Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 101 IV 53



101 IV 53

15. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 7. Mai 1975 i.S. A. gegen
Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen. Regeste

    Art. 251 StGB. Steuerstrafrecht. Urkundenfälschung zur
Steuerhinterziehung ist nicht nach kantonalem bzw. eidgenössischem
Steuerstrafrecht, sondern nach Art. 251 StGB zu beurteilen, wenn die
Urkunde objektiv auch andern als steuerlichen Zwecken dient, was bei
der Buchhaltung zutrifft (Erw. 1b). Dass die Buchfälschung in einer
Einmann-AG geschieht und die Bilanz nicht berührt, ändert nichts an der
Anwendbarkeit des Art. 251 StGB (Erw. 1c). Konkurrenz von Art. 251 StGB
und Steuerstrafrecht? (Frage offengelassen; Erw. 2). Die Absicht, die
Steuerbehörden zu täuschen, genügt nach Art. 251 StGB (Erw. 3).

Sachverhalt

    A.- 1. A. ist einziger Verwaltungsrat der I. AG, in welcher Eigenschaft
er jeweils die Bilanzen und die Gewinn- und Verlustrechnungen der
Gesellschaft unterzeichnete. In seinem Büro wurde auch die Buchhaltung
der I. AG geführt.

    S. ist Verwaltungsrat der P. AG, Revisions- und Treuhandgesellschaft,
die bis 1966 Kontrollstelle der I. AG war. S. erstellte überdies jeweils
auf Grund der durch A. vorgenommenen Einzelbuchungen das Hauptbuch der
I. AG.

    Am 27. Juli 1961 beauftragte die I. AG die Schweiz. Bankgesellschaft,
dem I. R. Trust in Vaduz, zulasten des Baukredites "L", einen Betrag von
Fr. 20'140.-- zu überweisen. Zur Begründung dieser dem Immobilienkonto der
I. AG belasteten Zahlung wurden in der Folge der Eidg. Steuerverwaltung
zwei Fakturen des I. R. Trusts vom 24. Juli 1961 von Fr. 9'895.-- und
Fr. 10'245.-- "für Isoliermaterial und mit Berechnung gemäss Lieferscheinen
im Jahre 1959 (bzw. 1960) für Block 4 (bzw. Block 5) 'L'" vorgelegt,
ferner entsprechende Lieferscheine und Kostenverteiler. Im Verlaufe einer
von der Eidg. Steuerverwaltung durchgeführten Untersuchung gab A. zu,
dass sowohl die beiden Fakturen des I. R. Trusts wie die Kostenverteiler
und Lieferscheine fiktiv seien. Er und später auch S. erklärten, diese
Unterlagen seien erstellt worden, um effektive Zahlungen an eine Person
belegen zu können, deren Name nicht preisgegeben werden dürfe.

    Die Eidg. Steuerverwaltung erliess Strafverfügungen wegen Hinterziehung
von Couponabgaben und Verrechnungssteuern gegenüber A. und wegen
Gehilfenschaft zu diesen Delikten gegen S.

    2. Die I. AG hatte in ihren Jahresabschlüssen zulasten der
Erfolgsrechnung 1962 einen Betrag von Fr. 25'000.-- und zulasten
derjenigen des Jahres 1963 einen solchen von Fr. 175'000.-- abgeschrieben
und zur Begründung den Verlust eines der W. AG gewährten Darlehens von
Fr. 200'000.-- geltend gemacht. Sie belegte den behaupteten Verlust
gegenüber den Steuerbehörden mit verschiedenen Akten.

    Am 5. Februar 1966 eröffnete der inzwischen neu bestellte Vertreter der
I. AG der Eidg. Steuerverwaltung, dass A. vom Verlust von Fr. 200'000.--
Fr. 180'000.-- wieder eingebracht und als Salärzahlung für die Jahre
1958-1963 bezogen habe, ohne bei der I. AG eine Ein- und Ausgangsbuchung
vorzunehmen. Die Eidg. Steuerverwaltung bestrafte A. wegen Hinterziehung
von Couponabgaben und Verrechnungssteuern, S. wegen Gehilfenschaft
zu diesen Delikten. A. unterzog sich der Strafverfügung. S. verlangte
gerichtliche Beurteilung und wurde am 5./6. Februar 1970 vom Bezirksgericht
St. Gallen der Gehilfenschaft zur Hinterziehung von Verrechnungssteuern
schuldig gesprochen und mit einer Busse von Fr. 15'000.-- bestraft.

    3. In einem von der kantonalen Steuerverwaltung St. Gallen aufgrund
dieser beiden Tatbestände gegen die I. AG und gegen S. durchgeführten
Verfahren hatte die I. AG Fr. 155'966.05 an Nach- und Strafsteuern sowie
Bussen zu bezahlen. Gegen S. erliess die kantonale Steuerverwaltung am
4. Januar 1967 eine Steuerbussenverfügung über Fr. 5'000.-- wegen Mithilfe
zu der von der I. AG begangenen Steuerhinterziehung. Eine Einsprache
des S. wurde von der kantonalen Steuerverwaltung abgewiesen, während
die Verwaltungsrekurskommission den gegen die Abweisung der Einsprache
erhobenen Rekurs guthiess, aber zur Auffassung gelangte, das Vorgehen des
S. sei nicht nur als Teilnahme oder Begünstigung, sondern als Mitwirkung
bei den Steuerdelikten der I. AG zu werten. Sie erstattete deshalb
Strafanzeige beim Untersuchungsrichteramt St. Gallen. Dieses eröffnete
eine Strafuntersuchung wegen Steuerbetrugs und Urkundenfälschung, in die
später auch A. einbezogen wurde.

    B.- Am 6. Dezember 1973 sprach das Bezirksgericht St. Gallen die
beiden Angeklagten von der Anklage des Steuerbetrugs zufolge Verjährung
und von derjenigen der wiederholten Urkundenfälschung mangels Beweises
des subjektiven Tatbestandes frei.

    Das Kantonsgericht St. Gallen sprach demgegenüber A. und S. am 10. Juli
1974 der wiederholten Urkundenfälschung schuldig und verurteilte beide
zu je drei Monaten Haft unter Gewährung des bedingten Strafvollzugs.

    Von beiden Verurteilten eingereichte kantonale Nichtigkeitsbeschwerden
hat das Kassationsgericht des Kantons St. Gallen am 6. Februar 1975
abgewiesen, soweit es auf sie eintrat.

    C.- A. führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag auf Aufhebung des
kantonsgerichtlichen Urteils und Rückweisung der Sache zur Freisprechung
eventuell zur Neubeurteilung. Die Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen
hat auf Gegenbemerkungen verzichtet.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:
I.

Erwägung 1

    I.1.- Der Beschwerdeführer anerkennt, dass die Vorinstanz in der
kaufmännischen Buchhaltung mit Recht eine Urkunde im Sinne des StGB gesehen
habe. Er stellt sich jedoch auf den Standpunkt, deren Fälschung sei nach
Art. 335 Ziff. 2 StGB ausschliesslich durch die dem kantonalen Recht
vorbehaltenen Normen zu ahnden, wenn sie lediglich zu steuerrechtlichen
Zwecken erfolgt sei. Das Kantonsgericht habe angenommen, die Buchhaltung
habe nicht nur Steuerzwecken gedient; es sei möglich gewesen, dass durch
die Urkunde ausser dem Fiskus auch Dritte getäuscht worden seien. Diese
Auffassung halte nicht stand. Der Beschwerdeführer sei Alleinaktionär und
Alleineigentümer der I. AG und damit auch der alleinige Betroffene der
Aktiven und Passiven der Gesellschaft gewesen. Irgendein anderer Aktionär
habe nicht geschädigt werden können. Es habe auch eine bloss potentielle
Gefahr einer Schädigung etwa für den Fall eines späteren Verkaufs von
Aktien nicht bestanden, weil die Bilanz durch die beiden umstrittenen
Buchungen in ihrer Richtigkeit nicht berührt worden sei.

    a) Vorab ist festzustellen, dass dem Beschwerdeführer von den
Steuerbehörden nicht nur Hinterziehung von Gemeinde- und Kantonssteuern
zur Last gelegt wurde, sondern auch eine solche von Stempelabgaben auf
Coupons, von Verrechnungssteuern und Wehrsteuern. Die vom Beschwerdeführer
aufgeworfene Frage der Anwendbarkeit von Art. 251 StGB beurteilt sich
daher nicht nur im Verhältnis zum kantonalen Steuerstrafrecht (Art. 335
Ziff. 2 StGB), sondern auch im Verhältnis zum Fiskalrecht des Bundes.

    b) Was Art. 335 Ziff. 2 StGB anbelangt, hat der Kassationshof aus
dieser Bestimmung gefolgert, dass das kantonale Steuerstrafrecht als
Sonderrecht dem gemeinen Strafrecht vorgeht und für dessen Anwendung keinen
Raum lässt, sofern die Tat ausschliesslich begangen wurde, um kantonale
Steuervorschriften zu umgehen (BGE 81 IV 170, 84 IV 167, 91 IV 192, 92 IV
45). Es wurde jedoch hervorgehoben, dass dort, wo der Schrift von Gesetzes
wegen oder ihrer Natur nach eine besondere Beweisbestimmung zukommt, wie
das bei der kaufmännischen bzw. der privaten Buchhaltung der Fall ist,
diese objektive Bestimmung der Urkunde (BGE 79 IV 163) massgebend ist
und nicht das Motiv des Täters. Auch hat das Bundesgericht diese für die
kantonalen Steuern gültigen Grundsätze in gleicher Weise für anwendbar
erklärt, wenn die Herstellung oder der Gebrauch gefälschter Urkunden dazu
bestimmt ist, Bundessteuern zu hinterziehen (BGE 81 IV 169, 92 IV 45).

    c) Es steht fest, dass der Beschwerdeführer zwei Buchfälschungen
vorgenommen hat. Da die kaufmännische Buchhaltung von Gesetzes wegen und
zum vorneherein zum Beweis zivilrechtlicher Verhältnisse geführt werden
muss (BGE 91 IV 192, 92 IV 47 i.f.), handelt es sich somit nicht um eine
Urkundenfälschung, die nach den obgenannten Grundsätzen ausschliesslich
nach kantonalem Steuerstrafrecht oder Bundesfiskalrecht zu ahnden
wäre. Vielmehr ist Art. 251 StGB anwendbar, sofern die Merkmale dieses
Tatbestandes erfüllt sind.

    Der Umstand, dass der Beschwerdeführer Alleinaktionär und damit
die Schädigung eines andern Aktionärs ausgeschlossen war, ist ebenso
unbehelflich wie die Tatsache, dass im Falle eines Verkaufs von Aktien
der Käufer angeblich nicht hätte geschädigt werden können, weil die
Buchfälschungen die Bilanz nicht berührt hätten. Diese Einwände verkennen,
dass an einer der Vorschrift des Art. 959 OR genügenden Buchführung nicht
bloss andere Aktionäre interessiert sind, sondern auch Dienstpflichtige
(Art. 322a Abs. 2 OR) sowie Gläubiger und Schuldner des Unternehmens (HIS,
Kommentar, N 14 und 18 zu Art. 957 OR). Deshalb sieht denn auch Art. 963
OR vor, es könne, wer zur Führung von Geschäftsbüchern verpflichtet ist,
im Falle von Streitigkeiten, die das Geschäft betreffen, zur Vorlegung
seiner Geschäftsbücher angehalten werden, soweit ein berechtigtes Interesse
nachgewiesen wird und der Richter die Vorlegung für die Beweisführung
als notwendig erachtet.

Erwägung 2

    I.2.- A. macht weiter geltend, die Vorinstanz habe die Frage der
Gesetzeskonkurrenz nicht richtig behandelt. Er sei nämlich bereits
in Anwendung von Art. 12 CG, 15 VStB und 129 WStB wegen Hinterziehung
der entsprechenden Abgaben rechtskräftig bestraft worden. Nach diesen
Bestimmungen sei strafbar, wer durch unwahre Angaben oder auf andere
Weise sich in betrügerischer Absicht einen Steuervorteil beschaffe oder
wer verfälschte oder inhaltlich unwahre Urkunden verwende. Er sei daher
bereits aufgrund von Normen abgeurteilt worden, welche die Tat nach allen
Seiten abgälten. Die Anwendung von Art. 251 StGB sei damit ausgeschlossen.

    Wie bereits ausgeführt, ist im vorliegenden Fall Art. 251 StGB
anzuwenden, weil die gefälschte Urkunde von Gesetzes wegen und zum
vorneherein zum Beweis zivilrechtlicher Verhältnisse geführt werden
musste, also objektiv nicht ausschliesslich für steuerrechtliche Zwecke
bestimmt war, was aber der Fall sein müsste, um die Anwendung des gemeinen
Strafrechtes auszuschliessen. Es könnte sich deshalb höchstens fragen,
ob zusätzlich zum Art. 251 StGB Fiskalstrafrecht zur Anwendung kommen
kann oder nicht. Die Frage muss hier indessen offen bleiben, weil die
steuerstrafrechtlichen Verfügungen in Rechtskraft erwachsen sind und es
deshalb für den Kassationshof so oder anders bei ihnen bleiben muss. Sollte
übrigens der Beschwerdeführer zu Unrecht schon nach den Bestimmungen
des CG, des VStB und des WStB bestraft worden sein, so könnte dieser
Fehler ohnehin nicht durch einen anderen, nämlich die Nichtanwendung von
Art. 251 StGB, der von Rechts wegen Platz greifen muss, ausgeglichen werden
(unveröffentlichtes Urteil vom 17. Dezember 1965 i.S. K. und W.).

Erwägung 3

    I.3.- Der Beschwerdeführer wirft der Vorinstanz ferner vor, sie irre in
bezug auf den subjektiven Tatbestand des Art. 251 StGB. Urkundenfälschung
schliesse den Willen in sich, von der Fälschung zur Täuschung eines andern
Gebrauch zu machen. Das bedeute auf den vorliegenden Fall bezogen, dass
eine Urkundenfälschung nur gegeben sei, wenn im Zeitpunkt der Tat seitens
des Beschwerdeführers der Wille bestanden habe, von der Fälschung nicht
nur gegenüber den Steuerbehörden, sondern auch gegenüber Dritten Gebrauch
zu machen. Diesen Willen habe er nie gehabt und die Vorinstanz habe das
Gegenteil auch nicht behauptet. Tatsächlich hätte er einen solchen Willen
gar nicht haben können, weil nicht ersichtlich sei, wen er überhaupt
ausser den Steuerbehörden hätte täuschen können.

    a) Dem Beschwerdeführer ist dahin beizupflichten, dass zum subjektiven
Tatbestand der Urkundenfälschung nicht genügt, dass der Täter willentlich
eine Schrift fälscht, von der er weiss, dass sie geeignet oder bestimmt
ist, eine Tatsache von rechtlicher Bedeutung zu beweisen, sondern dass es
überdies der Täuschungsabsicht bedarf, der Täter muss den unrechtmässigen
Vorteil bzw. die Schädigung mittels der Täuschung anstreben. Art. 251 StGB
ist zum Schutz von Treu und Glauben im Verkehr erlassen worden. Dieses
Rechtsgut wird jedoch nur gefährdet, wenn der Täter mit dem Willen fälscht,
das Falsifikat zur Täuschung im Rechtsverkehr zu gebrauchen, es als echt
zu verwenden (BGE 95 IV 73 Erw. 3, 100 IV 182).

    b) Diesbezüglich stellt die Vorinstanz fest, der Beschwerdeführer habe
mit dem Übertrag des um Fr. 20'140.-- verfälschten Saldos der Baurechnung
"L" in die Buchhaltung unzulässigerweise eine Senkung des buchmässigen
Geschäftsgewinns der I. AG beabsichtigt, womit die steuerliche Belastung
niedriger ausgefallen sei. Dass seine Absicht nur auf Erlangung eines
unrechtmässigen Steuervorteils gerichtet gewesen sei, ändere nichts;
denn auch das sei ein Vorteil im Sinne des Gesetzes. Des weiteren seien
die fiktiven Rechnungen auch deshalb erstellt worden, um den unbekannten
Geldempfänger nicht den Steuerbehörden auszuliefern.

    Damit ist - was die Fr. 20'140.-- anbelangt - ausser der
Vorteilsabsicht auch die Täuschungsabsicht verbindlich festgestellt. Dass
eine Täuschung der Steuerbehörden beabsichtigt war, genügt vollauf, auch
wenn der Täter nicht nach den steuerstrafrechtlichen Normen, sondern nach
Art. 251 StGB beurteilt wird (BGE 91 IV 191 und das unveröffentlichte
Urteil i.S. K. und W. vom 17. Dezember 1965).