Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 101 IB 64



101 Ib 64

12. Auszug aus dem Urteil vom 31. Januar 1975 i.S. Hoeffleur gegen
Regierungsrat des Kantons Zug Regeste

    Gewässerschutz, Baubewilligung. BG vom 8. Oktober 1971
(GSchG). Allgemeine Gewässerschutzverordnung des Bundesrates vom 19. Juni
1972 (AGSchV).

    Verhältnis zwischen Art. 19 und 20 GSchG. Auslegung des ungenau
gefassten Art. 20. Nicht dieser, sondern Art. 19 ist anwendbar, wenn
das Grundstück zwar dem "übrigen Gemeindegebiet" zugeteilt werden soll,
aber nach der geltenden Bauordnung der Gemeinde noch in einer Bauzone
liegt. Die Behörde hat zu prüfen, ob ein vorschriftsgemässer Anschluss
an die Kanalisation der Gemeinde, allenfalls auf Kosten des Bauherrn,
gewährleistet werden kann.

Sachverhalt

    A.- H. will auf seiner Parzelle Nr. 627 in der Gemeinde Walchwil
Terrassenhäuser bauen. Das Grundstück befindet sich nach der geltenden
Bauordnung der Gemeinde in der Wohnzone II. Das Baugesuch des Eigentümers
wurde vom Einwohnerrat der Gemeinde abgewiesen mit der Begründung,
weder die Trinkwasserversorgung noch die Abwasserbeseitigung seien
sichergestellt, und überdies sei die verkehrsmässige Erschliessung
ungenügend. Der Regierungsrat des Kantons Zug wies die Beschwerde des
Gesuchstellers gegen diesen Entscheid ab. Er führte aus, das Grundstück
liege ausserhalb des Perimeters, der im - noch nicht genehmigten -
generellen Kanalisationsprojekt (GKP) der Gemeinde abgegrenzt sei,
und ein Grund für eine Ausnahme im Sinne von Art. 20 GSchG/Art.
27 Abs. 1 AGSchV bestehe nicht; selbst wenn die Parzelle innerhalb des
Kanalisationsbereiches läge, müsste nach Art. 19 GSchG/Art. 26 AGSchV
die Bewilligung verweigert werden, weil der Anschluss an die Kanalisation
nicht gewährleistet sei.

    Auf Verwaltungsgerichtsbeschwerde des Gesuchstellers hin weist das
Bundesgericht die Sache an den Regierungsrat zurück.

Auszug aus den Erwägungen:

                     Aus den Erwägungen:

Erwägung 5

    5.- Das in Frage stehende Grundstück des Beschwerdeführers befindet
sich zur Zeit unbestrittenermassen in einer rechtskräftigen Bauzone. Der
Zonenplan soll allerdings revidiert werden. Dabei ist vorgesehen,
das Baugebiet zu beschränken; die Parzelle Nr. 627 soll dem "übrigen
Gemeindegebiet" zugeteilt werden. Nach dem ausgearbeiteten, aber noch
nicht genehmigten GKP, das der vorgesehenen Revision des Zonenplanes und
nicht den heutigen Bauzonen entspricht, befindet sich das Grundstück des
Beschwerdeführers ausserhalb des künftigen Kanalisationsperimeters.

    a) Der Regierungsrat hat im angefochtenen Entscheid das Bauvorhaben
des Beschwerdeführers so behandelt, wie wenn ein rechtskräftiges GKP
bestände und es darum ginge, eine Baute ausserhalb des GKP gemäss Art. 20
GSchG zu bewilligen. Dass die Parzelle Nr. 627 sich nach dem geltenden
Zonenplan in einer Bauzone befindet, wird im angefochtenen Entscheid gar
nicht berücksichtigt.

    Ein vorbereitetes, aber von den zuständigen Instanzen noch nicht
genehmigtes und in Kraft gesetztes GKP kann eine geltende Zonenordnung
nicht abändern. Kanalisationsperimeter und Baugebiet müssen im übrigen
nach der Natur der Sache übereinstimmen (vgl. Art. 15 AGSchV).

    Da die Parzelle des Beschwerdeführers sich in einer Bauzone befindet,
ist nicht Art. 20, sondern Art. 19 GSchG anzuwenden. Dass im (noch)
geltenden Zonenplan nach den heutigen Erkenntnissen ein zu grosses
Baugebiet ausgeschieden wurde und dass deswegen eine die Bauzonen
reduzierende Revision im Gange ist, vermag die Rechtslage nicht zu
ändern. Die Behörden können weder unter Berufung auf Art. 15 AGSchV noch
in Anwendung eines nicht rechtskräftigen GKP den geltenden Zonenplan
ausser Kraft setzen.

    In Art. 20 GSchG ist zwar - im Unterschied zu Art. 19 - nur vom
generellen Kanalisationsprojekt die Rede, nicht von den Bauzonen. Der
Wortlaut des Art. 20 liesse sich also sprachlich so verstehen, wie wenn
auch innerhalb der Bauzonen das GPK noch zu einer weitern Einschränkung
führen könnte. Nach dem Sinn der ganzen Regelung betrifft aber Art. 20
GSchG nur jenes Gebiet, das nicht unter Art. 19 GSchG fällt. Art. 20
enthält also nicht eine Ergänzung oder Einschränkung der in Art. 19
getroffenen Ordnung, sondern bezieht sich als genaues Korrelat auf das
übrige, in Art. 19 nicht erfasste Gebiet. Richtigerweise sollte es in
Art. 20 heissen: "Baubewilligungen für Gebäude und Anlagen ausserhalb
der Bauzonen oder, wo solche fehlen, ausserhalb des im generellen
Kanalisationsprojekt abgegrenzten Gebietes dürfen ..." (klar in diesem
Sinne Art. 27 AGSchV). Dass im Text des Art. 20 GSchG die Bezugnahme auf
die Bauzonen fehlt und nur vom GPK die Rede ist, kann bei einer vollständig
und korrekt durchgeführten Ortsplanung allerdings keine Auswirkungen
haben; wie bereits ausgeführt wurde, muss ja der Kanalisationsperimeter
die Bauzonen decken (vgl. Art. 15 AGSchV). Besteht - wie im vorliegenden
Fall - eine rechtskräftige Zonenplanung, so kommt auf alle innerhalb der
Bauzonen liegenden Parzellen Art. 19 GSchG zur Anwendung; nur für das
Gebiet ausserhalb dieser Zonen ist Art. 20 GSchG massgebend. Vorarbeiten
für eine Revision des Zonenplanes oder der Entwurf eines nicht das gesamte
(bisher) eingezonte Gebiet umfassenden GKP sind für den Entscheid, welche
von diesen beiden Vorschriften des GSchG im konkreten Fall anzuwenden
ist, ohne Belang. Das Gewässerschutzgesetz räumt den Behörden nicht die
Möglichkeit ein, im Hinblick auf eine im Gang befindliche Änderung der
Planung ein Baugesuch vorläufig zurückzustellen (analog § 34 des Zuger
Baugesetzes). Das Gesuch ist gewässerschutzrechtlich nach der bestehenden
Rechtslage zu behandeln. Diese Überlegungen führen im vorliegenden Fall
zum Schluss, dass Art. 19 GSchG anzuwenden ist.

    b) Innerhalb der Bauzonen dürfen Baubewilligungen gemäss Art. 19 GSchG
erteilt werden, "wenn der Anschluss der Abwässer an die Kanalisation
gewährleistet ist". Die im zweiten Satz des Art. 19 vorgesehene
Möglichkeit, unter bestimmten Voraussetzungen kleinere Gebäude und
Anlagen vorläufig ohne Kanalisationsanschluss zu bewilligen, fällt im
vorliegenden Fall ausser Betracht, da nach der Art und der Grösse des
konkreten Bauvorhabens (4 Terrassenhäuser) eine solche Ausnahmebewilligung
offensichtlich nicht in Frage kommt.

    Im angefochtenen Entscheid heisst es, der Anschluss an die
Gemeindekanalisation sei in keiner Weise sichergestellt. Aus den Akten
ergibt sich, dass in einer Distanz von etwa 200 m in einer Strasse
ein Stück kommunale Abwasserleitung vorhanden ist, in welche auch die
Überläufe der Klärgruben von drei bestehenden Wohnhäusern münden. Diese
Leitung führt in einen Bach. Ursprünglich war offenbar vorgesehen, die
Leitung an die Gemeindekanalisation anzuschliessen; jetzt betrachtet
sie der Einwohnerrat nur noch als Strassenentwässerung und lehnt den
Anschluss weiterer Bauten ab. Das Ende dieser Leitung ist rund 400 m von
der Gemeindekanalisation entfernt. Die kürzeste Distanz zwischen dem
Grundstück des Beschwerdeführers und dem vorhandenen Leitungsnetz der
Gemeindekanalisation beträgt ungefähr einen Kilometer.

    Obschon der Bauplatz des Beschwerdeführers in einer Bauzone liegt,
ist die Gemeinde nicht verpflichtet, innert einer bestimmten Frist ihr
Kanalisationsnetz entsprechend zu erweitern. Art. 19 GSchG verschafft
dem Grundeigentümer nicht einen Anspruch gegenüber der Gemeinde auf
kanalisationstechnische Erschliessung seiner in der Bauzone liegenden
Parzelle. Eine Baute ist nur zulässig, wenn der Anschluss an die
Kanalisation technisch und finanziell gewährleistet ist. Zwar sollte
in der Regel definitiv eingezontes Gebiet vollständig erschlossen sein
oder vor der Erschliessung stehen. Werden unerschlossene Landflächen in
Bauzonen eingeteilt, so ist es jedoch Sache der Gemeinde zu bestimmen,
wann, wo und in welchem Umfang finanzielle Mittel der Gemeinde für künftige
Erschliessungen des bereits eingezonten Gebietes einzusetzen sind. Aus dem
Gewässerschutzrecht ergibt sich keine Erschliessungspflicht der Gemeinde
in bezug auf unerschlossene Parzellen in der Bauzone.

    Art. 19 GSchG schliesst jedoch nicht aus, dass der Grundeigentümer,
der die Schaffung der notwendigen Infrastrukturanlagen durch die
Gemeinde nicht abwarten will, in dieser Situation sich bereit erklärt,
einen vorschriftsgemässen Anschluss an das vorhandene Kanalisationsnetz
der Gemeinde auf eigene Kosten zu erstellen. Die Gemeinde darf bei
rechtskräftig eingezonten Parzellen ein solches Angebot nicht einfach
abschlagen und die Baubewilligung verweigern mit der Begründung,
eine Überbauung sei an dieser Stelle planerisch unerwünscht. Eine
solche Einschränkung des Baugebietes hat auf dem regulären Weg durch
Änderung des Zonenplanes zu erfolgen. Gestützt auf Art. 19 GSchG kann ein
technisch möglicher, vorschriftsgemässer, vom Bauherrn zu finanzierender
Kanalisationsanschluss einer Parzelle, die nach dem geltenden
Zonenplan in der Bauzone liegt, nicht im Hinblick auf eine angestrebte
Zonenplanänderung abgelehnt werden. Wäre ein solches Vorgehen zulässig,
so würde Art. 19 GSchG den die Planung anwendenden Baupolizeibehörden
die Möglichkeit geben, eine rechtskräftige Bauzone durch die Verweigerung
von Kanalisationsanschlüssen beliebig einzuschränken oder aufzuheben.

    Nach der im vorliegenden Fall zur Zeit bestehenden Rechtslage,
d.h. solange die Parzelle sich in der Bauzone befindet, sind die
zuständigen Behörden von Kanton und Gemeinde verpflichtet, zu prüfen,
ob ein vorschriftsgemässer Kanalisationsanschluss, allenfalls auf
Kosten des Bauherrn, gewährleistet werden kann. Der Beschwerdeführer
hat im verwaltungsgerichtlichen Verfahren erklärt, er sei bereit, die
Kosten der notwendigen Erschliessung zu tragen. Im kantonalen Verfahren
wurde diese Frage nicht erörtert. Der Regierungsrat stützte sich ja
unrichtigerweise in erster Linie auf Art. 20 GSchG. Seine beiläufige
Bezugnahme auf Art. 19 GSchG erschöpft sich in der Feststellung, dass
der Anschluss nicht sichergestellt sei. Ob und in welcher Weise ein
vorschriftsgemässer Anschluss möglich wäre und ob der Beschwerdeführer
die Kosten übernehmen würde, blieb offen. Der Beschwerdeführer und wohl
auch Funktionäre der Gemeinde sind ursprünglich davon ausgegangen,
dass ein Anschluss an die vorhandene, nicht mit der öffentlichen
Kläranlage verbundene Leitung in Frage komme. Solange diese Leitung
das Abwasser ungeklärt einem Bach zuführt, stellt ein solcher Anschluss
selbstverständlich keine vorschriftsgemässe Lösung dar. Da Einwohnerrat und
Regierungsrat die Möglichkeit einer dem Gewässerschutzrecht entsprechenden
Abwasserbeseitigung weder technisch noch finanziell näher untersuchten in
der Annahme, der projektierte Bau könne ohnehin nicht bewilligt werden,
fehlt eine genügende Feststellung des rechtserheblichen Sachverhaltes,
die erlauben würde, darüber zu entscheiden, ob im Sinne des Art. 19 GSchG
ein vorschriftsgemässer Anschluss an die Kanalisation gewährleistet ist
oder nicht.

    c) Der angefochtene Entscheid ist daher aufzuheben, und die Akten
sind an den Regierungsrat des Kantons Zug zurückzuweisen.

    Führt die erneute Prüfung unter Berücksichtigung der vorstehenden
Erwägungen zu einer Lösung, welche die vorschriftsgemässe
Abwasserbeseitigung gewährleistet, so kann die Baubewilligung nicht
gestützt auf das Gewässerschutzrecht verweigert werden. Es wird jedoch
noch darüber zu befinden sein, ob allenfalls im Sinne der Argumentation des
Einwohnerrates Bestimmungen des kantonalen oder kommunalen Baupolizeirechts
dem Bauvorhaben des Beschwerdeführers entgegenstehen; diese Frage wurde
bisher vom Regierungsrat offen gelassen.