Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 101 IA 349



101 Ia 349

60. Auszug aus dem Urteil vom 24. September 1975 i.S. Versari gegen
Polizeidepartement und Verwaltungsgericht des Kantons Solothurn Regeste

    Kantonales Verbot von Geldspielautomaten. Handels- und Gewerbefreiheit;
Erfordernis der gesetzlichen Grundlage.

    1. Art. 12 Ziff. 2 Abs. 2 der solothurnischen KV schliesst im Gebiete
der Handels- und Gewerbefreiheit ein selbständiges Verordnungsrecht
des Regierungsrates aus. Hingegen ist es zulässig, durch Gesetz
oder kantonsrätliche Verordnung den Regierungsrat zur Regelung der
Einzelheiten eines bereits im delegierenden Erlass vorgesehenen Eingriffes
zu ermächtigen (E. 3).

    2. Das in der Spielsalon-Verordnung des solothurnischen Regierungsrates
vom 14. Oktober 1955 enthaltene generelle Verbot von Geldspielautomaten
beruht auf einer hinreichenden gesetzlichen Grundlage (E. 4).

Sachverhalt

    A.- Gemäss § 352 Abs. 2 des solothurnischen EG/ZGB ist der
Regierungsrat zuständig "zum Erlass von Bestimmungen im Sinne von Artikel 2
Absatz 2 des Bundesgesetzes über die Lotterien und gewerbsmässigen Wetten
vom 8. Juni 1923 (Tombola) sowie eines Verbotes der Errichtung und des
Betriebes von Spielsalons und dergleichen".

    Gestützt auf diese Bestimmung erliess der Regierungsrat die
Verordnung über die gewerbsmässige Verwendung von Spielapparaten
(Spielsalon-Verordnung) vom 14. Oktober 1955. In den §§ 2 und 3 der
Verordnung wird das Aufstellen von Spielapparaten zum öffentlichen
Gebrauch in Form eines generellen Verbotes mit Erlaubnisvorbehalt
der Bewilligungspflicht unterstellt und grundsätzlich auf
Gastwirtschaftsbetriebe beschränkt.

    Aus § 3 Abs. 1 ergibt sich, dass Geldspielapparate nicht bewilligt
werden können:

    "In Lokalen von Gastwirtschaftsbetrieben ist die gewerbsmässige

    Verwendung von höchstens zwei Spielapparaten, bei denen kein Geld- oder

    Sachgewinn in Aussicht steht, gestattet."

    B.- In Anwendung dieser Vorschrift lehnte es das solothurnische
Polizeidepartement ab, Bruno Versari die Bewilligung zum Aufstellen
des (bundesrechtlich zulässigen) Geldspielautomaten "Sky-Flyer" zu
erteilen. Bruno Versari führt hiegegen, nachdem er sich erfolglos an
das solothurnische Verwaltungsgericht gewandt hatte, staatsrechtliche
Beschwerde mit der Rüge, die angewendete Verordnungsvorschrift entbehre
der gesetzlichen Grundlage. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab,
im wesentlichen aus folgenden

Auszug aus den Erwägungen:

                          Erwägungen:

Erwägung 3

    3.- Art. 12 Ziff. 2 Abs. 2 der solothurnischen Kantonsverfassung
bestimmt, dass die dem Kanton (nach Bundesrecht) gestatteten Beschränkungen
der Handels- und Gewerbefreiheit vom Kantonsrat auszugehen haben
(vgl. BGE 91 I 462 Erw. 3a, 98 Ia 52 ff.). In Art. 31 KV, welcher
die Befugnisse des Kantonsrates aufzählt, wird dementsprechend das
Parlament als zuständig erklärt zum "Erlass der den Kantonen zustehenden
beschränkenden Verordnungen über die Ausübung von Handel und Gewerbe"
(Art. 31 Ziff. 11 KV).

    Art. 12 Ziff. 2 Abs. 2 KV schliesst auf dem Gebiete der Handels- und
Gewerbefreiheit ein selbständiges Verordnungsrecht des Regierungsrates
ausdrücklich aus und bringt anderseits zum Ausdruck, dass beschränkende
Vorschriften über Handel und Gewerbe nicht notwendigerweise auf dem Wege
der formellen Gesetzgebung erlassen werden müssen, sondern durch eine
kantonsrätliche Verordnung möglich sind. Nach dieser Zuständigkeitsordnung
erscheint es auch als zulässig, eine Beschränkung der Handels- und
Gewerbefreiheit durch formelles Gesetz vorzusehen; denn das formelle
Gesetz ist eine Erlassform höherer Stufe als die kantonsrätliche
Verordnung. Gesetz oder kantonsrätliche Verordnung dürfen die Regelung
der Einzelheiten einer grundsätzlich vom Kantonsrat oder auf dem Wege der
Gesetzgebung angeordneten Beschränkung dem Regierungsrat als Vollzugsorgan
überlassen (BGE 91 I 463 unten). Eine allgemein gehaltene Ermächtigung
des Regierungsrates zum Erlass von irgendwelchen Verboten oder andern
Beschränkungen der Handels- und Gewerbefreiheit, die nicht bereits in einem
Gesetz oder in einer kantonsrätlichen Verordnung grundsätzlich vorgesehen
sind, lässt sich mit Art. 12 Ziff. 2 Abs. 2 KV nicht vereinbaren. Hingegen
ist davon auszugehen, dass diese Verfassungsnorm die Delegation der
Kompetenz zur detaillierten Ordnung eines im delegierenden Erlass bereits
konkret angeordneten Eingriffs nicht verbietet.

Erwägung 4

    4.- Im vorliegenden Fall ist unbestritten, dass die Verordnung des
Regierungsrates an sich nach solothurnischem Staatsrecht keine genügende
gesetzliche Grundlage für das Verbot der Geldspielautomaten bildet.
Entscheidend ist, ob § 352 Abs. 2 EG/ZGB als formelle gesetzliche Basis
ausreicht.

    Das Verbot der Geldspielautomaten ist für den Beschwerdeführer,
der sich bisher im Kanton Solothurn nicht als Aufsteller von solchen
Apparaten betätigte, kein besonders schwerer Eingriff in die Handels-
und Gewerbefreiheit. Das Bundesgericht prüft daher die Auslegung der
kantonalen Gesetzesvorschriften nur unter dem Gesichtswinkel der Willkür
(BGE 99 Ia 374, 96 I 144, 95 I 16, 91 I 488; vgl. auch ZBl 1975 S. 207).

    a) Dadurch dass der Gesetzgeber in § 352 Abs. 2 EG/ZGB den
Regierungsrat für zuständig erklärte, ein Verbot der "Errichtung und des
Betriebes von Spielsalons und dergleichen" zu erlassen, hat er sinngemäss
die prinzipielle Zustimmung zu einem Verbot solcher Einrichtungen
gegeben und den Regierungsrat ermächtigt, die Durchführung und die
Grenzen dieses Verbotes festzulegen. Es kann ohne Willkür angenommen
werden, der Regierungsrat habe durch diese gesetzliche Vorschrift einen
eigentlichen Auftrag erhalten, die sich im Zusammenhang mit Errichtung
und Betrieb von "Spielsalons und dergleichen" stellenden Fragen durch
entsprechende Verbotsnormen und allfällige Bewilligungspflichten
angemessen zu regeln. Zwar ist im Wortlaut des Gesetzes nur von einem
Verbot die Rede, aber es erscheint nicht als willkürlich, aus der
Kompetenz zu einem gänzlichen Verbot auch die Ermächtigung zu weniger
weitgehenden Beschränkungen abzuleiten. Die Ausführung des in § 352
Abs. 2 EG/ZGB enthaltenen Auftrages verlangte vom Regierungsrat eine
Abgrenzung der Einrichtungen, die als "Spielsalons und dergleichen" unter
das Verbot und eventuell unter eine das gänzliche Verbot auflockernde
Bewilligungspflicht fallen sollen. Im Rahmen dieser Abgrenzung musste der
Regierungsrat als Verordnungsgeber die Aufstellung von Spielapparaten in
Gastwirtschaftsbetrieben regeln.

    Das grundsätzliche Verbot von Spielsalons machte in dieser Hinsicht
eine Klarstellung unerlässlich; es musste festgelegt werden, in welcher
Art und in welchem Ausmass Spielapparate in Gastwirtschaftsbetrieben zum
Einsatz kommen dürfen, ohne dass sie unter das Verbot des Aufstellens
von Spielapparaten zum öffentlichen Gebrauch (gemäss § 2 Vo) fallen.

    b) Der Regierungsrat hat nun nicht nur die Zahl der in
Gastwirtschaftsbetrieben zulässigen Apparate festgesetzt, sondern überdies
Apparate, die einen Geld- oder Sachgewinn in Aussicht stellen, allgemein
von der Bewilligungsmöglichkeit ausgeschlossen.

    Dem Beschwerdeführer ist zuzugeben, dass die Wendung "Verbot der
Errichtung und des Betriebes von Spielsalons und dergleichen" vom Wortlaut
her zunächst die Interpretation nahe legt, es müsse sich hier stets um eine
Mehrheit von Spielapparaten handeln, die mehr oder weniger unabhängig von
einem Gastwirtschaftsbetrieb in einem besondern Raum zum öffentlichen
Gebrauch gegen Entgelt aufgestellt sind. Die Vorschrift kann aber im
Grunde keinen andern Zweck verfolgen, als dem Regierungsrat ohne spezielle
Einschränkungen zu ermöglichen, gewerbsmässige Einrichtungen zu verbieten,
die in unerwünschter Weise die Spielsucht fördern. Mit dem Zusatz "und
dergleichen" sollen wohl alle Formen des gewerbsmässigen Betriebs von
Spielapparaten erfasst werden. Von der ratio legis her ist es also auf
jeden Fall nicht willkürlich, diese Gesetzesvorschrift als Ermächtigung
zum Erlass eines generellen Verbots des gewerbsmässigen Betriebs von
Spielapparaten (§ 2 Vo) zu verstehen. Der Zusatz "und dergleichen"
erweitert den Anwendungsbereich des vom Gesetzgeber gewollten, dem
Regierungsrat gewissermassen zur Verfügung gestellten Verbotes deutlich
auf alle gewerblichen Betätigungsformen, welche eine gleichartige
Wirkung haben können wie ein eigentlicher Spielsalon. Zwischen einem
einzelnen unter Umständen für Spielliebhaber sehr attraktiven Apparat,
der irgendwo zum öffentlichen Gebrauch aufgestellt ist, und einer Mehrheit
von Spielapparaten (im Spielsalon) besteht in polizeilicher Hinsicht kein
grundlegender Unterschied.

    Lässt sich also das allgemeine Verbot des Aufstellens
von Spielapparaten zu öffentlichem Gebrauch sinngemäss auf § 352
Abs. 2 EG/ZGB stützen, dann darf ohne Willkür gefolgert werden, der
Regierungsrat könne bei den für Gastwirtschaftsbetriebe zu bewilligenden
Ausnahmen nach polizeilichen Kriterien gewisse Unterscheidungen
treffen und insbesondere Geldspielgeräte wegen der mit ihrem "Betrieb"
verbundenen besondern Risiken von der Bewilligungsmöglichkeit gänzlich
ausschliessen. Wenn der Regierungsrat das Aufstellen von Spielapparaten
zu öffentlichem Gebrauch gegen Entgelt vollständig untersagen darf und
implicite auch die Möglichkeit hat, unter gewissen Voraussetzungen
die gewerbsmässige Verwendung von Spielapparaten doch zu gestatten,
dann erscheint es nicht als willkürlich, diese möglichen Ausnahmen
vom Verbot (§ 3 Vo) auf Apparate zu beschränken, die keinen Geld-
oder Sachgewinn in Aussicht stellen. Zwischen Geldspielgeräten und
andern Spielapparaten bestehen in polizeilicher Hinsicht - Risiko von
unlautern Manipulationen des Aufstellers oder der Spieler, Anreiz zur
Spielsucht, Kontrollschwierigkeiten - erhebliche Unterschiede, die eine
differenzierende Regelung zu begründen vermögen. Das wird auch in der
Beschwerde eigentlich nicht bestritten. Die gesetzliche Ermächtigung zum
Verbot von Spielsalons und dergleichen lässt sich somit ohne Willkür
so verstehen, dass der Regierungsrat für harmlosere Automaten auf dem
Verordnungswege gewisse Ausnahmen vorsehen und gleichzeitig in bezug auf
Geldspielgeräte am gänzlichen Verbot festhalten darf.