Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 101 III 32



101 III 32

7. Entscheid vom 12. März 1975 i.S. K. und J.K. sowie Z. AG. Regeste

    Schätzung von Faustpfändern im Pfandverwertungsverfahren.

    Bedeutung der Schätzung im Pfandverwertungsverfahren (E. 1 am Ende).

    Die analoge Anwendung des Art. 99 Abs. 2 bzw. 9 Abs. 2 VZG auf
die Schätzung von Fahrnis rechtfertigt sich nur dort, wo anerkannte
Schätzungskriterien bestehen; dies ist bei nicht kotierten Aktien nicht
der Fall (E. 2b und c).

Sachverhalt

    A.- In der von der X. SA gegen die Y. AG in Basel geführten Betreibung
auf Pfandverwertung schätzte das Betreibungsamt Basel-Stadt die 150
verpfändeten Inhaberaktien der Schuldnerin auf ihren Nennwert von
150'000 Franken. Gegen diese nach ihrer Ansicht zu tiefe Schätzung
erhoben K. und J. K. sowie die Z. AG als Faustpfandeigentümer
Beschwerde bei der kantonalen Aufsichtsbehörde, wobei sie den Beizug
eines Schätzungsgutachtens beantragten. Mit Entscheid vom 20. Februar
1975 hat die Aufsichtsbehörde über das Betreibungs- und Konkursamt des
Kantons Basel-Stadt die Beschwerde abgewiesen.

    B.- Diesen Entscheid haben die Faustpfandeigentümer an die
Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichts weitergezogen. Sie
stellen folgende Anträge:

    "1. Es sei der Entscheid der Aufsichtsbehörde vom 20. Februar

    1975 und damit auch der Schätzungsbericht des Betreibungsamtes

    Basel-Stadt vom 28. November 1974 aufzuheben.

    2. Es sei das Betreibungsamt Basel-Stadt anzuweisen, den Wert der
   durch die von der X. S.A. veranlassten Betreibung auf Pfandverwertung
   (Zahlungsbefehle Nrn. 42'398-42'402 des Betreibungsamtes Basel-Stadt)
   betroffenen 150 Inhaber-Aktien der Y. AG in Basel durch unabhängige,
   ausgewiesene Sachverständige schätzen zu lassen, und den danach
   festgestellten Wert im Betreibungsverfahren zu berücksichtigen.

    3. Eventuell: Es sei die Aufsichtsbehörde über das Betreibungs- und

    Konkursamt des Kantons Basel-Stadt anzuweisen, einen Entscheid im

    Sinne des vorstehenden Rechtsbegehrens zu Handen des Betreibungs- und

    Konkursamtes des Kantons Basel-Stadt zu erlassen.

    4. Subeventuell: Es sei die Aufsichtsbehörde über das Betreibungs- und

    Konkursamt des Kantons Basel-Stadt anzuweisen, die

    Sachverständigen-Schätzung gemäss vorstehenden Rechtsbegehren
anzuordnen."

Auszug aus den Erwägungen:

Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Streitigkeiten über die Höhe der Schätzung im Betreibungsverfahren
werden an sich von den kantonalen Aufsichtsbehörden endgültig beurteilt,
da es sich dabei um Ermessensfragen handelt. Das Bundesgericht kann einen
Entscheid über solche Fragen nur daraufhin prüfen, ob die kantonale
Behörde bundesrechtliche Verfahrensvorschriften verletzt oder das ihr
zustehende Ermessen überschritten habe (BGE 99 III 56 E. 4a). Dies ist
hier nicht der Fall.

    Das Betreibungsamt hatte gute Gründe, die verpfändeten Aktien auf
ihren Nennwert zu schätzen. Einmal handelt es sich dabei um den Preis,
zu welchem die Rekurrenten nach ihren eigenen Angaben die Titel im
Jahre 1971 gekauft haben. Der geschätzte Wert trägt sodann auch dem
Bericht der FIDES Treuhand-Vereinigung vom 11. November 1974 sowie den
Jahresabschlüssen 1971 bis 1973 der Schuldnerin samt den entsprechenden
Kontrollstell-Berichten der genannten Treuhandgesellschaft angemessen
Rechnung. Aus diesen Unterlagen erhellt überdies deutlich, dass auch eine
zuverlässige Schätzung des Liegenschafteneigentums der Y. AG keine genaue
Ermittlung des inneren Wertes der verpfändeten Aktien zuliesse, da in
Anbetracht der mangelhaften Buchführung, wie sie die FIDES festgestellt
hat, immer noch zuviele Unklarheiten bestehen blieben. So soll namentlich
eine nicht unbedeutende Forderung gegen die Schuldnerin nicht abgeklärt
sein.

    Im übrigen kommt der Schätzung im Pfandverwertungsverfahren ohnehin
nur untergeordnete Bedeutung zu. Ihre Hauptfunktionen - Bestimmung des
Deckungsumfanges und Orientierung des Gläubigers über das voraussichtliche
Ergebnis der Verwertung - entfallen hier weitgehend. Wohl dient die
Schätzung ausserdem zur Aufklärung allfälliger Steigerungsinteressenten
(BGE 70 III 17 E. 3), doch hat dieser Zweck dort zurückzutreten, wo -
wie hier - eine zuverlässige Schätzung nur mit einem unverhältnismässigen
und dem betreibenden Gläubiger nicht zumutbaren Zeitaufwand erreicht
werden kann. In solchen Fällen muss es mit einer summarischen Schätzung
sein Bewenden haben.

Erwägung 2

    2.- a) Die Rekurrenten verlangen die Schätzung der Faustpfänder
durch einen Sachverständigen. Dabei berufen sie sich auf JAEGER/DAENIKER
(Schuldbetreibungs- und Konkurs-Praxis, Bd. I S. 210), die dafür halten,
dass Art. 9 VZG, der einen solchen Rechtsanspruch bei der Pfändung von
Grundstücken ausdrücklich festhält, analog auf Mobilien anzuwenden sei.

    Zur Stellung eines derartigen Begehrens sind die Rekurrenten als
Dritteigentümer der verpfändeten Aktien an sich befugt (vgl. FRITZSCHE,
Schuldbetreibung und Konkurs, 2. Aufl., Bd. I S. 335; SCHELLENBERG, Die
Rechtsstellung des Dritteigentümers in der Betreibung auf Pfandverwertung,
Diss. Zürich 1968, S. 143). Fraglich ist jedoch, ob die angerufene
Bestimmung - da ein Pfandverwertungsverfahren vorliegt, ist es eigentlich
die auf Art. 9 verweisende Bestimmung von Art. 99 Abs. 2 VZG - ohne
weiteres auch bei Fahrnis Anwendung finden kann. Die von den Rekurrenten
zitierten Autoren haben ihre zustimmende Auffassung nicht näher begründet,
sondern lediglich auf einen in ZR 41/1942 Nr. 120 abgedruckten Entscheid
des Obergerichts des Kantons Zürich verwiesen (JAEGER/DAENIKER aaO).

    b) Voraussetzung für die (analoge) Anwendung einer Gesetzesbestimmung
auf einen Sachverhalt, der von dieser nicht ausdrücklich erfasst wird,
ist, dass deren Grundgedanke auch für den nicht geregelten Fall zutrifft
(FRIEDRICH, Die Analogie als Mittel der richterlichen Rechtsfindung,
in ZSR 1952, S. 443 und 457; BGE 73 II 231).

    Art. 9 Abs. 2 VZG, auf den die auf das Pfandverwertungsverfahren
anzuwendende Bestimmung von Art. 99 Abs. 2 VZG verweist, gibt den am
Betreibungsverfahren Beteiligten das Recht, die Schätzung durch einen
Sachverständigen zu verlangen, wenn sie mit jener der Betreibungsbehörde
nicht einverstanden sind. Durch den Beizug eines Experten, der über
Kenntnisse und Hilfsmittel verfügt, die dem Betreibungsamt in der Regel
fehlen, soll eine möglichst genaue Schätzung garantiert werden. Innert
nützlicher Frist kann dieser Zweck indessen nur dort erreicht werden,
wo anerkannte Schätzungskriterien bestehen. Dies ist bei nicht kotierten
Aktien wie hier gerade nicht der Fall. Eine zuverlässige Schätzung
wäre deshalb auch unter Beizug eines Sachverständigen ausserordentlich
zeitraubend, und es würde die Verwertung in einem für den betreibenden
Gläubiger unzumutbaren Masse hinausgezögert. Insofern unterscheidet sich
der vorliegende Sachverhalt wesentlich von dem bei JAEGER/DAENIKER (aaO)
angeführten Entscheid des Zürcher Obergerichts, in welchem die Schätzung
von Personenwagen im Streite lag, die gestützt auf Jahrgang und Zahl
der gefahrenen Kilometer verhältnismässig einfach und rasch durchgeführt
werden konnte.

    Gewiss können bisweilen auch Schätzungen von Grundstücken, für die
Art. 9 Abs. 2 VZG ein Sachverständigen-Gutachten ausdrücklich vorsieht,
aufwendig und zeitraubend sein. Doch wird das Vollstreckungsverfahren in
der Regel dadurch nicht allzu stark verzögert, kann doch ein Grundstück
ohnehin erst im Verlaufe des zweiten Monats nach dem Verwertungsbegehren
(eine bewegliche Sache dagegen frühestens schon nach zehn Tagen und
spätestens nach einem Monat) versteigert werden (Art. 156 in Verbindung
mit den Art. 133 und 122 SchKG).

    c) Wie sich aus dem Gesagten ergibt, unterscheidet sich ein Faustpfand
der vorliegenden Art (nicht kotierte Aktie) mit Bezug auf das entscheidende
Merkmal der Schätzbarkeit vom Grundpfand in einem solchen Masse, dass
sich eine analoge Anwendung von Art. 99 Abs. 2 bzw. 9 Abs. 2 VZG nicht
rechtfertigt. Die Rekurrenten haben demnach keinen Rechtsanspruch auf
Schätzung durch einen Sachverständigen.

Erwägung 3

    3.- Mit Recht verlangen die Rekurrenten heute nicht mehr ausdrücklich,
sich durch Abklärungen im Betreibungsverfahren über die tatsächliche
Vermögenslage der Schuldnerin ins Bild setzen und Unterlagen für allfällige
Verantwortlichkeitsklagen gegen die Mitglieder der Verwaltung beschaffen
zu können. Solchen Zwecken hat die betreibungsrechtliche Schätzung nicht
zu dienen.

Entscheid:

    Demnach erkennt die Schuldbetr.- u. Konkurskammer:

    Der Rekurs wird abgewiesen.