Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 101 III 99



101 III 99

22. Urteil der II. Zivilabteilung vom 20. November 1975 i.S. Schweizerische
Kreditanstalt gegen Bank Widemann & Co. AG in Nachlassliquidation. Regeste

    Konkursaufschub (Art. 725 Abs. 4 OR).

    Verrechnung im Nachlassverfahren (Art. 316m SchKG und Art. 32 VNB).

    1. Die Bewilligung des Konkursaufschubes ist amtlich zu publizieren
(Erw. 4).

    2. Wird die Publikation des Konkursaufschubes unterlassen, so ist
für den Ausschluss der Verrechnung gemäss Art. 316m SchKG und Art. 32 VNB
die tatsächliche Kenntnis des Gläubigers vom Konkursaufschub massgebend
(Erw. 5).

Sachverhalt

    A.- Am 24. April 1972 meldete die Bank Widemann & Co. AG beim
Handelsgerichtspräsidenten des Kantons Zürich auf Betreiben der
Eidgenössischen Bankenkommission ihre Überschuldung an und stellte
gleichzeitig das Gesuch, die Konkurseröffnung sei bis 31. Mai 1972
aufzuschieben. Der Handelsgerichtspräsident entsprach diesem Gesuch mit
Verfügung vom 26. April 1972, bestellte die Kontroll- und Revisions AG,
Basel, zur Sachwalterin und stellte die Weiterführung der Bankgeschäfte
unter deren Aufsicht, wobei sinngemäss die Vorschrift von Art. 32
BankG gelte. Eine öffentliche Bekanntmachung des Konkursaufschubes
erfolgte nicht. Mit Verfügung vom 12. Juni 1972 verlängerte der
Handelsgerichtspräsident den Konkursaufschub bis 30. Juni 1972. Auf ein
erneutes Verlängerungsgesuch hin wurde das Verfahren am 13. Juli 1972
mit Wirkung ab 1. Juli 1972 "sistiert". In beiden Verlängerungsgesuchen
hatte die Bank Widemann & Co. AG das Eventualbegehren gestellt, es sei
ein Nachlassstundungsverfahren einzuleiten. Da die Sanierungsbemühungen
erfolglos blieben, wurde mit Verfügung vom 23. August 1972 die
"Sistierung" aufgehoben und die Einleitung des Nachlassstundungsverfahrens
vorgemerkt. Am 29. September 1972 gewährte das Handelsgericht des Kantons
Zürich der Bank eine Nachlassstundung, worauf am 18. Oktober 1972 das
Konkursaufschubsverfahren als gegenstandslos geworden abgeschrieben
wurde. Am 28. Februar 1974 wurde der von der Bank vorgeschlagene
Nachlassvertrag mit Vermögensabtretung bestätigt. Zur Liquidatorin wurde
die frühere Sachwalterin ernannt.

    B.- Mit Eingabe vom 13. November 1972 an die Sachwalterin hatte die
Schweizerische Kreditanstalt eine Forderung von DM 1'000'000.-- gegen
die Bank Widemann & Co. AG angemeldet und gleichzeitig Verrechnung mit
Guthaben der Nachlassschuldnerin von Fr. 297'663.65 und US$ 10'582.95
geltend gemacht. Dabei handelte es sich um die am 31. Oktober 1972
bestehenden Saldi des US$-Kontos und des sFr.-Kontos, die die Bank
Widemann & Co. AG bei der Schweizerischen Kreditanstalt unterhielt. Die
Sachwalterin stellte sich auf den Standpunkt, sie könne die Verrechnung nur
für Fr. 30'936.35 und US$ 939.85 anerkennen. Die darüber hinausgehenden
Beträge von Fr. 266'727.30 und US$ 9'643.10 seien aus Operationen nach
dem 27. April 1972 entstanden und könnten deshalb gemäss Art. 32 der
Verordnung des Bundesgerichtes betreffend das Nachlassverfahren von
Banken und Sparkassen vom 11. April 1935 (VNB) nicht zur Verrechnung
zugelassen werden. Schliesslich einigten sich die Parteien dahin,
dass eine Forderung von DM 718'886.20 kolloziert werde, wobei die
Nachlassschuldnerin sich vorbehielt, die Verrechnung für den Betrag
von Fr. 266'727.30 anzufechten. Warum auf die Anfechtung des streitigen
Dollarbetrages verzichtet wurde, ist den Akten und dem vorinstanzlichen
Urteil nicht zu entnehmen.

    Die Schweizerische Kreditanstalt war in der Zeit zwischen dem ersten
Konkursaufschub vom 26. April 1972 und der Bewilligung der Nachlassstundung
vom 29. September 1972 stets der Meinung gewesen, sie sei Schuldnerin der
Bank Widemann & Co. AG. Im Oktober/November 1972 entdeckte sie jedoch,
dass sie dieser einen Betrag von DM 1'000'000.-- irrtümlich doppelt
gutgeschrieben hatte. Erst auf Grund der Berichtigung dieser Falschbuchung
stellte sie fest, dass in Wirklichkeit die Bank Widemann & Co. AG während
der ganzen Zeit seit Februar 1972 stets ihre Schuldnerin gewesen war.

    C.- Am 10. Januar 1975 belangte die Bank Widemann & Co. AG in
Nachlassliquidation die Schweizerische Kreditanstalt vor dem Handelsgericht
des Kantons Zürich auf Bezahlung von Fr. 266'727.30 nebst 8% Zins seit
13. November 1972. Das Handelsgericht hiess die Klage mit Urteil vom
4. Juni 1975 im wesentlichen mit folgender Begründung gut:

    Gemäss Art. 32 VNB gelte das Verrechnungsverbot von Art. 213 Abs. 2
SchKG im Nachlassvertrag mit Vermögensabtretung einer Bank vom Zeitpunkt
der Bekanntmachung eines allfälligen Konkursaufschubes im Sinne von
Art. 725 Abs. 4 OR an. Für diese Bekanntmachung seien die Formen von
Art. 35 SchKG (öffentliche Bekanntmachung durch das Kantonale Amtsblatt,
das Schweizerische Handelsamtsblatt und allfällige weitere Blätter)
massgebend. Im vorliegenden Falle sei eine solche Publikation zwar
unterblieben. Doch habe die Beklagte vom Konkursaufschub gleich nach
dessen Gewährung durch die Presse Kenntnis erhalten. Diese Kenntnisnahme
sei jener durch eine amtliche öffentliche Bekanntmachung gleichzustellen,
weil deren Zweck darin bestehe, den guten Glauben Dritter zu zerstören. Die
Verrechnung sei daher unzulässig.

    D.- Mit ihrer Berufung ans Bundesgericht beantragt die Beklagte,
das Urteil des Handelsgerichtes sei aufzuheben und die Klage abzuweisen;
eventuell sei die Sache zur Ergänzung des Tatbestandes und zu neuer
Entscheidung an das Handelsgericht zurückzuweisen. Die Klägerin beantragt
Abweisung der Berufung und Bestätigung des handelsgerichtlichen Urteils.

Auszug aus den Erwägungen:

            Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Die Beklagte bemerkt in der Berufungsschrift, der Streitwert
ergebe sich aus den Berufungsanträgen. Damit will sie offenbar sagen,
er stimme mit der von der Vorinstanz geschützten Klageforderung von Fr.
266'727.30 überein. Das trifft indessen nicht zu. Wird die Klage im Sinne
des Berufungsantrages abgewiesen, so bleibt es bei der Kollozierung der
Beklagten mit einer Forderung von DM 718'886.20. Wird dagegen, wie es das
Handelsgericht getan hat, die Verrechnungsmöglichkeit für den Betrag von
Fr. 266'727.30 verneint, so muss zwar die Beklagte diesen Betrag an die
Klägerin bezahlen, kann aber anschliessend verlangen, dass sie mit dem
zur Verrechnung nicht zugelassenen Teil ihrer Forderung nachträglich noch
kolloziert wird (BGE 56 III 248). Sie würde in diesem Falle auf dem Betrag
von Fr. 266'727.30 die aus dem Nachlassverfahren resultierende Dividende
erhalten. Der Streitwert ist also in Wirklichkeit mit der Differenz
zwischen der Klageforderung und der auf sie voraussichtlich entfallenden
Nachlassdividende identisch. Wie hoch die letztere ist, lässt sich dem
vorinstanzlichen Urteil nicht entnehmen. In der heutigen Verhandlung
war von einer mutmasslichen Dividende von 20% die Rede. Wie zuverlässig
diese Angabe ist, kann dahingestellt bleiben. Es darf mit Sicherheit
davon ausgegangen werden, dass die Beklagte im Falle der Gutheissung
der Klage auf dem streitigen Betrag von Fr. 266'727.30 ihrer Forderung
einen Verlust von weit über Fr. 15'000.-- erleiden wird, so dass der für
die Berufung bzw. für eine mündliche Berufungsverhandlung erforderliche
Streitwert auf jeden Fall überschritten ist (Art. 46 und 62 Abs. 1 OG).

Erwägung 2

    2.- Die Beklagte bringt vor Bundesgericht in erster Linie vor, ein
Konkursaufschub habe in Wirklichkeit nur in der Zeit vom 26. April bis
30. Juni 1972 bestanden. Für eine Sistierung des Verfahrens, wie sie durch
die Verfügung des Handelsgerichtspräsidenten vom 13. Juli 1972 erfolgt sei,
habe keine gesetzliche Grundlage bestanden; jedenfalls sei durch diese
Verfügung der Aufschub des Konkurses nicht verlängert worden, so dass
dieser endgültig am 30. Juni 1972 dahingefallen sei. Für die Anwendung
von Art. 32 VNB für die Zeit vor der Bewilligung der Nachlassstundung am
29. September 1972 bzw. bis zu deren Publikation im Handelsamtsblatt am
14. Oktober 1972 bleibe demzufolge überhaupt kein Raum mehr.

    Dieses Argument schlägt indessen nicht durch. Es trifft
zwar zu, dass für eine "Sistierung des Verfahrens", wie sie vom
Handelsgerichtspräsidenten am 13. Juli 1972 verfügt worden war,
keine gesetzliche Grundlage bestand. Vielmehr hätte dieser entweder
dem Gesuch um Verlängerung des Konkursaufschubes entsprechen,
das Eventualbegehren um Einleitung des Nachlassstundungsverfahrens
schützen oder aber die Konkurseröffnung aussprechen müssen. Eine andere
Möglichkeit bestand nicht. Der Konkursaufschub konnte aber auch nicht
hinfällig werden, weil ja die Klägerin im Sinne von Art. 725 Abs. 3 OR
die Überschuldung angemeldet hatte und demzufolge nur Konkurseröffnung
oder Konkursaufschub (oder allenfalls ein Nachlassverfahren) in Frage
kamen. Die Sistierungsverfügung des Handelsgerichtspräsidenten konnte
daher in Wirklichkeit lediglich bedeuten, dass der Konkursaufschub
nochmals verlängert werde. Das war denn offensichtlich auch ihr Sinn,
weil der Handelsgerichtspräsident vorerst noch die Stellungnahmen der
Bankenkommission und der Sachwalterin abwarten wollte. Nachdem diese
vorlagen und aus ihnen hervorging, dass die Sanierungsbemühungen als
gescheitert betrachtet werden mussten, hob der Handelsgerichtspräsident die
Sistierung auf, setzte indessen das Konkurserkenntnis im Hinblick auf die
erfolgte Einleitung des Nachlassverfahrens abermals aus. Damit aber hatte
im Ergebnis der Konkursaufschub vom 26. April 1972 an bis zur Einleitung
der Nachlassstundung gedauert. Ein "Interregnum", wie sich die Beklagte
ausdrückt, während welchem weder ein Konkursaufschub bestanden hätte,
noch das Nachlassverfahren eingeleitet gewesen wäre, bestand daher nicht,
und die Anwendbarkeit von Art. 32 VNB konnte demzufolge auch nicht wegen
eines solchen Zwischenstadiums hinfällig werden.

Erwägung 3

    3.- In Art. 32 VNB wurde zum erstenmal der in der Rechtsprechung
bereits früher (vgl. BGE 40 III 304, 41 III 149, 51 II 250, 52 III 90)
entwickelte Grundsatz gesetzlich verankert, wonach die Art. 213 und
214 SchKG auch auf den Nachlassvertrag mit Vermögensabtretung Anwendung
finden. Zum massgebenden Zeitpunkt, ab welchem eine Verrechnung im Sinne
von Art. 213 Abs. 2 SchKG im Nachlassvertrag mit Vermögensabtretung
ausgeschlossen sein solle, hatte sich das Bundesgericht in den zitierten
Entscheidungen nicht abschliessend geäussert; in BGE 51 II 250/51 wurde
die Frage aufgeworfen, aber offen gelassen. Der von Bundesrichter Jaeger
verfasste erste Entwurf zur VNB von Ende Februar 1935 sah über die
Verrechnung in Art. 25 Abs. 2 folgende Bestimmung vor:

    "Für die Zulassung von Verrechnungen gilt Art. 213 SchKG. An

    Stelle der Konkurseröffnung tritt die Publikation der Nachlassstundung.

    Art. 214 SchKG ist anwendbar."

    Dieser Entwurf wurde in der Folge einer kleinen Expertenkommission
zur Vorberatung unterbreitet. Der Kommissionsentwurf sah in Art. 31 unter
dem Randtitel "Verrechnung" folgende Bestimmung vor:

    "Für die Verrechnung gelten die Bestimmungen von Art. 213, ausgenommen

    Ziff. 3, und 214 SchKG. An Stelle der Konkurseröffnung
   tritt die Bekanntmachung der Nachlassstundung, allfällig des
   vorausgegangenen Konkursaufschubes gemäss Art. 657 Abs. 3 OR. Die

    Verrechnung mit Forderungen aus Inhaberpapieren ist zulässig, wenn und
   soweit der Gläubiger nachweist, dass er letztere in gutem Glauben vor
   der Bekanntmachung der Nachlassstundung erworben hat."

    Eine Begründung für die Änderung gegenüber dem Vorentwurf Jaeger
findet sich weder in den Protokollen der Expertenkommission noch in den
übrigen Materialien. Bei den Beratungen in der Schuldbetreibungs- und
Konkurskammer wurde die genannte Bestimmung mit unverändertem Wortlaut
zum heute geltenden Art. 32 VNB. Bei der Revision des Aktienrechtes im
Jahre 1936 ist der frühere Art. 657 Abs. 3 OR durch den gleich lautenden
heutigen Art. 725 Abs. 4 OR ersetzt worden.

    Im Gegensatz zu der Bestimmung von Art. 32 über die Verrechnung wird
in Art. 31 VNB mit Bezug auf die paulianische Anfechtung nicht auf die
Publikation der Nachlassstundung oder des Konkursaufschubes, sondern auf
deren Bewilligung abgestellt und überdies auch ein Fälligkeitsaufschub
oder eine Bankenstundung im Sinne von Art. 29 ff. BankG einbezogen, wobei
ebenfalls die Bewilligung und nicht die Bekanntmachung dieser Massnahmen
für die Fristbestimmung massgebend ist. Der Unterschied zwischen den
beiden Regelungen ist offensichtlich gewollt, obwohl die Materialien auch
darüber keinen klaren Aufschluss geben.

    In der Folge wurde die Regelung der VNB durch die bundesrätlichen
Verordnungen über vorübergehende Milderungen der Zwangsvollstreckung
(VMZ) vom 17. Oktober 1939 (AS 1939 S. 1211) und vom 24. Januar 1941
(AS 1941 S. 61) auf sämtliche Nachlassverträge mit Vermögensabtretung
anwendbar erklärt (Art. 45 der VMZ 1939 und Art. 51 der VMZ 1941). Die
SchKG-Revision vom Jahre 1949 diente unter anderem dazu, das Notrecht in
die ordentliche Gesetzgebung überzuführen. Dabei wurde die Regelung von
Art. 32 VNB in Art. 316m SchKG und jene von Art. 31 VNB in Art. 316s SchKG
übernommen. Soweit die entsprechenden Vorschriften in ihrem Wortlaut nicht
ganz übereinstimmen, handelt es sich um bloss redaktionelle Anpassungen
an andere in die Revision einbezogene Bestimmungen des SchKG und an
die inzwischen erfolgte Revision des Aktienrechtes im OR, wobei ausser
dem Art. 725 richtigerweise auch noch die Art. 817 und 903 OR aufgeführt
wurden. Eine Begründung für die Verschiedenheit der massgebenden Stichtage
(Publikation der Stundung etc. im Falle der Verrechnung, Bewilligung
im Falle der Anfechtungsklage) findet sich auch in den Materialien zur
SchKG-Revision nicht.

Erwägung 4

    4.- In den Art. 725, 817 und 903 OR ist eine Publikation des
Konkursaufschubes nicht ausdrücklich vorgesehen. Art. 32 VNB und Art. 316m
SchKG setzen aber offensichtlich eine Publikationspflicht voraus. Diese
beiden Bestimmungen haben nur dann einen vernünftigen Sinn, wenn davon
ausgegangen wird, der Konkursaufschub werde - wie die Nachlassstundung
(Art. 296 SchKG) - in jedem Falle öffentlich bekannt gemacht. Wenn der
Gesetzgeber als massgebenden Zeitpunkt für das Verrechnungsverbot die
Bekanntmachung der Nachlassstundung bzw. des Konkursaufschubes bezeichnete,
so wollte er damit verhindern, dass während der Dauer dieser Massnahmen
ein Wettlauf der Gläubiger um die Schaffung von Verrechnungsmöglichkeiten
stattfinde, weil dadurch die geordnete Durchführung des Verfahrens und
die Gleichbehandlung aller Gläubiger im Liquidationsfall gefährdet werden
könnten. Wäre der Gesetzgeber der Meinung gewesen, die Publikation des
Konkursaufschubes sei dem Ermessen des Konkursrichters überlassen, so
hätte er den Stichtag für das Verrechnungsverbot zweifellos in anderer
Weise festgesetzt, weil sonst der von ihm angestrebte Zweck nur in einem
Teil der Fälle hätte erreicht werden können.

    Die Publikation des Konkursaufschubes erscheint aber auch
abgesehen von Art. 32 VNB und Art. 316m SchKG als geboten. Das
Konkursaufschubsverfahren bezweckt, Zeit für eine allfällige Sanierung
der überschuldeten Gesellschaft zu gewinnen. Trotz des Vorliegens eines
Konkursgrundes wird im Interesse der Gläubiger und der Gesellschaft selbst
von der sofortigen Konkurseröffnung abgesehen. Der Konkursaufschub kommt
damit einer Stundung gleich. Zwar hat das Bundesgericht in BGE 77 III 38
die Frage offen gelassen, ob der Konkursaufschub wie die Nachlassstundung
(Art. 297 SchKG) von Rechts wegen die Wirkung eines Rechtsstillstandes
habe. Es entschied jedoch, in Pfändungsbetreibungen für Steuerforderungen
gemäss Art. 43 SchKG sei während des Aufschubs jedenfalls die Verwertung
ausgeschlossen, da sonst die angestrebte Sanierung zum vornherein
verunmöglicht würde. Umso weniger kann es den Gläubigern gestattet sein,
während des Konkursaufschubes neue Konkursbegehren zu stellen (BÜRGI,
N. 24 zu Art. 725 OR). Der Zweck des Konkursaufschubes würde vereitelt,
wenn der Konkurs während der Dauer des Verfahrens aus einem andern
Grunde eröffnet werden müsste. Hat aber der Konkursaufschub im Ergebnis
die Wirkung einer Stundung, so muss er vernünftigerweise gleich wie die
Nachlassstundung (Art. 296) und die Bankenstundung (Art. 32 Abs. 3 BankG)
öffentlich bekannt gemacht werden.

    Eine Publikation des Konkursaufschubes verlangen sodann auch
die vom Konkursrichter zu treffenden Massnahmen zur Erhaltung des
Gesellschaftsvermögens. So muss der Öffentlichkeit insbesondere mitgeteilt
werden, ob ein Sachwalter bestellt worden ist und gegebenenfalls
welche Befugnisse diesem übertragen worden sind. Allerdings kann die
Bekanntmachung des Konkursaufschubes dazu führen, dass die Geschäftspartner
der Gesellschaft das Vertrauen in diese verlieren, was zumal bei Banken
die Sanierung gefährden könnte. Diese Erwägung hat indessen zurückzutreten
vor dem Anspruch der Öffentlichkeit auf Information darüber, dass eine
Gesellschaft überschuldet ist und dass ihr damit die Kreditbasis fehlt. Es
wäre geradezu eine Täuschung des Publikums, wenn der Konkursrichter
diesem die Kenntnis von der Überschuldung vorenthielte und es dadurch dazu
verleitete, der konkursiten Gesellschaft weiterhin Kredit zu gewähren. Aus
all diesen Gründen war die Publikation des Konkursaufschubes denn auch
schon vor dem Inkrafttreten von Art. 316m SchKG die Regel (vgl. MARMY,
L'intervention du juge en cas d'insolvabilité de la société anonyme,
Diss. Fribourg 1950, S. 37).

Erwägung 5

    5.- Mit der von Art. 32 VNB und Art. 316m SchKG vorausgesetzten
Bekanntmachung des Konkursaufschubes kann nur die amtliche Publikation
gemäss Art. 35 SchKG gemeint sein. Gemäss dieser Bestimmung erfolgen
die öffentlichen Bekanntmachungen durch das kantonale Amtsblatt und
ausserdem, wenn der Schuldner wie hier der Konkursbetreibung unterliegt,
durch das Schweizerische Handelsamtsblatt. Im letztern Fall ist für
die Feststellung der mit der Bekanntmachung verbundenen Rechtsfolgen
auf die Veröffentlichung in diesem Blatt abzustellen. Der massgebende
Zeitpunkt für das Verrechnungsverbot ist somit die Publikation des
Konkursaufschubes im Schweizerischen Handelsamtsblatt. Im vorliegenden
Fall hat der Handelsgerichtspräsident den Konkursaufschub indessen
irrtümlicherweise überhaupt nicht öffentlich bekannt gemacht. Es stellt
sich daher die Frage, ob und gegebenfalls von welchem Zeitpunkt an die
Verrechnung auch in einem solchen Fall ausgeschlossen sein soll.

    a) Nach dem in Erw. 4 Gesagten ging der Gesetzgeber beim Erlass von
Art. 32 VNB und Art. 316m SchKG davon aus, der Konkursaufschub werde in
allen Fällen öffentlich bekannt gemacht. Wenn er unter diesen Umständen
als massgebenden Stichtag für das Verrechnungsverbot die Publikation
des Konkursaufschubes wählte, so wollte er damit den Ausschluss der
Verrechnung nicht von der Bedingung der Publikation abhängig machen,
sondern es ging ihm dabei nur um eine Zeitbestimmung, die ihm aus
irgendeinem Grund als geeignet erschien. Wenn nun die Publikation des
Konkursaufschubes irrtümlicherweise unterlassen wird, so kann daraus
nicht gefolgert werden, die Verrechnung sei während der ganzen Dauer des
Aufschubes zulässig. An diesen Fall hat der Gesetzgeber offensichtlich
gar nicht gedacht. Die ratio von Art. 32 VNB und Art. 316m SchKG verlangt
im Gegenteil, dass während des Konkursaufschubes die Verrechnung auch in
einem solchen Fall ausgeschlossen sein soll. Würde man anders entscheiden,
so könnte der vom Gesetzgeber missbilligte Aufkauf von Forderungen
gegen den Schuldner während des Aufschubes nicht vollständig verhindert
werden, da Art. 214 SchKG und die paulianische Anfechtungsklage gegen
derartige Machenschaften nur ungenügenden Schutz bieten (LUDWIG, Der
Nachlassvertrag mit Vermögensabtretung, Diss. Bern 1970, S. 93; GERSBACH,
Der Nachlassvertrag ausser Konkurs nach dem schweizerischen Bundesgesetz
über die Banken und Sparkassen, Diss. Zürich 1937, S. 134). Fraglich
kann somit nur sein, von welchem Zeitpunkt an die Verrechnung nicht mehr
zugelassen werden soll.

    b) Wenn der Gesetzgeber in Art. 32 VNB und Art. 316m SchKG auf die
Publikation der Nachlassstundung bzw. des Konkursaufschubes abstellte,
so wollte er damit entgegen der Ansicht der Beklagten nicht, oder
doch nicht nur, einen klaren, für alle Gläubiger einheitlichen Stichtag
festsetzen. Wäre dies seine Absicht gewesen, so hätte er vernünftigerweise
wie bei der Bestimmung des für die paulianische Anfechtung massgebenden
Zeitpunktes in Art. 31 VNB und Art. 316s SchKG und entsprechend
der Regelung des Verrechnungsverbots beim Konkurs (Art. 213 SchKG)
die Bewilligung der Stundung bzw. des Konkursaufschubes als wesentlich
erklärt. Wenn er statt dessen, und zwar bewusst (vgl. Erw. 3), davon absah
und für den Beginn des Verrechnungsverbotes die Publikation als massgebend
bezeichnete, so kann dies nur den Sinn haben, dass es ihm als erheblich
erschien, dass die Gläubiger von der Stundung bzw. dem Konkursaufschub
Kenntnis haben sollen, um von der Verrechnung ausgeschlossen zu sein.

    Anders lässt sich die Diskrepanz zwischen Art. 31 VNB und Art. 316s
SchKG einerseits und Art. 32 VNB und Art. 316m SchKG anderseits nicht
erklären.

    c) Wo das Gesetz eine Rechtsfolge von einer öffentlichen Bekanntmachung
abhängig macht, verfolgt es damit in der Regel den Zweck, diese Rechtsfolge
unabhängig davon eintreten zu lassen, ob die betroffenen Dritten von der
publizierten Tatsache tatsächlich Kenntnis haben. Ihre Kenntnisnahme wird
vielmehr fingiert. Diese Fiktion erübrigt sich aber, wenn nachgewiesen
werden kann, dass der Dritte von der betreffenden Tatsache Kenntnis
erhalten hat. In einem solchen Fall besteht kein zwingender Grund, die
Rechtsfolge nicht schon mit dem Zeitpunkt der tatsächlichen Kenntnisnahme
eintreten zu lassen. Wohl ist gemäss Art. 35 Abs. 1 SchKG für die
Berechnung von Fristen und für die Feststellung der mit einer öffentlichen
Bekanntmachung verbundenen Rechtsfolgen grundsätzlich das Datum der
Publikation im Schweizerischen Handelsamtsblatt massgebend. Das setzt aber
voraus, dass eine Publikation überhaupt erfolgt ist. Sodann enthält das
Gesetz selbst Ausnahmen von diesem Grundsatz. So bewirken z.B. Zahlungen an
den Gemeinschuldner nach der Konkurseröffnung, aber vor der öffentlichen
Bekanntmachung des Konkurses keine Befreiung von der Schuldpflicht, wenn
dem Leistenden die Konkurseröffnung bekannt war (Art. 205 SchKG). Ferner
sind Wechselzahlungen des Gemeinschuldners nach Art. 204 Abs. 2 SchKG nach
der Konkurseröffnung nur dann ungültig, wenn der Wechselinhaber von der
Konkurseröffnung Kenntnis hatte. Ein weiteres Beispiel bietet Art. 213
Abs. 2 SchKG. Danach ist im Konkurs die Verrechnung mit Forderungen
aus Inhaberpapieren zulässig, wenn der Gläubiger nachweist, dass er die
Papiere in gutem Glauben vor der Konkurseröffnung erworben hat. Gutgläubig
im Sinne dieser Bestimmung kann nur derjenige Gläubiger sein, der vom
Konkursaufschub und damit von der Überschuldung des Gemeinschuldners keine
Kenntnis hat. Wer also in Kenntnis des Konkursaufschubes, aber vor dessen
öffentlicher Bekanntmachung, Inhaberpapiere erwirbt, kann diese Forderungen
im Konkurs des Gemeinschuldners nicht zur Verrechnung bringen. In Analogie
zu diesen Fällen drängt es sich auf, dass die Verrechnung einem Gläubiger
gegenüber, der vom Konkursaufschub Kenntnis hat, ausgeschlossen sein soll,
wenn der Aufschub irrtümlicherweise überhaupt nicht öffentlich bekannt
gemacht worden ist. Das Abstellen auf diesen Zeitpunkt trägt dem Umstand
Rechnung, dass dem Gesetzgeber für den Verrechnungsausschluss die Kenntnis
vom Konkursaufschub wesentlich schien.

    d) Entgegen der Ansicht der Beklagten ist dieses Ergebnis nicht
unbillig. Wenn derjenige Gläubiger, der vom Konkursaufschub Kenntnis hat,
hinsichtlich der Verrechnung schlechter gestellt ist als der unwissende,
so lässt sich dies dadurch rechtfertigen, dass er die Möglichkeit
hat, Gegenmassnahmen zu treffen. Wer sich dagegen in Kenntnis des
Konkursaufschubes zum Schaden der Masse und der Gesamtheit der Gläubiger
Verrechnungsmöglichkeiten verschafft, verdient keinen Schutz. Abgesehen
davon verhält es sich im vorliegenden Fall nicht so, dass die Beklagte
während der Dauer des Konkursaufschubes im Vertrauen darauf, dereinst
verrechnen zu können, bestimmte Dispositionen getroffen hätte, glaubte
sie doch stets, Schuldnerin der Klägerin zu sein. Insbesondere hat sie
dieser keine neuen Kredite gewährt. Ihre Gläubigerposition hat sich im
Gegenteil im Laufe des Aufschubes beträchtlich abgeschwächt. Dies geschah
ohne ihr Zutun, da sich ihre Tätigkeit darauf beschränkte, die zugunsten
der Klägerin eingehenden Überweisungen dieser gutzuschreiben. Wohl wurden
auf dem Konto der Klägerin auch einzelne Belastungen vorgenommen. Hätte
sich die Beklagte jedoch geweigert, die Überweisungsaufträge der Klägerin
durchzuführen und deren Konto entsprechend zu belasten, so wäre der
Kontokorrentverkehr zweifellos zusammengebrochen und die Beklagte
wäre nicht besser gestellt als sie es heute ist. Dass die Beklagte
ohne ihr Zutun in die Lage geriet, verrechnen zu können, hilft ihr
nicht; die Billigkeit gebietet nicht, dass sie von diesem Zufall soll
profitieren können. Ebensowenig kann sie etwas daraus ableiten, dass
sie erst bei Entdeckung der Falschbuchung, also erst nach Abschluss
des Konkursaufschubsverfahrens, auf den Gedanken kam, die Verrechnung
zu erklären. Dieser Umstand beweist nur, dass die Beklagte in guten
Treuen gehandelt hat, lässt aber den Ausschluss der Verrechnung nicht als
unbillig erscheinen. Das Verrechnungsverbot in Art. 32 VNB und Art. 316m
SchKG setzt nicht voraus, dass dem Gläubiger in jedem Fall unlautere
Machenschaften vorgeworfen werden müssten, sondern es will generell gelten.

    Sonst würden Art. 214 SchKG und die Anfechtungsklage zum Schutze
der Masse genügen, und der Gesetzgeber hätte den Stichtag für das
Verrechnungsverbot nicht auf die Bekanntmachung der Nachlassstundung
bzw. des Konkursaufschubes vorverlegt.

    e) Aus diesen Gründen ist davon auszugehen, dass bei Unterlassung der
Publikation des Konkursaufschubes als Stichtag für das Verrechnungsverbot
im Sinne von Art. 213 SchKG die tatsächliche Kenntnisnahme vom Aufschub
massgebend ist. Wie es sich verhielte, wenn der Konkursaufschub
ordnungsgemäss veröffentlicht worden wäre, ist damit nicht entschieden.

Erwägung 6

    6.- Gemäss den tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz hat die
Beklagte vom Konkursaufschub gleich nach dessen Bewilligung Kenntnis
erhalten. Nach dem Gesagten kann sie daher ihre Forderung gegen die
Klägerin nicht mit ihren erst nach diesem Zeitpunkt entstandenen Schulden
verrechnen. Die Vorinstanz hat die Klage somit zu Recht gutgeheissen.

Entscheid:

             Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Handelsgerichts des
Kantons Zürich vom 4. Juni 1975 bestätigt.