Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 101 IB 212



101 Ib 212

39. Urteil der I. Zivilabteilung vom 30. Juni 1975 i.S. Spaeth A.G. gegen
Parfumerie Franco-Suisse Ewald & Cie A.G. und Regierungsrat des Kantons
Basel-Landschaft Regeste

    Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Legitimation.

    Art. 103 lit. a OG. Ob jemand durch den angefochtenen
Entscheid "berührt" sei, hängt nicht davon ab, ob er im kantonalen
Verwaltungsverfahren als Partei behandelt wurde. Wer seine Interessen
auf dem Wege des Zivilprozesses wahrnehmen kann, hat kein "schutzwürdiges
Interesse" an der Beschwerdeführung.

Sachverhalt

    A.- Die Parfumerie Franco-Suisse Ewald & Cie. A.G. in Pratteln,
Rechtsnachfolgerin der im Jahre 1899 in Basel gegründeten Parfumerie
Franco-Suisse Ewald & Cie, reichte am 25. Oktober 1973 gegen die Spaeth
A.G. in Arbon eine Klage aus unlauterem Wettbewerb ein, mit der sie
ihr untersagen lassen will, in ihrem Geschäftsbetrieb den Ausdruck
"Franco-Suisse" zu verwenden, besonders als Geschäftsbezeichnung oder
im Zusammenhang mit dem Vertrieb von Parfumerien und kosmetischen
Erzeugnissen. Die Beklagte ersuchte daher am 19. November 1973 das
Eidgenössische Amt für das Handelsregister, den Bestandteil "Franco-Suisse"
in der Firma der Klägerin zu löschen.

    Das eidgenössische Amt wies das Handelsregisteramt des
Kantons Basel-Landschaft an, das Verfahren nach Art. 60/61 HRegV
durchzuführen. Der Handelsregisterführer hörte die Parfumerie Franco-Suisse
Ewald & Cie A.G. an und überwies die Akten dem Regierungsrat als
Aufsichtsbehörde. Dieser bewilligte am 11. Februar 1975 die Weiterführung
der Firma Parfumerie Franco-Suisse Ewald & Cie A.G. und teilte den
Entscheid auch der Spaeth A.G. mit.

    B.- Die Spaeth A.G. beantragt mit rechtzeitig eingereichter
Verwaltungsgerichtsbeschwerde, diesen Entscheid aufzuheben und den
Bestandteil "Franco-Suisse" der erwähnten Firma zu löschen.

    Die Parfumerie Franco-Suisse Ewald & Cie A.G. hält die Spaeth
A.G. nicht für beschwerdeberechtigt und beantragt, die Beschwerde
abzuweisen.

    Der Regierungsrat des Kantons Basel-Landschaft bezweifelt die
Legitimation der Beschwerdeführerin und beantragt, die Beschwerde
abzuweisen.

    Das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement beantragt, auf die
Beschwerde nicht einzutreten, eventuell sie abzuweisen.

Auszug aus den Erwägungen:

            Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

    Durch Art. 103 lit. a OG, in Kraft seit 1. Oktober 1969, wurde
die Berechtigung zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde, wie sie früher in
Art. 103 Abs. 1 umschrieben war, erweitert. Aus der in der Beschwerde und
in der Antwort angeführten Rechtsprechung zur alten Fassung (BGE 60 I 31
ff.) lässt sich daher nichts mehr ableiten. Fortan kann Beschwerde führen,
"wer durch die angefochtene Verfügung berührt ist und ein schutzwürdiges
Interesse an deren Aufhebung oder Änderung hat".

    a) Das Eidgenössische Amt für das Handelsregister hat in einem
Schreiben vom 5. Februar 1974 an den Vertreter der Beschwerdeführerin
den Standpunkt eingenommen, diese habe in dem vom kantonalen
Handelsregisteramt einzuleitenden Verfahren nicht Parteistellung. Das
kantonale Amt und der Regierungsrat gaben ihr denn auch nicht
Gelegenheit, sich zu äussern. Trotzdem ist sie durch den angefochtenen
Entscheid "berührt". Diese Voraussetzung hängt nicht davon ab, ob der
Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren als Partei behandelt wurde. Auch
ist nicht nötig, dass die angefochtene Verfügung in seine Rechte eingreife
oder ihm Pflichten auferlege; es genügt, dass sie ihm tatsächlich oder
rechtlich irgendwie nahetrete (GRISEL, Droit administratif suisse S. 478
und 504). Das trifft hier zu, weil die Beschwerdegegnerin unter Berufung
auf ihre Firma der Beschwerdeführerin den geschäftlichen Gebrauch des
Ausdruckes "Franco-Suisse" gerichtlich untersagen lassen will.

    b) Aus dem gleichen Grunde hat die Beschwerdeführerin ein Interesse
an der Aufhebung der angefochtenen Verfügung.

    Die Auffassung des Regierungsrates, diese Aufhebung würde nur für
die Zukunft wirken, wogegen für den Ausgang des Zivilprozesses die
bisherige Firma der Beschwerdegegnerin entscheidend sei, widerlegt es
nicht. Das Klagebegehren auf Untersagung des Gebrauchs des Ausdruckes
"Franco-Suisse" ist auf ein Verhalten in der Zukunft gerichtet und würde
daher möglicherweise abgewiesen, wenn feststände, dass der Bestandteil
"Franco-Suisse" in der Firma der Beschwerdegegnerin gemäss Art. 944 OR
und Art. 38, 45 HRegV nicht im Handelsregister eingetragen bleiben dürfe.

    c) Das Interesse, um dessentwillen die Beschwerdeführerin von der
Angelegenheit berührt wird, ist rein zivilrechtlicher Art. Es erschöpft
sich darin, den von der Beschwerdegegnerin erhobenen Vorwurf des unlauteren
Wettbewerbes abzuwehren und gegenteils der Beschwerdegegnerin allenfalls
unlauteres Verhalten nachweisen zu können. Gegen den erwähnten Vorwurf
kann sie sich aber in dem beim Bezirksgericht Arbon hängigen Zivilprozess
verteidigen, und den Gegenvorwurf, die Firma der Beschwerdegegnerin
wirke täuschend und verstosse gegen Treu und Glauben im Wettbewerb,
kann sie im gleichen Prozess durch Einrede oder Widerklage erheben
oder zum Gegenstand eines selbständigen Zivilprozesses machen. Selbst
ein rein firmenrechtlicher Streit im Sinne des Art. 956 OR - zu dem
angesichts der offensichtlich genügenden Unterscheidbarkeit der beiden
Namen kaum Anlass besteht - müsste in einem Zivilprozess ausgetragen
werden. Die Beschwerdeführerin hat es also nicht nötig, ihre Interessen
durch Verwaltungsgerichtsbeschwerde zu wahren. Ihr Interesse, auf dem
Verwaltungswege eine Abänderung der Firma der Beschwerdegegnerin zu
erstreiten, ist deshalb nicht schutzwürdig im Sinne von Art. 103 lit. a OG.

    Zu zivilrechtlichen Streitigkeiten können denn auch die
Handelsregisterbehörden und das Bundesgericht als Verwaltungsgericht
nicht abschliessend Stellung nehmen. Sie dürfen aus materiellrechtlichen
Gründen eine Eintragung nur ablehnen oder eine Löschung nur anordnen,
wenn die Rechtslage offensichtlich ist (BGE 91 I 362 mit Hinweisen,
ferner BGE 91 I 440). Deshalb bestimmt Art. 32 Abs. 1 HRegV, dass Dritte,
die wegen Verletzung ihrer Rechte beim Handelsregisterführer gegen
eine vollzogene Eintragung Einspruch erheben, an den Richter zu weisen
sind. Der in der gleichen Bestimmung erwähnte Ausnahmefall der von Amtes
wegen zu beobachtenden Vorschriften hat nicht den Sinn, dass Dritte,
die sich auf sie berufen, am Verwaltungsverfahren teilnehmen dürfen. Die
Berechtigung zur Teilnahme an diesem Verfahren ist in Art. 48 lit.
a VwG gleich geregelt wie in Art. 103 lit. a OG die Legitimation zur
Verwaltungsgerichtsbeschwerde; sie setzt ein schutzwürdiges Interesse
voraus. Das öffentliche Interesse an der Anwendung der von Amtes wegen
zu beobachtenden Vorschriften begründet sie nicht. Art. 103 lit. a OG
will nicht eine Popularbeschwerde einräumen, sondern nur die Verfolgung
von Interessen des Beschwerdeführers ermöglichen (BGE 98 Ib 70 Erw. c und
74, 99 Ib 107 und 206; GRISEL 477). Wenn dieser seine Interessen auf dem
Wege eines Zivilprozesses wahren kann, steht ihm die Beschwerde nicht zu
(BGE 100 Ib 119 oben, Entscheid der I. Zivilabteilung vom 12. Februar
1974 i.S. Francioli S.A.). Eine Ausnahme wurde gemacht in einem Falle,
wo der Zivilrichter einer Partei aufgegeben hatte, die Zulässigkeit einer
umstrittenen Firma durch die Handelsregisterbehörden prüfen zu lassen mit
der Androhung, dass sonst Verzicht auf die Anfechtung und Anerkennung der
eingetragenen Firma angenommen würde (Entscheid der I. Zivilabteilung vom
13. Juni 1973 i.S. International Escort and Secretary A.G.). Ein solcher
Ausnahmefall liegt hier nicht vor.

Entscheid:

             Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.