Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 100 V 45



100 V 45

12. Auszug aus dem Urteil vom 8. Mai 1974 i.S. Frey gegen Ausgleichskasse
des Kantons Bern und Versicherungsgericht des Kantons Bern Regeste

    Hilfsmittel (Art. 14 Abs. 2 IVV und Art. 6 HV). Dem Insassen eines
Invalidenheims schuldet die Invalidenversicherung keine kostspieligen
Hilfsmittel, falls solche zur notwendigen Ausrüstung des Heims gehören.

Sachverhalt

                      Aus dem Tatbestand:

    A.- Markus Frey (geb. 1957) ist wegen Skoliose bei Muskeldystrophie
Werdnig-Hoffmann an den Fahrstuhl gebunden und weilt im Schulungs- und
Wohnheim R.

    Im Februar 1973 gelangte der Chefarzt des Heims wie folgt an die
Invalidenversicherungs-Kommission:

    "Dieser schwerstbehinderte Patient wird nach Abschluss seiner Schulzeit
im Schulheim ... in unsere Abteilung Ausbildung (Fortbildungsklasse)
übertreten. Da er in seinen sämtlichen täglichen Verrichtungen
weitgehendst auf die Hilfe dritter Personen angewiesen ist, möchten wir
als Hilfsmittel für den Patienten ein Elektrobett Typ Sacon beantragen,
welches dazu beitragen wird, dass der Patient etwas selbständiger werden
kann. Das Hilfsmittel kostet ca. Fr. 2100.--."

    Laut Kommissionsbeschluss lehnte die Ausgleichskasse das Gesuch mit der
Begründung ab, Spezialbetten gehörten zur Ausrüstung eines Schulungsheims
für Schwerbehinderte.

    B.- Der Direktor des Heims rekurrierte und verlangte für den
Versicherten ein Elektrobett mit einem Selbstbehalt von Fr. 600.--. Doch
wies das Versicherungsgericht des Kantons Bern mit Urteil vom 11. Juli
1973 die Beschwerde hauptsäch lich aus folgenden Gründen ab:

    "Ein Elektrobett ... fällt nicht unter Art. 6 HV, welcher über den
Krankenheber handelt... Gemäss der ausdrücklichen übergeordneten Bestimmung
des Art. 21 Abs. 1 IVG genügt jedoch die Erleichterung, die ein solches
Hilfsmittel im Alltag bringt, noch nicht: Das Hilfsmittel muss sich
zugleich noch für die Erwerbstätigkeit, Ausbildung oder Schulung als
unentbehrlich erweisen..."

    Zur Ausbildung benötige der Versicherte kein Elektrobett, da er seinen
Unterricht vom Fahrstuhl aus erhalte. Im übrigen befinde er sich in einem
geschlossenen Heim, zu dessen Ausrüstung Krankenheber und Elektrobetten
gehörten.

    C.- Mit rechtzeitiger Verwaltungsgerichtsbeschwerde fordert der
Direktor des Heims ein Elektrobett Sacon, obwohl Markus Frey seine
Ausbildung nicht im Bett erhalte, oder eventuell ein Elektrobett mit
Fr. 600.-- Selbstbehalt anstelle eines Krankenhebers. Im einzelnen wird
namentlich folgendes vorgebracht:

    "Meines Erachtens gehört es ... zu den Aufgaben des Eidgenössischen
Versicherungsgerichts, abzuklären, ob sich eine Ergänzung oder Änderung
einer Liste aufdrängt... Da der Krankenheber bei schwerer Behinderten
immer von einer zusätzlichen Hilfsperson bedient werden muss, bedeutet
das, dass er praktisch ausschliesslich der Erleichterung der Pflege
dient. Dieser Nachteil des Krankenhebers fällt nun aber beim Elektrobett
weitgehend dahin, weil der Invalide in sehr vielen Fällen die notwendigen
Manipulationen ... selbst vornehmen kann."

    Während die Ausgleichskasse nicht Stellung nimmt, erachtet das
Bundesamt für Sozialversicherung die Beschwerde als unbegründet.

Auszug aus den Erwägungen:

       Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Gemäss Art. 21 Abs. 1 IVG in Verbindung mit Art. 14 Abs.
1 lit. f IVV müsste die Invalidenversicherung dem Beschwerdeführer ein
Elektrobett abgeben, wenn dieser für seine Schulung oder Ausbildung
auf ein solches Spezialbett angewiesen wäre. Dies träfe nach der
Rechtsprechung zu, wenn ein Elektrobett unmittelbar der Schulung oder
Ausbildung des Versicherten zu dienen geeignet wäre (BGE 98 V 50 Erw. 2
und 99 V 156 f.). Allein so verhält es sich nicht. Markus Frey erhält im
Schulungs- und Wohnheim R. seine Schulung bzw. Ausbildung nicht vom Bett,
sondern vom Fahrstuhl aus, wie der kantonale Richter darlegt und in der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde zugegeben wird.

Erwägung 2

    2.- Ein Elektrobett zählt auch nicht zu den Hilfsmitteln, die ein
Invalider gestützt auf Art. 21 Abs. 2 IVG von der Invalidenversicherung
verlangen kann. Dieses Gerät figuriert nicht auf den einschlägigen
Hilfsmittellisten vom 15. Januar 1968 (Art. 14 Abs. 2 lit. a-g IVV) und 4.
August 1972 (Art. 2-7 HV), die nach dem klaren Wortlaut des Art. 21 Abs. 2
IVG als vollständige Verzeichnisse der zu Lasten der Invalidenversicherung
gehenden Hilfsmittelkategorien zu betrachten sind (EVGE 1968 S. 211 lit. c
und 212 lit. e; BGE 98 V 51 Erw. 3).

    Entgegen der Meinung des Beschwerdeführers hat das
Eidg. Versicherungsgericht keinen Anlass, dem Eidg. Departement des
Innern eine entsprechende Ergänzung seiner Hilfsmittelverordnung
nahezulegen. Der vorliegende Sachverhalt zeugt nicht dafür, dass das
Fehlen der Elektrobetten in der Hilfsmittelverordnung vom 4. August
1972 unbefriedigend ist und einer entsprechenden Revision der in jener
Verordnung enthaltenen Hilfsmittelliste ruft. In diesem Zusammenhang ist
auf BGE 99 V 23 Erw. 4 zu verweisen.

Erwägung 3

    3.- Eventualiter verlangt der Beschwerdeführer von der
Invalidenversicherung "einen Krankenheber resp. ein Elektrobett mit einem
Selbstbehalt von Fr. 600.--". Auch diesem Begehren kann nicht entsprochen
werden, wie sich aus folgendem ergibt:

    a) Den an den Fahrstuhl gebundenen Invaliden erleichtert ein
Krankenheber das Umsteigen vom Bett in den Fahrstuhl und umgekehrt. Ein
solches Gerät muss die Invalidenversicherung gemäss Art. 6 HV zum Beispiel
dann als individuelles Hilfsmittel abgeben, wenn ein an den Fahrstuhl
gebundener Invalider ausserhalb seiner Wohnung einer Erwerbstätigkeit
nachgeht (Urteil des Eidg. Versicherungsgerichts vom 12. März 1974
i.S. Schnitzler, Erw. 2).

    b) Anders verhält es sich, wenn der an den Fahrstuhl gebundene Invalide
zur Schulung oder Ausbildung in einem Heim für körperlich behinderte
Personen untergebracht ist. Wie die Vorinstanz zutreffend ausführt, gehören
Krankenheber zur notwendigen Ausrüstung eines solchen Invalidenheims, und
ist es deswegen nicht Aufgabe der Invalidenversicherung, den Insassen einen
Krankenheber als individuelles Hilfsmittel abzugeben. Auch das Schulungs-
und Wohnheim R. verfügt über eine Anzahl Krankenheber, wie sein Direktor
in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde einräumt.

    Solange Markus Frey im erwähnten Invalidenheim weilt, gebührt ihm
also kein persönlicher Krankenheber auf Kosten der Invalidenversicherung
und stellt sich auch nicht die Frage, ob ihm diese unter Belastung der
Mehrkosten ein Elektrobett abgeben dürfte.

Entscheid:

        Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

    Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.