Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 101 IA 172



101 Ia 172

31. Urteil vom 17. Juni 1975 i.S. Froidevaux gegen Regierungsrat und
Verwaltungsgericht des Kantons Aargau. Regeste

    Art. 4 BV und Meinungsäusserungsfreiheit; Entzug der Wahlfähigkeit
eines Lehrers.

    1. Verhältnis von strafrechtlicher Verurteilung und besonderer
Verwaltungsmassnahme (E. 2).

    2. Überprüfungsbefugnis des Bundesgerichts bei disziplinarischen
Massnahmen gegenüber kantonalen Beamten (E. 3).

    3. Eine strafrechtliche Verurteilung kann die Funktion einer
verwaltungsinternen Verwarnung erfüllen (E. 4).

    4. Verhältnismässigkeit der disziplinarischen Massnahme (E. 5).

    5. Strafrechtliche Schranken der Meinungsäusserungsfreiheit (E. 6).

Sachverhalt

    A.- Die ersten Absätze der §§ 53 und 54 des aargauischen Schulgesetzes
lauten wie folgt:

    § 53 (Disziplinarmassnahmen)

    "1 Wenn ein Lehrer seine Berufspflichten in grober Weise verletzt,
   in der Schulführung nicht genügt, durch unsittliche Lebensführung

    Anstoss erregt oder zu einer Freiheitsstrafe verurteilt wird, so
kann der

    Erziehungsrat je nach den Umständen den Lehrer ins Provisorium
   versetzen, im Amte einstellen oder dem Regierungsrat die Entlassung des

    Lehrers beantragen."

    § 54 (Verlust und Wiedererlangung der Wahlfähigkeit)

    "1 Mit der disziplinarischen Entlassung durch den Regierungsrat ist
   der Verlust des Wahlfähigkeitszeugnisses verbunden. Es kann frühestens
   nach drei Jahren wieder erteilt werden, wenn genügende Gewähr vorliegt,
   dass die Gründe, die zur Entlassung geführt haben, nicht mehr vorhanden
   sind."

    Der nicht dienstpflichtige André Froidevaux besitzt das aargauische
Primarlehrerpatent und war seit 1967 als stellvertretender Sekundarlehrer
an der Sekundarschule Schafisheim/AG tätig. Er wurde am 5. Mai 1971 ein
erstes Mal vom Bezirksgericht Aarau wegen fortgesetzter Aufforderung
zur Verletzung militärischer Dienstpflichten (Art. 276 StGB) zu vier
Wochen Gefängnis, bedingt mit dreijähriger Probezeit, verurteilt,
weil er an einer Verteilung von Flugblättern mit der Frage: "MUSST DU
NICHT WIDERSTAND LEISTEN?" vor der Kaserne Aarau an einrückende Rekruten
mitbeteiligt war. Froidevaux zog das Urteil nicht weiter. Vier Tage nach
Erhalt des Urteilsdispositivs, aber noch vor Zustellung der vollständigen
Urteilsbegründung, verteilte er zusammen mit andern erneut derartige
Flugblätter vor der Kaserne an Rekruten. Die neuen Flugblätter enthielten
neben dem Text des früheren Flugblattes auch eine Kritik am Urteil des
Bezirksgerichtes unter dem Titel: "IST DIESER TEXT (d.h. der Urteilsspruch)
ILLEGAL ODER SIND ES DIE GESETZE?" Auf Grund dieses Vorfalles wurde
Froidevaux am 9. August 1972 vom Bezirksgericht Aarau wegen desselben
Deliktes erneut verurteilt, diesmal zu einer Gefängnisstrafe von 40 Tagen
unbedingt, unter gleichzeitigem Widerruf des im ersten Urteil gewährten
bedingten Strafvollzuges. Das zweite bezirksgerichtliche Urteil wurde
auf Berufung hin vom aargauischen Obergericht bestätigt. Die dagegen
eingereichte Nichtigkeitsbeschwerde wurde vom Bundesgericht am 14. Dezember
1973 abgewiesen.

    Froidevaux war bereits am 8. Juni 1972 - also nach der ersten, aber
noch vor der zweiten Verurteilung - vom Erziehungsrat mitgeteilt worden,
dass er im aargauischen Schulbetrieb nicht mehr tragbar wäre, wenn er
nochmals wegen desselben Deliktes verurteilt würde; doch erhielt er
damals nur einen Verweis. Er hatte schon im Frühjahr 1972 seine Stelle
an der Sekundarschule Schafisheim/AG aufgegeben und war dann nur noch
einmal vom 23. Oktober 1972 bis Jahresende 1972 als stellvertretender
Lehrer tätig. Nach Abschluss des zweiten strafrechtlichen Verfahrens,
zwei Jahre nach dem erneuten Verteilen der Flugblätter, verfügte der
Regierungsrat mit Entscheid vom 12. August 1974:

    "Lehrer André Froidevaux wird die Wahlfähigkeit als aargauischer

    Primarlehrer entzogen, und es wird festgestellt, dass er nicht mehr
   berechtigt ist, als Lehrer im Kanton Aargau tätig zu sein."

    Das Verwaltungsgericht des Kantons Aargau wies die hiegegen
eingereichte Beschwerde ab. Mit staatsrechtlicher Beschwerde rügt
Froidevaux, das Urteil des Verwaltungsgerichts sei willkürlich und
verletze das Recht auf freie Meinungsäusserung. Das Bundesgericht weist
die Beschwerde ab, aus folgenden

Auszug aus den Erwägungen:

                          Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- Der Beschwerdeführer beruft sich auf das Willkürverbot und
auf die verfassungsmässig geschützte Meinungsäusserungsfreiheit;
diese ist vom Bundesgericht als ungeschriebenes Verfassungsrecht des
Bundes anerkannt (BGE 97 I 896 Erw. 4). Der Beschwerdeführer macht
nicht geltend, dass Art. 18 der aargauischen Kantonsverfassung die
Meinungsäusserungsfreiheit umfassender schützt als das ungeschriebene
Verfassungsrecht des Bundes. Zu prüfen ist deshalb ausschliesslich,
ob der Entscheid des Verwaltungsgerichtes die Bundesverfassung verletzt.

Erwägung 2

    2.- Wenn ein Lehrer zu einer Freiheitsstrafe verurteilt wird,
kann er nach § 53 Abs. 1 des aargauischen Schulgesetzes (SchulG)
"je nach den Umständen" vom Erziehungsrat ins Provisorium versetzt
oder im Amte eingestellt werden oder vom Regierungsrat entlassen
werden. Das Verwaltungsgericht hat mit Recht angenommen, dass bei
Vorliegen der Voraussetzungen für die Entlassung eines Lehrers auch
dessen Wahlfähigkeitsausweis entzogen werden kann. Das gilt auch,
wenn - wie hier - der Lehrer seiner drohenden Entlassung mit einem
Austritt zuvorkommt. Der Entzug des Ausweises ist in diesem Falle
keine eigentliche Disziplinarmassnahme, sondern vielmehr der Widerruf
eines Verwaltungsaktes. Dieser ist hier zulässig, da die Wahlfähigkeit
unter bestimmten Bedingungen - insbesondere gesetzeskonformes Verhalten
des Lehrers - zuerkannt wird; sie kann bei Wegfall einer wesentlichen
Bedingung durchaus wieder aberkannt werden. Die gesetzmässige Grundlage
für die angefochtene Massnahme ist in den §§ 53 und 54 SchulG jedenfalls
gegeben. Der Beschwerdeführer bestreitet das auch gar nicht.

    Er bezweifelt jedoch, ob in seinem Falle neben der strafrechtlichen
Verurteilung noch eine besondere Verwaltungsmassnahme zulässig sei. Die
Bundesverfassung schliesst nicht aus, dass eine Tat neben der Bestrafung
durch die Strafgerichte auch eine administrative Sanktion nach sich
zieht, sofern Straf- und Verwaltungsmassnahme verschiedene Zwecke
verfolgen (GRISEL, Droit administratif suisse, S. 335). Der Umstand,
dass der Strafrichter die Nebenstrafe der Amtsunfähigkeit nach Art. 51
StGB nicht ausgesprochen hat, hindert den Regierungsrat nicht, gestützt
auf das kantonale Schulrecht das Wahlfähigkeitszeugnis zu entziehen,
wenn er mit hinreichendem Grund annehmen muss, der Lehrer sei im
Kanton nicht mehr tragbar. Die Bestrafung des Beschwerdeführers und der
Entzug des Wahlfähigkeitszeugnisses stehen zueinander in einem ähnlichen
Verhältnis wie die Bestrafung eines Motorfahrzeughalters und der Entzug des
Führerausweises. Die Massnahme mag den Betroffenen schwerer treffen als die
Strafe. Sie ist aber trotzdem zulässig, weil damit gerechnet werden muss,
dass durch die Strafe und gegebenenfalls durch die Strafverbüssung allein
der verwaltungskonforme Zustand nicht wieder hergestellt ist. Im Falle des
Beschwerdeführers hatte der Strafrichter nicht zu beurteilen, ob dieser
noch weiter als Lehrer tätig sein könne. Der Regierungsrat war deshalb
berechtigt und verpflichtet, zu prüfen, ob der Beschwerdeführer nach seiner
zweifachen Verurteilung für die öffentliche Schule untragbar geworden
war. Das kann nach dem klaren Text des § 53 SchulG nicht nur der Fall sein,
wenn ein Lehrer seine Berufspflichten gröblich verletzt, sondern auch,
wenn er eine Freiheitsstrafe erlitten hat. Der zweite Fall steht neben dem
ersten; das Delikt muss sich also nicht auf die Berufspflichten beziehen. §
53 Abs. 1 SchulG enthält also keine unzulässige Strafkumulierung (vgl. dazu
GIACOMETTI, Allgemeine Lehren des Verwaltungsrechts, S. 559).

    Freilich darf und soll die an zweiter Stelle verfügende Instanz -
hier der Regierungsrat - im Rahmen ihres Ermessens die bereits vom
Strafrichter ausgesprochene Strafsanktion mitberücksichtigen. Dies
schliesst aber nicht aus, allenfalls im öffentlichen Interesse die
schärfste vom Gesetz vorgesehene Verwaltungssanktion - hier den Entzug
des Wahlfähigkeitszeugnisses - auszusprechen.

Erwägung 3

    3.- Disziplinarmassnahmen und diesen gleichzustellende
Verwaltungsmassnahmen müssen dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit
entsprechen (BGE 100 Ia 360 E. 3b). Dieser besagt allgemein, dass das
gewählte Mittel durch das vom Gesetzgeber angestrebte Ziel gedeckt sein
muss. Kann das Ziel mit einem weniger in die Freiheit einschneidenden
Mittel ebensogut erreicht werden, so hat der Bürger Anspruch auf die Wahl
des milderen Mittels. Dabei muss ein angemessenes Verhältnis zwischen
dem zu erstrebenden Ziel und der dafür gebotenen Freiheitsbeschränkung
bestehen (BGE 96 I 242 E. 5 97 I 508).

    Den kantonalen Behörden steht aufgrund von § 53 SchulG bei der Wahl
der Massnahmen ein gewisser Spielraum des Ermessens offen, indem auf
die konkreten Umstände des Falles - etwa das Verhältnis zwischen Lehrer,
Schüler, Eltern und Aufsichtsbehörden - verwiesen wird. Das Bundesgericht
kann also nur eingreifen, wenn die kantonalen Behörden diesen Spielraum
überschritten haben. Bei Massnahmen, die gegenüber kantonalen Beamten
ergriffen werden, übt das Bundesgericht diese Zurückhaltung selbst dann,
wenn wie hier gleichzeitig eine Verletzung der Meinungsäusserungsfreiheit
gerügt wird, denn die kantonalen Behörden tragen die Verantwortung für
eine einwandfreie Arbeit des öffentlichen Dienstes, und die gute Wahl und
Überwachung der ausführenden Beamten ist das beste Mittel hiezu; dies gilt
grundsätzlich auch für Lehrer (nicht veröffentlichtes Urteil vom 7. März
1973 i.S. Giordano, E. 4b und c). Eine freie Prüfung der kantonalen
Disziplinarentscheide fällt im vorliegenden Fall schon deswegen ausser
Betracht, weil der Beamte hier keinen Anspruch darauf hat, im Staatsdienst
zu bleiben. Anderseits darf sich im vorliegenden Fall die Kognition auch
nicht auf blosse Willkür beschränken, da die angefochtene Massnahme den
Beschwerdeführer in seiner Freiheit trifft, weiterhin auf seinem erlernten
Beruf zu arbeiten; die vom Kanton Aargau ausgesprochene Massnahme dürfte
sich ja auch auf die Anstellungsmöglichkeiten des Beschwerdeführers in
anderen Kantonen auswirken, Im ähnlichen Falle BGE 98 Ia 471 liess sich
die blosse Willkürprüfung nur verantworten, weil dem entlassenen Lehrer
noch die Wählbarkeit in einer anderen Gemeinde des Kantons blieb. Ob
mit der angefochtenen Massnahme der Grundsatz der Verhältnismässigkeit
eingehalten worden ist, prüft das Bundesgericht also lediglich mit einer
gewissen Zurückhaltung.

Erwägung 4

    4.- Der Beschwerdeführer unterstreicht zuvor zwei Umstände, die seines
Erachtens von vornherein zur Aufhebung des angefochtenen Entscheides führen
müssen: Einmal ist er seit der Verwarnung durch den Erziehungsrat zwar
nochmals verurteilt worden, aber seine zweite Straftat lag vor dieser
Verwarnung. Die erste Verurteilung hat ihm offenbar keinen Eindruck
gemacht, doch rügt er, es sei nicht dargetan, dass auch die Verwarnung
des Erziehungsrates ihm keinen Eindruck gemacht hätte. Zudem habe sich
das Verwaltungsgericht mit den Berichten der Schulpflege von Schafisheim
und des Schulinspektors sowie mit den Feststellungen der übrigen Lehrer an
der gleichen Schule nicht auseinandergesetzt. Nach diesen Berichten kann
dem Beschwerdeführer in der Tat nicht vorgeworfen werden, er habe in der
Schule seine Schüler in einer Weise beeinflusst, die seiner persönlichen
Einstellung zur Armee entspricht, die aber mit dem Schulunterricht an
einer politisch neutralen Staatsschule nicht vereinbar wäre.

    Das Verwaltungsgericht hat jedoch die beiden Umstände nicht
übersehen, weshalb ihm keine aktenwidrige Annahme vorgeworfen werden
kann: Es nahm an, nach den bei den Akten liegenden Zeugnissen habe "bis
jetzt noch keine Beeinflussung der Schüler festgestellt werden können";
doch müsse aus der schriftlichen Stellungnahme des Beschwerdeführers
gegenüber dem Erziehungsrat vom 14. Dezember 1971 geschlossen werden,
dass er durchaus den Willen habe, seinen Schülern ein Stück seines
Gesellschaftsbildes mitzugeben. Die von ihm verübten Straftaten seien
geeignet, stark auf die Schüler zu wirken, "insbesondere dann, wenn
sie im beliebten Lehrer den Märtyrer erblickten, der für seine Idee auch
Gefängnisstrafe auf sich nehme". Mit der Vermutung, dass das Bekanntwerden
der Verurteilung des Beschwerdeführers auf Schüler stark wirken könnte, hat
das Verwaltungsgericht den ihm zustehenden Ermessensspielraum jedenfalls
nicht überschritten.

    Das Verwaltungsgericht nahm ferner an, die erste Verurteilung
sei eine genügende Verwarnung gewesen. Dem Beschwerdeführer habe
deshalb die Wahlfähigkeitsberechtigung entzogen werden können,
auch wenn die erste Verwarnung durch die Erziehungsdirektion erst
der zweiten Straftat folgte. Die erste Verurteilung durch das
Strafgericht konnte durchaus die Funktion erfüllen, die in andern
Fällen der verwaltungsinternen Verwarnung zukommt. Ob im Antrag des
Erziehungsrates an den Regierungsrat diesbezüglich ein Fehler unterlaufen
ist, ist unerheblich. Das Verwaltungsgericht hat diesen Punkt auf S. 19
seines Entscheides richtiggestellt. Es hat keine rechtlich erheblichen
Tatsachen übersehen, sondern sie lediglich anders gewürdigt als der
Beschwerdeführer. Dieser hält es für "völlig wirklichkeitsfremd", einer
gerichtlichen Verurteilung eine ähnliche Warnwirkung zuzuschreiben wie
einer Verwarnung durch die Erziehungsdirektion, da er das Urteil des
Bezirksgerichtes eben als Fehlurteil betrachtet habe, Der Beschwerdeführer
musste sich aber bei seiner zweiten Straftat doch bereits Rechenschaft
geben, dass seine erneute vorsätzliche Verletzung des Strafgesetzbuches
Rückwirkungen auf seine Stellung als Lehrer haben könnte, auch wenn die
Schulbehörden das erste Disziplinarverfahren noch nicht abgeschlossen
hatten. Wenn der Beschwerdeführer im Sinne eines "kalkulierten Risikos"
glaubte, er habe höchstens mit einer Gefängnisstrafe und nicht mit
zusätzlichen Verwaltungsmassnahmen zu rechnen, muss er die Folgen
seiner "Fehlkalkulation" tragen. Die diesbezüglichen Ausführungen des
Verwaltungsgerichtes über den Sachverhalt sind unter dem beschränkten
Blickwinkel, der dem Bundesgericht hier zusteht, nicht zu beanstanden; für
die Würdigung der Verhältnismässigkeit ist also vom Tatbestand auszugehen,
den das Verwaltungsgericht seinem Urteil zugrunde gelegt hat.

Erwägung 5

    5.- Die Verhältnismässigkeit der vom Regierungsrat getroffenen
Massnahme kann vom Bundesgericht auch dann bejaht werden, wenn es nicht
alle Erwägungen des kantonalen Verwaltungsgerichtes gleich gewichtet wie
dieses. Massgebend ist nur, ob Regierungsrat und Verwaltungsgericht ohne
Verfassungsverletzung dem Beschwerdeführer das Wahlfähigkeitszeugnis auch
dann entziehen konnten, wenn man annimmt, es sei bis zum Sommer 1971 -
als die vom Beschwerdeführer angeführten positiven Meinungsäusserungen
abgegeben wurden - kein nachteiliger Einfluss seines Verhaltens auf sein
Wirken in der Schule zu verspüren gewesen. Trotz dieser Zeugnisse aus
dem Jahre 1971 bleibt die Frage offen, wie sich die Spätere Verurteilung
zu einer unbedingten Gefängnisstrafe (letztinstanzlich am 14. Dezember
1973) auf den Schulbetrieb ausgewirkt hätte, wenn der Beschwerdeführer
im Schuldienst geblieben wäre oder wenn er wieder in den Schulbetrieb
eintreten könnte. Dabei zeigen auf jeden Fall die Petitionen der Lehrer
für und gegen den Entzug des Wahlfähigkeitszeugnisses, dass sein Fall
im ganzen Kanton bekannt geworden ist. Die entscheidende Frage für den
Regierungsrat musste sein, ob den Eltern zugemutet werden kann, ihre Kinder
zu einem Lehrer in die Schule zu schicken, der bewusst unmittelbar nach
der Verurteilung zu einer bedingten Gefängnisstrafe das gleiche, gegen
den Staat gerichtete Delikt erneut begeht und sich so eine unbedingte
Gefängnisstrafe zuzieht. Ein solcher Lehrer hat nicht bloss eine von
der Mehrheit abweichende politische Auffassung vertreten, sondern er
hat ein Strafurteil derart missachtet, dass er kaum tauglich scheint,
den Schülern die Achtung vor der geltenden Rechtsordnung - inbegriffen
deren anfechtbare Teile - zu vermitteln. Das gehört jedoch zu den
unabdingbaren erzieherischen Aufgaben eines jeden Lehrers (vorgenanntes
Urteil i.S. Giordano, E. 5c). Auch hohe pädagogische Fähigkeiten können
diesen schweren Charaktermangel nicht aufwiegen. Ein solcher Lehrer kann
bei Disziplinwidrigkeiten der Schüler seine Aufgabe kaum erfüllen, wenn die
Schüler wissen, dass ihr Lehrer sich selbst durch eine strafgerichtliche
Verurteilung in keiner Weise von der weiteren Begehung des gleichen
vorsätzlichen Deliktes abhalten liess. Wer sich so verhält, verliert das
Vertrauen der Eltern und die Autorität gegenüber den Schülern.

    Der Beschwerdeführer wusste bei seiner zweiten Straftat, wie sein
Flugblatt vom zuständigen zivilen Strafgericht beurteilt worden war. Er,
der selbst nicht dienstpflichtige Lehrer, forderte mit andern zusammen
die Rekruten mit rhetorischer Frage auf, gegenüber ihren militärischen
Lehrern Widerstand zu leisten, weil sie in eine Schule einträten, die
"eine totale Gleichmacherei, die Gleichschaltung anstrebe" und die "den
Rekruten zum Herdentier macht". Man kann Vätern, die als Wehrmänner zur
Landesverteidigung stehen, nicht zumuten, ihre Kinder zu einem Lehrer zu
schicken, der unmittelbar nach der strafrechtlichen Verurteilung wegen
dieser Äusserungen die ihm gewährte bedingte Verurteilung ausser Acht
lässt und seine Anwürfe durch die erneute Verteilung von Flugblättern mit
gleichem Inhalt bestätigt. Dies wäre eine Zumutung gegenüber den Eltern,
auch wenn der Lehrer bisher keine entsprechende Aufforderung an seine
eigenen Schüler in der Schule herangetragen hat. Die Verfassung schützt
nicht nur die Freiheit der Bürger einschliesslich der Beamten und Lehrer,
sie anerkennt auch die Freiheit der Regierungsorgane, jene Massnahmen
durchzusetzen, die unerlässlich sind, um das Vertrauen in die Staatsschule
aufrecht zu erhalten. Auch wenn man anerkennt, dass der Beschwerdeführer
ein tüchtiger Lehrer war und ihn der Entzug des Wahlfähigkeitszeugnisses
schwer trifft, kann deshalb die Verhältnismässigkeit der getroffenen
Massnahme bejaht werden. Zumindest haben die kantonalen Behörden den ihnen
zustehenden Ermessensspielraum nicht überschritten. Der Entzug ist im
übrigen keineswegs endgültig, denn der Beschwerdeführer kann nach drei
Jahren um eine Wiedererteilung des Wahlfähigkeitszeugnisses ersuchen,
"wenn genügende Gewähr vorliegt, dass die Gründe, die zur Entlassung
geführt haben, nicht mehr vorhanden sind" (§ 54 Abs. 1 Satz 2 SchulG).

Erwägung 6

    6.- Zu Unrecht beruft sich der Beschwerdeführer auch auf
eine Verletzung der Meinungsäusserungsfreiheit. Er bestreitet von
vornherein, dass für die Lehrer irgendeine Treuepflicht gegenüber dem
Staate bestehe. Der Lehrer ist jedoch Beamter. Das Wort "Treuepflicht"
umfasst gerade die Gesamtheit der Pflichten, die dem Beamten innerhalb
und ausserhalb seiner amtlichen Tätigkeit obliegen. § 9 des geltenden
aargauischen Besoldungsdekretes vom 24. November 1971, das die
Rechtsstellung der aargauischen Beamten im allgemeinen umschreibt,
übernimmt dabei den Satz von Art. 22 des Beamtengesetzes des Bundes:
"Die Beamten haben alles zu tun, was die Interessen des Staates fordern
und alles zu unterlassen, was sie beeinträchtigt".

    Dieser sehr allgemein gefasste Satz bedarf freilich der
verfassungskonformen Auslegung. Grundsätzlich verfügt auch der Beamte
über die verfassungsmässigen Rechte. Er darf Sich politisch betätigen
und sich öffentlich und privat an der politischen Kritik beteiligen
(A. GRISEL, Droit administratif suisse, 249; O. K. KAUFMANN, Grundzüge
des schweizerischen Beamtenrechts, ZBl 73/1972, 386). Der Beamte hat sich
jedoch an die Beschränkungen zu halten, die seine besondere Stellung mit
sich bringt.

    In jedem Falle hat er sich zumindest aller ungesetzlichen
Mittel zu enthalten und darf auch nicht zu deren Gebrauch ermuntern
(GRISEL, aaO, S. 250). Daran hat sich der Beschwerdeführer nicht
gehalten. Anlass zum Entzug seines Wahlfähigkeitszeugnisses waren
nicht seine persönlichen Meinungsäusserungen oder sein öffentliches
Bekenntnis als Kriegsdienstgegner, sondern die beiden strafrechtlichen
Verurteilungen. Dass diese Ausfluss seiner politischen Überzeugung
waren, ändert nichts, da politische und Glaubensansichten nicht von der
Erfüllung bürgerlicher Pflichten entbinden (vgl. Art. 49 Abs. 5 BV);
hiezu gehört auch die Einhaltung der vom Strafrecht gesetzten Grenzen
der Meinungsäusserungsfreiheit.

    Deshalb steht vorliegend keinesfalls "das Recht auf freie
Meinungsäusserung der gesamten Lehrerschaft auf dem Spiel", wie der
Beschwerdeführer etwas grosstuerisch behauptet. Zu Unrecht glauben auch
die Unterzeichner der Petition an den Erziehungs- und Regierungsrat, der
Entscheid des letzteren "käme einem Angriff auf die demokratischen Rechte
der Lehrer gleich". Dies trifft nicht zu. Die demokratischen Rechte der
Lehrer verdienen vollen Schutz, aber es gibt kein "demokratisches Recht",
Seiner politischen Überzeugung durch wiederholte strafbare Handlung
Ausdruck zu geben. Wer glaubt, durch wiederholte schwere Verletzung der
Rechtsordnung für seine Überzeugung kämpfen zu müssen, ist vielmehr,
wie Regierungsrat und Verwaltungsgericht ohne Überschreitung ihres
Ermessensspielraumes festgestellt haben, als Lehrer nicht mehr tragbar
und kann sich nicht auf die Meinungsäusserungsfreiheit berufen.