeitpunkt noch
ungewiss ist. Er rechtfertigt ihre Zuweisung zur Zone für öffentliche
Werke und Anlagen jedoch damit, dass bereits heute die Notwendigkeit einer
Erweiterung des jetzigen OeW-Areals mit Sicherheit feststehe. Es trifft
zu, dass auch Eigentumsbeschränkungen und Bauverbote im öffentlichen
Interesse liegen können, welche die spätere Erweiterung einer bestehenden
oder auch erst geplanten öffentlichen Anlage ermöglichen sollen (vgl. BGE
94 I 136). Auch in diesem Fall gilt jedoch, dass das künftige Bedürfnis
vom Gemeinwesen möglichst genau anzugeben und dass dessen Eintritt,
hier also die Notwendigkeit einer Erweiterung der bestehenden Anlagen,
mit einiger Sicherheit zu erwarten ist.

    In der Zone für öffentliche Werke und Anlagen, an deren nordwestlicher
Ecke die Parzelle Nr. 1558 liegt, befinden sich öffentliche Anlagen,
die teils dem Kanton, teils der Gemeinde Liestal gehören. Wie der
Regierungsrat ausgeführt hat, beschäftigt sich eine aus Vertretern des
Kantons und der Gemeinde gebildete Kommission mit einer neuen Gesamtplanung
für dieses Gebiet. Eine Neuaufteilung des Areals auf den Kanton und die
Gemeinde Liestal bedingt jedoch, dass vorgängig die militärischen Bauten
(Kaserne) aus der Zone verlegt werden. Schon diese Umstände allein lassen
das öffentliche Interesse an einer Zuteilung der Parzelle Nr. 1558 zur
OeW-Zone als zu vage und unbestimmt erscheinen. Wenn sodann die OeW-Zone,
wie der Regierungsrat geltend macht, in ihrer jetzigen Grösse nicht genügt,
so ist schwer verständlich, warum im Zentrum des Areals, zwischen der
Kaserne und dem Stadtkern, eine grosse Fläche in der WG 3-Zone belassen
wurde, die Parzelle Nr. 1558 jedoch eingezont wurde. Diese befindet sich
an der äussersten Ecke der bestehenden OeW-Zone und liegt im Gegensatz zur
erwähnten Fläche tiefer als das übrige Areal. Hinzukommt, dass sich die
Liegenschaft der Beschwerdeführerin für eine Neuverteilung der OeW-Zone
schlecht eignen würde. Die peripher gelegene Parzelle wäre vom übrigen
Areal nicht nur durch den erwähnten Niveauunterschied, sondern auch durch
die bestehenden Schulhäuser abgetrennt. Dass diese erweitert oder einer
andern Verwendung zugeführt werden sollten, wird von niemandem geltend
gemacht.

    Diese Umstände lassen das Bedürfnis nach einer Zuteilung der
Parzelle Nr. 1558 zur OeW-Zone als unbestimmt und dessen Verwirklichung
als ungewiss erscheinen. Die notwendige Bestimmtheit würde ihm selbst
dann fehlen, wenn man an dieses Erfordernis weniger hohe Anforderungen
stellen und wenn man insbesondere annehmen wollte, die Freihaltung
eines Grundstückes liege schon dann im öffentlichen Interesse, wenn
dies lediglich zur Sicherstellung einer künftigen Planung notwendig
sei. Über eine solche Erweiterung der Rechtsprechung ist hier jedoch
nicht zu entscheiden.

    c) Dem Interesse an einer Freihaltung der Parzelle Nr. 1558 steht das
private Interesse der Beschwerdeführerin gegenüber, über ihre Liegenschaft
frei verfügen zu können, sei es durch eine Erweiterung und Erneuerung der
baulichen Einrichtungen, die zumindest teilweise erneuerungsbedürftig sind,
sei es durch eine vollständige Neuüberbauung der Liegenschaft. Dieses
Interesse überwiegt das dargelegte vage und unbestimmte öffentliche
Interesse. Die Zuteilung der Liegenschaft zur Zone für öffentliche Werke
und Anlagen ist deshalb mit der Eigentumsgarantie nicht vereinbar.