Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 101 IB 143



101 Ib 143

26. Auszug aus dem Urteil vom 27. Juni 1975 i.S. Charles Vögele AG gegen
Regierungsrat des Kantons St. Gallen Regeste

    Ausverkaufsordnung (AO): Unterstellung eines Sonderverkaufes unter
die Bewilligungspflicht

    Verfassungs- und Gesetzmässigkeit von Art. 3 und Art. 9 AO;
Anwendbarkeit auf Sonderverkäufe der Bekleidungsindustrie; Abgrenzung
gegenüber den sog. Wanderlagern.

Sachverhalt

    A.- Am 29. April 1974 unterbreitete die Firma Charles Vögele AG
der Gewerbepolizei der Stadt St. Gallen den Entwurf zu einem Inserat,
das am 9. Mai in den St. Galler Lokalzeitungen erscheinen sollte, und in
dem die nicht verkauften Frühjahrs-Kostüme zu Abstosspreisen angeboten
wurden. Die Firma stellte das Gesuch, es sei festzustellen, dass das
Inserat nicht der Bewilligungspflicht nach Art. 1 und 4 der Verordnung des
Bundesrates über Ausverkäufe und ähnliche Veranstaltungen vom 16. April
1947 (Ausverkaufsordnung; AO) unterstehe; eventuell sei der Sonderverkauf
in ihrer St. Galler Filiale zu bewilligen. Das kantonale Amt für Industrie,
Gewerbe und Arbeit, dem das Gesuch überwiesen worden war, stellte fest,
dass eine bewilligungspflichtige Veranstaltung vorliege, und lehnte die
entsprechende Bewilligung ab. Der Regierungsrat des Kantons St. Gallen
hat die Verfügung bestätigt.

    Das Bundesgericht weist die dagegen erhobene
Verwaltungsgerichtsbeschwerde ab.

Auszug aus den Erwägungen:

                     Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- Die Beschwerdeführerin beanstandet die Verfassungs- und
Gesetzmässigkeit von Art. 3 Abs. 1 lit. a AO, wonach die Verordnung
nicht anwendbar ist auf "Sonderverkäufe von Lebensmitteln (Nahrungs-
und Genussmitteln) und von allen Artikeln des täglichen Verbrauchs,
die der Reinigung und der Körperpflege dienen", sowie von Art. 9 AO, der
die Sonderverkäufe auf die Zeiträume vom 15. Januar bis Ende Februar und
vom 1. Juli bis 31. August des Kalenderjahres beschränkt, wobei ihre Dauer
gemäss Art. 10 Abs. 1 AO im Einzelfall drei Wochen nicht übersteigen darf.

    Die AO ist eine unselbständige Rechtsverordnung, die sich auf
Art. 17-19 des Bundesgesetzes über den unlauteren Wettbewerb vom
30. September 1943 (UWG) stützt. Das Bundesgericht prüft in solchen Fällen
zunächst die Gesetzmässigkeit und erst dann die Verfassungsmässigkeit
der angefochtenen Bestimmungen der Verordnung (BGE 100 Ib 319 f., 99 Ib
165 und 189 f.), wobei es gemäss Art. 113 Abs. 3 BV an den Inhalt des
Gesetzes, zu dem auch die Delegationsnorm gehört, gebunden ist.

    Die in Art. 17-19 UWG getroffene gesetzliche Regelung der Ausverkäufe
und "ähnlichen Veranstaltungen", worunter die Sonderverkäufe verstanden
sind, beschränkt sich auf einige wenige Grundsätze. Hinsichtlich der
Sonderverkäufe wird in Art. 17 Abs. 1 UWG einzig für die öffentliche
Ankündigung und Durchführung eine Bewilligung der zuständigen kantonalen
Behörde gefordert, und für die Ausverkäufe gelten zusätzlich bestimmte
Sperrfristen. Im übrigen ist nach Art. 17 Abs. 4 UWG der Bundesrat zum
Erlass der erforderlichen Ausführungsvorschriften ermächtigt. Der Grund
für diese Regelung liegt darin, dass der Gesetzgeber bewusst eine Lösung
anstrebte, die eine rasche und flexible Anpassung des materiellen Rechts an
sich ändernde wirtschaftliche Verhältnisse ermöglichen sollte (Botschaft
des Bundesrates vom 3. November 1942, BBl 1942 S. 713; Sten.Bull. S 1943
S. 78 und 84). Das dem Bundesrat mit Rücksicht auf den oft raschen Wandel
der Wirtschaftslage eingeräumte weite Ermessen entspricht somit dem Willen
des Gesetzgebers, und diese Delegation ist nach Art. 113 Abs. 3 BV für
das Bundesgericht verbindlich. Sie bedeutet, dass das Bundesgericht bei
der Überprüfung der Gesetzmässigkeit von Bestimmungen der AO nicht sein
eigenes Ermessen an die Stelle desjenigen des Bundesrates setzen darf;
es hat bloss zu prüfen, ob die umstrittenen Verordnungsvorschriften den
Rahmen der dem Bundesrat im Gesetz delegierten Kompetenzen offensichtlich
sprengen oder aus andern Gründen gesetz- oder verfassungswidrig sind. Das
dem Bundesrat eingeräumte Ermessen verbietet dem Bundesgericht insbesondere
zu untersuchen, ob die Bestimmungen der AO wirtschaftlich zweckmässig
sind oder nicht; dafür trägt der Bundesrat die alleinige Verantwortung
(BGE 99 Ib 169 mit Hinweisen; GRISEL, Droit administratif, S. 87 f.).

Erwägung 3

    3.- a) Materiell ist somit zunächst zu prüfen, ob die von der
Beschwerdeführerin beanstandeten Bestimmungen der AO aus dem Rahmen
der dem Bundesrat übertragenen Kompetenzen fallen. Entgegen der von der
Beschwerdeführerin vertretenen Auffassung hat Art. 17 UWG nicht den Sinn,
nur solche Ausverkäufe und Sonderverkäufe der Bewilligung zu unterstellen,
die gegen Treu und Glauben verstossen. Das Parlament war sich bei der
Beratung des Gesetzesentwurfes durchaus bewusst, dass ein Aus- oder
Sonderverkauf an sich nicht eine unlautere Veranstaltung darstellt. Es
benutzte aber die Gelegenheit, um die Ausverkäufe und das Zugabewesen
als praktisch sehr bedeutsame Gebiete des Handels einer einheitlichen,
eidgenössischen Lösung zuzuführen, obschon erkannt worden war, dass
solche Veranstaltungen nicht zwanglos unter den Titel des Gesetzes fallen
(Sten.Bull. 1943, N S. 161 f., S S. 77 ff.). Es kann deshalb keine Rede
davon sein, dass der Bundesrat Ausverkäufe und ähnliche Veranstaltungen
nur dann und nur insoweit der Bewilligungspflicht unterstellen darf,
als eine konkrete Gefährdung von Treu und Glauben zu befürchten ist. Art.
17 Abs. 1 UWG hat vielmehr eine generelle Bewilligungspflicht eingeführt,
und Absatz 2, auf den sich die Beschwerdeführerin im besonderen beruft,
dient dem Bundesrat lediglich als Richtlinie, nach der im Einzelfall
Bewilligungen zu verweigern oder an einschränkende Bedingungen zu knüpfen
sind. Der Gesetzgeber sah somit in Aus- und in Sonderverkäufen an sich
eine erhöhte Gefahr für Treu und Glauben im wirtschaftlichen Wettbewerb,
überliess es indessen dem Bundesrat, auf dem Verordnungswege die Mittel zu
bestimmen, mit denen dieser Gefahr vorgebeugt werden soll. Dabei muss sich
der Bundesrat zwar von wettbewerbspolizeilichen Erwägungen leiten lassen,
doch ist es ihm keineswegs verwehrt, daneben auch gewerbepolitische
Gesichtspunkte mit zu berücksichtigen, die geeignet sind, kleinere und
mittlere Betriebe bis zu einem gewissen Grade vor der übermächtigen
Konkurrenz der grossen zu schützen (BGE 96 I 418). Dies folgt schon aus
dem in Art. 4 BV statuierten Grundsatz der Rechtsgleichheit, dem bei
der Behandlung staats- und verwaltungsrechtlicher Streitfragen auf allen
Gebieten Rechnung zu tragen ist.

    b) Konkret bezeichnet die Beschwerdeführerin als nicht gesetzeskonform
Art. 3 Abs. 1 lit. a AO in der Fassung vom 15. März 1971, wonach
Sonderverkäufe von Lebensmitteln (Nahrungs- und Genussmitteln) und
von allen Artikeln des täglichen Verbrauchs, die der Reinigung und
der Körperpflege dienen, der Verordnung nicht unterstellt sind. Sie
macht geltend, die Ausnahme der Sonderverkäufe bestimmter Artikel von
der Bewilligungspflicht sei sachlich nicht gerechtfertigt und damit
willkürlich.

    Bereits in der früheren Fassung kannte die AO eine Ausnahme von der
Bewilligungspflicht, doch betraf diese lediglich "leicht verderbliche
Lebens- und Genussmittel". In seiner Vernehmlassung führt das EVD zur
Ausweitung der Liste der nicht den Bestimmungen über Sonderverkäufe
unterstellten Erzeugnisse im wesentlichen aus, es hätten sich für die
Artikel des täglichen Gebrauchs auf dem Gebiet der Körperpflege und der
Reinigung vor allem nach dem Wegfall der Preisbindung der zweiten Hand
tiefgreifende Veränderungen im Detailhandel ergeben. Die sogenannten
"Aktionen" für bestimmte Artikel bildeten heute geradezu die Regel. Die
Konsumenten hätten sich darauf eingestellt und seien nicht mehr eines
besonderen Schutzes bedürftig; vielmehr hätten sie sich daran gewöhnt,
die "Aktionen" zu ihren Gunsten auszunützen. Weiter handle es sich bei den
Lebensmitteln und den vorstehend erwähnten weiteren Artikeln des täglichen
Bedarfs um Waren, bei denen sich der Konsument in der Regel auskenne
und bei denen auch keine im Einzelfall ins Gewicht fallende finanzielle
Ausnützung zu befürchten sei. Diesen Erwägungen ist eine sachliche
Berechtigung nicht abzusprechen. Auch lässt sich nicht sagen, es bestünden
keine hinlänglichen Gründe, um Bekleidungsartikel, insbesondere solche,
die starken Wandlungen der Mode unterworfen sind, anders zu behandeln als
Lebensmittel sowie der Körperpflege und der Reinigung dienende Mittel. Es
genügt, darauf hinzuweisen, dass die Bekleidung nicht zu den Gegenständen
des täglichen Bedarfs gehört, die jede Familie unter Berücksichtigung
gewisser, unwesentlicher Schwankungen immer etwa in gleichem Masse
benötigt, sondern zu den Artikeln, bei denen durch Anreizung der Kauflust
leicht eine das Notwendige übersteigende, erhöhte Nachfrage geschaffen
werden kann. Zudem fallen Gegenstände der Bekleidungsindustrie für den
Familienhaushalt in stärkerem Masse ins Gewicht als Lebensmittel und
Reinigungsartikel. Dieser Hinweis genügt zur Feststellung, dass sich die
vom Bundesrat getroffene Ausnahmeregelung gemäss Art. 3 Abs. 1 lit. a der
revidierten AO auf sachliche Gründe stützen kann und damit, soweit sie nach
dem Gesagten der Überprüfung durch das Bundesgericht zugänglich ist, weder
willkürlich erscheint noch den Rahmen der gesetzlichen Delegation sprengt.

    c) In zweiter Linie hält die Beschwerdeführerin Art. 9 AO für
gesetzwidrig, der Sonderverkäufe auf die Zeiten vom 15. Januar bis
Ende Februar und vom 1. Juli bis 31. August beschränkt. Nach ihrer
Auffassung stellt diese Beschränkung eine über das Gesetz hinausgehende
materielle Regelung dar, die in der Delegationsnorm von Art. 17 Abs. 4
UWG keine genügende Stütze findet. Wie ausgeführt worden ist, trifft
diese Auffassung nicht zu. Es ist insbesondere nicht angängig, aus den im
Gesetz selbst vorgesehenen Sperrfristen für Total- und Teilausverkäufe
den Umkehrschluss zu ziehen, der Gesetzgeber habe eine zeitliche
Beschränkung der Sonderverkäufe ausschliessen wollen. Das Gegenteil
ergibt sich bereits aus der Botschaft des Bundesrates vom 3. November
1942 (BBl 1942 S. 714 oben), ferner aus dem in der parlamentarischen
Beratung deutlich ausgesprochenen Willen, das Ausverkaufswesen - der
Ausdruck "Sonderverkauf" für ausverkaufsähnliche, aber weder eine Total-
noch Teilliquidation anstrebende Veranstaltungen ist erst seither geprägt
worden - auf Bundesebene weitgehend zu vereinheitlichen, gerade auch in
zeitlicher Hinsicht (Sten.Bull. S 1943 S. 78, 84 f.). Das Bundesgericht hat
denn auch in seiner langjährigen Rechtsprechung zur AO die Gesetzmässigkeit
von Art. 9 AO nie in Zweifel gezogen (für Saisonbekleidung vgl. BGE 95
IV 157 f. mit Hinweisen, 82 IV 112 f.).

    Die Beschränkung der Sonderverkäufe auf bestimmte jährliche Zeiten
entspricht dem Zweck des UWG. Wie das EVD in seiner Vernehmlassung
zutreffend ausführt, ging es darum, das Publikum und die Mitbewerber
vor marktschreierischen und damit in einem weiteren Sinne unlauteren
Verkaufsmethoden zu schützen. Die Festsetzung bestimmter Zeiträume, die
bei der Erteilung von Bewilligungen für Sonderverkäufe einzuhalten sind,
entsprach dem Gedanken, den Wettbewerb im Handel allgemein für das Publikum
klarer zu gestalten und für die einzelnen Mitbewerber möglichst ähnliche
Ausgangsbedingungen zu schaffen. Damit steht der gewerbepolizeiliche Zweck
von Art. 9 AO fest; die Mitberücksichtigung gewisser gewerbepolitischer
Momente durch den Bundesrat vermag daran nichts zu ändern.

    Die Beschwerdeführerin weist im besonderen darauf hin, dass die in
Art. 9 AO getroffene Beschränkung der Sonderverkäufe auf zwei jährliche,
auf den Hochsommer und den Winter festgelegte Perioden den Verhältnissen
der Modebranche nicht gerecht würden. Diese kenne nicht zwei, sondern vier
Saisons, nach denen die zu normalen Preisen nicht verkaufte Ware abgesetzt
werden sollte, um Platz für Neuigkeiten zu gewinnen. Die in Art. 9 AO
getroffene Lösung stelle deshalb einen unverhältnismässigen Eingriff
dar. Der Kassationshof des Bundesgerichtes hat im Urteil BGE 95 IV 159
klar zum Ausdruck gebracht, dass den Modegeschäften kein Anspruch auf
Sonderbehandlung zusteht. Daran ist auch im verwaltungsgerichtlichen
Verfahren festzuhalten. Es ist nicht nur nach der Auffassung des
Bundesrates, sondern, wie dargetan, auch nach derjenigen des Gesetzgebers
unerwünscht, dass das Publikum während des ganzen Jahres oder auch
nur während vier jährlicher Perioden von etwa dreiwöchiger Dauer einer
marktschreierischen Reklame von verschiedenster Seite für Sonderverkäufe
ausgesetzt wird. Der objektive, für das Bundesgericht entscheidende Grund
liegt darin, dass der Kunde bei einer Lockerung im Sinne der Anträge
der Beschwerdeführerin Gefahr liefe den Überblick darüber zu verlieren,
wann und wo er reguläre Ware zum normalen Preis erhält und wann und wo
Ware, deren Preis im Rahmen eines Sonderverkaufes vorübergehend reduziert
worden ist. Das Bedürfnis der Verwaltungsbehörden von Bund und Kanton,
im Interesse ihrer Einwohner auf diesem Gebiet die Übersicht zu behalten,
ist sachlich gerechtfertigt und entzieht damit der Rüge, der Bundesrat
habe durch die Fixierung bestimmter Perioden für Sonderverkäufe die ihm
delegierte Befugnis überschritten, die Grundlage. Was den Handel mit
modischer Bekleidung im besonderen betrifft, so ist zu bemerken, dass
die AO Preisreduktionen, gleichgültig in welchem Ausmasse, für infolge
Saisonablaufs nicht mehr gängige Waren in keiner Weise verbietet oder
beschränkt. Nicht statthaft ist nur, solche Preisherabsetzungen öffentlich
anzukündigen. Da die in Betracht kommende Kundschaft genau weiss, wann
sich eine Saison dem Ende zuneigt, ist anzunehmen, dass diejenigen
Interessenten, die weniger auf völlige Neuheit und auf grösstmögliche
Auswahl als auf einen günstigen Preis achten, zur gegebenen Zeit auch
ohne besondere Reklame den Weg in die Modegeschäfte und zu den im Preis
herabgesetzten Stücken finden. Im übrigen ist durch die Bewilligung von
zwei jährlichen Sonderverkäufen dafür gesorgt, dass die Lagerkosten auch
im Bekleidungshandel nicht ins Ungemessene ansteigen. Bei der heutigen
Struktur des Detailhandels, die sich dadurch auszeichnet, dass Warenhäuser
und Supermärkte mit einem äusserst vielseitigen Angebot immer mehr in
den Vordergrund drängen, wäre es übrigens ausserordentlich schwierig,
eine Ausnahmebestimmung für den Handel mit Modeartikeln praktisch
durchzusetzen. Die AO würde dadurch weitgehend ausgehöhlt, was dem Sinn
des UWG widerspräche. Die in Art. 9 AO getroffene Ordnung liegt somit auch
in ihrer Anwendung auf die Modebranche nicht ausserhalb der in Art. 17
UWG getroffenen Delegation und ist nicht unverhältnismässig.

    Selbst wenn die geltende Regelung für gewisse Geschäftszweige
unbefriedigend ist, kann es nicht Aufgabe des Bundesgerichtes sein, Abhilfe
zu schaffen; wie erwähnt ist die Wahl der wirtschaftlich zweckmässigsten
und angemessensten Lösung ausschliesslich Sache des Bundesrates.

    d) Schliesslich beanstandet die Beschwerdeführerin als rechtsungleich
und der gesetzlichen Delegation widersprechend die Regelung von Art. 3
Abs. 2 AO, wonach die sogenannten Wanderlager der Bewilligungspflicht
nicht unterstellt sind.

    Dazu ist festzustellen, dass der Bundesrat den Markt- und
Hausierverkehr und ähnliche Veranstaltungen, die vorwiegend lokalen
Charakter haben und sich in den verschiedenen Landesgegenden in
ganz unterschiedlicher Weise abspielen, nicht einer einheitlichen,
eidgenössischen Ordnung unterstellen wollte; vielmehr sollte auf
diesem Gebiet das kantonale Gewerbepolizeirecht allein massgebend
bleiben. Soweit dies Märkte und Hausierer betrifft, die in Art. 3
Abs. 2 AO ebenfalls von der Bewilligungspflicht ausgenommen sind,
erhebt die Beschwerdeführerin keine Einwendungen; sie glaubt jedoch,
die Nichtunterstellung der Wanderlager unter die bundesrechtlichen
Vorschriften schaffe rechtsungleiche Verhältnisse.

    Der Begriff des Wanderlagers ist in der Bundesgesetzgebung nicht näher
umschrieben. Es ist daher notwendig, im Einzelfalle auf die einschlägigen
kantonalen Vorschriften zurückzugreifen. Nach Art. 4 Ziff. 1 lit. b des
sanktgallischen Gesetzes über den Marktverkehr und das Hausieren vom
28. Juni 1887 (Bereinigte Gesetzessammlung Band 2, S. 534 ff.) gilt als
Wanderlager die "vorübergehende Eröffnung eines Warenlagers ausserhalb
der Dauer von Märkten", zu dessen Betrieb ein Hausierpatent erforderlich
ist. Im Einzelfall entscheidet der Gemeinderat mit Rekursmöglichkeit an
den Regierungsrat darüber, ob ein Geschäft als Wanderlager zu betrachten
ist oder nicht. Massgebend ist nach dem gesamten Aufbau des Gesetzes der
Umstand, dass das Wanderlager nicht in eigenen oder fest gemieteten Räumen
aufgeschlagen werden darf; vielmehr gehört der Betrieb eines solchen Lagers
zu den Gewerbebetrieben, die "im Umherziehen" ausgeübt werden. Darin zeigt
sich ein entscheidender Unterschied zu den Handels- und Gewerbebetrieben
üblicher Art. Der Inhaber eines Wanderlagers darf sich nirgends für längere
Zeit niederlassen, was ihm verunmöglicht, sich eine Stammkundschaft zu
schaffen. Die Gleichstellung mit den Marktfahrern durch das kantonale
Recht und die daraus folgende Nichtanwendbarkeit der Vorschriften der AO
lässt sich deshalb mit sachlichen Gründen rechtfertigen. Zwar geniessen
der Marktfahrer und der Inhaber eines Wanderlagers, wie sich aus einem
von der Beschwerdeführerin vorgelegten Inserat über einen Massenverkauf
sogenannter "Jeans-Hosen" in zwei Restaurants im Kanton St. Gallen ergibt,
infolge ihrer Nichtunterstellung unter die AO gewisse Vorteile hinsichtlich
der Reklamemöglichkeit. Dem stehen aber die geschilderten anderweitigen
Nachteile entgegen, so dass eine Konkurrenzierung des ortsansässigen
Handels nur beschränkt möglich ist. Die Bestimmung von Art. 3 Abs. 2
AO ist daher mit der Delegationsnorm vereinbar. Ob es empfehlenswert
wäre, die noch aus dem letzten Jahrhundert stammenden Bestimmungen des
kantonalen Rechtes über die Wanderlager bei einer künftigen Revision
dem eidgenössischen Ausverkaufsrecht besser anzugleichen, ist nicht
zu entscheiden.

Erwägung 4

    4.- Die Beschwerdeführerin beanstandet nicht nur die Gesetzmässigkeit,
sondern auch die Verfassungsmässigkeit von Art. 3 und 9 AO. Sie macht
eine Verletzung von Art. 4 und Art. 31 BV geltend. Für die Prüfung der
Verfassungsmässigkeit der AO bleibt jedoch wenig Raum, da einerseits das
Bundesgericht an die Regelung des UWG mit Einschluss der Übertragung
der Normsetzungsbefugnis auf dem Gebiete des Ausverkaufswesens an den
Bundesrat gebunden ist, und da anderseits, wie sich aus den vorangehenden
Erwägungen ergibt, die beanstandeten Bestimmungen der AO sich im Rahmen der
Delegation halten. Was zunächst die Handels- und Gewerbefreiheit betrifft,
so lässt Art. 31 Abs. 1, 2. Satzteil BV selbst deren Einschränkung
durch die Gesetzgebung zu. Die Einschränkung dieser Freiheit durch
das UWG und durch eine im Rahmen der gesetzlichen Delegation liegende
Rechtsverordnung des Bundesrates ist somit durch das Bundesgericht nicht
überprüfbar; denn die in diesen Grenzen erlassene Verordnung nimmt an
der Verbindlichkeit des Gesetzes teil (BGE 88 I 280). Zulässig ist
eine Überprüfung der Verordnung auf die Beachtung des Grundsatzes der
Rechtsgleichheit. Art. 4 BV wäre jedoch nur dann verletzt, wenn eine vom
Bundesrat im Rahmen seiner abgeleiteten Kompetenz erlassene Bestimmung
sich nicht auf ernsthafte Gründe stützen liesse, wenn sie sinn- und
zwecklos wäre oder wenn sie rechtliche Unterscheidungen träfe, für die
sich ein vernünftiger Grund in den tatsächlichen Verhältnissen nicht
finden liesse (BGE 99 Ib 190 E. 2a, 96 I 143, je mit Hinweisen). Dass
die beiden angefochtenen Verordnungsbestimmungen unter keinem dieser
Gesichtspunkte als willkürlich bezeichnet werden können, ist bereits
bei der Gesetzmässigkeitsprüfung festgestellt worden. Die Rügen der
Beschwerdeführerin erweisen sich somit als unbegründet, soweit die
Verfassungs- oder Gesetzwidrigkeit von Bestimmungen der AO behauptet wird.