Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 101 IB 108



101 Ib 108

20. Auszug aus dem Urteil vom 16. Mai 1975 i.S. Verband schweizerischer
Filmproduzenten und Speierer gegen Eidg. Departement des Innern Regeste

    Verwaltungsgerichtsbeschwerde, Legitimation (Art. 103 lit. a OG).

    Beschwerde gegen den Entscheid der Aufsichtsbehörde, der die Stiftung
Schweizer Filmwochenschau gemäss Art. 88 Abs. 1 ZGB als aufgehoben erklärt.
Legitimation des Verbands schweizerischer Filmproduzenten und eines
Mitgliedes des Stiftungsrates verneint.

Sachverhalt

    A.- Die Schweizer Filmwochenschau wurde vom Bundesrat im Jahre
1940 als Instrument der geistigen Landesverteidigung gestützt auf die
ausserordentlichen Vollmachten ins Leben gerufen. Im Jahre 1942 wurde
sie in eine privatrechtliche, der Aufsicht des Bundes unterstehende
Stiftung umgewandelt. Im Filmgesetz vom 28. September 1962 wurde der
Bund verpflichtet, für die Herausgabe und Verbreitung der Wochenschau
durch die Stiftung zu sorgen, insbesondere jährliche Beiträge dafür zu
leisten. Indessen verlor die Filmwochenschau zunehmend an Bedeutung,
namentlich infolge des Aufkommens des Fernsehens; sie wurde vielenorts
in den Kinotheatern nicht mehr vorgeführt.

    Der jährliche Bundesbeitrag stieg bis auf eine Million Franken
an. Für 1975 ersuchte die Stiftung um einen Beitrag von anderthalb
Millionen. Die eidgenössischen Räte bewilligten jedoch für dieses Jahr
im Zuge der von ihnen beschlossenen Sparmassnahmen nur noch einen Kredit
von Fr. 360'000.--. Das Eidg. Departement des Innern, das die Stiftung
beaufsichtigte, nahm an, ihr Zweck sei infolge dieser Kreditkürzung
unerreichbar geworden. Es verfügte daher am 24. Januar 1975 gestützt auf
Art. 88 Abs. 1 ZGB, dass die Stiftung aufgehoben und der Stiftungsrat
aufgelöst werde; es ernannte einen Liquidator. Mit Botschaft vom
26. Februar 1975 beantragte der Bundesrat der Bundesversammlung, die
Bestimmungen des Filmgesetzes über die Filmwochenschau zu streichen
(BBl 1975 I 991 ff.).

    Der Verband schweizerischer Filmproduzenten und Jean Jacques Speierer,
Direktor der Cinégram SA und Mitglied des Stiftungsrates der Schweizer
Filmwochenschau, führen Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag,
die Verfügung des Departements vom 24. Januar 1975 sei aufzuheben. Das
Bundesgericht tritt auf die Beschwerde nicht ein.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- Die Frage, ob der Verband schweizerischer Filmproduzenten und
Jean Jacques Speierer zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde berechtigt seien,
beurteilt sich nach Art. 103 lit. a OG; die lit. b und c daselbst fallen
ausser Betracht. Art. 103 lit. a OG verlangt, dass der Beschwerdeführer ein
schutzwürdiges Interesse an der Aufhebung oder Änderung der angefochtenen
Verfügung hat. Dieses Interesse kann rechtlicher oder auch bloss
tatsächlicher Natur sein; es braucht nicht durch das anwendbare materielle
Recht geschützt zu sein. Art. 103 lit. a OG lässt aber ein allgemeines
Interesse, das jedermann haben kann, nicht genügen und schliesst damit
die Popularbeschwerde aus. Erforderlich ist ein besonderes Interesse,
das nur Einzelnen oder jedenfalls nur einem beschränkten Personenkreis
eigen ist, und zwar ein unmittelbares Interesse, d.h. eine Beziehung des
Beschwerdeführers zum Gegenstand des Streites, die so nahe ist, dass sie
vom Richter berücksichtigt zu werden verdient (BGE 99 Ib 105 ff., 206,
213, 100 Ib 336 ff.).

    a) Der Filmproduzentenverband will mit der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde Interessen seiner Mitglieder verteidigen. Er
wäre zur Beschwerde berechtigt, wenn es sich um Interessen handelte,
die er nach seinen Statuten zu wahren hat, die der Gesamtheit oder doch
der Mehrheit seiner Mitglieder gemeinsam sind und zu deren Geltendmachung
durch Beschwerde jedes dieser Mitglieder selber befugt wäre (BGE 100 Ib
336 E. 2a).

    Der Verband soll nach seinen Statuten die fachlichen, wirtschaftlichen
und kulturellen Interessen seiner Mitglieder wahren und fördern. Ein
kulturelles Interesse der Mitglieder am Fortbestand der Stiftung vermag
aber die Beschwerdelegitimation des Verbandes nicht zu begründen;
denn ein solches Interesse können nicht nur seine Mitglieder, sondern
auch weitere Kreise haben, so dass in dieser Beziehung nicht von einem
besonderen Anliegen der Mitglieder die Rede sein kann.

    Indessen beruft sich der Verband vornehmlich auf die gewerblichen
(fachlichen und wirtschaftlichen) Interessen seiner Mitglieder. Er
macht geltend, einzelne seiner Mitglieder hätten schon öfter für die
Filmwochenschau gearbeitet, und diese habe mit verschiedenen anderen
Mitgliedern über eine künftige Zusammenarbeit verhandelt; auch würde
mit dem Verschwinden der Wochenschau die gesamte Produzentenschaft eine
wichtige Ausbildungsstätte für ihren Nachwuchs verlieren. Es ist jedoch
nicht dargetan, dass eine Mehrheit der Verbandsmitglieder - genannt werden
insgesamt rund 60 Aktivmitglieder - tatsächlich schon für die Stiftung
gearbeitet oder Verhandlungen mit ihr über eine künftige Zusammenarbeit
aufgenommen hat; die Darstellung der Beschwerdeschrift lässt eher darauf
schliessen, dass es sich nur um eine Minderheit handelt. Ungewiss ist
auch, ob eine Mehrheit der Verbandsmitglieder daran interessiert ist,
die Filmwochenschau als Ausbildungsstätte für Nachwuchsleute benützen zu
können. Wie es sich damit verhält, braucht indessen nicht näher geprüft
zu werden. Soweit gewerbliche Interessen von Mitgliedern des Verbandes
an der weiteren Existenz der Stiftung bestehen, können sie jedenfalls
nicht als schutzwürdig im Sinne von Art. 103 lit. a OG betrachtet werden.

    Würde gegenteilig entschieden, so müsste die Legitimation zur
Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen beschwerdefähige Verfügungen,
mit denen der Geschäftstätigkeit eines Unternehmens ein Ende gesetzt
wird, immer auch allen Personen oder Firmen zuerkannt werden, die
in der Lage und gewillt wären, ständig oder auch nur gelegentlich
geschäftliche Beziehungen zu dem Unternehmen zu unterhalten, oder
die in dem Unternehmen Nachwuchsleute ausbilden lassen möchten. Damit
würde aber der Kreis der Beschwerdeberechtigten derart erweitert, dass
die Verwaltungsgerichtsbeschwerde einer Popularbeschwerde angenähert
würde. Diese Überlegung zeigt, dass in Fällen wie im vorliegenden
die erforderliche Beziehungsnähe fehlt (vgl. BGE 100 Ib 338). Die
Mitglieder des Filmproduzentenverbandes oder wenigstens einzelne von ihnen
mögen als Gewerbetreibende ein besonderes Interesse am Fortbestand der
Filmwochenschau haben, doch kann dieses Interesse nach dem Gesagten nicht
als schutzwürdig im Sinne von Art. 103 lit. a OG angesehen werden. Der
Verband ist daher zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den angefochtenen
Entscheid nicht legitimiert.

    b) Jean Jacques Speierer ist Direktor der Cinégram SA, eines Mitglieds
des Filmproduzentenverbandes, das nach der Darstellung der Beschwerde
schon für die Filmwochenschau gearbeitet hat. In der Beschwerdeschrift
wird nicht - jedenfalls nicht ausdrücklich - geltend gemacht, er sei aus
diesem Grunde zur Beschwerde berechtigt. Das ist nach Erw. a hiervor auch
nicht anzunehmen, selbst wenn Speierer die Cinégram SA beherrscht.

    Speierer ist ferner - anscheinend als Vertreter des
Filmproduzentenverbandes - Mitglied des Stiftungsrates der
Filmwochenschau. Aus dieser Eigenschaft leitet die Beschwerde seine
Legitimation ab. Zu Unrecht. Die Beschwerdebefugnis könnte allenfalls dem -
durch die angefochtene Verfügung aufgelösten - Stiftungsrat als Gesamtheit
zuerkannt werden. Es wird aber nicht behauptet, dass Speierer im Namen des
Stiftungsrates Beschwerde führe. Das könnte er nur, wenn er dazu ermächtigt
wäre. Indessen ist nicht dargetan, dass dies der Fall ist. Es besteht im
Gegenteil Grund zur Annahme, dass eine solche Ermächtigung fehlt. In der
Botschaft des Bundesrates betreffend eine Änderung des Filmgesetzes wird
bemerkt, der Stiftungsrat bestätige, dass sachliche und finanzielle Gründe
gegen den Fortbestand der Stiftung sprächen (BBl 1975 I 994 unten). In
einem Schreiben vom 18. Dezember 1974 an das Eidg. Departement des Innern
hat der Präsident des Stiftungsrates ausgeführt, dieser habe in seiner
Sitzung vom 15. November 1974 für den Fall der Auflösung der Stiftung
verschiedene "vorsorgliche Massnahmengrundsätze" gutgeheissen, die er
dem Departement zur Genehmigung unterbreite. Auch in diesem Schreiben ist
keine Rede davon, dass der Stiftungsrat sich der Aufhebung der Stiftung
und damit seiner eigenen Auflösung widersetze. Jener Hinweis der Botschaft
und der Inhalt des genannten Schreibens lassen darauf schliessen, dass der
Stiftungsrat davon abgesehen hat, den Aufhebungsbeschluss anzufechten. An
diese Stellungnahme des Gremiums hat sich das einzelne Mitglied zu halten,
auch wenn es ihr nicht zugestimmt haben sollte. Speierer beruft sich
zwar auf seine Eigenschaft als Mitglied des Stiftungsrates, führt aber
in Wirklichkeit im eigenen Namen Beschwerde. Dazu ist er jedoch nicht
berechtigt, weil er persönlich kein schutzwürdiges Interesse an der
Aufhebung der angefochtenen Verfügung hat.

    c) Auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde kann daher mangels
Legitimation der beiden Beschwerdeführer nicht eingetreten werden.