Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 100 IV 108



100 IV 108

28. Urteil des Kassationshofes vom 5. April 1974 i.S. Hafner und Vögtlin
gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt. Regeste

    I. Art. 251 StGB.

    1.  Bei Anwendung dieser Bestimmung kommt es nicht darauf an, ob der
Täter zur Beurkundung einer rechtlich erheblichen Tatsache befugt sei;
entscheidend ist, ob die beurkundete Tatsache inhaltlich wahr ist (Erw. 1).

    2.  Die vom bisherigen Markeninhaber zuhanden des Amtes für geistiges
Eigentum gemäss Art. 16 MSchG in Verbindung mit Art. 19 MSchV beglaubigte
Erklärung, die Marke sei auf einen neuen Inhaber übergegangen, hat
Urkundencharakter im Sinne von Art. 110 Ziff. 5 StGB (Erw. 2).

    II. Art. 159 StGB.

    Ein einzelzeichnungsberechtigter Verwaltungsrat, der für das Vermögen
der Aktiengesellschaft durch Abschluss von Rechtsgeschäften zu sorgen hat,
muss sich die von ihm vorgenommene unbefugte Übertragung einer im Register
eingetragenen und zum Vermögen der Aktiengesellschaft gehörenden Marke auf
einen Dritten als Schädigung fremden Vermögens zurechnen lassen (Erw. 4).

Sachverhalt

    A. - Hafner, Vögtlin und Misteli gründeten am 28. Juni 1966 in
Zürich die Hafner AG mit Sitz in Basel. Die drei Gesellschafter, die
den Verwaltungsrat der Gesellschaft bildeten, übernahmen je 20 Aktien
zu Fr. 1000.--. Jeder Gesellschafter war einzelzeichnungsberechtigt. Die
Beschlüsse des Verwaltungsrates bedurften, um rechtsgültig zu sein, gemäss
Art. 6 Abs. 4 der Statuten der Einstimmigkeit. Der Gesellschaftszweck
bestand im Bau und Vertrieb von wärme- und lufttechnischen
Anlagen, insbesondere des Trocknungsapparates mit der Bezeichnung
"Hafner-Trockner". Diese Marke wurde namens der Hafner AG am 15. Dezember
1966 hinterlegt, unter Nr. 222620 im Markenregister eingetragen und am
9. März 1967 im Schweizerischen Handelsamtsblatt veröffentlicht. Unter
den Gesellschaftern kam es in der Folge zu Auseinandersetzungen, die
schliesslich zu einer Vereinbarung der Beteiligten vom 19. Juni 1967 über
das Ausscheiden von Hafner und Vögtlin aus der Aktiengesellschaft auf
Ende August 1967 und die Weiterführung der Hafner AG durch Misteli führten.

    Im Hinblick auf die bevorstehende gesellschaftliche Auseinandersetzung
entschlossen sich Hafner und Vögtlin im Frühsommer 1967, die genannte
Handelsmarke noch vor der Trennung der Gesellschafter hinter dem Rücken
des Misteli auf Hafner zu übertragen. Am 16. Juni 1967 unterzeichnete
Vögtlin namens der Hafner AG eine Übertragungserklärung, in der er
beurkundete, die Hafner AG erkläre hiermit, die Marke Nr. 222620
an Hafner in Basel abgetreten zu haben. Notar Hoog beglaubigte auf
dieser Erklärung, dass Vögtlin namens der Aktiengesellschaft und als
Vizepräsident gehandelt habe. Am gleichen Tag unterzeichnete Hafner ein
entsprechendes Markenübertragungsgesuch zu Handen des Amtes für geistiges
Eigentum. Dieses beanstandete jedoch am 13. Juli 1967, dass Vögtlin auf
der Übertragungserklärung nicht - durch Streichung vorgedruckter Worte
-angegeben hatte, ob die Marke "Hafner-Trockner" mit dem Geschäft der
Hafner AG oder nur mit einem Geschäftszweig derselben übertragen worden
sei. Es ersuchte deshalb Hoog um entsprechende Präzisierung bis zum
16. Oktober 1967. Hafner nahm daraufhin die gewünschte Einschränkung vor,
indem er auf der Übertragungserklärung den Passus "mit dem Geschäft"
strich. Mitte Oktober 1967 erhielt Misteli von den Machenschaften der
beiden Gesellschafter Kenntnis. Er benachrichtigte das Amt für geistiges
Eigentum und konnte die Übertragung der Marke im Register verhindern. Im
November 1967 änderte Misteli die Marke in "Hafag-Trockner" ab.

    B.- Am 19. Januar 1973 verfällte das Strafgericht Basel-Stadt Hafner
wegen versuchter ungetreuer Geschäftsführung sowie unlauteren Wettbewerbs,
und Vögtlin wegen versuchter ungetreuer Geschäftsführung in eine Busse
von je Fr. 2000.--. Dagegen sprach es die beiden Gebüssten von der Anklage
der Urkundenfälschung frei.

    Auf Appellation der Verurteilten und der Staatsanwaltschaft des
Kantons Basel-Stadt hin sprach das Appellationsgericht dieses Kantons am
19. Dezember 1973 Hafner der Urkundenfälschung, der versuchten ungetreuen
Geschäftsführung sowie des unlauteren Wettbewerbs, und Vögtlin der
Urkundenfälschung sowie der versuchten ungetreuen Geschäftsführung
schuldig. Es verurteilte Hafner zu drei und Vögtlin zu zwei Monaten
Gefängnis und gewährte in beiden Fällen den bedingten Strafvollzug unter
Ansetzung einer Probezeit von zwei Jahren.

    C.- Die Verurteilten führen Nichtigkeitsbeschwerde.  Hafner beantragt
Freisprechung von der Anschuldigung der Urkundenfälschung. Vögtlin
beantragt Freisprechung in allen Punkten.

    D.- Die Staatsanwaltschaft beantragt Abweisung beider Beschwerden.

Auszug aus den Erwägungen:

              Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

    1. -- Die Beschwerdeführer machen geltend, sie hätten mit der
Übertragungserklärung keine Lugurkunde hergestellt; Vögtlin habe die
Marke namens der Hafner AG auf Hafner übertragen wollen und in dem für
das Amt bestimmten Formular eine seinem wirklichen Willen entsprechende
Erklärung abgegeben. Als Einzelzeichnungsberechtigter sei er befugt
gewesen, die Marke zu übertragen und die entsprechende Erklärung dem
Markenregister abzugeben. Ob er seine Vertretungsbefugnis überschritten
habe oder nicht und ob er auch im internen Gesellschaftsverhältnis zur
Abgabe der fraglichen Erklärung befugt gewesen sei, könne offen bleiben,
da die Erklärung durch die Vertretungsmacht gedeckt sei.

    Dem ist entgegenzuhalten, dass Vögtlin auf dem Übertragungsformular
erklärte, die Aktiengesellschaft als Markeninhaberin übertrage die
Marke auf Hafner. Vögtlin wusste jedoch, dass die Aktiengesellschaft die
Marke nicht übertragen wollte, zumal für ein solches Geschäft nach den
Statuten ein einstimmiger Beschluss aller drei Verwaltungsräte erforderlich
gewesen wäre. Die von Vögtlin abgegebene Erklärung war demnach inhaltlich
unwahr. Daran ändert nichts, dass er einzelunterschriftsberechtigt
war. Seine Befugnis zur Vertretung der Aktiengesellschaft nach aussen
bedeutete nicht, dass alle von ihm namens der Gesellschaft vorgenommenen
Handlungen dem Willen derselben entsprachen und seine Erklärungen von
vornherein inhaltlich richtig waren. Bei der Anwendung von Art. 251
StGB kommt es nicht darauf an, ob der Täter zur Beurkundung einer
rechtlich erheblichen Tatsache befugt sei; entscheidend ist, ob die
beurkundete Tatsache sich ereignet hat. Die Vorinstanz hat deshalb die
Übertragungserklärung mit Recht als inhaltlich falsch bezeichnet.

Erwägung 2

    2.- Unter Hinweis auf Art. 16 MSchG und Art. 19 MSchV wendet
Vögtlin ein, der Übertragungserklärung fehle die Urkundenqualität, da die
Voraussetzung der Nennung und Spezifizierung des Geschäftsübertragungsaktes
nicht erfüllt gewesen sei. Das Schriftstück habe sich wegen diesem Mangel
nicht geeignet, eine Tatsache von rechtlicher Bedeutung zu beweisen.

    Nach Art. 16 MSchG wird die Übertragung einer Marke auf
Einreichung einer genügenden Beweisurkunde hin im Register eingetragen
und veröffentlicht. Art. 19 MSchV bestimmt, dass die Übertragung
einer Marke auf schriftliches Gesuch des Erwerbers bei der bisherigen
Eintragung der Marke vorgemerkt wird, wobei dem Amt ausser dem Gesuch
eine beglaubigte Erklärung des bisherigen Markeninhabers, wonach diese
mit dem Geschäft oder Geschäftszweig, dessen Erzeugnissen oder Waren
sie zur Unterscheidung dient, an den neuen Inhaber übergegangen ist,
oder eine andere diesen Nachweis erbringende Urkunde eingereicht werden
muss. Die Beschwerdeführer haben sich für die Zustellung einer notariell
beglaubigten Erklärung entschieden.

    Eine Falschbeurkundung im Sinne von Art. 251 Ziff. 1 Abs. 2 StGB liegt
nur dann vor, wenn die Schrift entsprechend der Begriffsumschreibung
des Art. 110 Ziff. 5 StGB dazu bestimmt oder geeignet ist, gerade die
erlogene Tatsache zu beweisen (BGE 96 IV 51 ErW. I 2, 88 IV 34). Die
von den Beschwerdeführern verfasste und beglaubigte Erklärung war vom
Standpunkt des Amtes für geistiges Eigentum aus bestimmt und geeignet,
die Übertragung zu beweisen und die Eintragung mit deren Folgen zu
rechtfertigen. Da keine zusätzlichen Unterlagen zum Nachweis der
Übertragung nötig waren, stellte die Erklärung eine Urkunde im Sinne
von Art. 110 Ziff. 5 StGB dar. Der in Art. 16 MSchG verwendete Ausdruck
"Beweisurkunde" steht mit dieser Betrachtungsweise denn auch im Einklang.

    Der Umstand, dass die am 16. Juni 1967 von Vögtlin unterzeichnete
Erklärung mangels Streichung einer wesentlichen Textstelle unvollständig
war, ändert an der Bestimmung und Eignung des Schriftstücks zum Beweise
nichts. Der Urkundenbegriff setzt nicht voraus, dass der fraglichen
Schrift erhöhte Beweiskraft zukommt. Es genügt, wenn sie sich im
Zusammenwirken mit anderen Mitteln eignet, eine Tatsache zu beweisen
(BGE 97 IV 213/214).

    Das von Vögtlin am 16. Juni 1967 ausgefüllte Formular genügte dem
Amt als Beweis für die Übertragung der Marke. Gewiss erforderte die
fehlende Streichung der vorgedruckten nichtzutreffenden Textstelle noch
den Nachweis - anhand eines weiteren Schriftstücks oder der entsprechenden
Streichung auf der Erklärung selbst - des Überganges mit dem Geschäft
oder eines Zweiges desselben. Das ändert aber nichts daran, dass die
Erklärung bestimmt war und sich eignete, zum Beweis der Übertragung der
Marke zu dienen. Dies bestätigen auch die tatsächlichen Verhältnisse; es
genügte nämlich, die Erklärung an den Beauftragten der Beschwerdeführer
zurückzusenden und an Hafner weiterzuleiten, damit die erforderliche
Streichung vorgenommen wurde und das Schriftstück hierauf beim Amt seine
Beweiskraft in allen wesentlichen Punkten entfaltete.

Erwägung 3

    3.- Ob das Appellationsgericht die von Hafner vorgenommene Streichung
des Textes "mit dem Geschäft" auf der Übertragungserklärung nicht hätte
berücksichtigen dürfen, da dieser Punkt in der Anklageschrift nicht
aufgeführt war, ist eine Frage des kantonalen Verfahrensrechtes. Eine
solche kann dem Bundesgericht mit der Nichtigkeitsbeschwerde nicht
unterbreitet werden, da diese nur wegen Verletzung eidgenössischen Rechts
zulässig ist (Art. 269 Abs. 1, 273 Abs. 1 lit. b BStP).

Erwägung 4

    4.- Vögtlin macht geltend, er sei zu Unrecht wegen versuchter
ungetreuer Geschäftsführung verurteilt worden. Der Registereintrag
habe bloss formelle Bedeutung und vermöge nichts über das Eigentum
an einer Marke zu beweisen. Durch sein Vorgehen sei die Gesellschaft
nicht geschädigt worden. Das ergebe sich daraus, dass Misteli bereits
im November 1967 die neue Marke "Hafag-Trockner" verwendet habe, weshalb
dieser selbst die Bezeichnung "Hafner-Trockner" nicht als Vermögenswert
der Aktiengesellschaft betrachtete.

    Nach Art. 159 StGB macht sich der ungetreuen Geschäftsführung
schuldig, wer jemanden am Vermögen schädigt, für das er infolge
einer gesetzlichen oder einer vertraglich übernommenen Pflicht
sorgen soll. Diese Umschreibung trifft auf die Verwaltung der
Aktiengesellschaft zu, da sie Gesellschaftsorgan ist, dem die auf
Erreichung des Gesellschaftszwecks gerichtete tatsächliche Führung
der internen Geschäfte und die Vertretung der Gesellschaft nach aussen
obliegt (BGE 97 IV 13). In diesem Rahmen hat die Verwaltung auch für die
Erhaltung des Gesellschaftsvermögens zu sorgen. Das ergibt sich aus ihrer
im Gesetz verankerten allgemeinen Treuepflicht (Art. 722 OR), die eine
strenge Wahrung der Gesellschaftsinteressen verlangt. Vögtlin hatte - wie
Hafner - als einzelzeichnungsberechtigter Verwaltungsrat für das Vermögen
der Hafner AG durch Abschluss von Rechtsgeschäften zu sorgen. Es kam ihm
die zur Anwendung des Art. 159 StGB gehörende Stellung zum Vermögen der
Gesellschaft zu (BGE 95 IV 65, 81 IV 279, 80 IV 246/247). Soweit seine
Handlungen zur Schwächung des Gesellschaftsvermögens führten, fallen sie
somit unter Art. 159 StGB (BGE 97 IV 13/14).

    Entgegen der von Vögtlin vertretenen Auffassung ist die Eintragung der
Marke, bzw. deren Übertragung nach Art. 159 StGB rechtlich erheblich. Wer
als Inhaber der Marke im Register steht, geniesst nach Art. 9 ZGB und
Art. 5 MSchG die gesetzliche Vermutung, die Marke rechtmässig erworben
zu haben; wer das Gegenteil behaupten will, muss beweisen, dass die Marke
nichtig ist oder der eingetragene Inhaber seine Rechte an der Marke nicht
erworben oder wieder verloren hat (BGE 89 II 102). Die Eintragung bewirkt
zudem, dass der Berechtigte den gerichtlichen Schutz der Marke beanspruchen
kann (Art. 4 MSchG). Diese rechtlichen Wirkungen erhöhen den Vermögenswert
der Marke. Wer dem Eingetragenen den durch die Eintragung entstandenen
Vorteil unbefugterweise entzieht, schädigt ihn deshalb am Vermögen. Vögtlin
war sich des Wertes der Marke denn auch bewusst, sonst wäre ihm nicht
daran gelegen gewesen, sie im Register auf Hafner übertragen zu lassen,
als die Aktiengesellschaft von Misteli übernommen werden sollte. Indem
er die zum Vermögen der Hafner AG gehörende Marke "Hafner-Trockner" auf
Hafner zu übertragen versuchte, verletzte er seine Pflicht als an der
Geschäftsführung der Aktiengesellschaft Beteiligter. Der Umstand, dass die
Marke im November 1967 in "Hafag-Trockner" abgeändert und entsprechend im
Register eingetragen wurde, ändert nichts daran, dass die ursprüngliche
Marke im Juni desselben Jahres zum Gesellschaftsvermögen gehörte.

Entscheid:

Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Nichtigkeitsbeschwerden des Hafner und des Vögtlin werden
abgewiesen.