Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 101 IV 60



101 IV 60

16. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 5. März 1975
i.S. X. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Thurgau. Regeste

    Art. 253 StGB; Erschleichung einer falschen Beurkundung.

    1. Die öffentliche Urkunde über die Gründung einer Aktiengesellschaft
stellt eine Urkunde im Sinne von Art. 110 Ziff. 5 StGB dar (Erw. 2a).

    2. Wer im Zusammenhang mit der Gründung einer Aktiengesellschaft
dem beurkundenden Notar wahrheitswidrig angibt, die Einlagen ständen zur
freien Verfügung der Gesellschaft, erfüllt den objektiven Tatbestand des
Art. 253 StGB (Erw. 2b).

Sachverhalt

    A.- X. beschloss, als seine Einzelfirma Ende 1963 eine Überschuldung
von mehr als Fr. 140'000.-- aufwies, unter Beizug neuer Kapitalgeber eine
Aktiengesellschaft zu gründen. Dabei erklärte er am 14. Januar 1964 dem
Notar, der die Gründungsurkunde erstellte, dass die Sacheinlage und der
von ihm bei der kantonalen Depositenstelle einbezahlte Betrag zur freien
Verfügung der künftigen Aktiengesellschaft ständen. Indessen hatte X.
von Anfang an die Absicht, die eingebrachten Vermögenswerte für die
Bezahlung der Schulden seiner Einzelfirma zu verwenden. In der Folge
gelang es ihm auch, mit der erlangten Urkunde die Eintragung der neuen
Gesellschaft ins Handelsregister zu erwirken.

    B.- Mit Urteil vom 13. November 1974 sprach die Kriminalkammer des
Kantons Thurgau X. des gewerbsmässigen Betruges, der Erschleichung einer
falschen Beurkundung sowie weiterer Delikte schuldig und verurteilte ihn
zu einer Zuchthausstrafe von fünf Jahren und einer Busse von Fr. 1'000.--.

    C.- X. führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, ihn von der
Anklage der Erschleichung einer falschen Beurkundung freizusprechen.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- a) Die öffentliche Urkunde über die Gründung einer
Aktiengesellschaft ist sowohl geeignet als auch bestimmt, die von den
Gründern darin bestätigten Angaben (Art. 638 Abs. 2 OR) zu beweisen. Damit
stellt sie eine Urkunde im Sinne von Art. 110 Ziff. 5 StGB dar, auch
wenn die Urkundsperson die bestätigten Tatsachen nicht überprüft oder
überprüfen kann (BGE 81 IV 243).

    b) Die vom Notar am 14. Januar 1964 öffentlich beurkundete Tatsache,
dass die Einlagen des Beschwerdeführers "zur freien Verfügung" der
neuen Aktiengesellschaft standen, war offensichtlich falsch. Denn
X. hatte - wie die Vorinstanz verbindlich feststellt (Art. 277bis
Abs. 1 BStP) - von Anfang an die Absicht, als Mehrheitsaktionär
und einzelzeichnungsberechtigter Präsident des Verwaltungsrates
die eingebrachten Vermögenswerte zur Tilgung seiner Schulden aus der
Einzelfirma zu verwenden. Eine Verfügungsfreiheit der Gesellschaft über die
Einlagen war auch schon deshalb nicht gegeben, weil die in der Beurkundung
vom 14. Januar 1964 nicht erwähnte Überschuldung der eingebrachten
Einzelfirma paulianische Ansprüche der Gläubiger hätte auslösen können
(Art. 285 ff. SchKG; A. VON TUHR/A. ESCHER, Allgemeiner Teil des
schweizerischen Obligationenrechts, Bd. II, Zürich 1974, S. 396 oben).

    Indem der Beschwerdeführer die Überschuldung der Einzelfirma und
seine Absichten über die künftige Verwendung der Einlagen in die neue
Aktiengesellschaft pflichtwidrig verschwieg, hat er den Notar, der nach
der verbindlichen Feststellung der Vorinstanz bei Kenntnis des wahren
Sachverhaltes die betreffende Beurkundung nicht vorgenommen hätte,
getäuscht. Die Verpflichtung zu einer wahrheitsgemässen Orientierung des
Notars ergibt sich sowohl aus Art. 638 Abs. 2 Ziff. 2 OR als auch aus
Art. 81 Abs. 3 HRV. Da nun aber zumindest die in die Aktiengesellschaft
eingebrachten Baumspritzen, Maschinen und Werkzeuge sowie die Liegenschaft
im Zusammenhang mit den Schulden der Einzelfirma standen, hätte X. die
Existenz dieser Passiven und seine Absicht, dieselben mit den eingebrachten
Mitteln zu tilgen, bekannt geben müssen. Dieser Sachverhalt war sowohl für
die Mitgründer der neuen Aktiengesellschaft als auch für deren künftige
Gläubiger von so grosser Bedeutung, dass er in den Gesellschaftsstatuten
hätte klar zum Ausdruck gebracht werden müssen, womit er auch dem
beurkundenden Notar zur Kenntnis gelangt wäre (vgl. A. SIEGWART,
Zürcher Kommentar, Art. 638 OR, N. 6 u. 9 sowie Art. 628 OR, N. 27
u. 31). Der Beschwerdeführer hat indessen den falschen Eindruck erweckt,
der neuen Gesellschaft stehe über die ihr zukommenden Mittel die freie
Verfügungsgewalt zu. Dieses Verhalten stellt in objektiver Hinsicht eine
Erschleichung einer falschen Beurkundung gemäss Art. 253 Abs. 1 StGB dar.

Entscheid:

              Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.