Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 101 IV 385



101 IV 385

89. Urteil des Kassationshofes vom 12. Dezember 1975 i.S. Kubac gegen
Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich. Regeste

    Bedingter Strafvollzug.

    Die angerechnete Untersuchungshaft wird einer verbüssten
Freiheitsstrafe im Sinne von Art. 41 Ziff. 1 Abs. 2 StGB gleichgestellt.

Sachverhalt

    A.- Rastislav Kubac wurde vom Obergericht des Kantons Zürich am
24. März 1972 mit fünf Monaten Gefängnis und einer Busse bestraft. Von der
Untersuchungshaft wurden ihm 60 Tage angerechnet. Bei seiner bedingten
Entlassung am 13. November 1972 hatte er insgesamt 100 Tage der Strafe
verbüsst.

    Am 27. Mai 1975 verurteilte ihn das Zürcher Obergericht zu 42 Tagen
Gefängnis. Den bedingten Strafvollzug verweigerte es ihm, weil schon die
objektiven Voraussetzungen hiefür fehlten. Auch in subjektiver Hinsicht
beständen schwerste Bedenken, doch könne diese Frage offen gelassen werden.

    B.- Mit Nichtigkeitsbeschwerde beantragt Kubac, das obergerichtliche
Urteil aufzuheben, soweit es den bedingten Strafvollzug verweigert,
und die Sache an die Vorinstanz zum Entscheid zurückzuweisen, ob ihm aus
subjektiven Gründen der bedingte Vollzug gewährt werden könne.

    Obergericht und Staatsanwaltschaft verzichten auf Gegenbemerkungen.

Auszug aus den Erwägungen:

            Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Der Beschwerdeführer hat im kantonalen Verfahren immer auf
Freispruch plädiert und selbst im Berufungsverfahren auch nicht
eventualiter um Gewährung des bedingten Strafvollzuges nachgesucht,
obwohl er schon von der ersten Instanz zu einer unbedingten Gefängnisstrafe
verurteilt wurde. Sein Antrag vor Bundesgericht auf Gewährung des bedingten
Strafvollzuges ist daher neu. Da aber das Obergericht als Berufungsinstanz
die Frage nach kantonalem Recht von Amtes wegen geprüft hat, ist auf die
Beschwerde einzutreten (BGE 85 IV 119 f.).

Erwägung 2

    2.- Der Aufschub des Strafe gemäss Art. 41 StGB ist u.a. dann nicht
zulässig, "wenn der Verurteilte innerhalb der letzten fünf Jahre von
der Tat wegen eines vorsätzlich begangenen Verbrechens oder Vergehens
eine Zuchthaus- oder eine Gefängnisstrafe von mehr als drei Monaten
verbüsst hat".

    Der Beschwerdeführer hatte, die angerechnete Untersuchungshaft
eingerechnet, in der Zeit vom 21. April 1971 bis zu seiner bedingten
Entlassung am 13. November 1972 insgesamt 100 Tage, also mehr als drei
Monate Gefängnisstrafe innerhalb der 5 Jahre, bevor er am 7. Mai 1974
erneut straffällig wurde, verbüsst. Die frühere Strafe wurde, wenigstens
zur Hauptsache, wegen vorsätzlichen Verbrechen und Vergehen ausgesprochen.

Erwägung 3

    3.- Der Beschwerdeführer macht geltend, die 60 Tage Untersuchungshaft
habe er nicht in der Strafvollzugsanstalt verbracht, sodass er nur
40 Tage, also weniger als drei Monate, Gefängnisstrafe verbüsst habe.
Die Untersuchungshaft diene nicht der Erziehung des Häftlings und könne
daher dem Strafvollzug im Sinne dieser Bestimmung nicht gleichgesetzt
werden, auf keinen Fall dann, wenn zwischen Untersuchungshaft und
Strafvollzug eine gewisse Zeit verstrichen sei.

    Dieser Meinung kann nicht gefolgt werden. Die Anrechnung
der Untersuchungshaft gemäss Art. 69 StGB bedeutet nach ständiger
Rechtsprechung, dass die Strafe in dem Umfang, in dem die angerechnete
Haft gedauert hat, als getilgt gilt und nur noch für den allenfalls nicht
erstandenen Teil zu vollstrecken ist (BGE 90 IV 70/1 sowie 84 IV 9 und
Zitate). Der angerechneten Untersuchungshaft wird mit andern Worten die
rechtliche Wirkung der Strafvollstreckung beigelegt. Insoweit ist die
Untersuchungshaft einer verbüssten Strafe rechtlich gleichgestellt. Niemand
wird behaupten, dass derjenige, dem die Untersuchungshaft so angerechnet
worden ist, dass nichts mehr zu vollstrecken ist, die Strafe nicht
verbüsst habe. Vernünftigerweise kann nicht das Gegenteil gelten, wenn
nach Anrechnung der Untersuchungshaft ein Teil der Strafe noch zu verbüssen
bleibt. Die gesetzliche Bedeutung der Anrechnung der Untersuchungshaft
bleibt die gleiche, auch wenn sie sich zum Nachteil des Verurteilten
auswirkt.

Entscheid:

             Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.