Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 101 IV 36



101 IV 36

11. Urteil des Kassationshofes vom 27. Februar 1975 i.S. X. gegen
Staatsanwaltschaft des Kantons Luzern, Gameo S.A. und Omega S.A. Regeste

    1. Art. 154 Ziff. 1 Abs. 1 und Ziff. 3 StGB. Inverkehrbringen
gefälschter Waren.

    a) Eine Uhr, deren Werk zwar eine bestimmte, der Wahrheit entsprechende
Herkunftsbezeichnung trägt, deren Glas, Gehäuse und Schmuckarmband
jedoch anderen Ursprungs sind, gilt als verfälscht, da sie im Verkehr
als unveränderte Einheit aufgefasst wird (Erw. 1 und 2).

    b) Verpfändet jemand, der um die Verfälschung weiss und sie
verschweigt, eine solche Uhr und rechnet er ernsthaft mit der Möglichkeit
der Verwertung des Pfandes, so macht er sich des oben genannten Vergehens
schuldig, ungeachtet, ob der Pfandgläubiger für seine Forderung gedeckt
war oder nicht (Erw. 3 und 4).

    c) Eine so verfälschte Uhr kann eingezogen werden, da Gefahr besteht,
dass sie weiterhin als unverfälscht in Verkehr gebracht wird (Erw. 7).

    2. Art. 24 lit. c MSchG.

    a) Strafbar nach dieser Vorschrift macht sich auch, wer Gegenstände,
die von dritter Seite verändert wurden, ohne Entfernung der Originalmarke
in Verkehr bringt (Erw. 5).
   b) Art. 154 StGB konkurriert mit Art. 24f MSchG idealiter (Erw. 6).

Sachverhalt

    A.- X. erwarb 1970 oder 1971 von M. in Luzern eine Omega-Uhr Typ
245 F und gab sie frühestens im Herbst 1972 an B. gegen ein Darlehen
von Fr. 4'000.-- in Pfand. Zur Zeit der Pfandgabe der Uhr wusste er,
dass die Uhr gefälscht war. Die Fälschung bestand darin, dass an einem
originalen Omega-Uhrwerk (inkl. Zifferblatt, Zeiger und Aufzugskrone)
nicht originales Glas, ein nicht originales Gehäuse und nicht originale
Armbänder mit billigeren Brillanten eingesetzt worden waren.

    Gleichzeitig hatte X. an B. eine zweite Damenschmuckuhr, Marke
Jaeger-Le-Coultre, verpfändet, die er im Rahmen eines grösseren Geschäftes
von C. an Zahlungsstatt erhalten hatte. Auch diese Uhr war gefälscht.

    Die Firmen Gameo S.A. und Omega S.A. reichten gegen X. Strafanzeige ein
wegen Verstoss gegen die Art. 153 ff. StGB, Art. 24 MSchG und Art. 13 UWG.

    B.- Mit Entscheid vom 19. September 1973 hat der Amtsstatthalter
von Luzern-Stadt die Untersuchung gegen X. eingestellt, im wesentlichen
mit der Begründung, dem Angeklagten könne ein deliktischer Vorsatz nicht
nachgewiesen werden.

    Die Firmen Gameo S.A., Omega S.A., sowie die Bundesanwaltschaft
rekurrierten gegen diesen Entscheid.

    Mit Urteil vom 12. Juli 1974 wurde X. vom Obergericht des Kantons
Luzern hinsichtlich der Omega-Uhr wegen Inverkehrbringens gefälschter waren
nach Art. 154 Ziff. 1 Abs. 1 StGB und wegen Inverkehrbringens von mit
einer rechtswidrigerweise angebrachten Marke versehenen waren nach Art. 24
lit. c MSchG zu drei Wochen Gefängnis verurteilt. Die Freiheitsstrafe
wurde bedingt aufgeschoben und die Probezeit auf 2 Jahre festgesetzt.

    In bezug auf die Uhr der Marke Jaeger-Le-Coultre wurde X. kein
Verschulden nachgewiesen.

    Das Obergericht verfügte die Einziehung der beiden Uhren.

    C.- X. führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag auf Freisprechung.

Auszug aus den Erwägungen:

             Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    I.1.- Inverkehrbringen verfälschter Waren

    Die Omega-Uhr Typ 245 F ist eine Damenschmuckuhr. Bei dieser bilden
Uhrwerk, Gehäuse mit Glas und Armband mit Brillanten nach der üblichen
Verkehrsauffassung eine Einheit, wie die Vorinstanz mit Recht annimmt.
Wegen des Wertes, der allen diesen Bestandteilen zukommt, ist es dem Käufer
nicht gleichgültig, woher sie stammen. Trägt das Uhrwerk die Bezeichnung
"Omega", so wird der Eindruck erweckt, die ganze Uhr mit Einschluss
von Gehäuse und Armband stamme von Omega. Dem Durchschnittskäufer ist
teils nicht geläufig, wieweit auch andere Bestandteile wie Gehäuse und
Armband besondere Herkunftshinweise tragen müssen, teils achtet er nicht
darauf. Insbesondere wenn er auf den übrigen Uhrenbestandteilen keine
Hinweise auf anderweitige Herkunft findet, wird er in der Regel davon
ausgehen, die ganze Schmuckuhr mit allen Bestandteilen sei gleichen
Ursprungs. Das gilt besonders dann, wenn - wie bei der Firma Omega -
Waren hergestellt werden, bei denen alle wertvollen Bestandteile gleichen
Ursprungs sind.

Erwägung 2

    I.2.- Am originalen Omega-Uhrwerk wurden nach verbindlicher
Feststellung der Vorinstanz nicht originales Glas, ein nicht originales
Gehäuse, nicht originale Armbänder und billigere als die ursprünglichen
Brillanten angebracht. Da die Schmuckuhr im Verkehr als unveränderte
Einheit aufgefasst wird, wurde sie durch diese Veränderungen im Sinne
von Art. 153 f. StGB verfälscht und auch im Wert verringert (vgl. BGE 84
IV 95 Erw. 1). Obwohl der Beschwerdeführer nach dem angefochtenen Urteil
darum wusste, hat er sie ohne bezügliche Hinweise in Pfand gegeben. Dass
er die Veränderungen schon zur Zeit, als er die Uhr kaufte, kannte, ist
nicht erforderlich. Er hat entgegen seiner Behauptung in der Beschwerde
vorsätzlich gehandelt, als er die Uhr verpfändete.

Erwägung 3

    I.3.- Art. 154 Ziff. 1 Abs. 1 StGB erfordert sodann, dass der Täter
die Ware "als echt, unverfälscht oder vollwertig feilhält oder sonst in
Verkehr bringt". Stets sind es Handelswaren (BGE 76 IV 95), also bewegliche
Sachgüter, die unmittelbar der Befriedigung materieller und geistiger
Bedürfnisse dienen, die in Handel und Verkehr gebracht werden. Werden
die Sachgüter aus dem Handel und Verkehr gezogen, sind sie beispielsweise
im Besitze des Konsumenten, der sie zur Befriedigung seiner Bedürfnisse
gebrauchen oder verbrauchen will, sind sie nicht mehr Waren im Sinne
der Art. 153 ff. StGB. Ohne Verstoss gegen diese Vorschriften können
sie beliebig verändert werden. Ändert der Besitzer nachträglich seine
Absicht und bringt er die Sachgüter wieder in Verkehr, so hat er sie in
dem Zustand, in dem sie sich befinden, verkehrsüblich kenntlich zu machen.

    Ob die Verpfändung eines solchen beweglichen Sachgutes an sich stets
ein Inverkehrbringen der Ware im Sinne der genannten Bestimmung bedeutet,
kann offen bleiben. Jedenfalls gilt die Ware dann als aus Handel und
Verkehr entzogen, wenn der Schuldner willens ist, das Pfand wieder
auszulösen und die Sache nicht erneut in Verkehr zu bringen. Rechnet
der Schuldner jedoch im Sinne des Eventualvorsatzes ernsthaft mit der
Möglichkeit, dass der Gläubiger das Pfand verwerten wird, so ist die Lage
keine andere, als wenn der Schuldner die Ware an einen Kaufmann absetzt,
der sie bei Gelegenheit früher oder später weiterverkauft. Muss also
mit der Verwertung der Pfandsache ernsthaft gerechnet werden, ist sie
nicht aus dem Verkehr gezogen. Sie wird vielmehr jemandem ausgehändigt,
von dem ernsthaft zu erwarten ist, er werde sie verwerten. Weiss der
Erwerber nicht um die Verfälschung, rechnet der Schuldner auch damit,
jener werde die Sache als unverfälscht in Verkehr bringen.

    Nach verbindlicher Feststellung der Vorinstanz hat der Beschwerdeführer
ernsthaft damit gerechnet, er könne das kurzfristige Darlehen nicht
rechtzeitig zurückzahlen und das Pfand werde allenfalls verwertet. Durch
die Verpfändung wurden die verfälschten Uhren daher nicht aus Handel
und Verkehr gezogen. Der Beschwerdeführer wurde deshalb mit Recht des
vorsätzlichen Inverkehrbringens gefälschter Waren schuldig erklärt.

Erwägung 4

    I.4.- Die Omega-Uhr war verfälscht und im Wert verringert,
wie die Vorinstanz verbindlich festgestellt hat. Das genügt für die
Strafbarkeit. Nicht nötig ist, dass der Pfandgläubiger für seine Forderung
angeblich gedeckt war, weil der Beschwerdeführer persönlich haftete
und noch eine zweite Uhr in Pfand gegeben hatte. Art. 154 StGB setzt
im Gegensatz zum Betrug keine Schädigung voraus (BGE 94 IV 110 Erw. 5,
6). Im Falle einer Verwertung der Uhr wäre der Erwerber in der Erwartung,
eine unverfälschte Schmuckuhr zu erhalten, getäuscht worden.

    Der Beschwerdeführer hat sich deshalb des vorsätzlichen
Inverkehrbringens gefälschter Waren schuldig gemacht.

Erwägung 5

    II.5. II. Verletzung des Markenschutzgesetzes

    - Strafbar macht sich nach Art. 24 lit. c MSchG u.a., wer Waren, von
denen er weiss, dass sie mit einer rechtswidrigerweise angebrachten Marke
versehen sind, verkauft, feilhält oder in Verkehr bringt. Dabei ist nicht
nötig, dass das ursprüngliche Anbringen der Marke rechtswidrig war. Unter
diese Vorschrift fällt auch, wer Gegenstände, die von dritter Seite
verändert wurden, ohne Entfernen der Originalmarke in Verkehr bringt. Denn
dadurch wird eine Ware, die nicht als solche aus dem Betrieb stammt,
den die Marke angibt, in Verkehr gebracht. Indem der Beschwerdeführer
eine Damenuhr in Verkehr brachte, von der nur ein Teil aus dem Betrieb
der Omega-Werke stammte, an der von dritter Seite aber das Glas, das
Gehäuse und das Schmuckarmband angebracht worden war, hat er an dieser
so veränderten Ware die Marke "Omega" rechtswidrig verwendet. Denn die
Armbanduhr wird im Verkehr als Einheit angesehen und als Ganzes verkauft.

Erwägung 6

    II.6.- Auch die übrigen Voraussetzungen der Strafbarkeit sind
erfüllt. Die Armbanduhr ist ein gewerbliches Erzeugnis im Sinne von
Art. 1 MSchG. Sie wurde vom Beschwerdeführer, wie bereits in Erwägung
3 oben dargelegt, in Verkehr gebracht. Den Vorsatz hat die Vorinstanz
verbindlich bejaht.

    Zu Art. 154 StGB tritt Art. 24f MSchG in Idealkonkurrenz. Art. 154
StGB schützt den Käufer und letztlich den Konsumenten vor verfälschter
und im Wert verringerter Ware, Art. 24f MSchG neben dem Käufer vorab den
Fabrikanten oder Kaufmann, der nicht dulden muss, dass unter seiner Marke
Waren im Verkehr sind, die nicht von ihm stammen oder die von Dritten
verändert wurden (vgl. BGE 84 IV 99; SCHWANDER, SJK Nr. 1193 N. 44).

    Die ordentliche Verjährung tritt in zwei Jahren ein, die absolute in
drei Jahren (Art. 28 Abs. 4 MSchG, Art. 72 Ziff. 2 Abs. 2 StGB; BGE 84
IV 93 Erw. 1). Frühestens im Herbst 1972 hat der Beschwerdeführer die
Uhren verpfändet. Die Strafverfolgung ist daher nicht verjährt.

Erwägung 7

    III.7. Einziehung der verfälschten Uhren

    - Die Vorinstanz hat beide Uhren (Marke Omega und Marke
Jaeger-Le-Coultre) in Anwendung von Art. 58 und 154 Ziff. 3 StGB
eingezogen. Die Einziehung ist zu Recht erfolgt. Die Gefahr, dass diese
Uhren weiterhin als unverfälscht in Verkehr gebracht würden, konnte die
Vorinstanz ohne Verletzung von Bundesrecht bejahen.

    Entgegen der in der Beschwerde vertretenen Auffassung ist auch die
Uhr der Marke Jaeger-Le-Coultre einzuziehen. Sie war verfälscht und in
Verkehr gebracht worden, ansonst sie der Beschwerdeführer von C. nicht
hätte erwerben können. Diese objektiven Tatbestandsmerkmale genügen zur
Anwendung von Art. 58 StGB. Die Einziehung ist eine vorbeugende Massnahme
wegen der Gefährlichkeit der Sache, bzw. wegen dem zu erwartenden Gebrauch
in der Hand des betreffenden Menschen, mag die Sache selbst im Eigentum
eines Dritten sein (GERMANN, Textausgabe, 9. Aufl., Anm. zu Art. 58 StGB).

Entscheid:

              Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten
werden kann.