Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 101 IA 298



101 Ia 298

50. Urteil vom 17. September 1975 i.S. X. gegen Stadtrat Winterthur und
Verwaltungsgericht des Kantons Zürich Regeste

    Art. 4 BV; Disziplinarrecht des Beamten.

    1. Voraussetzung der Beschwerdeergänzung (E. 2).

    2. Verfolgungsverjährung von Disziplinarfehlern (E. 3).

    3. Rechtliches Gehör: Zustellung der Vernehmlassung der Gegenpartei
und Anzeige des Akteneingangs (E. 4a); Begründungspflicht (E. 4c).

    4. Willkürliche Beweiswürdigung: widersprechende Aussagen (E. 5a);
Verhältnis von Straf- und Disziplinarverfahren (E. 5b).

    5. Grundsatz der Verhältnismässigkeit von Disziplinarmassnahmen;
Kriterium der besonderen Anforderungen an das bekleidete Amt (E. 6).

Sachverhalt

    A.- X. war seit 6. Januar 1969 als Adjunkt des Schulpsychologischen
Dienstes der Stadt Winterthur tätig. Am 19. November 1970 wurde er vom
Stadtrat von Winterthur unter Hinweis auf "die zu erstattende Strafanzeige
betreffend Sittlichkeitsdelikte" provisorisch im Dienste eingestellt. Das
zugleich eingeleitete Disziplinarverfahren wurde bis zur Erledigung der
Strafuntersuchung ausgesetzt und erst am 16. Mai 1973 fortgesetzt. Das
Bezirksgericht Winterthur sprach X. am 5. Januar 1973 von der Anklage
der Unzucht mit Kindern frei - einmal aus formellen Gründen, weil den
Untersuchungsbehörden zum Teil schwere Verfahrensfehler vorzuwerfen
waren; sodann erkannte es auch materiell, dass die dem Angeklagten zur
Last gelegten Handlungen nicht von jener Intensität seien, welche die
Gerichtspraxis zur Erfüllung des Tatbestandes von Art. 191 Ziff. 2 StGB
verlange. Dem Angeklagten wurden die Kosten des Verfahrens auferlegt,
weil er sich den Mädchen gegenüber zumindest leichtfertig benommen und
deshalb die Einleitung der Strafuntersuchung veranlasst habe.

    Mit Beschluss vom 6. Juli 1973 entliess der Stadtrat von
Winterthur X. wegen Verletzung der Amts- und Dienstpflicht gemäss §
134 ff. des Personalstatuts der Stadt Winterthur (PS) rückwirkend
auf das Datum der vorläufigen Einstellung im Dienst. Hiegegen erhob
X. beim Verwaltungsgericht des Kantons Zürich Rekurs und zugleich
verwaltungsrechtliche Klage. Das Verwaltungsgericht hiess den Rekurs
soweit gut, als es erkannte, dass die rückwirkende Entlassung nicht
zulässig gewesen sei, bestätigte aber die Entlassung auf den 6. Juli 1973
und wies die verwaltungsrechtliche Klage ab.

    Hiegegen reichte X. staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung
von Art. 4 BV und zugleich beim Verwaltungsgericht des Kantons Zürich
Revision wegen Verletzung wesentlicher Verfahrensvorschriften ein. Das
Verwaltungsgericht wies das Revisionsbegehren vollumfänglich ab, wogegen
X. erneut staatsrechtliche Beschwerde erhoben hat. Das Bundesgericht
weist die Beschwerden ab, soweit es auf sie eintritt, aus folgenden

Auszug aus den Erwägungen:

                          Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- a) Nach Art. 87 OG ist die staatsrechtliche Beschwerde
wegen Verletzung von Art. 4 BV erst zulässig, nachdem von kantonalen
Rechtsmitteln Gebrauch gemacht worden ist. Hiezu gehört nach ständiger
Rechtsprechung auch das Ergreifen der ausserordentlichen kantonalen
Rechtsmittel, sofern damit die gerügte Verfassungsverletzung geltend
gemacht werden kann. Das trifft auf die Revision gemäss § 67 lit. a
und b des zürcherischen Verwaltungsrechtspflegegesetzes (VRG) zu
(BGE 100 Ia 33 E. 2). Soweit also mit der ersten staatsrechtlichen
Beschwerde die Verletzung des rechtlichen Gehörs, somit einer wesentlichen
Verfahrensvorschrift, gerügt wird, kann auf sie nicht mehr eingetreten
werden.

    b) Der Beschwerdeführer hat den Revisionsentscheid des
Verwaltungsgerichts in seiner zweiten staatsrechtlichen Beschwerde mit
ähnlicher Begründung angefochten wie in seiner ersten. Es handelt sich in
beiden Verfahren um dieselbe Streitsache und die gleichen Parteien. Die
beiden Verfahren sind daher zu vereinigen.

Erwägung 2

    2.- Der Beschwerdeführer hat am 9. Dezember 1974 nachträglich darum
ersucht, sich zu den Vernehmlassungen des Verwaltungsgerichts und des
Stadtrates von Winterthur äussern zu dürfen, und er hat dies mit einer
beigefügten Begründung gleich getan. Nach Art. 93 Abs. 2 OG kann dem
Beschwerdeführer eine Frist zur Ergänzung der Beschwerde angesetzt werden,
wenn die Entscheidungsgründe erst in der Vernehmlassung der Behörde
enthalten sind. Ein weiterer Schriftenwechsel findet gemäss Art. 93
Abs. 3 OG nur ausnahmsweise statt.

    Die Voraussetzung des Art. 93 Abs. 2 OG ist hier jedoch nicht
erfüllt. Das Verwaltungsgericht hat seine angefochtenen Entscheide
ausführlich begründet und auch im Revisionsverfahren zu den Vorbringen des
Beschwerdeführers Stellung genommen. So erklärt es im Revisionsentscheid
ausdrücklich, dass seiner Auffassung nach weder nach kantonalem Recht noch
nach Art. 4 BV einer Partei in allen Fällen das Doppel der Rechtsschrift
der Gegenpartei zuzustellen oder Kenntnis vom Eingang allfälliger Akten
zu geben sei. Damit bestreitet es bereits dort sinngemäss das Bestehen
eines Gewohnheitsrechtes. Die Vernehmlassung zur Beschwerdeschrift enthält
demnach nichts wesentlich Neues, das dem Beschwerdegegner Anspruch auf
zusätzliche Ausführungen gäbe.

    Ähnliches gilt für dessen weiteres Vorbringen, wonach das
Verwaltungsgericht in seiner Vernehmlassung bezüglich der vom
Beschwerdeführer gerügten Glaubwürdigkeit der betroffenen Mädchen
nun eine Argumentation verwende, die der Urteilsbegründung eindeutig
widerspreche. Auch wenn das Verwaltungsgericht in Abschwächung der
Argumentation des angefochtenen Urteils in der Vernehmlassung davon
spricht, dass nicht das einzelne Vorkommnis entscheidend sei, sondern
dass die gesamten Akten der Straf- und Disziplinaruntersuchung mit ihrer
Vielzahl von gewichtigen Anhaltspunkten es bei freier Beweiswürdigung
davon überzeugt hätten, dass der Beschwerdeführer den untersuchten Mädchen
wiederholt in sittlich ungehöriger Weise körperlich nahe getreten sei, so
will es damit gleich wie im angefochtenen Urteil sagen, dass nach seiner
Auffassung der Beschwerdeführer eindeutig Sitte und Anstand verletzt
habe. Neue Entscheidungsgründe hat es damit nicht vorgebracht.

    Dem Antrag des Beschwerdeführers, die Eingabe vom 9. Dezember 1974
zu den Akten zu nehmen, kann deshalb nicht entsprochen werden.

Erwägung 3

    3.- Es rechtfertigt sich, zunächst den vom Beschwerdeführer erhobenen
Einwand der Verjährung zu untersuchen. Denn hätte das Verwaltungsgericht
- wie der Beschwerdeführer behauptet - die Verjährungsvorschriften
in unhaltbarer Weise ausgelegt und wäre die Verjährung offensichtlich
eingetreten, so müssten die angefochtenen Entscheide aufgehoben werden,
ohne dass noch die weiteren Rügen zu prüfen wären. Die massgebende
Bestimmung, § 140 PS in der Fassung vom 8. Dezember 1963, lautet:

    "(1) Die Disziplinarfehler verjähren in sechs Monaten vom

    Zeitpunkt an, da sie der zu ihrer Verfolgung zuständigen Behörde
   bekanntgeworden sind.

    (2) Die Verjährungsfrist beginnt mit jeder Untersuchungshandlung
   neu zu laufen. Die Verjährung ruht, solange ein vom Betroffenen
   ergriffenes Rechtsmittel gegen die Disziplinarstrafe anhängig ist.

    Die Verfolgung des Disziplinarfehlers verjährt jedoch spätestens
   zwei Jahre nach seiner Begehung.

    (3) Wird eine Strafuntersuchung eingeleitet, so läuft die Frist für die

    Verfolgungsverjährung von der rechtskräftigen Erledigung des

    Strafverfahrens an.

    (4) Eine Disziplinarstrafe verjährt in einem Jahr; die Frist beginnt
   mit der Rechtskraft des Disziplinarentscheides zu laufen."

    a) Der Beschwerdeführer behauptet, entweder habe das Verwaltungsgericht
willkürlich den letzten Satz von Abs. 2 nicht auf Abs. 3 angewandt
oder aber § 140 PS verletze Art. 4 BV, indem er die Frist für die
absolute Verfolgungsverjährung an das rein formale, sachlich nicht
zu rechtfertigende Kriterium des Vorliegens einer Strafuntersuchung
knüpfe. Nach Auffassung des Verwaltungsgerichts begründet aber Abs. 3
insofern eine Ausnahme, als die sechsmonatige Verfolgungsverjährung des
ersten Absatzes - die mit jeder Untersuchungshandlung neu zu laufen beginnt
(Abs. 2 Satz 1) - wie auch die absolute Verfolgungsverjährung von zwei
Jahren (Abs. 2 letzter Satz) erst von der rechtskräftigen Erledigung des
Strafverfahrens an zu laufen beginnt. Hätte der Gesetzgeber vorschreiben
wollen, dass die absolute Verfolgungsverjährung in jedem Fall - also auch
bei Durchführung einer Strafuntersuchung - spätestens zwei Jahre nach der
Begehung eintrete, so hätte er dies ausdrücklich sagen müssen; Abs. 3 habe
deshalb eine selbständige Bedeutung. Es werde nicht darauf abgestellt,
ob die Strafuntersuchung Anlass zur Einleitung des Disziplinarverfahrens
gegeben habe oder umgekehrt.

    Diese Auslegung und die Folgerung hieraus, dass die Verjährungsfristen
- weder die sechsmonatige, die durch die Einvernahme des Beschwerdeführers
am 19. Juni 1973 unterbrochen wurde, noch die absolute - jedenfalls
während der Dauer der verwaltungsgerichtlichen Verfahren noch nicht
abgelaufen waren, sind sachlich durchaus haltbar und auf keinen Fall
willkürlich. Auch § 140 PS als solcher verstösst nicht gegen Art. 4 BV, da
diese Regelung, die zuerst die Durchführung einer Strafuntersuchung erlaubt
und danach für ein Disziplinarverfahren aufgrund des gleichen Sachverhalts
noch genügend Zeit einräumt, ist sachlich offenkundig gerechtfertigt;
die zeitliche Grenze für die Verfolgung von Disziplinarfehlern darf weit
gezogen werden (BGE 73 I 291 E. 4).

    b) In einer weiteren Eingabe vom 3. Februar 1975 weist der
Beschwerdeführer darauf hin, dass jedenfalls spätestens am 5. Januar
1975 nach § 140 Absatz 3 PS die absolute Verjährung seiner allfälligen
Disziplinarfehler eingetreten sei. Die Eingabe ist verspätet, doch
prüft das Bundesgericht in öffentlichrechtlichen Streitigkeiten in der
Regel von Amtes wegen, ob eine Verjährung vorliegt (BGE 98 Ib 355 E. 2a,
mit Hinweisen). Das Verwaltungsgericht hat die Frage offen gelassen,
ob unter "rechtskräftiger Erledigung des Strafverfahrens" (§ 140 Abs. 3
PS) ein rechtskräftiges Erkenntnis über das Bestehen oder Fehlen eines
Straftatbestandes zu verstehen sei oder ob das Verfahren als Ganzes
- also auch bezüglich der prozessualen Nebenfolgen - rechtskräftig
abgeschlossen sein müsse. Je nachdem hätte die Frist für die absolute
Verjährung am 5. Januar 1973 oder - da der Beschwerdeführer den Kosten-
und Entschädigungsentscheid weitergezogen hatte - erst am 13. November
1973 zu laufen begonnen.

    Das Bundesgericht braucht die Frage ebenfalls nicht zu entscheiden, da
die Verfolgungsverjährung mit dem zweiten Entscheid des Verwaltungsgerichts
vom 12. September 1974 - also jedenfalls innert der zweijährigen Frist
- zu laufen aufgehört hat. Die Strafverfolgung wird mit der Ausfällung
des letztinstanzlichen kantonalen Urteils, das sofort vollstreckbar
wird, beendet und damit hört auch die Verfolgungsverjährung auf. Daran
ändert die Einreichung einer staatsrechtlichen Beschwerde (vgl. BGE 101
Ia 109 E. 3) oder einer Nichtigkeitsbeschwerde an den Kassationshof des
Bundesgerichts (BGE 92 IV 173 und 97 IV 157 E. 2, mit Hinweisen) nichts,
denn diese Rechtsbehelfe hemmen die Vollstreckbarkeit der angefochtenen
Entscheide nicht von Gesetzes wegen (vgl. auch PERRIN, ZStR 79/1963 S. 13
ff.). Was für das gemeine und das Polizeistrafrecht (BGE 101 Ia 109 E. 3)
gilt, trifft auch auf das Disziplinarrecht zu.

    Der Einwand der Verjährung erweist sich somit in allen Teilen als
unbegründet.

Erwägung 4

    4.- Da der Anspruch auf rechtliches Gehör ebenfalls formeller
Natur ist (BGE 100 Ia 10), rechtfertigt es sich, als nächstes die
Rüge der Gehörsverweigerung zu prüfen. Der Anspruch wird auch für
ein Disziplinarverfahren zunächst grundsätzlich von den kantonalen
Verfahrensvorschriften umschrieben; erst wo sich dieser Rechtsschutz
als ungenügend erweist, greifen die unmittelbar aus Art. 4 BV folgenden
Verfahrensregeln Platz. Ob der bundesrechtliche Gehörsanspruch verletzt
ist, prüft das Bundesgericht frei (BGE 99 Ia 23 E. a).

    a) Der Beschwerdeführer beklagt sich, dass ihm das Verwaltungsgericht
weder die Vernehmlassung der Gegenpartei zugestellt noch den Eingang
der Akten angezeigt habe. Nach dem massgebenden § 58 VRG bestand
hiezu aber keine Pflicht; namentlich bleibt es dem Verwaltungsgericht
überlassen, ob es nach Einholung der Vernehmlassung noch einen weiteren
Schriftenwechsel anordnen will. Die §§ 8 und 57 Abs. 1 VRG regeln nur das
allgemeine Akteneinsichtsrecht. Der Beschwerdeführer behauptet indessen,
es entspreche ständiger Übung sämtlicher Zürcher Gerichte, einer Partei
das Doppel einer Rechtsschrift der Gegenpartei zuzustellen, auch wenn sich
diese hiezu nicht mehr äussern dürfe; das Verwaltungsgericht bestreitet,
dass dies ausnahmslos gelte. Wie es sich damit im einzelnen verhält, kann
dahingestellt bleiben, denn der Beschwerdeführer vermag nicht nachzuweisen,
dass sich eine allfällige Übung bereits zum Gewohnheitsrecht verdichtet
hätte.

    Auch aus Art. 4 BV ergibt sich nicht, dass eine Beschwerdeantwort in
jedem Falle von Bundesrechts wegen dem Rekurrenten zugestellt werden müsste
(vgl. TINNER, Das rechtliche Gehör, ZSR 83/1964 II S. 356 N. 84). Diese
Pflicht besteht höchstens, wenn in der Beschwerdeantwort neue erhebliche
Gesichtspunkte geltend gemacht werden. Das Verwaltungsgericht führt
jedoch überzeugend aus, dass das vorliegend nicht zugetroffen habe. Eine
Disziplinarbehörde ist auch nicht unbedingt verpflichtet, den Beurteilten
über den Beizug von Akten zu orientieren. Dieser muss lediglich
Gelegenheit erhalten, in die Akten Einsicht zu nehmen und sich dazu zu
äussern (vgl. BGE 100 Ia 8 ff. E. 3). Der Beschwerdeführer wusste aus den
Präsidialverfügungen vom 27. Juli und 3. September 1973 genau, welche
Akten das Verwaltungsgericht einverlangte. Kannte er deren Inhalt nicht,
so hätte er Einsicht verlangen können. Mit Präsidialverfügung vom 11. April
1974 wurde ihm zudem eine Frist zur freigestellten Vernehmlassung zu den
beigezogenen Akten des Straf- und Rekursverfahrens angesetzt. Der Vertreter
des Beschwerdeführers teilte darauf am 9. Mai 1974 dem Verwaltungsgericht
"nach Einsicht der Akten auf Ihrem Büro" mit, er habe zu den Akten des
Strafverfahrens keine weiteren Bemerkungen anzubringen. Freilich war in
den Verfügungen nicht gesagt, dass auch in die vom Stadtrat Winterthur
beigezogenen Akten Einsicht genommen werden könne; dem Beschwerdeführer
war dies aber schon vor der Rekurseinreichung offen gestanden, und er
wusste aus der Präsidialverfügung vom 27. Juli 1973, dass der Stadtrat
seine Akten einlegen musste. Er hätte sich daher um die Einsicht bemühen
müssen. Von einer Verweigerung des rechtlichen Gehörs kann keine Rede sein.

    b) Der weitere Vorwurf, dass der Stadtrat Winterthur dem
Verwaltungsgericht nicht sämtliche Akten eingereicht habe und dass
deshalb dem Beschwerdeführer willkürlich keine Gelegenheit gegeben worden
sei, sich zu den Akten der Gegenpartei zu äussern, erweist sich schon
deswegen als haltlos, weil sich der Beschwerdeführer auf Aktenstücke
beruft, die entweder er selbst geschrieben hat oder die ihm aus dem
Disziplinarverfahren bereits bekannt waren, da er diese Schriften selbst
unterzeichnet hatte.

    c) Der Beschwerdeführer macht ferner geltend, die Entscheidgründe,
die zu seiner disziplinarischen Entlassung geführt hätten, seien ihm nicht
genügend bekanntgegeben worden. Ob und inwieweit eine kantonale Behörde
ihre Verfügungen und Entscheide zu begründen hat, ist vorab eine Frage des
kantonalen Rechts. § 10 VRG sieht nun - im Gegensatz zu den entsprechenden
Erlassen anderer Kantone - keine Begründungspflicht vor. Die zürcherische
Rechtsprechung nimmt an, eine solche Pflicht bestehe nur insoweit, als sie
im positiven Recht vorgesehen sei (BGE 96 I 723, mit Hinweisen). Darüber
hinaus ergibt sich aber eine Begründungspflicht unmittelbar aus Art. 4 BV
(BGE 98 Ia 129 und 464 E. 5a, mit Hinweisen). Der Betroffene muss sich über
die Tragweite des Entscheids und über allfällige Anfechtungsmöglichkeiten
ein Bild machen können; an die Begründung dürfen unter dem Gesichtspunkt
des rechtlichen Gehörs indessen keine allzuhohen Ansprüche gestellt werden,
wenn wie hier das kantonale Recht keine Begründungspflicht vorsieht
(BGE 96 I 723; TINNER, aaO, S. 357).

    Die Anforderungen sind allerdings in Fällen wie dem vorliegenden,
wo es um die wirtschaftliche Existenz des Beschwerdeführers geht,
strenger zu nehmen. Dieser muss dem Entscheid entnehmen können, was
ihm vorgeworfen wird, worauf sich dieser Vorwurf stützt und weshalb er
zu der schwersten Disziplinarstrafe führt, obschon das Strafgericht zu
einem Freispruch gelangt ist; ferner gehören die Bekanntgabe der Beweise,
auf die abgestellt wird, und deren Würdigung dazu.

    Diese Anforderungen werden von den Entscheiden des Stadtrates vom
6. Juli 1973 und insbesondere des Verwaltungsgerichtes vom 27. Mai
1974 vollauf erfüllt. Beide Instanzen stützen sich auf die in §
11 PS enthaltenen Pflichten der städtischen Bediensteten und weisen
darauf hin, dass an den Schulpsychologen in Anbetracht seiner grossen
Verantwortung gerade in sittlicher Beziehung strengere Anforderungen zu
stellen seien, als sie den strafrechtlichen Bestimmungen über Unzucht
mit Kindern zugrunde lägen. Sie nehmen zu den inkriminierten Vorfällen
und den daraus folgenden Vorwürfen an den Beschwerdeführer ausführlich
Stellung und begründen einlässlich, weshalb nach ihrer Auffassung die
schwerste Disziplinarstrafe ausgefällt werden musste. Damit musste dem
Beschwerdeführer klar sein, weshalb er sofort entlassen worden war. Die
Rüge der formellen Rechtsverweigerung ist somit offensichtlich unbegründet.

    d) In seiner ersten Beschwerde hatte der Beschwerdeführer schliesslich
als Gehörsverweigerung gerügt, dass das Verwaltungsgericht die von
ihm zum integrierenden Bestandteil der Rekursbegründung erklärten
strafgerichtlichen Plädoyernotizen nicht zur Kenntnis genommen habe. Auf
diesen Vorwurf ist nach dem in E. 1a Gesagten nicht mehr einzugehen. Das
Verwaltungsgericht hat als Revisionsinstanz darüber befunden und der
Beschwerdeführer hat ihn mit Grund in seiner zweiten Beschwerdeschrift
weggelassen.

Erwägung 5

    5.- Zur Hauptsache macht der Beschwerdeführer geltend, die gegen ihn
ausgesprochene sofortige Entlassung sei mit Art. 4 BV unvereinbar, da ihr
eine willkürliche Beweiswürdigung zugrunde liege. In der Beweiswürdigung
steht den kantonalen Instanzen ein weiter Ermessensspielraum zu, und das
Bundesgericht kann auf staatsrechtliche Beschwerde hin nur eingreifen, wenn
die tatsächlichen Feststellungen offensichtlich falsch oder willkürlich
sind oder auf einem offenbaren Versehen beruhen (BGE 98 Ia 142 E. 3a,
mit Hinweisen).

    a) Das Verwaltungsgericht erachtete es - durchaus unter Beachtung der
Fragwürdigkeit der Aussagen der befragten Mädchen - als erstellt, dass
der Beschwerdeführer während seiner schulpsychologischen Untersuchungen
wiederholt mit einzelnen Mädchen körperlichen Kontakt suchte, so,
indem er ihnen mit der Hand über dem Kleid seitlich von der Taille bis
zur Achselhöhle und vorne von der Hüfte bis zur Brust fuhr, sie über den
Kleidern in der Brustgegend berührte, am Rücken streichelte und sie auf der
Aussenseite der Oberschenkel, am Gesäss und am Hüftgelenk betastete. Der
Beschwerdeführer hat diese Handlungen immer wieder abgestritten,
doch stellte das Verwaltungsgericht mit der gebotenen Vorsicht auf die
Aussagen der Mädchen im Disziplinar- und Strafverfahren ab. Nach seiner
Auffassung lägen keine Anzeichen dafür vor, dass die Kinder unter einem
Druck gestanden hätten oder unbewusst entscheidenden Einflüssen von
Eltern oder Dritten erlegen wären. Kontakte seien nur zwischen zwei
Mädchen festgestellt worden; dass die andern mit diesen Kindern und
unter sich ihre Beobachtungen hätten austauschen können, erscheine als
praktisch ausgeschlossen. Der Beschwerdeführer macht es sich demgegenüber
allzu leicht, wenn er die Aussagen aller Mädchen samt und sonders als
völlig unglaubwürdig abtut und es als willkürlich bezeichnet, dass das
Verwaltungsgericht nicht seine Aussage über jene der acht verschiedenen
Mädchen stellte. Wie das Verwaltungsgericht zu Recht bemerkte, fällt auf,
dass die Wahrnehmungen der Mädchen ein weitgehend geschlossenes Bild
zeigen: Zwar bezichtigen sie den Beschwerdeführer nicht stereotyp der
gleichen Handlungen - was verdächtig wäre -, doch liegt das geschilderte
Verhalten in einem einheitlichen Rahmen und weist wiederkehrende Züge
auf. Angesichts dieser Umstände ist das Verwaltungsgericht nicht in
Willkür verfallen, wenn es den Aussagen der Mädchen im grossen ganzen
Glauben geschenkt hat. Wie es selbst sagt, wäre in einzelnen Punkten eine
abweichende Beweiswürdigung denkbar; aus der Gesamtheit der Indizien
durfte aber geschlossen werden, der Beschwerdeführer habe die Regeln
von Anstand und Sitte eindeutig verletzt. Jedenfalls ist eine solche
Feststellung nicht offensichtlich falsch oder willkürlich.

    b) Auch das Bezirksgericht Winterthur hatte in seinem Strafurteil
festgehalten, dass dem Beschwerdeführer gewisse unschickliche, leicht
gegen Sitte und Anstand verstossende Handlungen zur Last zu legen
waren, die aber nicht so intensiv seien, um die Voraussetzungen von
Art. 191 Ziff. 2 StGB zu erfüllen; insbesondere habe es am subjektiven
Tatbestand gefehlt. Der Beschwerdeführer habe sich gegenüber den Mädchen
ungeschickt verhalten und seine "Aufmunterungen" hätten sich zeitweilig in
verhängnisvollen Bahnen - ja mitunter recht hart an der Grenze des noch
Erlaubten - bewegt. Dass das Gericht ihn dennoch freigesprochen hat, hat
auf das Disziplinarverfahren keinen entscheidenden Einfluss, denn Straf-
und Disziplinarverfahren sind entsprechend ihrem unterschiedlichen Zweck
selbst in derselben Angelegenheit grundsätzlich von einander unabhängig
und geben somit jeder Behörde das Recht, frei Beweise abzunehmen und
diese selbständig zu würdigen (GRISEL, Droit administratif suisse, S. 268;
IMBODEN, Verwaltungsrechtsprechung Bd. I Nr. 366). Es steht grundsätzlich
nichts entgegen, eine strafrechtlich unwesentliche Verletzung von Sitte
und Anstand unter dem Gesichtspunkt der Dienstverletzung disziplinarisch zu
ahnden (vgl. B. GARBADE, Das Disziplinarrecht der Funktionäre der kantonal-
und stadtzürcherischen Verwaltung, Zürcher Diss. 1943, S. 39 N. 27).

Erwägung 6

    6.- Disziplinarmassnahmen müssen dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit
entsprechen (BGE 100 Ia 360 E. 3b). Den kantonalen und kommunalen Behörden
steht bei der Wahl der Massnahme jedoch ein gewisser Ermessensspielraum
offen, und das Bundesgericht könnte nur bei dessen Überschreitung
eingreifen (BGE 100 Ia 360 E. 3a). Der Beschwerdeführer verweist in
dieser Hinsicht bloss auf die angeblich willkürliche Begründung des
Entlassungsentscheides, doch ergibt sich aus seinen gesamten Vorbringen,
dass er auch die Disziplinarmassnahme als solche mit Art. 4 BV unvereinbar
hält.

    Ob die Verfehlung eines Beamten als schwerwiegend zu betrachten ist,
kann nur nach den Anforderungen des Amtes, das er bekleidet, beurteilt
werden. Zweifellos muss das Vertrauen der Öffentlichkeit, von Eltern,
Lehrerschaft und Kindern in den Schulpsychologischen Dienst gewahrt
bleiben. Was den Umgang des Schulpsychologen mit Schulkindern angeht,
muss ein strenger Massstab angelegt werden. Der Schulpsychologe hat
eine besondere Vertrauensstellung; zudem hat er es auch vielfach mit
schwierigen und gefährdeten Kindern zu tun. Die Eltern, die ihre Kinder
zu ihm schicken müssen, wollen zu Recht Gewissheit haben, dass diese
dort nicht in unsittlicher Weise belästigt werden. Die Dienstpflicht
gebietet dem Schulpsychologen daher, sich bei seinen Untersuchungen aller
fragwürdigen und zweideutigen Gesten zu enthalten. Daran hat sich der
Beschwerdeführer im vorliegenden Fall nicht gehalten.

    Dass die subjektive Schuld des Beschwerdeführers an seiner
Dienstpflichtverletzung allenfalls weniger schwer ist als der von
ihm geschaffene objektive Tatbestand, fällt nicht ins Gewicht. Die
sofortige Entlassung stellt entgegen der Bezeichnung in § 138 PS eher
eine Massnahme als eine Strafe dar, da sie ja nicht den Beschwerdeführer
bessern, sondern vor allem die öffentlichen Interessen an einem integren
und vertrauenswürdigen Schulpsychologischen Dienst schützen soll. Indem
die kantonalen Behörden weniger auf die subjektive Strafwürdigkeit
des Beschwerdeführers als vielmehr auf diesen objektiven Schutz
abstellten, haben sie den ihnen eingeräumten Ermessensspielraum nicht
überschritten, wenn sie annahmen, es handle sich vorliegend um eine schwere
Dienstverletzung, die nur mit einer sofortigen Entlassung zu ahnden
sei. Eine andere, weniger weit gehende Massnahme hätte den objektiven
Schutzzweck nicht genügend wahren können.