Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 101 III 92



101 III 92

20. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 5. März 1975 i.S. W.
Schmid & Co. gegen Bank in Kriegstetten Regeste

    Anfechtungsklage nach Art. 288 SchKG.

    Ist die Anfechtbarkeit zu bejahen, wenn einer der Gläubiger dem
Schuldner gegen die Abtretung bestimmter Forderungen Kredit gewährt und
zwar bis zu 70% der jeweils abgetretenen Guthaben?

Sachverhalt

    A.- Die Bank in Kriegstetten schloss am 22. Februar 1965 mit der Firma
E. Zimmermann & Söhne AG einen "Kreditvertrag mit Sicherungszession"
ab. Darin vereinbarten die Parteien, dass der fraglichen Firma
gegen Abtretung einzelner, bereits entstandener und in besondern
Abtretungserklärungen genau zu bezeichnender Forderungen Kredit bis zu
70% der jeweils abgetretenen Guthaben gewährt werde. In der Folge trat
die Kreditnehmerin der Bank bis zum Februar 1966 einzelne Forderungen
im Gesamtbetrag von Fr. 275'077.69 ab und beanspruchte dafür Kredite
von insgesamt Fr. 217'313.60. Am 17. März 1966 wurde über die Firma
E. Zimmermann & Söhne AG der Konkurs eröffnet. In diesem Zeitpunkt belief
sich das Guthaben der Bank auf Fr. 23'710.--. Durch nachträgliche Eingänge
zedierter Debitorenforderungen reduzierte sich das Guthaben im Laufe des
Konkursverfahrens auf Fr. 7'297.60. Mit diesem Betrag wurde die Bank in
Kriegstetten in der fünften Klasse kolloziert.

    B.- Die Firma W. Schmid & Co., die im Konkurs der Firma E. Zimmermann
§ Söhne AG mit einer Forderung von Fr. 9'291.-- ebenfalls in der
fünften Klasse kolloziert ist, liess sich am 21. Februar 1968 allfällige
Anfechtungsansprüche gegen die Bank in Kriegstetten abtreten. Sie erhob am
27. Juni 1968 gegen die fragliche Bank Anfechtungsklage gemäss Art. 285
ff. SchKG. Das zuständige Amtsgericht wies die Klage mit Urteil vom
16./22. Mai 1973 ab. Die Klägerin zog diesen Entscheid an das Obergericht
des Kantons Solothurn weiter, welches die Anfechtungsklage am 10. September
1974 ebenfalls abwies.

    C.- Die Klägerin führt Berufung an das Bundesgericht mit den
Anträgen, das Urteil vom 10. September 1974 aufzuheben und die Sache zur
Aktenergänzung und neuen Entscheidung an das Obergericht zurückzuweisen.

    Das Bundesgericht weist die Berufung ab und bestätigt das angefochtene
Urteil.

Auszug aus den Erwägungen:

                     Aus den Erwägungen:

Erwägung 4

    4.- a) Objektive Voraussetzung der hier allein in Betracht kommenden
Anfechtungsklage nach Art. 288 SchKG (Deliktspauliana) ist in jedem Falle,
dass die angefochtene Handlung die Gläubiger oder einzelne von ihnen
tatsächlich schädigt, indem sie das Vollstreckungsergebnis oder ihren
Anteil daran vermindert oder ihre Stellung im Vollstreckungsverfahren
sonstwie verschlechtert. Die subjektiven Voraussetzungen der Anfechtung
nach Art. 288 SchKG sind dann gegeben, wenn der Schuldner die angefochtene
Handlung in der Absicht vorgenommen hat, seine Gläubiger zu benachteiligen
oder einzelne Gläubiger zum Nachteil anderer zu begünstigen, und wenn
diese Absicht für den andern Teil erkennbar gewesen ist (BGE 99 III 32/33
mit Hinweisen).

    Eine Schädigung der Gläubiger tritt nach der neuern Rechtsprechung
und Lehre nicht ein, wenn die angefochtene Rechtshandlung des Schuldners
in der Beteiligung an einem Rechtsgeschäft besteht, das ihm für seine
Leistung eine gleichwertige Gegenleistung einbrachte, es sei denn,
der Schuldner habe mit dem Geschäft den Zweck verfolgt, über seine
letzten Aktiven zum Schaden der Gläubiger verfügen zu können, und sein
Geschäftspartner habe das erkannt oder bei pflichtgemässer Aufmerksamkeit
erkennen müssen (BGE 99 III 34 mit Hinweisen auf Rechtsprechung und
Literatur). Ein Austausch gleichwertiger Leistungen ist namentlich in
der Gewährung von Krediten gegen Pfandbestellung oder gegen Zession von
Guthaben zu erblicken. Die Frage der Anfechtbarkeit stellt sich dabei
nur, wenn ursprünglich ohne Sicherheit gewährte Darlehen nachträglich
durch Pfandbestellung, Forderungsabtretung oder anderweitige Garantien
gesichert werden (vgl. dazu BGE 83 III 82 und 89 III 47). Ein Grenzfall
liegt dann vor, wenn der Schuldner erst nachträglich eine Sicherheit
leistet, zu der er sich bereits bei der Kreditaufnahme verpflichtet hatte
(siehe BGE 99 III 89 ff.).

    b) Im vorliegenden Fall hat die Beklagte der Gemeinschuldnerin, der
Firma E. Zimmermann & Söhne AG, gegen die Abtretung bereits entstandener,
genau bezeichneter Forderungen und damit gegen eine durchaus übliche
Sicherheit Kredit gewährt. Eine erst nachträgliche Sicherheitsleistung
liegt nicht vor. Dass die abgetretenen Forderungen nach dem Kreditvertrag
nur bis zu 70% ihres Nominalwertes belehnt werden sollten und, wie die
Klägerin geltend macht, der gewährte Kredit in Wirklichkeit meist unter
dieser Limite lag, vermag an der Gleichwertigkeit der ausgetauschten
Leistungen nichts zu ändern. Anfechtbar wären diese Rechtshandlungen
nur dann, wenn die Beklagte die die erforderliche Deckung übersteigenden
Sicherheiten dazu verwendet hätte, andere, nicht gesicherte (z.B. früher
gewährte) Kredite abzudecken. Das war indessen nicht der Fall. Hätte die
Beklagte aus den durchgeführten Zessionen mehr Zahlungen erhalten, als zur
Begleichung der gewährten Kredite erforderlich gewesen wäre, so hätte sie
den Mehrbetrag an die Gemeinschuldnerin bzw. nach Konkurseröffnung an die
Konkursmasse herausgeben müssen. In Wirklichkeit erhielt die Beklagte aus
den Zessionen nicht einmal volle Deckung für die gewährten Kredite. Sie
konnte die ihr abgetretenen Debitorenguthaben offenbar zum Teil nicht
realisieren, weil sie von der Gemeinschuldnerin direkt eingezogen worden
waren oder von den Debitoren ganz oder teilweise bestritten wurden. Daraus
folgt, dass keine Überdeckung vorlag und dass andere Gläubiger durch die
der Beklagten von der Gemeinschuldnerin geleistete Sicherheit gar nicht
geschädigt werden konnten.

    Unter diesen Umständen wäre die Kreditgewährung nur anfechtbar, wenn
die Firma E. Zimmermann & Söhne AG die von der Beklagten erhaltenen Kredite
zum Schaden anderer Gläubiger verwendet hätte und wenn diese Absicht
der Beklagten bei der Kreditgewährung erkennbar gewesen wäre. Weder
das eine noch das andere ist im vorliegenden Falle nachgewiesen. Die
blosse Tatsache, dass die Gemeinschuldnerin die erhaltenen Kredite
dafür verwendete, "andere Löcher zu stopfen", wie im erstinstanzlichen
Urteil ausgeführt wird, genügt für die Begründung der Anfechtbarkeit
keineswegs; denn es ist zulässig, einem Schuldner, der ersichtlich
mit Zahlungsschwierigkeiten zu kämpfen hat, die Weiterführung seiner
Geschäftstätigkeit durch Kreditgewährung gegen Sicherheit zu ermöglichen
(BGE 79 III 175). Nur wenn der Kreditgeber weiss oder bei gehöriger
Aufmerksamkeit wissen muss, dass der Konkurs des Schuldners unmittelbar
bevorsteht und die von ihm gewährten Kredite nur noch dazu dienen können,
einzelne Gläubiger gegenüber andern zu bevorzugen, oder dass der Schuldner
die erhaltenen Mittel zu seinem persönlichen Vorteil, insbesondere etwa für
eine Flucht, verwenden will, ist ein Kreditgeschäft, wie es hier getätigt
wurde, nach Art. 288 SchKG anfechtbar (BGE 74 III 51 und 79 III 174). Weder
eine derartige Absicht des Gemeinschuldners noch deren Erkennbarkeit für
den Kreditgeber darf leichthin angenommen werden. Im vorliegenden Fall hat
das Obergericht festgestellt, der Beweis, dass die Firma E. Zimmermann &
Söhne AG die erhaltenen Kredite in einer für ihre Gläubiger nachteiligen
Weise verwendet habe, sei nicht erbracht. Darin liegt eine tatsächliche
Feststellung, von der die Klägerin weder behauptet, sie sei in Verletzung
bundesrechtlicher Beweisvorschriften zustande gekommen, noch sie beruhe
auf einem offensichtlichen Versehen. Diese Feststellung ist daher für
das Bundesgericht verbindlich. Damit ist aber die Anfechtbarkeit der von
der Beklagten mit der Gemeinschuldnerin abgeschlossenen Zessionsgeschäfte
gegen Kreditgewährung gemäss Art. 288 SchKG zu verneinen.