Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 101 III 40



101 III 40

9. Entscheid vom 15. Mai 1975 i.S. W. AG. Regeste

    Konkursandrohung, Aberkennungsklage.

    1. Kommt einem Rechtsmittel gegen den Rechtsöffnungsentscheid keine
aufschiebende Wirkung zu und wird ihm diese auch nicht durch richterliche
Verfügung erteilt, so kann trotz Hängigkeit des Rechtsmittels die
Konkursandrohung erlassen werden (Erw. 2).

    2. Die Frist für die Aberkennungsklage beginnt in einem solchem Fall
schon mit der Mitteilung des erstinstanzlichen Rechtsöffnungsentscheids
zu laufen (Erw. 3.).

Sachverhalt

    A.- In der von der W. AG gegen die K. AG beim Betreibungsamt
Lugnez eingeleiteten Betreibung Nr. 355/74 erhob die Schuldnerin
Rechtsvorschlag, worauf die Gläubigerin beim Kreisamt Lugnez die
provisorische Rechtsöffnung erwirkte. Der Rechtsöffnungsentscheid ging den
Parteien am 12. November 1974 zu. Am 22. November 1974 stellte die W. AG
das Fortsetzungsbegehren, dem sie den Rechtsöffnungsentscheid beilegte
und auf welchem sie vermerkte: "Es ist keine Aberkennungsklage erhoben
worden". Gestützt darauf stellte das Betreibungsamt der Schuldnerin am
26. November 1974 die Konkursandrohung zu. Inzwischen hatte die Betriebene
am 15. November 1974 gegen den Rechtsöffnungsentscheid Beschwerde an
den Kantonsgerichtsausschuss von Graubünden eingereicht. Diese wurde
an der Sitzung vom 28. November 1974 behandelt und abgewiesen. Bevor
der Beschwerdeentscheid schriftlich mitgeteilt werden konnte, stellte
die Betriebene am 3. Dezember 1974 beim Kantonsgerichtspräsidenten das
Gesuch, der Rechtsöffnungsbeschwerde aufschiebende Wirkung zu erteilen. In
Vertretung des abwesenden Präsidenten entsprach der Vizepräsident diesem
Gesuch, offenbar in Unkenntnis der Tatsache, dass die Beschwerde bereits
entschieden war. Am 12. Dezember 1974 wurde der Beschwerdeentscheid
den Parteien zugestellt, und mit Entscheid vom 21. März 1975 hiess der
Kantonsgerichtsausschuss eine Beschwerde gegen die vom Vizepräsidenten
erteilte aufschiebende Wirkung gut und hob dessen Verfügung vom 3. Dezember
1974 auf.

    B.- Gegen die Konkursandrohung vom 26. November 1974 reichte
die Betriebene am 6. Dezember 1974 beim Kantonsgerichtsausschuss als
Aufsichtsbehörde über Schuldbetreibung und Konkurs Beschwerde ein. Diese
wurde mit Entscheid vom 17. Dezember 1974, mitgeteilt am 15. April 1975,
gutgeheissen und die Konkursandrohung aufgehoben.

    C.- Mit dem vorliegenden Rekurs an die Schuldbetreibungs- und
Konkurskammer des Bundesgerichts beantragt die Gläubigerin, der Entscheid
des Kantonsgerichtsausschusses sei aufzuheben. Die Betriebene beantragt
Abweisung des Rekurses.

Auszug aus den Erwägungen:

Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Die Vorinstanz hat ihren Entscheid in erster Linie damit begründet,
die betreibende Gläubigerin habe die auf der Rückseite des Formulars Nr. 4
"Begehren um Fortsetzung der Betreibung" aufgeführten Erläuterungen
insofern nicht beachtet, als sie dem Fortsetzungsbegehren weder eine
Bescheinigung über die Rechtskraft des Rechtsöffnungsentscheides noch
eine solche über die Nichteinreichung einer Aberkennungsklage beigelegt
habe. Diese Erläuterungen besitzen indessen keine Gesetzeskraft, sondern
stellen blosse Ordnungsvorschriften dar. Zwar ist das Betreibungsamt
befugt, die Beibringung der erwähnten Bescheinigungen zu verlangen
und gegebenenfalls den Erlass der Konkursandrohung davon abhängig zu
machen. Tut es das jedoch nicht, sondern gibt es dem Fortsetzungsbegehren
durch Zustellung der Konkursandrohung Folge, so ist diese deswegen nicht
ohne weiteres ungültig oder gar nichtig. Das ist nur dann der Fall,
wenn sich nachträglich herausstellt, dass der Rechtsöffnungsentscheid im
Zeitpunkt der Zustellung der Konkursandrohung noch nicht in Rechtskraft
erwachsen war oder dass rechtzeitig eine Aberkennungsklage eingereicht
wurde. Diese Fragen sind allenfalls in einem Beschwerdeverfahren von
den Aufsichtsbehörden zu prüfen. Indem die Vorinstanz eine solche
Prüfung unterliess und einfach deswegen, weil die Rekurrentin dem
Fortsetzungsbegehren die entsprechenden Bescheinigungen nicht beigelegt
hatte, die Konkursandrohung für ungültig erklärte und aufhob, hat
sie daher Bundesrecht verletzt. Eine Rückweisung des Falles an den
Kantonsgerichtsausschuss zur Nachholung der unterlassenen Prüfung
erübrigt sich indessen, weil der Sachverhalt soweit abgeklärt ist, dass
das Bundesgericht die Sache selbst entscheiden kann.

Erwägung 2

    2.- Ein erstinstanzlicher Rechtsöffnungsentscheid erwächst nur dann
nicht mit seiner Mitteilung in Rechtskraft, wenn das kantonale Prozessrecht
einen Weiterzug vorsieht, dem von Gesetzes wegen aufschiebende Wirkung
zukommt (BGE 55 III 175 Erw. 3, 47 III 68). Ein solches Rechtsmittel ist
die Rechtsöffnungsbeschwerde im Sinne von Art. 265 der bündnerischen ZPO
nicht. während der Beschwerde wegen Gesetzesverletzung gemäss Art. 263
Abs. 3 ZPO von Gesetzes wegen aufschiebende Wirkung zukommt, ist das bei
der Rechtsöffnungsbeschwerde nicht der Fall; sie hat nur dann aufschiebende
Wirkung, wenn ihr diese vom Kantonsgerichtspräsidenten verliehen wird
(Art. 265 Abs. 2 ZPO). Somit war der Rechtsöffnungsentscheid im Zeitpunkt
der Stellung des Fortsetzungsbegehrens (22. November 1974) und am Tage der
Zustellung der Konkursandrohung (26. November 1974) rechtskräftig, da für
die Rechtsöffnungsbeschwerde aufschiebende Wirkung weder verlangt noch
bewilligt worden war. Die erst am 3. Dezember 1974 zu Unrecht ergangene
und am 21. März 1975 wieder aufgehobene Suspensivverfügung vermochte daran
nichts zu ändern. Die Beschwerde stand demzufolge der Konkursandrohung
nicht im Wege.

Erwägung 3

    3.- Kam der Rechtsöffnungsbeschwerde somit keine aufschiebende Wirkung
zu und war ihr eine solche auch nicht durch besondere Suspensivverfügung
erteilt worden, so begann die Frist für die Aberkennungsklage mit
der Mitteilung des Rechtsöffnungsentscheides am 12. November 1974 zu
laufen und lief am 22. November 1974 ab (BGE 47 III 68, 77 III 138;
FAVRE, Droit des poursuites, 3. Aufl., S. 159). Diese Frist hat die
Schuldnerin unbestrittenermassen unbenützt verstreichen lassen, da sie
der Ansicht war, die Klagefrist beginne erst mit der Zustellung des
Entscheides über die Rechtsöffnungsbeschwerde zu laufen. Sie hat deshalb
den Aberkennungsprozess erst nach Abschluss des Beschwerdeverfahrens
eingeleitet. Zwar ist es grundsätzlich Sache des Richters, über die
Rechtzeitigkeit einer Aberkennungsklage zu befinden. Wo indessen wie hier
zum vornherein unzweideutig feststeht, dass die Klagefrist nicht gewahrt
ist, können die Betreibungsbehörden die Betreibung fortsetzen, ohne den
gerichtlichen Entscheid abzuwarten (BGE 91 III 17, 65 III 91, 53 III
68). Die am 26. November 1974 erlassene Konkursandrohung ist daher gültig.

Entscheid:

    Demnach erkennt die Schuldbetr.- und Konkurskammer:

    Der Rekurs wird gutgeheissen und der Entscheid des
Kantonsgerichtsausschusses von Graubünden vom 17. Dezember 1974 aufgehoben;
es wird festgestellt, dass die vom Betreibungsamt Lugnez in der Betreibung
Nr. 355/74 am 26. November 1974 zugestellte Konkursandrohung gültig ist.