Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 101 II 83



101 II 83

17. Urteil der I. Zivilabteilung vom 25. Februar 1975 i.S. Trutmann gegen
Spiegelunion Flabeg GmbH. Regeste

    Kauf, Gewährleistung, Mängelrüge.

    1. Anwendung deutschen Rechtes, wenn der Verkäufer in Deutschland wohnt
(Erw. 1).

    2. Nach diesem Recht bestimmt sich auch, welche Gewähr der Verkäufer zu
leisten hat und welchen materiellen Anforderungen die Mängelrüge genügen
muss, gleichviel ob die Anwendung des schweizerischen Rechtes zum gleichen
Ergebnis führen würde (Erw. 2 und 3).

Sachverhalt

    A.- Die Spiegelunion Flabeg GmbH in Furth (BRD) klagte gegen Peter
Trutmann in Zürich auf Zahlung von Fr. 17'703.90 als Preis für mehrere
tausend Spiegel, die er in den Monaten November 1970 bis April 1971
bei ihr bestellt und mit Ausnahme eines Postens, den sie im Juli 1971
zurückbehielt, auch tatsächlich erhalten hatte.

    Der Beklagte beantragte, die Klage abzuweisen, und erhob Widerklage
auf Zahlung von Fr. 6'024.45. Er machte geltend, die gelieferten Spiegel
hätten Mängel aufgewiesen; er verrechne seine Schadenersatzforderung mit
dem Kaufpreis und verlange Zahlung des Mehrbetrages.

    B.- Am 23. Oktober 1974 verpflichtete das Handelsgericht des
Kantons Zürich den Beklagten, der Klägerin Fr. 12'846.90 nebst 5% Zins
seit 1. September 1971 und Fr. 40.-- Betreibungskosten zu zahlen, hob
den Rechtsvorschlag des Beklagten in diesem Umfange auf und wies die
Widerklage ab.

    C.- Der Beklagte hat die Berufung erklärt. Er beantragt, das Urteil
des Handelsgerichtes aufzuheben, die Klage abzuweisen und die Klägerin
zu verpflichten, ihm Fr. 6'024.25 nebst 5% Zins seit 7. März 1972 zu
zahlen, eventuell die Sache zur Beweisergänzung und Neubeurteilung an
die Vorinstanz zurückzuweisen.

Auszug aus den Erwägungen:

             Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Mangels einer von den Vertragsschliessenden getroffenen
Rechtswahl ist auf Schuldverträge das Recht jenes Staates anzuwenden,
mit dem das Rechtsverhältnis räumlich am engsten zusammenhängt. Den
engsten Zusammenhang schafft die für das Verhältnis charakteristische
Leistung. Das ist beim Kauf die Leistung des Verkäufers (BGE 77 II 84
Erw. 2, 191, 278, 78 II 80, 79 II 165 f., 88 II 199 Erw. 1, 89 II 267
Erw. 1, 91 II 358). Da dieser im vorliegenden Falle seinen Sitz in der
Bundesrepublik Deutschland hat, unterstehen deshalb die umstrittenen
Kaufverträge dem deutschen Recht. Hievon geht auch das Handelsgericht
aus. Der Beklagte wendet dagegen nichts ein.

Erwägung 2

    2.- Das auf den Kaufvertrag anwendbare Recht bestimmt auch, welche
Gewähr der Verkäufer zu leisten hat und unter welchen materiellen
Voraussetzungen er sie leisten muss (BGE 49 II 75, 72 II 412, 77 II
85). Daher ist auch für die materiellen Erfordernisse der Mängelrüge,
d.h. für die Frage, welchen Inhalt diese Äusserung des Käufers haben müsse,
das Kaufstatut massgebend. Von diesem hängt nach der neueren Rechtsprechung
des Bundesgerichtes und der Lehre auch ab, ob die Mängelrüge rechtzeitig
erhoben worden sei (BGE 77 II 85; SCHÖNENBERGER/JÄGGI, Allgem. Einleitung
N. 267). Nur die Formalien des Prüfungs- und Rügeverfahrens werden nach
dieser Rechtsprechung und Lehre vom Recht des Ortes beherrscht, wo sich
die Ware zur Zeit der Prüfung befindet. Das ist auch die Auffassung des
Handelsgerichtes, und der Beklagte versucht sie nicht zu widerlegen.

Erwägung 3

    3.- Von dieser Auffassung ausgehend führt das Handelsgericht aus,
hinsichtlich der Frage, ob rechtzeitig und in gehöriger Form gerügt
worden sei, bestehe zwischen der deutschen und der schweizerischen
Rechtsordnung kein grundlegender Unterschied. Nach beiden Rechten bedürfe
die Mängelrüge keiner besonderen Form und es habe der Käufer die Ware,
sobald es nach dem üblichen Geschäftsgang tunlich sei, zu prüfen und
allfällige Mängel dem Verkäufer unverzüglich anzuzeigen, widrigenfalls die
Ware als genehmigt gelte (§ 377 HGB; Art. 201 OR). Sowohl nach deutscher
wie nach schweizerischer Praxis sei sodann die Mängelrüge ausreichend
zu begründen. Die Parteien hätten daher zu Recht nicht geltend gemacht,
in den vorliegend entscheidenden Fragen weiche die deutsche Regelung
von der schweizerischen ab. Im Ergebnis würde sich somit nichts ändern,
wenn der Auffassung des Beklagten gefolgt und schweizerisches Recht
angewendet würde.

    Das Handelsgericht hält also in den beiden prozessentscheidenden
Fragen, ob der Beklagte seine (formlos gültigen) Mängelrügen ausreichend
begründet und rechtzeitig erhoben habe, deutsches Recht für anwendbar,
tröstet aber den Beklagten damit, dass die Anwendung des schweizerischen
Rechts zu keinem anderen Ergebnis führen würde. An einer anderen
Stelle des Urteils erklärt es denn auch, vorab sei zu prüfen, ob die
Reklamationsschreiben des Beklagten als Mängelrügen im Sinne von § 377
HGB angesprochen werden können.

    Diese Auffassung hält nach der angeführten neueren Rechtsprechung und
Lehre stand. Ob der Beklagte die Äusserungen, mit denen er der Klägerin
seine Unzufriedenheit über die erhaltenen Spiegel bekanntgab, genügend
begründet habe und ob sie rechtzeitig erfolgt seien, sind nicht Fragen der
Form, sondern der materiellen Gültigkeit der angeblichen Mängelrügen. Sie
sind vom deutschen Recht beherrscht.

    Ob das Handelsgericht dieses richtig angewendet hat, darf das
Bundesgericht auf Berufung hin nicht überprüfen; mit diesem Rechtsmittel
kann nur die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 43 Abs. 1,
55 Abs. 1 lit. c OG; BGE 72 II 410).

    Auf die Berufung kann daher nicht eingetreten werden. Dass das
Handelsgericht der Meinung ist, die Anwendung schweizerischen Rechtes
würde zu keinem anderen Ergebnis führen als die Anwendung des deutschen,
und dass der Beklagte ihm Verletzung des Art. 201 OR vorwirft, vermag
nichts zu ändern.

    Der Beklagte kann auch insoweit nicht gehört werden, als er sich gegen
den vorinstanzlichen Vorwurf ungenügender Substantiierung der behaupteten
telephonischen Mängelrügen wendet. Es ist eine Frage des deutschen Rechts,
ob der Richter, um den Wert oder Unwert dieser Rügen beurteilen zu können,
wissen musste, welchen Inhalt sie hatten und wann sie erfolgten. Ob der
Beklagte ihren Inhalt und die genauen Zeitpunkte, in denen sie erfolgten,
behaupten musste oder sich mit nicht näher spezifizierten Vorbringen
begnügen und die Abklärung der Einzelheiten dem Gericht überlassen durfte,
ist sodann eine Frage des kantonalen Prozessrechtes, die dem Bundesgericht
auf dem Wege der Berufung ohnehin nicht unterbreitet werden kann (Art. 43
Abs. 1, 55 Abs. 1 lit. c OG).

Entscheid:

              Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Auf die Berufung wird nicht eingetreten.