Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 101 IV 278



101 IV 278

63. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 10. Oktober 1975 i.S.
Feller gegen Staatsanwalt für das Oberwallis. Regeste

    Art. 110 Ziff. 5 StGB.

    1. Die Beweisbestimmung allein macht ein Schriftstück nicht zur
Urkunde; es muss überdies nach Gesetz oder Verkehrsübung zum Beweis
geeignet sein.

    2. Quittungen sind Urkunden, sobald sie an den Schuldner gelangt sind.

Auszug aus den Erwägungen:

                     Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- b) Nach Art. 110 Ziff. 5 StGB sind Urkunden u.a.  Schriften,
die bestimmt oder geeignet sind, eine Tatsache von rechtlicher Bedeutung
zu beweisen. Daraus hat die bundesgerichtliche Rechtsprechung (BGE 81 IV
240, 91 IV 7, 95 IV 71) gefolgert, es genüge, dass ein Schriftstück zum
Beweis bestimmt sei, geeignet dazu müsse es nicht sein. Unter Beweiseignung
wurde jedoch lediglich die Tauglichkeit verstanden, überhaupt (allein oder
zusammen mit andern Urkunden) Beweismittel zum Nachweis des dargestellten
Sachverhaltes zu sein; ob die Schrift im konkreten Fall glaubwürdig,
also beweiskräftig sei, hängt von den Umständen des Einzelfalles und der
Beweiswürdigung ab, berührt aber ihren Urkundencharakter nicht (z.B. BGE
81 IV 240/41). Ein Teil der Literatur (in BGE 95 IV 71 erwähnt) sieht
hingegen in der Beweiseignung eine Eigenschaft, die allen Urkunden zukommen
müsse. Die alternative Formel "oder" in Art. 110 Ziff. 5 StGB würde demnach
besagen, dass nicht nur die sog. Absichtsurkunden, d.h. Urkunden, die zu
Beweiszwecken geschaffen wurden, sondern auch sog. Zufallsurkunden, d.h.
schriftliche Äusserungen, die erst nachträglich Beweisbedeutung erlangen
und nicht schon zu Beweiszwecken geschaffen wurden, Urkunden seien.

    Die Urkunde ist geschützt, weil sie ein Beweismittel ist. Mittel
zum Beweis kann aber nur sein, was generell geeignet ist, Beweis zu
erbringen. Nur ihres Beweiswertes willen werden die Urkunden strafrechtlich
geschützt.

    Wer in einem Schriftstück das Bestehen oder Nichtbestehen einer
rechtserheblichen Tatsache als wahr hinstellen will, und mag er das
noch so sehr beteuern, kann diesem Schriftstück noch nicht den Charakter
einer Urkunde verleihen, ebenso wenig wie entsprechende Beteuerungen von
Parteien vor Gericht als solche Beweismittel sind. Zum Willen der Partei,
mit einer schriftlichen Erklärung Beweis zu schaffen, muss als weiteres
Element hinzukommen, dass dieser schriftlichen Bescheinigung durch Gesetz
oder Verkehrsübung Beweiseignung zuerkannt wird.

    Das trifft für Quittungen zu. Wenn nicht schon nach Gesetz (Art. 88
OR), besitzen sie jedenfalls nach der Verkehrsübung Beweiskraft, sobald
sie in die Hand des Schuldners gelangt sind.