Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 101 IA 130



101 Ia 130

24. Auszug aus dem Urteil vom 7. Mai 1975 i.S. Haeny gegen Grosser Rat
des Kantons Schaffhausen Regeste

    Finanzreferendum. Neue oder gebundene Ausgaben.

    Das Schaffhauser Schulgesetz überträgt dem Grossen Rat mit der
materiellen Kompetenz, die Organisation der Mittelschulen zu bestimmen,
auch die entsprechende Ausgabenkompetenz. Berücksichtigung der ständigen
unbestrittenen Praxis.

Sachverhalt

    A.- Der Kanton Schaffhausen unterhält eine Kantonsschule mit
Maturitätsabteilungen und einem Seminar, in dem die Primarlehrer
ausgebildet werden. Die Organisation der Mittelschulen ist nach Art. 50
Abs. 5 des Schulgesetzes durch Dekret des Grossen Rates zu bestimmen. In
Ausführung dieser Gesetzesvorschrift wurde am 13. November 1967 das
Dekret betreffend die Organisation der Kantonsschule (im folgenden:
Organisationsdekret) erlassen. Noch in den sechziger Jahren nahmen die
Behörden jedoch eine Seminarreform in Aussicht. Das Organisationsdekret
wurde zunächst 1969 und am 12. August 1974 erneut abgeändert. Nach den
eingeführten Neuerungen haben die Seminarschüler während 5 Jahren das
Unterseminar zu besuchen, während ursprünglich eine Ausbildung von 2
Jahren an einer Maturitätsabteilung und von 3 1/2 Jahren am Unterseminar
vorgesehen war; der Unterricht am Oberseminar ist von ursprünglich
einem auf 2 Jahre verlängert worden. Die Neuordnung hat zur Folge,
dass die Lehramtskandidaten während dreier zusätzlicher Semester
Instrumentalunterricht erhalten, das Oberseminar in vier Abteilungen
unterteilt und das Angebot der fakultativen Fächer (Instrumental- und
Orgelunterricht) am Oberseminar erweitert wird.

    In den Verhandlungen des Grossen Rates über die Seminarreform wurde der
Antrag gestellt, den Beschluss vom 12. August 1974 der Volksabstimmung zu
unterstellen, da er eine jährliche Mehrausgabe von über Fr. 15'000.-- nach
sich ziehe und daher nach Art. 42 Abs. 1 Ziff. 2 der Kantonsverfassung
referendumspflichtig sei. Dieser Antrag wurde mit 37 zu 7 Stimmen
abgelehnt.

    Lic.iur. Rudolf Haeny, Rechtsanwalt in Schaffhausen, focht den
Beschluss des Grossen Rates vom 12. August 1974 über die Änderung
des Organisationsdekrets, ferner den Beschluss vom gleichen Tage,
die Vorlage nicht der Volksabstimmung zu unterstellen, sowie
den dazugehörigen Promulgationsbeschluss des Regierungsrates beim
Obergericht des Kantons Schaffhausen wegen Verfassungswidrigkeit an
(Gesuch um abstrakte Normenkontrolle). Das Gericht trat nicht auf das
Gesuch ein, soweit es den Grossratsbeschluss betraf, die Vorlage nicht der
Volksabstimmung zu unterstellen, und soweit es sich gegen den erwähnten
Regierungsratsbeschluss richtete. Das Begehren, der Beschluss des Grossen
Rates über die Änderung des Organisationsdekretes sei aufzuheben, wurde
abgewiesen.

    Gleichzeitig mit dem Gesuch ans Obergericht reichte Rudolf Haeny gegen
den Beschluss des Grossen Rates, die Änderung des Organisationsdekretes
nicht der Volksabstimmung zu unterstellen, und den entsprechenden
Promulgationsbeschluss vorsorglich staatsrechtliche Beschwerde ein. Nachdem
das Obergericht sein Gesuch um Aufhebung des Grossratsbeschlusses
abgewiesen hatte, focht er auch diesen Entscheid beim Staatsgerichtshof
an. Er macht im wesentlichen geltend, der angefochtene Grossratsbeschluss
unterstehe dem obligatorischen Finanzreferendum und hätte deshalb nicht
der Volksabstimmung entzogen werden dürfen.

    Das Bundesgericht weist beide Beschwerden ab, soweit darauf einzutreten
ist.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 3

    3.- Eine Volksabstimmung wäre demnach einzig dann nötig gewesen,
wenn der angefochtene Beschluss dem obligatorischen Finanzreferendum
unterstanden hätte.

    Nach Art. 42 Abs. 1 Ziff. 2 der Schaffhauser Kantonsverfassung
unterstehen unter anderem "alle Beschlüsse des Grossen Rates, welche für
einen besonderen Zweck eine neue einmalige Gesamtausgabe von mindestens
Fr. 150'000.-- oder eine neue jährlich wiederkehrende Ausgabe von
mindestens Fr. 15'000.-- zur Folge haben", der Volksabstimmung. Dass
die beschlossene Ausgabe "für einen besonderen Zweck" bestimmt sein
muss, heisst in diesem Zusammenhang, dass Ausgaben, die inhaltlich
nicht zusammengehören, den Stimmberechtigten getrennt zur Genehmigung
zu unterbreiten sind, und dass eine einheitliche, dem selben Zweck
dienende Ausgabe, die als Ganzes die Kompetenzlimite übersteigt, nicht
in Teilausgaben unterteilt werden darf, welche diese Grenze nicht
erreichen (BGE 99 Ia 184 f., 90 I 75; HALLER, Das Finanzreferendum,
ZSR 90/1972 I S. 492 f.; KLINGENBERG, Das Finanzreferendum im Kanton
Schaffhausen, Diss. Zürich 1957, S. 121 ff.). Dass es sich bei der
jährlich wiederkehrenden Mehrausgabe, welche der Grossratsbeschluss
über die Seminarreform nach sich zieht, um eine Ausgabe "für einen
besonderen Zweck" handelt, steht ausser Zweifel. Es war daher irrig,
wenn in der Verhandlung des Grossen Rates erklärt wurde, die Durchführung
einer Volksabstimmung sei nicht nötig, weil die Ausgabe nicht für einen
besonderen Zweck bestimmt sei (Amtsblatt 1974 S. 1143).

    Es steht noch nicht fest, wie hoch die jährlichen Mehrausgaben sein
werden. Die Spezialkommission, die dem Grossen Rat Bericht und Antrag
unterbreitete, schätzte sie auf Fr. 160'000.--, ein Mitglied des Grossen
Rates hielt es für realistischer, mit Fr. 200'000.-- bis 250'000.-- zu
rechnen, während der Regierungsvertreter von jährlichen Mehrkosten von
maximal Fr. 40'000.-- bis 45'000.-- sprach, wie es sich damit verhält,
ist für den Entscheid der Frage, ob die Ausgabengrenze überschritten
sei, unwesentlich, denn es ist klar und unbestritten, dass die jährlich
wiederkehrenden Ausgaben auf jeden Fall den Betrag von Fr. 15'000.--
überschreiten werden.

Erwägung 4

    4.- Es stellt sich damit die Frage, ob die Seminarreform eine neue
(jährlich wiederkehrende) Ausgabe nach sich ziehe.

    Der verfassungspolitische Zweck des Finanzreferendums besteht
darin, dem Bürger bei Beschlüssen über erhebliche Ausgaben, die ihn als
Steuerzahler mittelbar treffen, ein Mitspracherecht zu sichern. Dagegen
soll das Volk nicht zweimal befragt werden, wenn zunächst über die
Übernahme einer Aufgabe durch das Gemeinwesen und nachträglich über
die damit verbundenen Ausgaben entschieden werden muss. Nach den vom
Bundesgericht aufgestellten allgemeinen Grundsätzen zu den Begriffen
"gebundene" und "neue Ausgabe", die bundesrechtlich nicht bestimmt sind,
gelten insbesondere jene Ausgaben als gebunden, die durch einen Rechtssatz
prinzipiell und dem Umfang nach vorgeschrieben sind (wie etwa Besoldungen
und gewisse Subventionen) oder die zur Erfüllung der gesetzlich geordneten
Verwaltungsaufgaben unbedingt erforderlich sind. Von einer gebundenen
Ausgabe kann ferner gesprochen werden, wenn anzunehmen ist, das Stimmvolk
habe mit einem vorausgehenden Grunderlass auch die aus ihm folgenden
Aufwendungen gebilligt, falls ein entsprechendes Bedürfnis voraussehbar
war oder falls gleichgültig ist, welche Sachmittel zur Erfüllung der vom
Gemeinwesen mit dem Grunderlass übernommenen Aufgabe gewählt werden (BGE
99 Ia 211 f., 720, 97 I 824 f.; 98 Ia 298 mit Hinweis auf frühere Urteile).

    a) Die Ausgaben für die Seminarreform sind weder durch einen Rechtssatz
prinzipiell und dem Umfang nach vorgeschrieben, noch sind sie zur Erfüllung
der gesetzlich geordneten Verwaltungsaufgaben unbedingt erforderlich. Nach
der erwähnten bundesgerichtlichen Rechtsprechung wäre somit nur dann
anzunehmen, das Volk habe mit dem Erlass des Schulgesetzes (Art. 50
Abs. 5, Art. 96) die aus der Seminarreform entstehenden Aufwendungen
vorweg gebilligt, wenn ein entsprechendes Bedürfnis voraussehbar war.

    Nach der Praxis des Bundesgerichtes soll dem Volk durch das
Finanzreferendum das Mitspracherecht bei grossen Ausgaben nicht nur
dann gesichert werden, wenn die Behörde eine Ausgabe beschliesst, die
ausserhalb der gesetzlichen Aufgaben liegt, sondern auch dann, wenn
ihr nach der Rechtslage und den Umständen eine verhältnismässig grosse
Handlungsfreiheit zusteht (BGE 95 I 218, HALLER, aaO S. 491). Dies steht
in einem gewissen Zusammenhang mit dem Element der Voraussehbarkeit
der Aufwendung. Wird in einer Delegationsnorm die Kompetenz der Behörde
konkret und im einzelnen umschrieben, so ist einerseits der Spielraum der
behördlichen Entscheidungsfreiheit gering, andererseits für den Stimmbürger
mit einiger Klarheit vorauszusehen, welche Aufwendungen sich aus der
Erfüllung der der Behörde übertragenen Aufgabe ergeben können. Wird dagegen
im Gesetz die übertragene Aufgabe nur in allgemeiner Weise umschrieben,
so ist die Handlungsfreiheit der Behörde verhältnismässig gross und von
den Stimmberechtigten nicht ohne weiteres zu erkennen, Welche Aufwendungen
sich in der Zukunft ergeben könnten (vgl. LAUR, Das Finanzreferendum im
Kanton Zürich, Diss. Zürich 1966, S. 181).

    b) Der Beschwerdeführer ist der Ansicht, der Grosse Rat könne selbst
bei bloss untergeordneten Organisationsänderungen die entsprechenden
wiederkehrenden Ausgaben nur dann in eigener Kompetenz beschliessen, wenn
sie die Grenze von Fr. 15'000.-- nicht überschritten. Dieser Auffassung
kann nicht gefolgt werden. Überträgt das Volk dem Grossen Rat die Befugnis,
die Organisation der Mittelschulen zu bestimmen, so muss es sich dabei
zumindest bewusst sein, dass das Parlament künftig gewisse Änderungen
der bisherigen Ordnung von geringer Bedeutung beschliessen wird -
wie etwa neue Schulfächer einführen oder Klassen aufteilen -, und dass
daraus entsprechende Ausgaben entstehen werden. Organisationsänderungen
von geringer Bedeutung waren demnach beim Erlass des Schulgesetzes
und der damit verbundenen Kompetenzdelegation durchaus voraussehbar,
weshalb vernünftigerweise angenommen werden muss, das Volk habe die
entsprechenden Ausgaben mit dem Grunderlass gebilligt. Man dürfte sogar
behaupten, bestimmte organisatorische Massnahmen von mehr untergeordneter
Bedeutung, wie etwa die Aufteilung zu grosser Klassen, seien zur Erfüllung
der gesetzlich geordneten Verwaltungsaufgaben unbedingt erforderlich,
so dass schon aus diesem Grunde das Referendum ausgeschlossen wäre.

    c) Die vom Grossen Rat beschlossene Seminarreform ist indes nicht
eine organisatorische Massnahme von nur geringer Tragweite. Zwar
ist die Änderung des Schulsystems nicht so einschneidend, wie es der
Beschwerdeführer darstellt. Unter finanziellen Gesichtspunkten spielt
es an sich keine erhebliche Rolle, ob die angehenden Lehrer zunächst in
einer Maturitätsabteilung oder von Anfang an im Seminar unterrichtet
werden. Von einer gewissen Tragweite ist es aber, dass sie von Anfang
an Instrumentalunterricht erhalten und dass das Freifächerangebot am
Oberseminar erweitert wird. Beim Erlass des Schulgesetzes war für den
Stimmbürger bestimmt voraussehbar, dass die Entwicklung im Schulwesen
nicht stillstehen und sich mit der Zeit strukturelle Änderungen des
Systems aufdrängen werden, die mit entsprechenden Kosten verbunden sein
würden. Es lässt sich deshalb die Meinung vertreten, mit der Delegation
der Befugnis, die Organisation der Mittelschulen zu bestimmen, seien
auch die Ausgaben gebilligt worden, die sich aus den zu erwartenden, vom
Grossen Rat zu beschliessenden Strukturänderungen ergeben könnten. So
wurde zum Beispiel in der neueren Rechtslehre erklärt, die Kosten von
(im Kanton Zürich durchgeführten) sog. Umschulungskursen, die der
ausserordentlichen Ausbildung von Primarlehrern dienen, unterstünden nicht
dem Referendum, wenn eine Delegationsnorm bestimme, dass der Regierungsrat
die Organisation solcher Kurse ordne und die näheren Voraussetzungen für
ihren Besuch umschreibe; dem Regierungsrat sei mit dieser Ermächtigung
die abschliessende Kompetenz erteilt worden, die Kurse anzuordnen, und
aus der gesetzlichen Regelung habe sich ergeben, dass die Durchführung
der Kurse erhebliche Kosten verursachen werde (LAUR, aaO S. 194). Ferner
wurde die Meinung ausgesprochen, wenn ein Schulgesetz bestimme, dass die
Kosten für die Errichtung und den Betrieb der kantonalen Lehranstalten
vom Staat getragen würden, so sei zwar richtigerweise der Kredit für
einen Schulhausbau dem Referendum zu unterstellen, doch liessen sich
auch für die gegenteilige Auffassung sachliche Gründe vorbringen (NEF,
Das Finanzreferendum im Kanton Aargau, S. 102 ff.). Es ist klar und
unbestritten, dass im Kanton Schaffhausen der Grosse Rat nicht gestützt
auf Art. 50 Abs. 5 des Schulgesetzes in eigener Kompetenz den Kredit
für einen Schulhausbau beschliessen kann; doch lässt sich immerhin die
weniger weitgehende Meinung vertreten, wenn dem Parlament die Befugnis
eingeräumt sei, die Organisation der Mittelschulen zu bestimmen, stehe ihm
auch die Befugnis zu, die Ausgaben für eine Seminarreform selbständig zu
beschliessen, da die Stimmbürger beim Erlass mit solchen Strukturänderungen
gerechnet und dem Parlament mit der materiellen auch die finanzielle
Kompetenz übertragen hätten. - Es bleiben aber gewisse Zweifel, ob die
Aufwendung für die Seminarreform dem vom Bundesgericht entwickelten Begriff
der gebundenen Ausgabe entspreche. Auch wenn sich aus dem Schulgesetz
ergibt, dass die vom Grossen Rat zu treffenden organisatorischen
Anordnungen Mehrkosten nach sich ziehen werden, ist nicht schon von
vornherein bestimmt, wie das Parlament seine Aufgabe zu erfüllen hat.
Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung kann aber das "Wie" wichtig
genug sein, um das Mitspracherecht des Volkes zu rechtfertigen (BGE 95 I
218). Es steht ausser Frage, dass dem Grossen Rat bei der Organisation des
Seminars verschiedene Möglichkeiten offenstanden, die auch finanziell von
unterschiedlicher Konsequenz waren. Deshalb lässt sich bezweifeln, ob die
beschlossene Mehraufwendung bei Erlass des Schulgesetzes für den Bürger
tatsächlich voraussehbar war, wenn auch eingeräumt werden muss, dass es
weitgehend Ermessenssache ist zu bestimmen, wann die Handlungsfreiheit
der Behörde zur Vornahme einer Ausgabe genügend gross ist, um eine neue
Ausgabe anzunehmen und damit die Notwendigkeit einer Volksabstimmung zu
bejahen (HALLER, aaO S. 491; LAUR, aaO S. 181 f.). Es bleibt auf jeden Fall
zweifelhaft, ob die Aufwendung für die Seminarreform als gebundene Ausgabe
im Sinne der bundesgerichtlichen Begriffsbestimmung zu betrachten ist.

Erwägung 5

    5.- Da - wie bereits erwähnt - kein bundesrechtlicher Begriff der neuen
Ausgabe besteht, darf von der bundesgerichtlichen Begriffsbestimmung dort
abgewichen werden, wo sich bei Auslegung des kantonalen Rechts oder auf
Grund einer feststehenden und unangefochtenen Rechtsauffassung und Praxis
des kantonalen Gesetzgebers eine andere Betrachtungsweise aufdrängt. Dabei
ist freilich zu beachten, dass das Finanzreferendum nicht seiner Substanz
beraubt werden darf (BGE 100 Ia 366, 99 Ia 212).

    In der Rechtslehre wurde mit Grund ausgeführt, dass es sich beim
Entscheid, ob eine Ausgabe der Volksabstimmung zu unterstellen sei, nicht
so sehr um die Auslegung der Vorschriften über das Finanzreferendum, als
vielmehr um die Interpretation des Gesetzes handle, das als Grundlage
des Ausgabenbeschlusses angerufen wird. Was nach Schaffhauser Recht im
Einzelfall unter dem Begriff der neuen Ausgabe zu verstehen ist, bestimmt
sich deshalb nicht nur nach dem Verfassungsrecht; es ist im vorliegenden
Fall auch die ganze Konzeption des Schulgesetzes zu beachten und auf Grund
seines Inhaltes zu beurteilen, ob das Gesetz als "Grunderlass" bezeichnet
werden kann, mit dessen Annahme die Stimmberechtigten zugleich die daraus
folgenden Ausgaben billigten (OESTER, Das Finanzreferendum im Kanton St.
Gallen, Diss. St. Gallen 1962, S. 58; ESCHER, Das Finanzreferendum in
den schweizerischen Kantonen, Diss. Zürich 1943, S. 95 f.; GIACOMETTI,
ZBl 59/1958 S. 100; vgl. auch ZBl 76/1975 S. 79).

    a) In Art. 50 Abs. 5 des Schulgesetzes ist dem Grossen Rat die
Kompetenz übertragen, die Organisation der Mittelschulen durch Dekret zu
bestimmen. Damit wird nicht bloss im Sinne einer sog. Grundsatzgesetzgebung
oder eines Programmes eine staatliche Aufgabe statuiert, sondern dem
Grossen Rat Auftrag zu deren Ausführung erteilt (vgl. ESCHER, aaO S. 116
f.). Wird dem Parlament in dieser Weise eine Kompetenz übertragen,
so spricht eine gewisse Vermutung dafür, dass es auch selbständig die
sich aus der Erfüllung der Aufgabe ergebenden Ausgaben beschliessen kann
(Urteil des Bundesgerichts vom 27. Oktober 1954, in: ZBl 56/1955 S. 30;
LAUR, aaO S. 190 f.; ESCHER, aaO). Wie das Obergericht ausführt, wäre es
wenig sinnvoll, dem Grossen Rat eine Aufgabe zur selbständigen Erledigung
zu übertragen, anderseits aber die aus der Erfüllung der Aufgaben folgenden
Ausgaben grundsätzlich dem Finanzreferendum zu unterstellen. Damit würde
die Delegation weitgehend illusorisch gemacht, da im wesentlichen doch
wieder das Volk über die Erfüllung der Aufgabe zu bestimmen hätte.

    Auch Art. 96 des Schulgesetzes, nach welchem der Staat die Kosten
für den Unterhalt des Kantonsschulgebäudes, für den Unterricht, die
Besoldungen und die allgemeinen Lehrmittel der Kantonsschule trägt,
scheint die Annahme zu stützen, dass das angefochtene Dekret nicht der
Volksabstimmung zu unterstellen war. Hier wird ebenfalls nicht bloss im
Sinne eines Leitsatzes dem Staat eine Aufgabe übertragen, sondern bestimmt,
dass die Ausgaben für den genannten Zweck zulasten des Staates fallen. Auf
Grund von Art. 50 Abs. 5 und Art. 96 des Schulgesetzes erscheint demnach
die Auffassung haltbar, dass die durch die Seminarreform bedingten Ausgaben
gebunden und daher dem Volk nicht zum Entscheid zu unterbreiten seien.

    b) Noch deutlicher als die gesetzliche Regelung zeigt die Praxis
des Kantons Schaffhausen, dass im Bereich des Schulwesens dem Grossen
Rat mit der materiellen Kompetenz zur Erfüllung einer bestimmten Aufgabe
gleichzeitig auch die Befugnis zu den entsprechenden Ausgabenbeschlüssen
eingeräumt wird. Ein aufschlussreiches Beispiel ist die kantonale
landwirtschaftliche Schule. Sie wurde 1908 gegründet, wobei zunächst
mit einem jährlichen Aufwand von rund Fr. 5'000.-- zu rechnen war,
sodass die Ausgabe vom Parlament beschlossen werden konnte. Als von
1919 an die Ausgabengrenze von Fr. 15'000.-- um immer höhere Beträge
überschritten wurde, wurde die Kompetenzfrage trotz fehlender gesetzlicher
Grundlage nicht aufgeworfen, vielmehr 1921 noch eine landwirtschaftliche
Haushaltungsschule angegliedert. Erst in das Schulgesetz von 1925 wurde der
folgende, inzwischen durch das Einführungsgesetz zum Berufsbildungsgesetz
wieder aufgehobene Art. 49 aufgenommen: "Der Kanton führt auf seine Kosten
eine landwirtschaftliche Schule. Ihre Organisation (landwirtschaftliche
Winterschule, Haushaltungsschule) wird durch ein Dekret des Grossen Rats
geregelt" (vgl. JENNY, Schaffhauser Rechtsbuch, S. 268). Die jährlich
wiederkehrenden Ausgaben wurden nicht dem Referendum unterstellt. In der
Rechtslehre wird die Ansicht vertreten, mit dem Erlass des Schulgesetzes
sei die landwirtschaftliche Schule auf eine einwandfreie Grundlage gestellt
worden (KLINGENBERG, aaO S. 150). Man ging also eindeutig davon aus, es
sei allein Sache des Parlaments, die jährlich wiederkehrenden Ausgaben zu
beschliessen, wenn dem Grossen Rat die Befugnis zur Organisation der Schule
delegiert und im Gesetz bestimmt sei, dass der Kanton die Kosten zu tragen
habe. Ganz ähnlich verhielt es sich mit den allgemeinen Fortbildungsschulen
und der Schulzahnklinik (KLINGENBERG, aaO S. 151). Die Kosten für die
Zahnklinik überstiegen seit langem die Grenze von Fr. 15'000.--. Im
Grossen Rat wurde 1949 darauf hingewiesen, dass die Aufwendung eigentlich
dem Referendum unterstellt werden müsste. Das geschah zwar nicht, doch
wurde 1955 dem Schulgesetz ein Art. 13 bis eingefügt, nach welchem die
Kosten der Schulzahnpflege, soweit sie nicht durch Elternbeiträge gedeckt
werden können, "halbscheidig von Staat und Gemeinde" getragen werden,
wobei der Beitrag des Staates einen Drittel der Kosten nicht übersteigen
darf. In diesem Fall begnügte man sich demnach damit, im Gesetz den vom
Kanton zu leistenden Kostenanteil zu bestimmen; eine Volksabstimmung
über die jährlich wiederkehrenden Ausgaben für die Schulzahnklinik,
die Fr. 15'000.-- überstiegen, fand nicht statt. Ähnlich verhält es
sich mit weitern im Schulgesetz vorgesehenen Ausgaben (Art. 12 Abs.
2: Sonderschulen; Art. 13 Abs. 3: Schulärztlicher Dienst; Art. 13ter
Abs. 3: Erziehungsberatungsstelle; Art. 95: Kleinkinderschulen; Art. 97:
Stipendien). Ausgaben für diese Zwecke wurden nicht dem Referendum
unterstellt. Der Grosse Rat weist in seiner Beschwerdeantwort ferner
darauf hin, dass er in der Vergangenheit verschiedentlich Änderungen der
durch das Dekret von 1938 festgelegten Organisation der Kantonsschule
beschlossen habe, die ohne Zweifel wesentliche finanzielle Konsequenzen
nach sich gezogen hatten (Dekret von 1954: Verlängerung der Dauer der
Lehrerausbildung um ein halbes Jahr; Dekret von 1964: Herabsetzung
der maximalen Schülerzahl je Klasse und der Pflichtstundenzahl der
Lehrer). Die entsprechenden Ausgaben wurden ebenfalls nicht dem Referendum
unterstellt. Das weist eindeutig darauf hin, dass die finanzielle Kompetenz
als in der materiellen eingeschlossen betrachtet wurde. Allfällige Zweifel
werden vollends durch Art. 50 Abs. 2 des Schulgesetzes und dessen Anwendung
in neuerer Zeit beseitigt. Nach dieser Vorschrift können nach Beschluss des
Grossen Rates eine Handelsschule, eine Höhere Töchterschule und weitere
Ausbildungsmöglichkeiten geschaffen werden. Daraus ergibt sich zunächst,
dass das Schaffhauser Volk dem Grossen Rat im Bereich des Schulwesens
weitgehende Kompetenzen einräumte, und es wäre kaum zu verstehen, dass
zum Beispiel ein Dekret über die Errichtung einer Höheren Töchterschule
angesichts der immerhin recht konkret umschriebenen Kompetenz des
Parlaments wegen der Höhe der damit verbundenen jährlich wiederkehrenden
Ausgabe dem Volk zum Entscheid unterbreitet werden müsste. Kann der Grosse
Rat aber selbständig eine Höhere Töchterschule errichten, so kann er
umsomehr auch eine Reform des bereits bestehenden Seminars beschliessen,
ohne dass die entsprechende Ausgabe dem Volk zur Genehmigung unterbreitet
werden müsste. Auf jeden Fall wurde in der Praxis Art. 50 Abs. 2 des
Schulgesetzes früher und auch in neuerer Zeit immer dahin ausgelegt,
dass mit der Delegation der sachlichen Kompetenz dem Grossen Rat auch die
finanzielle Befugnis übertragen worden sei. Das Parlament hat nämlich
gestützt auf Art. 50 Abs. 2 des Schulgesetzes mit Dekret von 1971 ein
Kindergärtnerinnen-Seminar und mit Dekret von 1974 eine Diplommittelschule
Schaffhausen geschaffen. Es steht wohl ausser Zweifel und ist auch aus
der Beschwerdeantwort des Grossen Rates zu schliessen, dass die jährlich
wiederkehrenden Ausgaben für die beiden neuen Schultypen den Betrag von
je Fr. 15'000.-- bei weitem übersteigen. Die beiden Dekrete wurden nicht
dem Referendum unterstellt.

    Nichts deutet darauf hin, dass diese die Ausgaben im Bereich des
Schulwesens betreffende Praxis je angefochten worden wäre. Entspricht
es aber feststehender Übung, dass der Grosse Rat, wenn ihm die
Befugnis übertragen wird, neue Schultypen zu schaffen, auch die
damit zusammenhängenden Ausgaben in eigener Kompetenz beschliessen
kann, so müssen vernünftigerweise auch die Art. 50 Abs. 5 und 96 des
Schulgesetzes in dem Sinne ausgelegt werden, dass das Parlament nicht nur
die Organisation bestehender Schultypen ändern, sondern auch die damit
zusammenhängenden Ausgaben selbständig beschliessen kann, diese also
nicht dem Finanzreferendum zu unterstellen sind. Auf Grund der besondern
Ordnung des Schaffhauser Rechts, die nicht so weit geht, dass sie auf eine
Aushöhlung des Finanzreferendums hinauslaufen würde, erscheint deshalb
die übereinstimmende Ansicht des Grossen Rates und des Obergerichts,
dass die aus dem angefochtenen Beschluss folgende Aufwendung keine neue
Ausgabe und das Dekret somit nicht der Volksabstimmung zu unterstellen ist,
als zutreffend.