Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 101 II 121



101 II 121

24. Urteil der I. Zivilabteilung vom 20. März 1975 in Sachen A. gegen
Bank D. Regeste

    Rechtsnatur einer Vereinbarung, welche die Verwaltung von
Wertschriften, die Führung eines Kontos und die Anlage von Geld zum
Gegenstand hat (Erw. 1).

    Art. 425 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 398 OR. Sorgfaltspflicht der
Bank beim Kauf von Wertpapieren. Risikoverteilung (Erw. 2).

Sachverhalt

    A.- A. ist Skilehrer in Arosa. Am 31. März 1968 trat er der B. AG in
Basel die Vertretung der Hart-Ski (USA) für Fr. 500'000.--, zahlbar in fünf
jährlichen Raten von Fr. 100'000.--, ab und liess sich weitere finanzielle
Leistungen versprechen. Durch die Vertragsverhandlungen kam er mit C.,
der zugleich Verwaltungsratspräsident der amerikanisch beherrschten Bank D
in Basel war, in Verbindung. Er hatte bereits am 14. März 1968 bei dieser
Bank ein Konto und ein Wertschriftendepot eröffnet und die entsprechenden
allgemeinen Geschäftsbedingungen unterzeichnet. Ebenfalls im März 1968
hatte er sodann mit der Bank folgende Vereinbarung getroffen:

    "Ich/Wir ermächtige(n) Sie hiermit, mein/unser bei Ihrer Bank
   bestehendes Wertschriften-Depot zu verwalten und die Mittel, welche
   Sie für meine/unsere Rechnung erhalten, anzulegen.

    Grund dieser Ermächtigung können Sie sowohl schweizerische
   als auch ausländische Wertschriften (Aktien, Obligationen etc.) nach

    Ihrem freien Ermessen erwerben, sowie alle jene Wertschriften, deren

    Verkauf Sie als angezeigt erachten, veräussern und den Erlös in andere

    Titel nach Ihrer Wahl wieder anlegen, mit andern Worten, irgendwelche

    Arbitragen, Zeichnungen, usw., vornehmen.

    Dabei empfehle(n) ich/wir Ihnen, sich von nachstehenden Richtlinien
   leiten zu lassen, die indessen nicht als für Sie verbindlich zu
   betrachten sind und von welchen Sie je nach den Umständen abweichen
   können."

    A. erteilte der Bank keine Weisungen.

    Die B. AG hatte die A. versprochenen Zahlungen auf dessen Konto bei
der Bank D in Basel zu Anlagezwecken vorzunehmen. A. stellte anfangs 1970
auf Grund des Bankauszuges per Ende 1969 fest, dass mehr als die Hälfte
des angelegten Geldes verloren war. Am 4. Mai 1970 forderte er die Bank
auf, die ihm gehörenden Wertschriften und den Saldo seines Kontos auf die
Schweiz. Bankgesellschaft zu übertragen, was am 4. Mai 1970 geschah. Die
Bank hatte für die Titel, welche sie bei Vertragsauflösung aushändigte,
Einstandspreise von insgesamt Fr. 107'355.25 bezahlt.

    A. erstattete am 16. November 1971 gegen die Organe der Bank
Strafanzeige wegen ungetreuer Geschäftsführung. Das Verfahren wurde am
15. Juni 1972 von der Staatsanwaltschaft Basel-Stadt eingestellt.

    B.- Am 30. November 1971 klagte A. gegen die Rechtsnachfolgerin der
Bank D in Basel auf Zahlung von Fr. 55'975.30 nebst Zins zu 5% seit
12. Juli 1968 auf Fr. 15'098.30 und seit 4. Mai 1970 auf dem ganzen
Betrag. Er verlangte damit den Ersatz des Schadens für Kursverluste, den
die US-$ 5'000.-- LTV 1988 Wandelobligationen, 300 Clinton Oil Aktien und
200 McDonnell Douglas Aktien vom Datum des Erwerbs durch die Bank (16. Juli
1968, 18. April 1969 und 4. Juni 1968) bis zum 4. Mai 1970 erlitten haben.

    Das Zivilgericht des Kantons Basel-Stadt ermittelte den Wertunterschied
zwischen dem Einstandspreis und dem Kurs der fraglichen Wertpapiere
am Verhandlungstag auf insgesamt Fr. 50'951.80. Es hiess die Klage am
13. August 1973 für diesen Betrag nebst Zins zu 5% seit 1. August 1971
gut und wies sie im übrigen ab.

    Auf Berufung der Beklagten wies das Appellationsgericht des Kantons
Basel-Stadt am 6. Dezember 1974 die Klage ganz ab.

    C.- Der Kläger hat die Berufung an das Bundesgericht erklärt. Er
beantragt, die Beklagte zur Zahlung des vom Zivilgericht zugesprochenen
Betrages nebst Zins seit 1. Dezember 1971 zu verurteilen.

Auszug aus den Erwägungen:

             Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Die Beklagte hatte sich als Rechtsnachfolgerin der Bank D in
Basel verpflichtet, für den Kläger ein Wertschriftendepot zu verwalten,
ein Konto zu führen und insbesondere Geld anzulegen. Zweck der undatierten
Vereinbarung vom März 1968 war also die Verwahrung, Verwaltung sowie der
Kauf und Verkauf von Wertpapieren. Es besteht somit nach zutreffender
Ansicht der Vorinstanz eine Verbindung von Hinterlegungsvertrag, Auftrag
und Kommissionsvertrag, also ein gemischtes Rechtsgeschäft (vgl. BGE 94
II 169; GAUTSCHI, N. 2b zu Art. 425 OR). Dabei steht, wie sich aus der
Vereinbarung klar ergibt, der Kauf und Verkauf von Wertpapieren, also
Kommissionsrecht im Vordergrund. Die Beklagte war daher zu getreuer und
sorgfältiger Geschäftsführung verpflichtet (Art. 425 Abs. 2 in Verbindung
mit Art. 398 OR).

Erwägung 2

    2.- Der Kläger wirft der Beklagten vor, sie habe beim Kauf der
streitigen Wertpapiere die Grundsätze einer sorgfältigen Vermögensanlage
(Verteilung des Risikos auf verschiedene Wertpapiere, die sich auf
Gesellschaften verschiedener Länder und verschiedener Branchen beziehen
usw.) verletzt.

    a) Die Beklagte durfte auf Grund der Vereinbarung vom März 1968 nach
freiem Ermessen schweizerische und ausländische Wertschriften (Aktien,
Obligationen usw.) kaufen und wieder verkaufen, wenn sie es als angezeigt
erachtete. Ob sie das Geld des Klägers in Wertpapiere von Gesellschaften
aus verschiedenen Ländern und Branchen anlegte, war weitgehend eine
Ermessenssache. Sie konnte auch bei sorgfältiger Auswahl der Titel Verluste
nicht vermeiden, da die Kurse von verschiedenen Umständen abhängen und
in der Regel nicht vorauszusehen sind. Der Kläger durfte daher nicht nur
mit Gewinnen rechnen, sondern hatte auch Verluste in Kauf zu nehmen.

    b) Das Appellationsgericht beurteilt die Anlagepolitik der Beklagten
im wesentlichen auf Grund eines Berichtes des Schweizerischen Bankvereines
vom 30. September 1974. Daraus geht unter anderem hervor, dass sich die
Börse in den Vereinigten Staaten im Jahre 1968 in einer "euphorischen
Stimmung" befand und dass rückblickend in jenem Jahr der Höhepunkt einer
langfristigen Aufwärtsbewegung erreicht wurde. Die Beklagte kaufte die
streitigen Wertpapiere noch während dieser günstigen Entwicklung. Nach
verbindlicher Feststellung des Appellationsgerichtes deutete damals
nichts auf den allgemein starken Kursrückgang der Jahre 1969/70 hin
und waren weder Produktions- noch Absatzschwierigkeiten der in Frage
stehenden amerikanischen Gesellschaften vorauszusehen. Unter diesen
Umständen kann grundsätzlich nicht gesagt werden, die Beklagte habe das
ihr anvertraute Geld unsorgfältig angelegt. Dabei ist auch zu bedenken,
dass der Handel mit Wertpapieren - Hauptzweck des Vertrages - zwangsläufig
einen spekulativen Einschlag hat. Der Kauf von McDonnell-Aktien, die
im Jahre 1968 festgestelltermassen als interessante, wenn auch leicht
spekulative Wertpapiere galten, kann daher nicht als pflichtwidrig
beanstandet werden. Dasselbe trifft auch zu für die Wandelobligation LTV,
die zwar als "spekulativer" bezeichnet wurde. Sie wird indessen im Jahre
1988 zum Nennwert zurückbezahlt, falls ihr Inhaber die Wandlung nicht
verlangt. Als "reichlich spekulativ" wurde dagegen der Ankauf der Aktien
Clinton Oil bezeichnet. Ihr Einstandspreis von Fr. 14'000.-- lag jedoch
unter den 20% des anvertrauten Geldes (Fr. 107'355.25), die der Kläger
als für spekulative Käufe zulässig bezeichnet hatte. Die Sorgfaltspflicht
wurde somit auch hier nicht verletzt.

    c) Richtig ist, dass die Vorinstanz sich nicht darüber äussert,
ob das Anlagerisiko auf Aktien von Gesellschaften verschiedener Länder
und Branchen zu verteilen sei. Berücksichtigt man, dass die Börse in den
Vereinigten Staaten im massgebenden Zeitpunkt (1968/69) einen Höhepunkt
erreicht hat, so kann der Beklagten nicht vorgeworfen werden, sie habe
zuviel Geld in amerikanische Aktien und Wandelobligationen angelegt. Zudem
vertraute der Kläger das Geld einer amerikanisch beherrschten Bank zu
Anlagezwecken an und musste er damit rechnen, dass diese in erster Linie -
mangels anders lautender Weisungen - amerikanische Wertpapiere bevorzugen
werde. Daher verletzte die Vorinstanz Bundesrecht nicht, indem sie über
die Behauptung des Klägers, bei anderer geographischer Streuung des
Risikos wären die Kursverluste ausgeblieben, keine Beweise abnahm.

    d) Im übrigen geht aus den Akten des vom Kläger gegen die Organe
der Beklagten angestrengten Strafverfahrens hervor, dass die Beklagte
Wertpapiere jeweils in grossen Mengen an der Börse für den Kläger
und andere Kunden gekauft hat. Alle diese Käufe waren weder sogenannte
Nostro-Geschäfte, noch solche für Kunden, die der Beklagten nahe standen
oder von ihr sonstwie begünstigt wurden. Es bleibt somit bei der Ansicht
der Vorinstanz, dass die Beklagte die ihr obliegende Sorgfaltspflicht
bei der Vermögensanlage für den Kläger nicht verletzt hat.

Entscheid:

              Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Appellationsgerichtes
des Kantons Basel-Stadt vom 6. Dezember 1974 bestätigt.