Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 101 IV 164



101 IV 164

42. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 7. Juli 1975
i.S. X. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Graubünden Regeste

    Art. 159 StGB. Ungetreue Geschäftsführung setzt voraus, dass der zur
Fürsorge Verpflichtete befugt ist, über das fremde Vermögen selbständig
zu verfügen.

Sachverhalt

                      Aus dem Tatbestand:

    Die Vormundschaftsbehörde des Kreises Oberengadin wählte 1967
X. zum Verwaltungsbeistand des blinden D. Dieser besass in Bever mehrere
Grundstücke.

    Am 15. August 1969 teilte X. der Vormundschaftsbehörde mit, dass
D. Bauland in Bever zu verkaufen beabsichtige; dem Kaufsinteressenten
W. sei bereits ein Angebot von Fr. 30.-- pro m2 gemacht worden. X. ersuchte
die Behörde, dem beabsichtigten Verkaufe zuzustimmen, damit die unmittelbar
bevorstehenden Verkaufsverhandlungen bald abgeschlossen werden könnten.

    Die Vormundschaftsbehörde nahm davon Kenntnis, wählte aber angesichts
einer möglichen Interessenkollision für diese Veräusserungen einen Beistand
ad hoc in der Person von P.

    Am 12. Januar 1970 schloss D. unter Mitwirkung seines Beistandes ad
hoc zwei Rechtsgeschäfte über verschiedene Grundstücke ab. In beiden Fällen
schob X. Strohmänner vor. Eigentlicher Erwerber war jedoch er selbst.

    Im einen, hier allein interessierenden Fall räumte D. dem W. ein
persönliches und übertragbares Kaufsrecht an der Parzelle 1/10 in Bever
von 9229 m2 für Fr. 30.-- pro m2 ein, zahlbar am Tage der Ausübung des
Kaufsrechtes. Am 31. Dezember 1970 übte X. als Vertreter von W. das
Kaufsrecht aus. Am 21. Januar 1971 erwarb X. selber das Grundstück von
W. zu dem von D. mit diesem vereinbarten Preis. Der Kaufpreis wurde statt
am 31. Dezember 1970 erst am 31. März 1971 von X. an D. bezahlt.

    Das Kreisgericht Oberengadin verurteilte am 29. November 1973
X. u.a. wegen ungetreuer Geschäftsführung zu acht Monaten Gefängnis
bedingt und Fr. 3'000.-- Busse.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

    Die Vorinstanz wirft dem Beschwerdeführer X. vor, nicht dafür gesorgt
zu haben, dass W. den Kaufpreis bei oder unmittelbar nach Ausübung des
Kaufsrechts bezahlt habe. Das Kantonsgericht bejaht vorsätzliche Begehung
mit der Begründung, X. habe sich darüber Rechenschaft geben müssen, dass
in der Zeit zwischen dem 31. Dezember 1970 und dem 31. März 1971 D. auf
dem ausstehenden Betrag von rund Fr. 280'000.-- Passivzinsen erwachsen
werden. Dadurch habe sich X. der ungetreuen Geschäftsführung im Sinne
von Art. 159 StGB schuldig gemacht.

    Soweit der Beschwerdeführer dagegen einwendet, die Vorinstanz spreche
sich über die Höhe des Schadens nicht aus, und zudem sei nicht bewiesen,
dass er bei W. nichts unternommen habe, um die Zahlung zu veranlassen,
kann er damit nicht gehört werden. Die Verurteilung nach Art. 159 StGB
setzt nicht voraus, dass der Schaden ziffernmässig genau ausgewiesen
sei. Anderseits verneint die Vorinstanz für den Kassationshof verbindlich,
dass der Beschwerdeführer Schritte unternommen habe, um W. zur sofortigen
Zahlung zu veranlassen.

    Indessen sind diese Umstände aus einem andern Grund nicht
entscheidend. Es ist davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer
hinsichtlich des Kaufrechtsvertrages D./W. nicht als Verwaltungsbeistand
und auch sonst nicht als Vermögensverwalter für D. tätig wurde. Wohl
hat er den Verkauf an W. vorbereitet und am 15. August 1969 einen
Antrag an die Vormundschaftsbehörde um Genehmigung des beabsichtigten
Verkaufes gestellt. Die Vormundschaftsbehörde nahm davon Kenntnis,
dass der Beschwerdeführer D. in seinen Verkaufsabsichten unterstützte,
wählte aber angesichts einer möglichen Interessenkollision für
diese Verkäufe einen Beistand ad hoc in der Person von P. Dieser hat
denn auch am 12. Januar 1970 bei Abschluss des Kaufrechtsvertrages
mitgewirkt und der Vormundschaftsbehörde die Genehmigung des Vertrages
beantragt. Nachdem der Beschwerdeführer wegen möglicher Interessenkollision
als Verwaltungsbeistand ausgeschaltet worden war, war er auch nicht
verpflichtet, bei der weitern Abwicklung des Grundstückverkaufes die
Interessen von D. zu wahren. Betrachtete die Vormundschaftsbehörde die
Aufgabe des Beistandes P. mit der Prüfung des Kaufpreises und der Verträge
und der Mitwirkung bei der öffentlichen Beurkundung für abgeschlossen,
so hätte sie für die weitere Abwicklung des Geschäftes einen andern
Beistand mit Sonderauftrag einsetzen oder das Geschäft selber überwachen
müssen. Denn war eine Interessenkollision zu befürchten, konnten die
Interessen von D. auch bei der weitern Abwicklung des Geschäftes gefährdet
sein. Die Interessenkollision in diesem Geschäft war übrigens auch für
die Vormundschaftsbehörde offensichtlich, nachdem der Beschwerdeführer
schon anlässlich des Kaufrechtsvertrages vom 12. Januar 1970 als
Bevollmächtigter des W. aufgetreten war; auch am 31. Dezember 1970,
als W. das Kaufsrecht ausübte und der Kaufvertrag D./W. öffentlich
beurkundet wurde, wirkte der Beschwerdeführer wieder als Vertreter
von W. mit, wie sich aus der Strafanzeige der Vormundschaftsbehörde
des Kreises Oberengadin an die Staatsanwaltschaft vom 2. Dezember 1971
ergibt. Es lag daher nicht am Beschwerdeführer, sondern an dem für dieses
Geschäft ernannten Beistand P., für den Eingang des fällig gewordenen
Kaufpreises zu sorgen. Nachdem der Beschwerdeführer infolge Einsetzung
eines Beistandes ad hoc weder gesetzlich noch vertraglich verpflichtet war,
die Interessen von D. zu wahren, war er auch nicht befugt, selbständig
über das fremde Vermögen zu verfügen. Damit entfallen aber die in Art. 159
StGB geforderten Voraussetzungen (BGE 81 IV 279, 86 IV 14, 95 IV 66)
für eine Schuldigerklärung.

    Auch versuchte ungetreue Geschäftsführung liegt in diesem Punkt
nicht vor. Wohl hat der Beschwerdeführer den Grundstückverkauf an
W. vorbereitet und den Antrag auf Genehmigung des Vertrages bei der
Vormundschaftsbehörde gestellt. Dass er aber schon damals (August
1969) eine verspätete Auszahlung des Kaufpreises durch W. und eine
dadurch entstehende Vermögensschädigung in Kauf genommen habe, wird im
angefochtenen Urteil nicht festgestellt.