Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 101 IB 208



101 Ib 208

38. Beschluss vom 6. September 1975 i.S. Steiner gegen Eidg. Departement
des Innern Regeste

    Art. 100 lit. k OG. Unzulässigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde
gegen eine Verfügung über die Anerkennung eines einzelnen schweizerischen
Maturitätsausweises.

Sachverhalt

    A.- Nelly Steiner erwarb im Jahre 1972 am Holbein-Gymnasium Basel
das kantonale Maturitätsdiplom neusprachlicher Richtung. Solche Ausweise
berechtigten nach der Ordnung, die bis Ende 1972 massgebend war, noch
nicht ohne weiteres zum eidgenössisch geregelten Medizinstudium. Erst in
einer auf den 1. Januar 1973 in Kraft gesetzten Novelle zur eidgenössischen
Maturitäts-Anerkennungsverordnung wurden sie vom Bund allgemein anerkannt
(Typus D).

    Nelly Steiner immatrikulierte sich zunächst an der juristischen
Fakultät der Universität Basel und trat dann in die dortige
philosophisch-naturwissenschaftliche Fakultät über, wo sie die gleichen
Kurse wie die Medizinstudenten der ersten Semester besuchte. Im Jahre 1973
wurde sie vom Ortspräsidenten für die eidgenössischen Medizinalprüfungen
zur ersten (naturwissenschaftlichen) Prüfung für Mediziner zugelassen,
die sie indessen nicht bestand. Im folgenden Jahre meldete sie sich erneut
zu diesem Examen an, wurde jedoch von der neuen Ortspräsidentin nicht
zugelassen mit der Begründung, es fehle ein eidgenössisch anerkannter
Maturitätsausweis.

    Gegen die Ablehnung und den sie bestätigenden Entscheid des Leitenden
Ausschusses für die eidgenössischen Medizinalprüfungen erhob ein Student
der Rechte im Namen der Kandidatin Beschwerde beim Eidg. Departement
des Innern. Dieses hiess am 10. Dezember 1974 die Beschwerde gut
und wies das Eidg. Gesundheitsamt an, die Beschwerdeführerin "zum
Medizinalstudium (naturwissenschaftliche Prüfung) zuzulassen". Zum Begehren
der Beschwerdeführerin, es sei ihr eine Parteientschädigung zuzusprechen,
wurde in dem Entscheid nicht ausdrücklich Stellung genommen. Das
Departement wies darauf hin, dass gegen den Entscheid Beschwerde beim
Bundesrat erhoben werden könne.

    Nachdem dieser Entscheid der Beschwerdeführerin zugestellt worden war,
ersuchte sie das Departement erneut, ihr die verlangte Parteientschädigung
zuzusprechen. Das Departement lehnte das Begehren mit Schreiben vom
23. Januar 1975 ab. Hiegegen hat Nelly Steiner beim Bundesgericht
Verwaltungsgerichtsbeschwerde erhoben.

    Zwischen dem Bundesgericht und dem durch das Eidg. Justiz- und
Polizeidepartement vertretenen Bundesrat hat ein Meinungsaustausch über
die Kompetenzfrage stattgefunden.

Auszug aus den Erwägungen:

            Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Aus Art. 101 lit. b OG folgt a contrario, dass gegen
Verfügungen über Verfahrenskosten und Parteientschädigung nur
dann Verwaltungsgerichtsbeschwerde erhoben werden kann, wenn dieses
Rechtsmittel auch in der Hauptsache zulässig ist. Gegen den Entscheid,
den das Eidg. Departement des Innern hier am 10. Dezember 1974 in der
Sache getroffen hat, hätte nach Art. 97 Abs. 1 OG, Art. 5 Abs. 1 VwVG
und Art. 98 lit. b OG Verwaltungsgerichtsbeschwerde geführt werden
können, sofern dieser Rechtsweg nicht durch eine Ausnahmebestimmung
ausgeschlossen war. In Betracht kommt Art. 100 lit. k OG, wonach die
Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen die Anerkennung oder die Verweigerung
der Anerkennung schweizerischer Maturitätsausweise unzulässig ist.

    Um einen solchen Fall handelt es sich hier. Die Beschwerdeführerin
hatte das Eidg. Departement des Innern ersucht, das von ihr im Jahre 1972
erlangte Maturitätszeugnis als Ausweis anzuerkennen, der sie berechtige,
zu den eidgenössischen Medizinalprüfungen zugelassen zu werden. Das
Departement des Innern hat die Beschwerde in der Sache gutgeheissen und
damit das Zeugnis als genügend erachtet. Es hat also im Sinne von Art. 100
lit. k OG die Anerkennung eines schweizerischen Maturitätsausweises
ausgesprochen. Ist demnach die Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den
Sachentscheid unzulässig, so ist ihr nach Art. 101 lit. b OG auch der
Entscheid über die Parteientschädigung entzogen.

Erwägung 2

    2.- Die Einwendungen, mit denen die Beschwerdeführerin ihre abweichende
Auffassung begründet, sind nicht stichhaltig.

    Freilich hat das Departement des Innern in seinem Entscheid
offengelassen, ob das von der Beschwerdeführerin im Jahre 1972 erworbene
Maturitätszeugnis neusprachlicher Richtung dem Ausweis des Typus D im
Sinne der revidierten Maturitäts-Anerkennungsverordnung gleichgestellt
werden könne; es hat ausgeführt, dass jedenfalls der Grundsatz von Treu
und Glauben verbiete, der Beschwerdeführerin heute eine Bewilligung zu
verweigern, die ihr im Jahre 1973 erteilt worden war. Indessen kommt es
nicht auf die Begründung des Entscheides an. Das Departement des Innern
hat sich zwar über den innern Wert des in Frage stehenden Zeugnisses nicht
ausgesprochen, aber nichtsdestoweniger angenommen, der Ausweis müsse,
nachdem er einmal anerkannt worden sei, auch weiterhin als genügend
betrachtet werden. Es hat also doch über die Frage der Anerkennung eines
schweizerischen Maturitätsausweises entschieden.

    Die Beschwerdeführerin meint, Art. 100 lit. k OG sei nur anwendbar,
wo es darum gehe, ob eine Schule allgemein zur Ausstellung eidgenössisch
anerkannter Maturitätsausweise qualifiziert sei, dagegen nicht auch
in Fällen wie dem vorliegenden, wo die Anerkennung eines einzelnen
Maturitätsausweises in Frage stehe. Diese Auffassung ist jedoch mit dem
Text der Bestimmung nicht vereinbar. Die Vorschrift wurde aufgestellt,
weil man fand, dass die Verfügungen über die Anerkennung schweizerischer
Maturitätsausweise sich für eine Überprüfung durch den Richter nicht
eignen. Dieser Grund gilt auch dort, wo es sich um die Anerkennung eines
einzelnen Maturitätsausweises handelt.

    Schliesslich beruft sich die Beschwerdeführerin auf OG Art. 101 lit. d
am Ende, wonach die Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen Verfügungen über
den Widerruf begünstigender Verfügungen im Sinne von Art. 100 lit. k
OG zulässig ist. Ebenfalls zu Unrecht. Die Entscheide, die hier an das
Departement des Innern weitergezogen wurden, sind keine eigentlichen
Widerrufsverfügungen. Durch sie wurde ein im Jahre 1974 gestelltes Gesuch
abgelehnt, und damit wurde die Gültigkeit der Bewilligung, welche die
Beschwerdeführerin im Vorjahr erhalten und ohne Erfolg benützt hatte,
nicht berührt. Das Departement des Innern hatte sich demnach nicht über
die Zulässigkeit eines Widerrufs auszusprechen.

Erwägung 3

    3.- Für die Beurteilung der Beschwerde, welche Nelly Steiner
beim Bundesgericht eingereicht hat, ist somit nicht dieses, sondern
nach Art. 72 lit. a VwVG der Bundesrat zuständig. Das Eidg. Justiz-
und Polizeidepartement hat sich im Meinungsaustausch dieser Auffassung
angeschlossen.

Entscheid:

                  Demnach wird beschlossen:

    Die Beschwerde wird dem Bundesrat übergeben.