Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 101 IV 381



101 IV 381

88. Urteil des Kassationshofes vom 2. Oktober 1975 i.S. M. c. S. und
Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich. Regeste

    Art. 270 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 3 BStP.

    Der Geschädigte, der eine schwere Körperverletzung erlitten hat, ist
weder als Antragsteller noch als Privatstrafkläger befugt, gegen einen
Einstellungsbeschluss der Zürcher Strafbehörden Nichtigkeitsbeschwerde
zu führen.

Sachverhalt

    A.- Am 25. Oktober 1974 um 17.15 Uhr fuhr S. mit seinem Lieferwagen
durch die Brandschenkestrasse in Zürich stadtauswärts. In der Absicht,
auf der Höhe der Liegenschaft Brandschenkestrasse 25 nach links in
den Hof der Post abzubiegen, spurte er gegen die Fahrbahnmitte ein
und hielt bei jener Liegenschaft an, da ihm eine auf der Gegenfahrbahn
wegen Rotlichts stillstehende Fahrzeugkolonne den Weg versperrte. Als
das Grünlicht aufleuchtete, setzte sich die Kolonne in Bewegung. A.,
der mit seinem Kastenwagen auf der Höhe der Einfahrt zur Post stand,
gab S. ein Handzeichen zum Durchfahren. Als dieser nach links abbog,
stiess rechts hinter dem Kastenwagen A.s der Motorradfahrer M. vor und
prallte gegen den Lieferwagen, wobei er erheblich verletzt wurde.

    B.- Eine auf Strafantrag M.s gegen S. eröffnete Strafuntersuchung
wegen fahrlässiger Körperverletzung wurde von der Bezirksanwaltschaft
Zürich mangels Nachweises eines strafrechtlich erheblichen Verschuldens
eingestellt.

    Einen Rekurs M.s wies die Rekurskommission der Staatsanwaltschaft
des Kantons Zürich am 10. Juni 1975 ab.

    C.- M. führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, der Entscheid
der Staatsanwaltschaft sei aufzuheben und S. wegen fahrlässiger schwerer
Körperverletzung und Verletzung von Verkehrsregeln zu bestrafen.

Auszug aus den Erwägungen:

            Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Der Verletzte M. ist weder als Antragsteller noch als
Privatstrafkläger zur Nichtigkeitsbeschwerde befugt.

    a) Dem Privatstrafkläger steht die Nichtigkeitsbeschwerde zu, wenn
er nach den Vorschriften des kantonalen Rechts allein, ohne Beteiligung
des öffentlichen Anklägers, die Anklage vertreten hat (Art. 270 Abs. 3
BStP). Der öffentliche Ankläger ist an der Sache auch beteiligt, wenn er
nicht formell in Parteistellung auftritt, sondern selber über die Anklage
entscheidet (BGE 71 IV 111). So verhält es sich hier.

    b) In den Fällen, die nur auf Antrag des Verletzten verfolgt werden,
steht die Nichtigkeitsbeschwerde auch dem Antragsteller zu (Art. 270
Abs. 1 Satz 2 BStP).

    Ob im Sinne dieser Bestimmung ein nur auf Antrag zu verfolgender
Fall vorliegt, hat der Kassationshof vorfrageweise zu entscheiden,
ohne an die von den Parteien vertretene Auffassung oder an den Entscheid
der kantonalen Behörde gebunden zu sein (Urteile vom 29. September 1953
i.S. Nicklès c. Bandi und vom 17. September 1954 i.S. Lüscher c. Schwarz).

    Weil der Kassationshof kein eigenes Beweisverfahren durchführen und die
Sache auch nicht zur Prüfung dieser Frage an die Vorinstanz zurückweisen
kann, da diese damit nicht befasst war und deshalb ihr Urteil insoweit
nicht Bundesrecht verletzt, muss die vorfrageweise Prüfung aufgrund des
Sachverhalts erfolgen, wie er sich dem angefochtenen Urteil und den Akten
entnehmen lässt.

    Der Begriff der schweren Körperverletzung in Art. 125 Abs. 2
entspricht demjenigen nach Art. 122 StGB (BGE 68 IV 84, 93 IV 12). Danach
macht sich der schweren Körperverletzung schuldig, wer einen Menschen
lebensgefährlich verletzt, einen Körperteil, ein wichtiges Organ oder Glied
eines Menschen verstümmelt oder unbrauchbar macht, einen Menschen bleibend
arbeitsunfähig, siech oder geisteskrank macht, das Gesicht eines Menschen
arg und bleibend entstellt oder eine andere schwere Schädigung des Körpers
oder der körperlichen oder geistigen Gesundheit des Menschen verursacht.

    Nach dem bei den Akten liegenden Arztzeugnis vom 21. Januar 1975 erlitt
M. eines Hirnerschütterung, einen Schädelbruch verbunden mit teilweisem
Gehörsverlust und Ohrensausen beidseits sowie verschiedene Schnittwunden im
Gesicht. Die Gesichtsverletzungen werden aller Wahrscheinlichkeit nach nie
mehr ein 100%ig kosmetisch befriedigendes Resultat ergeben. Zu allfälligen
Restfolgen bezüglich des Gehörs konnte der Arzt damals noch nichts
aussagen. M. war vom 25. Oktober bis 7. November 1974 hospitalisiert,
stand im Januar 1975 noch in Nachbehandlung und war vom 25. Oktober bis
25. November 1974 zu 100%, vom 26. November bis 9. Dezember 1974 zu 50%
arbeitsunfähig.

    Die Hirnerschütterung, der Schädelbruch, die bleibende Entstellung des
Gesichts und das mögliche Bestehenbleiben des teilweisen Gehörsverlusts
sowie der Spitalaufenthalt und die Arbeitsunfähigkeit von mehreren Wochen
erscheinen gesamthaft als "andere" schwere Schädigung des Körpers im
Sinne des Gesetzes. Folgerichtig hat M. selbst im Beschwerdeantrag
die Aufhebung des Entscheides und die Bestrafung S.s. wegen schwerer
Körperverletzung gefordert. Er verlangt demnach eine Bestrafung wegen
einer von Amtes wegen zu verfolgenden Tat. Dazu ist er nicht befugt.

Erwägung 2

    2.- Kann somit auf die Beschwerde nicht eingetreten werden, so ist
es dem Bundesgericht versagt, sich materiell zum angefochtenen Entscheid
und dessen Begründung zu äussern.

Entscheid:

             Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Auf die Nichtigkeitsbeschwerde wird nicht eingetreten.