Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 101 IV 350



101 IV 350

83. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 31. Oktober 1975 i.S.
Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich gegen T. Regeste

    Art. 7 des BG betr. den Telegrafen- und Telefonverkehr bestimmt
lediglich, unter welchen Voraussetzungen die Post-, Telefon- und
Telegrafenbetriebe von Bundesrechts wegen einem Gesuch der kantonalen
Strafbehörden um Abhören von Telefongesprächen entsprechen müssen. Vom
zuständigen kantonalen Recht hängt es ab, ob diese Zwangsmassnahme
überhaupt angeordnet werden darf.

Sachverhalt

    A.- T. wurde vom Obergericht des Kantons Zürich am 13.  September 1974
der Zuhälterei, der wiederholten Hehlerei, des versuchten Betrugs und der
Anstiftung zu falschem Zeugnis schuldig erklärt und zu 30 Monaten Gefängnis
sowie zu bedingt aufgeschobener Landesverweisung für 10 Jahre verurteilt.

    Für den Schuldspruch wegen Zuhälterei stellte das Obergericht u.a. auf
Telefonabhörprotokolle ab, ausgenommen solche, die Gespräche enthielten,
welche T. mit seinem Verteidiger geführt hatte.

    B.- Eine von T. eingereichte kantonale Nichtigkeitsbeschwerde hat das
Kassationsgericht des Kantons Zürich am 14. Mai 1975 dahin gutgeheissen,
dass das Obergericht über die Anklage der Zuhälterei unter Ausschluss
der Telefonabhörprotokolle neu zu urteilen habe.

    C.- Mit eidgenössischer Nichtigkeitsbeschwerde beantragt
die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich, den Entscheid des
Kassationsgerichtes aufzuheben und die Sache zu neuer Beurteilung an die
Vorinstanz zurückzuweisen.

Auszug aus den Erwägungen:

                     Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- Das Abhören von Telefongesprächen greift in das durch Art. 36
Abs. 4 BV geschützte Telefongeheimnis ein und bedarf daher zur
Rechtfertigung der gesetzlichen Grundlage (BGE 82 I 239, 90 I 38 E. 4).

    § 104 StPO-ZH ermächtigt die Strafbehörden, Telegramme und andere
"Sendungen" zu beschlagnahmen. Nach der für den Kassationshof verbindlichen
Auslegung durch die Vorinstanz (Art. 273 Abs. 1 lit. b BStP) schliesst
diese Vorschrift aber nicht das Abhören von Telefongesprächen in sich,
ebensowenig wie eine andere Rechtsregel des kantonalen Rechts.

Erwägung 3

    3.- Es bleibt deshalb zu prüfen, ob schon Art. 7 des Telegrafen- und
Telefongesetzes (TVG) die kantonalen Strafbehörden ermächtigt, in einer
bei ihnen hängigen Bundesstrafsache ein Abhören von Telefongesprächen
anzuordnen, wie die Staatsanwaltschaft behauptet, oder ob diese Vorschrift
bloss die Voraussetzungen umschreibt, die gegeben sein müssen, damit die
Telefonverwaltung als Organ des Bundes den Kantonen Rechtshilfe gewähren
und Telefongespräche abhören muss, sofern das massgebliche kantonale
Recht selber diese prozessuale Massnahme zulässt.

    Es ist davon auszugehen, dass die Telefonüberwachung durch die PTT
unter den hier gegebenen Umständen ein Akt der Rechts- bzw. Amtshilfe einer
Verwaltungsstelle des Bundes an die Strafbehörden des Kantons Zürich war
(vgl. BGE 79 IV 180 ff.).

    Die Zulässigkeit einer Rechtshilfe richtet sich in erster Linie nach
dem massgebenden kantonalen Strafprozessrecht (BGE 79 IV 183 E. 3). Dass
ein Kanton berechtigt ist, mit Wirkung für seine Gerichte zu bestimmen,
mit welchen Zwangs- und Beweismitteln die Wahrheit erforscht werden darf,
folgt aus seiner Gesetzgebungskompetenz auf dem Gebiete des Prozessrechtes
(Art. 64bis Abs. 2

BV, Art. 365 StGB). Das massgebende kantonale Recht kann im vorliegenden
Fall nur jenes des Kantons Zürich sein; denn dort ist das Strafverfahren
hängig und dort befanden sich die überwachten Telefonanschlüsse. Nach
diesem Recht war aber, wie das Kassationsgericht für den Kassationshof
verbindlich festgestellt hat, diese Beweiserhebung unzulässig.

Erwägung 4

    4.- Seit dem Entscheid in BGE 79 IV 180 hat sich der Rechtszustand
nicht geändert. Die seitherigen Änderungen des Art. 7 TVG (Ziff.
I des Bundesgesetzes vom 20. Dezember 1968, AS 1969 S. 1117, BBl
1968 I 393; Ziff. II des Bundesgesetzes vom 6. Oktober 1972, AS 1973
S. 925, BBl 1971 II 369, 481) haben die Rechtshilfepflicht der PTT
gegenüber den Strafbehörden eingeschränkt, aber keine selbständige
strafprozessuale Norm eingeführt, die von Bundesrechts wegen die kantonalen
Strafbehörden ermächtigen würde, ohne eine entsprechende kantonale
Norm Telefone abzuhören. Jene Revisionen bezweckten eine Stärkung des
Telefongeheimnisses, eine Einschränkung der Rechtshilfepflicht der
PTT, nicht die Schaffung der gesetzlichen Grundlage für die kantonalen
Strafbehörden, Telefongespräche abhören zu lassen. Weder der Gesetzestext
wurde in dieser Richtung geändert noch der unmittelbare Normadressat
("Post-, Telefon- und Telegrafenbetriebe"). Die systematische Stellung
(Ausnahme von der Geheimhaltungspflicht, die Art. 6 TVG den mit
telefondienstlichen Verrichtungen betrauten Personen auferlegt) blieb
die gleiche. Hätte die Gesetzesänderung bezweckt, die Zulässigkeit des
Telefonabhörens als prozessuales Beweis- und Zwangsmittel einzuführen,
d.h. die Strafverfolgungsbehörden dazu zu ermächtigen, hätte dies im
Gesetzestext oder in der Systematik zum Ausdruck kommen müssen.

    Auch die Gesetzgebungsarbeiten geben keine Anhaltspunkte. Sie nehmen
wiederholt auf BGE 79 IV 180 Bezug. Für die Revision von 1968 gab er
sogar den eigentlichen Anstoss. Es ging lediglich darum, die Abhörung
einzuschränken. Den Kantonen hiefür eine gesetzliche Grundlage, die ihnen
nach dem Präjudiz fehlte, zu geben, stand nicht zur Diskussion.

    Bei der zweiten Revision ging es um die parlamentarische Immunität,
also wiederum nicht darum, das Abhören von Telefongesprächen als
strafprozessuale Institution generell zu regeln. Doch kam die Frage in
diesem Zusammenhang zur Sprache. Zwar fand der Bundesrat, im Gegensatz
zur Kommission, Art. 7 TVG, da er der Bundesgesetzgebung angehöre,
würde Art. 66 BStP und Art. 81 MStGO hinreichend ergänzen. Doch sei es
aus Gründen der Rechtssystematik und der Klarheit gerechtfertigt, die
Telefonüberwachung in diesen Bestimmungen ausdrücklich zu erwähnen und zu
regeln. Für den Art. 66 BStP geschah es denn auch inzwischen bei Erlass
des Bundesgesetzes über das Verwaltungsstrafrecht (Ziff. 2 des Anhanges
dazu). "Diejenigen Kantone" - fährt die Stellungnahme des Bundesrates an
die Bundesversammlung vom 25. August 1971 fort -, "die insbesondere in
älteren Strafprozessordnungen keine Bestimmungen über die Telefonabhörung
kennen, gingen offenbar ihrerseits auch von der Auffassung aus, dass
das Telegrafen- und Telefonverkehrsgesetz ihre Strafprozessordnungen
ergänze. Weil es sich hier um das Verhältnis zwischen eidgenössischem und
kantonalem Recht handelt, ist eine Einladung an die betreffenden Kantone
zur Ergänzung ihrer strafprozessualen Vorschriften durchaus geboten"
(BBl 1971 II 482/483; auch 374, 381).

    Die Zweckmässigkeit allein, das Telefonabhören prozessual zu
vereinheitlichen, genügt aber nicht, diese Rechtsänderung auf dem
Wege der Rechtsprechung zu vollziehen. Dazu bedarf es eines Aktes des
Bundesgesetzgebers.

    Aus der Abgrenzung von Bundes- und kantonalem Recht, dem anwendbaren
Recht in Rechtshilfeverfahren im allgemeinen, dem Wortlaut und der
systematischen Stellung des Art. 7 TVG sowie der bisherigen Entwicklung der
Bundesgesetze ergibt sich somit, dass Art. 7 TVG die Gesetzgebungsbefugnis
der Kantone betreffend Telefonüberwachung beschränkt, für die kantonalen
Strafbehörden aber keine gesetzliche Grundlage schafft, die Überwachung
anzuordnen.

    Wenn das Kassationsgericht fand, für die Telefonüberwachung habe eine
gesetzliche Grundlage gefehlt, die so gewonnenen Beweise seien ausser
Recht zu weisen, hat es folglich keinen Satz des Bundesrechts verletzt.

Entscheid:

             Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.