Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 101 IB 113



101 Ib 113

21. Urteil vom 16. Mai 1975 i.S. Eidg. Justiz- und Polizeidepartement
gegen X und Regierungsrat des Kantons Luzern Regeste

    Schweizerbürgerrecht, Erwerb infolge Adoption.

    Fall einer gebürtigen deutschen Staatsangehörigen, die einen Deutschen
geheiratet hat und von einem Schweizer gemäss Art. 12c SchlT ZGB adoptiert
wird. Sie erhält infolge der Adoption das Kantons- und Gemeindebürgerrecht
des Adoptierenden und damit das Schweizerbürgerrecht (Art. 7, 57 Abs. 5
lit. b BüG). Sie hat diese Bürgerrechte durch die vorherige Verheiratung
nicht verlieren können, da die Adoption erst vom Zeitpunkt an, da sie
ausgesprochen wird, Wirkungen entfaltet.

Sachverhalt

    A.- Maria Y, von Geburt an deutsche Staatsangehörige, gebar 1920
ausserehelich die Tochter Marianne. 1927 heiratete sie Joseph Z, von E.
(Kanton Luzern). Aus der Ehe gingen 1929-1936 sechs Kinder hervor. Die
aussereheliche Tochter Marianne wuchs zusammen mit ihren Stiefgeschwistern
im Haushalt der Mutter und des Stiefvaters auf. Sie konnte nach dem
damaligen Recht vom Stiefvater nicht adoptiert werden. 1966 heiratete sie
den deutschen Staatsangehörigen Karl X. 1974 sprach der Bezirksrat Zürich
gestützt auf Art. 12c SchlT ihre Adoption durch ihren Stiefvater aus.

    In der Folge entstand Streit darüber, ob Frau X nun Bürgerin des
Kantons Luzern und der Gemeinde E. und damit Schweizerbürgerin sei. Die
Frage wurde im Feststellungsverfahren nach Art. 49 BüG vom Gemeinderat von
E. verneint, dagegen auf Beschwerde der Frau X hin vom Regierungsrat des
Kantons Luzern bejaht. Das Eidg. Justiz- und Polizeidepartement (EJPD)
erhebt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag, den Entscheid des
Regierungsrates aufzuheben und festzustellen, dass Frau X die Bürgerrechte
der Gemeinde E. und des Kantons Luzern und damit das Schweizerbürgerrecht
nicht besitze.

Auszug aus den Erwägungen:

            Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Der angefochtene Feststellungsentscheid des Regierungsrates
unterliegt der Verwaltungsgerichtsbeschwerde (Art. 97, 98 lit.
g OG, Art. 50 Abs. 1 Ziff. 2 lit. c BüG). Das EJPD ist zur Beschwerde
berechtigt (Art. 103 lit. b OG, Art. 42 lit. b BüG). Auf sein Begehren
ist einzutreten.

Erwägung 2

    2.- Das frühere Bundesrecht legte der Adoption nur einzelne Wirkungen
des ehelichen Kindesverhältnisses bei; das Adoptivkind wurde bloss zum Teil
aus seiner angestammten Familie herausgenommen und nur unvollkommen in die
Adoptivfamilie eingegliedert (sog. schwache Adoption, Art. 268 ZGB in der
alten Fassung; HEGNAUER, Komm. zum Adoptionsrecht, 1975, N. 3 zu Art. 267
ZGB). Insbesondere hatte nach dem alten Recht des Bundes die Adoption
keinesfalls einen Wechsel des Bürgerrechtes des Adoptierten zur Folge. Sie
bewirkte, wie Art. 7 BüG in der ursprünglichen Fassung ausdrücklich
bestimmte, weder Erwerb noch Verlust des Schweizerbürgerrechts. Immerhin
wurden die von Schweizern adoptierten ausländischen Kinder nach Art. 15
Abs. 3 BüG bei der ordentlichen Einbürgerung begünstigt.

    Durch das seit dem 1. April 1973 in Kraft stehende BG vom 30. Juni
1972 über die Änderung des ZGB wurde die sog. Volladoption eingeführt. Die
neue Ordnung gibt dem Adoptivkind grundsätzlich die Rechtsstellung eines
ehelichen Kindes des oder der Adoptierenden und löst es fast völlig aus
seiner angestammten Familie (Art. 267 ZGB, neue Fassung; HEGNAUER, N. 4
hiezu). In diesem Sinne wurden durch die Novelle vom 30. Juni 1972 auch
die bürgerrechtlichen Wirkungen der Adoption neu geordnet; es wurden
entsprechende Bestimmungen in das ZGB und das BüG aufgenommen. Nach
Art. 267a ZGB erhält das unmündige Kind anstelle seines bisherigen das
Bürgerrecht der Adoptiveltern; gemeint ist hier das Kantons- und das
Gemeindebürgerrecht (Botschaft des Bundesrates vom 12. Mai 1971 über die
Änderung des ZGB, BBl 1971 I 1233 oben). Der neue Art. 7 BüG bestimmt,
dass ein unmündiges ausländisches Kind, das von einem Schweizerbürger
adoptiert wird, dessen Kantons- und Gemeindebürgerrecht und damit das
Schweizerbürgerrecht erwirbt. Anderseits verliert gemäss Art. 8a BüG
ein von einem Ausländer adoptierter unmündiger Schweizerbürger mit der
Adoption das Schweizerbürgerrecht, wenn er damit die Staatsangehörigkeit
des Adoptierenden erwirbt oder diese bereits besitzt.

    Indessen hat auch nach dem neuen Recht die Adoption mündiger
oder entmündigter Personen grundsätzlich keinen Einfluss auf deren
Bürgerrecht. Zwar finden auf die in Art. 266 ZGB vorgesehene Adoption
solcher Personen nach Abs. 3 daselbst gewisse Bestimmungen über die
Adoption Unmündiger entsprechende Anwendung; doch gehört Art. 267a
ZGB nicht zu diesen Bestimmungen. Ebensowenig ist auf den in Art. 266
ZGB geregelten Fall der neue Art. 7 BüG anwendbar. Eine mündige oder
entmündigte Person, die unter den Voraussetzungen des Art. 266 ZGB
adoptiert wird, kann also dadurch nach Bundesrecht weder das Kantons-
und Gemeindebürgerrecht des Adoptierenden noch das Schweizerbürgerrecht
erwerben (BBl 1971 I 1233; HEGNAUER, N. 17 zu Art. 267a ZGB).

    Anders verhält es sich im Falle des Art. 12c SchlT ZGB, wonach eine
mündige oder entmündigte Person auf Gesuch hin, das binnen fünf Jahren
seit dem 1. April 1973 zu stellen ist, nach den neuen Bestimmungen
über die Adoption Mündiger adoptiert werden kann, wenn das bisherige
Recht die Adoption während ihrer Unmündigkeit nicht zugelassen hat,
die Voraussetzungen des neuen Rechts aber damals erfüllt gewesen
wären. Art. 57 Abs. 5 lit. b BüG bestimmt, dass Art. 7 dieses Gesetzes
auch für mündige Personen gilt, die nach Art. 12c SchlT ZGB adoptiert
worden sind. Daraus ergibt sich, dass ein mündiger Ausländer, der gemäss
dieser Übergangsbestimmung von einem Schweizer adoptiert wird, dadurch
dessen Kantons- und Gemeindebürgerrecht und damit das Schweizerbürgerrecht
erwirbt (HEGNAUER, N. 19 zu Art. 12c SchlT ZGB).

    Dieser Fall liegt hier vor. Marianne X ist nach Art. 12c SchlT ZGB
adoptiert worden und hat deshalb die Bürgerrechte ihres Stiefvaters und
Adoptivvaters erworben, ist also Bürgerin der Gemeinde E. und des Kantons
Luzern und damit Schweizerbürgerin geworden.

Erwägung 3

    3.- Das EJPD macht geltend, das neue Adoptionsrecht schaffe die
rechtliche Fiktion der natürlichen Abstammung des Kindes vom Adoptierenden.
Die Fiktion könne aber im Falle, wo das Adoptivkind die Bürgerrechte des
Adoptierenden erwirbt, nur dann folgerichtig durchgeführt werden, wenn
diesem Erwerb, der mit der fingierten Abstammung untrennbar verbunden
sei, Rückwirkung auf den Tag der Geburt des Kindes beigelegt werde. Nach
der Adoption seien die Eintragungen in den Zivilstandsregistern und die
Auszüge daraus entsprechend zu ändern. Demnach sei anzunehmen, dass Frau
X bei der Geburt die Bürgerrechte des Adoptivvaters durch Abstammung von
ihm erworben habe. Sie habe sich dann mit einem Deutschen verheiratet
und damit nach Art. 9 BüG das Schweizerbürgerrecht verloren, da sie die
deutsche Staatsangehörigkeit des Ehemannes bereits besessen und keine
Beibehaltungserklärung abgegeben habe. Immerhin könnte sie nach Art. 19
Abs. 1 lit. b BüG wieder eingebürgert werden, weil die Unterlassung der
Beibehaltungserklärung entschuldbar sei.

    a) Allerdings wird nach dem neuen Recht das Adoptivkind so behandelt,
wie wenn das eheliche Kindesverhältnis zu dem oder den Adoptierenden
durch Geburt entstanden wäre (HEGNAUER, N. 26 zu Art. 267 ZGB). In diesem
Sinne kann von einer Fiktion gesprochen werden. Jenes Verhältnis wird
aber doch erst durch die Adoption begründet. Die Adoption entfaltet ihre
Wirkungen erst vom Zeitpunkt an, da sie rechtskräftig ausgesprochen
ist. Die Wirkungen des bisherigen Kindesverhältnisses bis zu diesem
Zeitpunkt bleiben bestehen (HEGNAUER, N. 22 zu Art. 267 ZGB). Das ergibt
sich klar aus den Bestimmungen des Art. 267 ZGB, wonach das Adoptivkind
die Rechtsstellung eines ehelichen Kindes der Adoptiveltern "erhält" und
"das bisherige Kindesverhältnis erlischt".

    Wie es scheint, ist auch das EJPD der Meinung, dass nach dem neuen
Recht die Wirkungen der Adoption im allgemeinen erst im Zeitpunkt beginnen,
da sie ausgesprochen wird. Es nimmt mit Recht an, dass die leiblichen
Eltern die vor der Adoption für das Kind erbrachten Leistungen nicht von
den Adoptiveltern zurückfordern können und dass ebensowenig auf einen
vorher auf Grund der natürlichen Abstammung des Kindes eingetretenen
Erbfall zurückgekommen werden kann. Offenbar schreibt das Departement
nur dem auf der Adoption beruhenden Bürgerrechtserwerb Rückwirkung auf
den Tag der Geburt des Kindes zu.

    b) Gegen diese Auffassung spricht indessen schon der vorne erwähnte
Wortlaut des Art. 267 ZGB, welche Bestimmung die Wirkungen der Adoption
"im allgemeinen" betrifft (vgl. den Randtitel), und namentlich auch der
Text der Art. 267a ZGB, Art. 7 und 8a BüG, welche im besonderen die
bürgerrechtlichen Wirkungen der Adoption ordnen. Art. 267a ZGB sagt,
dass das unmündige Kind "anstelle seines bisherigen" das Bürgerrecht
der Adoptiveltern "erhält". In Art. 7 BüG heisst es, dass das unmündige
ausländische Kind, das von einem Schweizer adoptiert wird, dessen
Bürgerrechte "erwirbt", und in Art. 8a desselben Gesetzes, dass ein
unmündiger Schweizerbürger, der von einem Ausländer adoptiert wird, "mit
der Adoption" - unter bestimmten Voraussetzungen - das Schweizerbürgerrecht
"verliert". Alle diese Texte lassen darauf schliessen, dass die Adoption
auch hinsichtlich des Bürgerrechts, gleich wie in den übrigen Beziehungen,
erst vom Zeitpunkt an, in dem sie ausgesprochen wird, Wirkungen entfaltet.

    c) Es bestehen keine triftigen sachlichen Gründe, den eben erwähnten
gesetzlichen Bestimmungen eine von ihrem klaren Wortlaut abweichende
Auslegung zu geben.

    Die vom EJPD angenommene Rückwirkung könnte für die Beteiligten,
insbesondere für das Adoptivkind, unter Umständen schwerwiegende Folgen
haben, mit denen vor der Adoption in der Regel niemand hätte rechnen
müssen. Das zeigt gerade der vorliegende Fall: Nach den Ausführungen des
Departements hätte Frau X die infolge der Adoption erworbenen Bürgerrechte
des Adoptivvaters durch die vorherige Verheiratung mit einem Deutschen
verloren, ohne dass sie sich damals hierüber hätte Rechenschaft geben
und allenfalls eine Beibehaltungserklärung nach Art. 9 BüG hätte abgeben
können. Der Standpunkt des EJPD, dass die Unterlassung dieser Erklärung
als entschuldbar betrachtet und daher Frau X nach Art. 19 BüG wieder
eingebürgert werden könnte, erscheint als gekünstelt und abwegig. Seine
Auffassung, dass der Bürgerrechtserwerb infolge Adoption auf den Tag der
Geburt des Adoptivkindes zurückbezogen werden müsse, könnte ferner die
seltsame Konsequenz haben, dass ein auf Grund des Art. 12c SchlT ZGB von
einem Schweizerbürger adoptierter Ausländer männlichen Geschlechtes vor der
Adoption unter die Wehrpflicht, welcher jeder Schweizer unterstellt ist,
gefallen wäre, ohne dass er selber und die Behörden dies hätten wissen
können. Auch ist die Möglichkeit zu bedenken, dass der Adoptierende die
Bürgerrechte, die das Kind zufolge der Adoption erhält, bei der Geburt des
Kindes noch gar nicht besessen, sondern erst seither erworben hat. Unter
solchen Umständen wäre eine Rückwirkung auf den Zeitpunkt der Geburt des
Kindes, wie sie vom EJPD angenommen wird, höchst sonderbar.

    Hätte der Gesetzgeber dem Bürgerrechtserwerb des Adoptivkindes eine
Rückwirkung, welche derartige Folgen haben kann, beilegen wollen, so hätte
er dies im Gesetzestext klar zum Ausdruck bringen müssen. Das ist jedoch
nicht geschehen. Ebensowenig finden sich in der Novelle vom 27. November
1972 zur Zivilstandsverordnung Anhaltspunkte für die Auffassung, die
das EJPD in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde vertritt. Von der heute
von ihm behaupteten Rückwirkung ist denn auch im Kreisschreiben der
Eidg. Justizabteilung vom 26. März 1973 über die Anwendung dieser Novelle
nicht die Rede (Zeitschrift für Zivilstandswesen 41/1973 S. 113 ff.).

    d) Das Departement kann sich auch nicht auf die Entstehungsgeschichte
der neuen gesetzlichen Bestimmungen über die Adoption berufen. In
der Botschaft vom 12. Mai 1971 über die Änderung des ZGB erwähnt der
Bundesrat nirgends, dass die Adoption nach der vorgeschlagenen Ordnung eine
Rückwirkung im Sinne der Ausführungen der Verwaltungsgerichtsbeschwerde
haben könnte (vgl. insbesondere Ziff. 3.5.2.4 der Botschaft, BBl 1971 I
1232 ff.), und im Laufe der Beratungen im Parlament wurde ebenfalls von
keiner Seite eine Andeutung in dieser Richtung gemacht (Amtl. Bull. S
1971 S. 715 f., 726 und 815, N 1972 S. 491 ff., 609, 629 und 630).

    e) Auch in der Literatur zum revidierten Adoptionsrecht wird die
vom EJPD geäusserte Auffassung nicht vertreten (vgl. OSCAR ODERMATT,
Neuerungen im Adoptionsrecht, Festgabe Franz Josef Jeger 1973 S. 511;
RUTH REUSSER, Die Grundzüge des neuen Adoptionsrechtes, Der bernische
Notar 34/1973 S. 129; HEGNAUER, Das neue Adoptionsrecht, ZVW 28/1973 S
48). Im Gegenteil nimmt HEGNAUER an, dass der Wechsel des Bürgerrechtes
erst von der Adoption an wirkt (N. 22 zu Art. 267 ZGB, N. 6 und 8 zu
Art. 267a ZGB, N. 19 zu Art. 12c SchlT ZGB). Sein Standpunkt entspricht
dem Wortlaut und dem Sinn der neuen gesetzlichen Vorschriften, wie sich
aus dem oben Ausgeführten ergibt.

    f) Das Gesagte gilt insbesondere auch für die Anwendung des Art. 12c
SchlT ZGB. Diese Vorschrift hat allerdings eine gewisse Rückwirkung auf
Verhältnisse, die unter der Herrschaft des alten Rechts entstanden sind,
aber nur insofern, als sie bestimmt, dass eine mündige oder entmündigte
Person nach den neuen Bestimmungen über die Adoption Unmündiger
adoptiert werden kann, wenn das bisherige Recht die Adoption während
ihrer Unmündigkeit nicht zugelassen hat, die Voraussetzungen des neuen
Rechts aber damals erfüllt gewesen wären. Eine weitergehende Rückwirkung
im Sinne der Auffassung des EJPD kann auch aus Art. 12c SchlT ZGB nicht
abgeleitet werden. Der Bürgerrechtserwerb des auf Grund dieser Bestimmung
nachträglich Adoptierten wirkt ebenfalls erst von der Adoption an. Es
verhält sich in diesem Fall gleich wie überall sonst, wo die Art. 267a
ZGB und Art. 7 BüG anwendbar sind.

    g) Aus diesen Gründen muss angenommen werden, dass Frau X das
Kantons- und Gemeindebürgerrecht des Adoptivvaters und damit das
Schweizerbürgerrecht mit Wirkung erst von der Adoption an erworben hat;
ihre Verheiratung mit einem Deutschen im Jahre 1966 kann also nicht
bewirkt haben, dass sie diese erst im Jahre 1974 erhaltenen Bürgerrechte
verloren hat.

Entscheid:

             Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Beschwerde wird abgewiesen.