Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 101 IB 94



101 Ib 94

16. Urteil vom 7. Februar 1975 i.S. Swissair gegen Eidg.
Volkswirtschaftsdepartement Regeste

    Art. 99 lit. b OG. Unzulässigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde
gegen Verfügungen über Tarife auf dem Gebiete der
Kriegstransportversicherung, die der Bund nach Art. 15 Abs. 2 BG über
die wirtschaftliche Kriegsvorsorge vom 30. September 1955 gewährt.

Sachverhalt

    A.- Die Swissair hat ihre Flugzeuge durch Verträge vom 14.
Februar 1973 mit den Versicherungsgesellschaften "Winterthur-Unfall"
und "Zürich" gegen Kriegstransportgefahren versichern lassen und damit
die Rückversicherung dieser Risiken seitens des Bundes gemäss BRB vom
31. Januar 1956 über die Versicherung solcher Gefahren ausgelöst. Der
Ausbruch des Nahostkonfliktes im Oktober 1973 hat die Tarifkommission
der Bundes-Kriegs-Transportversicherung veranlasst, für Flüge der
Swissair in und über die am Konflikt beteiligten Länder Prämienzuschläge
festzulegen, wie dies in den genannten Verträgen vorgesehen ist. Die
Beschwerde der Swissair gegen die Verfügungen der Tarifkommission ist vom
Eidg. Volkswirtschaftsdepartment (EVD) am 21. Oktober 1974 abgewiesen
worden. Gegen diesen Entscheid hat die Swissair gemäss der ihr darin
erteilten Rechtsmittelbelehrung Beschwerde beim Bundesrat erhoben;
gleichzeitig hat sie auch Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Bundesgericht
eingereicht, das nach ihrer Auffassung zuständig ist.

    Zwischen dem Bundesgericht und dem durch das Eidg. Justiz- und
Polizeidepartement vertretenen Bundesrat hat ein Meinungsaustausch über
die Zuständigkeit stattgefunden.

Auszug aus den Erwägungen:

            Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Der angefochtene Entscheid des EVD gehört zu den Verfügungen
über Tarife im Sinne von Art. 99 lit. b OG. Diese Bestimmung schliesst
die Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen solche Verfügungen aus, sofern
es sich nicht um Tarife auf dem Gebiete der Privatversicherung und der
Verwertung von Urheberrechten handelt. Die Swissair hält dafür, dass hier
ein Entscheid über Tarife auf dem Gebiete der Privatversicherung vorliege
und daher die Verwaltungsgerichtsbeschwerde zulässig sei. Diese Auffassung
trifft nach dem Ergebnis des durchgeführten Meinungsaustausches nicht zu.

Erwägung 2

    2.- Art. 99 lit. b OG beruht auf der Überlegung, dass Verfügungen über
Tarife sich für die gerichtliche Überprüfung nicht eignen, weil ihnen im
wesentlichen nicht rechtliche, sondern andere Erwägungen, insbesondere
rein tatsächliche Feststellungen, zugrunde liegen (vgl. GRISEL, Droit
administratif suisse, S. 499). Es rechtfertigt sich daher nicht,
die in der Bestimmung für Verfügungen über Tarife auf dem Gebiete
der Privatversicherung vorgesehene "Ausnahme von der Ausnahme" weit
auszulegen. Im Zweifel ist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde unzulässig
zu erklären.

Erwägung 3

    3.- Die "Bundes-Kriegs-Transportversicherung", die der auf Art. 15
Abs. 2 des BG über die wirtschaftliche Kriegsvorsorge vom 30. September
1955 gestützte BRB vom 31. Januar 1956 regelt, ist eine Einrichtung
besonderer Art:

    - Als Versicherer tritt der Bund selber auf (Art. 15 Abs. 2 BG,
Art. 1 BRB); er wahrt damit das öffentliche Interesse. Die privaten
Versicherungsgesellschaften werden vom Bund lediglich zur Mitwirkung,
insbesondere als Vermittler, herangezogen (Art. 8, Art. 16 Abs. 2 BRB).

    - Der Bund setzt eine Tarifkommission und eine Schadenkommission
ein; die erste hat die Prämientarife festzusetzen, die zweite über
die Schadenfälle zu befinden, soweit dafür nicht das EVD oder die
Verwaltungsstelle der Bundes-Kriegs-Transportversicherung zuständig ist
(Art. 10 und 10bis BRB).

    - Die Kriegs-Transportversicherung wird durch den Abschluss von
Verträgen gewährt, die dem VVG unterstehen (Art. 6 und Art. 14 Abs. 1 BRB).

    - Der Anspruch auf Versicherungsleistungen kann vor dem Zivilgericht
geltend gemacht werden, wenn er von den Verwaltungsbehörden abgelehnt
worden ist (Art. 10bis Abs. 6 BRB). Der Zivilrichter wird allgemein
für die Beurteilung von Streitigkeiten aus dem Versicherungsvertrag
zuständig erklärt, soweit nicht ein Schiedsverfahren vereinbart ist
(Art. 14 Abs. 1 BRB).

    - Die Einnahmen aus der Versicherung fliessen, soweit sie nicht für
deren Zweck beansprucht werden, in die Bundeskasse; diese wird auch mit
einem allfälligen Fehlbetrag belastet (Art. 15 Abs. 2 BRB).

    - Das Eidg. Kriegs-Versicherungsamt ist mit der Durchführung des BRB
beauftragt und zu Kontrollerhebungen ermächtigt (Art. 16 und 17 BRB).

    Aus diesen Feststellungen ergibt sich, dass man es im wesentlichen
mit einer staatlichen Versicherung zu tun hat, die vom Bund
organisiert ist, deren Risiken er in einem gewissen Umfang trägt
und die grundsätzlich vom öffentlichen Recht beherrscht wird, aber
in bestimmten Beziehungen dem Privatrecht unter der Kontrolle des
ordentlichen Richters untersteht. Demnach handelt es sich nicht um
eine reine Privatversicherung, sondern um eine Versicherung gemischten
Charakters. Daraus ist zu schliessen, dass der hier angefochtene
Entscheid des EVD nicht eine Verfügung über einen Tarif auf dem Gebiete
der Privatversicherung im Sinne von Art. 99 lit. b OG darstellt und
deshalb der Verwaltungsgerichtsbeschwerde nicht unterliegt.

Erwägung 4

    4.- Die in Art. 99 lit. b OG vorgesehene "Ausnahme von der
Ausnahme" ist darauf zurückzuführen, dass schon nach dem früheren Recht
gegen Verfügungen über die Genehmigung von Prämientarifen privater
Versicherungsunternehmungen und von Tarifen für die Verwertung von
Urheberrechten die Verwaltungsgerichtsbeschwerde zulässig war (Art. 99
Ziff. VII alt OG, dazu BBl 1965 II S. 1313 unten und S. 1336, Art. 100
lit. e Entw.; Art. 4 Abs. 2 BG betreffend die Verwertung von Urheberrechten
vom 25. September 1940). Offenbar wollte man nur diese Verfügungen "von
der Ausnahme ausnehmen". Es besteht aber ein wesentlicher Unterschied
zwischen den Verfügungen über die Genehmigung von Prämientarifen
privater Versicherungsunternehmungen und den Verfügungen, durch die ein
Tarif für die hier in Frage stehende Versicherung besonderen, gemischten
Charakters aufgestellt wird. Die Entstehungsgeschichte von Art. 99 lit. b
OG bestätigt, dass nach dieser Bestimmung die Verwaltungsgerichtsbeschwerde
im vorliegenden Fall ausgeschlossen ist.

Entscheid:

             Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird nicht eingetreten.