Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 101 III 16



101 III 16

3. Auszug aus dem Entscheid vom 14. Januar 1975 i.S. First National City
Bank und Hill Samuel & Co. OHG. Regeste

    Art. 33 Abs. 2 und 88 Abs. 1 SchKG. Die Einhaltung der Frist des
Art. 88 Abs. 1 SchKG liegt nicht bloss im Interesse des Schuldners,
sondern auch im Interesse Dritter. Das Betreibungsamt hat deshalb diese
Frist zu beachten, selbst wenn der Schuldner zum voraus darauf verzichtet,
die Nichteinhaltung der Frist geltend zu machen.

Sachverhalt

                    Aus dem Sachverhalt:

    In einem Betreibungsverfahren verzichtete der Vertreter der Schuldnerin
den Gläubigern gegenüber in einem Schreiben sowohl auf den Rechtsvorschlag
als auch auf die Einhaltung der 20tägigen Zahlungsfrist. Nachdem das
Betreibungsamt der Schuldnerin den Zahlungsbefehl zugestellt hatte,
stellte der Vertreter zweier Gläubigerinnen bereits am folgenden Tag das
Fortsetzungsbegehren. Das Betreibungsamt sandte dieses den Gläubigerinnen
jedoch zurück mit der Bemerkung, das Fortsetzungsbegehren könne frühestens
nach Ablauf von 20 Tagen seit der Zustellung des Zahlungsbefehls gestellt
werden. Gegen diese Verfügung beschwerten sich die beiden Gläubigerinnen.

Auszug aus den Erwägungen:

Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Die Rekurrentinnen bringen vor, gemäss Art. 33 Abs. 2 SchKG
könne der Schuldner darauf verzichten, die Nichtbeachtung einer Frist
geltend zu machen. Sie geben indessen selbst zu, dass diese Bestimmung
gemäss der bundesgerichtlichen Rechtsprechung (BGE 23 II 1947/1948)
nur zur Anwendung gelangen kann, falls es sich um eine Frist handelt,
die ausschliesslich im Interesse des Schuldners aufgestellt ist. Die
Rekurrentinnen machen nun geltend, gerade Art. 88 Abs. 1 SchKG enthalte
eine solche Frist. Bereits die Vorinstanzen haben diese Auffassung zu
Recht abgelehnt. Entgegen den Ausführungen in den Rekursschriften findet
diese Auffassung auch in der Literatur keine Stütze. Namentlich JAEGER,
Kommentar, N. 5 zu Art. 33 SchKG, führt wohl vorerst Art. 88 Abs. 1 SchKG
als Beispiel einer solchen Frist an, um dann jedoch gerade anschliessend
zu erklären, dass an der Einhaltung der Fristen von Art. 88 SchKG auch
Dritte interessiert seien (vgl. hiezu auch FRITZSCHE, Schuldbetreibung und
Konkurs, 2. Aufl., Band I, S. 98; BLUMENSTEIN, Handbuch des Schweizerischen
Schuldbetreibungsrechtes, Bern, 1911, S. 201/202; BRÜSTLEIN & WEBER,
Schuldbetreibung und Konkurs, 2. Aufl., umgearbeitet von A. Reichel,
Zürich, 1901, N. 3 zu Art. 33 SchKG). In der Tat sind denn auch die
Gläubiger daran interessiert, dass die Frist des Art. 88 SchKG nicht
nach Belieben des Schuldners abgekürzt oder aufgehoben wird, namentlich
im Hinblick auf den Beginn und das Ende der 30tägigen Frist des Art.
110 SchKG, die für die Bildung der Pfändungsgruppen entscheidend
ist. Da die Frist des Art. 88 SchKG demnach nicht einzig im Interesse
des Schuldners aufgestellt ist, lehnte es das Betreibungsamt zu Recht ab,
den von der Schuldnerin ausgesprochenen Verzicht auf die Einhaltung dieser
Frist zu beachten.