Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 100 V 30



100 V 30

8. Auszug aus dem Urteil vom 22. Januar 1974 i.S. Ausgleichskasse des
Kantons Aargau gegen Rentzsch und Obergericht des Kantons Aargau Regeste

    Gewährleistung zweckgemässer Verwendung der
Ehepaar-Altersrente. Unterschiedliche Voraussetzungen der Massnahmen im
Sinne von Art. 76 Abs. 1 AHVV und der Massnahmen zum Schutz der ehelichen
Gemeinschaft nach Art. 171 ZGB.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- Nach Art. 22 Abs. 2 AHVG (in der ab 1. Januar 1973 gültigen
Fassung) ist die Ehefrau befugt, für sich die halbe Ehepaar-Altersrente
zu beanspruchen. Bei Beginn des Ehepaar-Altersrentenanspruchs hat die
Ehefrau zu erklären, ob sie die halbe Ehepaar-Altersrente beanspruchen
will. Sie kann in einem späteren Zeitpunkt auf ihren Entscheid
zurückkommen. Vorbehalten bleiben abweichende zivilrichterliche
Anordnungen. Hingegen verlangt dieser Gesetzesartikel (im Gegensatz zu
seiner früheren Fassung) nicht mehr, dass die Eheleute getrennt leben
oder der Ehemann für den Unterhalt seiner Ehefrau nicht sorgt.

    Im vorliegenden Fall hat die Ehefrau des Beschwerdegegners die
halbe Ehepaar-Altersrente für sich selber verlangt. Da dem keine
zivilrichterliche Anordnung entgegenstand, hat die Ausgleichskasse die
Auszahlung je einer halben Ehepaar-Altersrente an den Beschwerdegegner
und seine Frau zu Recht verfügt...

Erwägung 2

    2.- Verwendet der Rentenberechtigte die Rente nicht für den Unterhalt
seiner selbst und der Personen, für welche er zu sorgen hat, oder ist er
nachweisbar nicht imstande, die Rente hierfür zu verwenden, und fallen er
oder die Personen, für die er zu sorgen hat, deswegen ganz oder teilweise
der öffentlichen oder privaten Fürsorge zur Last, so kann nach Art. 76
Abs. 1 AHVV die Ausgleichskasse die Rente ganz oder teilweise einer
geeigneten Drittperson oder Behörde auszahlen, die dem Rentenberechtigten
gegenüber gesetzlich oder sittlich unterstützungspflichtig ist oder ihn
dauernd fürsorgerisch betreut. Laut dieser in Anwendung von Art. 45 AHVG
erlassenen Bestimmung haben die Sozialversicherungsleistungen - zu denen
unter anderem auch die halben Ehepaar-Altersrenten gehören - dem Zweck
zu dienen, für den sie vorgesehen sind, d.h. vor allem dem Unterhalt der
Rentenberechtigten. Art. 76 Abs. 1 AHVV übernimmt aber keineswegs die
Rolle, welche die - in Art. 22 Abs. 2 AHVG ausdrücklich vorbehaltenen
- richterlichen Massnahmen zum Schutz der ehelichen Gemeinschaft nach
Art. 171 ZGB zu spielen haben (EVGE 1951 S. 138 ff.). Anwendbar ist
diese Bestimmung nur dann, wenn die Auszahlung der halben Rente an die
Ehefrau zur Folge hat, dass entweder der eine oder der andere Ehegatte
der öffentlichen oder privaten Fürsorge zur Last fällt. Eine solche
Folge ist zivilrechtlich keine Voraussetzung der Massnahmen zum Schutz
der ehelichen Gemeinschaft.

    Im vorliegenden Fall behauptet zwar der Beschwerdegegner, er habe
manche Schwierigkeiten erlebt und z.B. wegen Krankheit sein Geschäft vor
ca. 5 Jahren verkaufen müssen. Er macht aber nicht geltend und es ist
angesichts der Verhältnisse auch nicht anzunehmen, dass die obgenannte
Voraussetzung des Art. 76 Abs. 1 AHVV bei Rentzsch oder bei dessen
Ehefrau erfüllt ist.