Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 100 II 8



100 II 8

4. Urteil der II. Zivilabteilung vom 14. Februar 1974 i.S. Aargauische
Hypotheken- und Handelsbank gegen Schellenberg Regeste

    Schatzfund (Art. 723 ZGB); gutgläubiger Eigentumserwerb (Art. 714
Abs. 2 und 933 ZGB).

    - Begriff des Schatzes (Erw. 2a), der Fahrnisbaute (Erw. 2b), der
anvertrauten Sache im Sinne von Art. 933 ZGB (Erw. 3).

    - Anforderungen an die Aufmerksamkeit einer Bank beim Kauf von alten
Goldmünzen (Erw. 4).

Sachverhalt

    A.- Mit Kaufvertrag vom 5. April 1963 verkaufte Franz Weibel-Gauch das
Grundstück Nr. 313, Katasterplan 5/763, im Grundbuch der Gemeinde Bettwil
an die Käsereigesellschaft Bettwil. Die im öffentlich beurkundeten Vertrag
enthaltene Liegenschaftsbeschreibung lautet wie folgt:

    "11,09 Aren Wiese, Baumgarten Speicher Nr. 56, brandvers.
zu Fr. 2000.-- (Denkmalschutz v. 10.8.1950)."

    Demgegenüber wird in einem vom Grundbuchamt Muri am 12. Oktober
1971 ausgestellten Grundbuchauszug das Grundstück nur noch mit "Wiese,
Baumgarten" beschrieben und beigefügt:

    "Anmerkungen: Speicher Nr. 56 unter Denkmalschutz; Dorfbrunnen mit
Wegkreuz unter Denkmalschutz."

    Nachdem der Kauf im Grundbuch eingetragen worden war, einigten sich
die Vertragsparteien darüber, dass der Speicher nicht mit dem Grundstück
mitverkauft worden sei, sondern dass die Erben des inzwischen verstorbenen
Verkäufers berechtigt seien, ihn zu versetzen oder zu verkaufen. Die
Erben Weibel verkauften hierauf den Speicher an Luise Schellenberg. Diese
beauftragte im Sommer 1966 den Zimmermann Max Vogelsang, den Speicher
abzubrechen und auf einem ihr gehörenden Grundstück wieder aufzubauen.

    Bei den Abbrucharbeiten fand Vogelsang im Zapfloch eines Balkens eine
grosse Zahl von Goldmünzen aus dem 18. Jahrhundert. Er eignete sich diese
Münzen an und beauftragte in der Folge seinen Schwager Alfred Baumann,
einen Teil davon zu verkaufen. Dabei erklärte er, die Münzen seien ihm
von einem Verwandten vermacht worden. Baumann begab sich vorerst mit
einigen Münzen zur Aargauischen Hypotheken- und Handelsbank (AHH) in
Wohlen und fragte den ihm bekannten Schalterbeamten Notter, wieviel sie
wert seien. Notter behielt die Goldstücke zurück und forderte Baumann auf,
in einigen Tagen wieder zu kommen. Nachdem sich die AHH bei der Bank Leu in
Zürich nach dem Wert der Münzen erkundigt hatte, kaufte ihr Kassier Saxer
von Baumann am 2. und 5. August 1966 106 1-Louis-d'or zu Fr. 260.-- und
10 2-Louis-d'or zu Fr. 360.--. Der gesamte Kaufpreis belief sich somit
auf Fr. 31 160.--. Baumann händigte diesen Betrag an Vogelsang aus. Ein
paar Tage später beklagte sich Saxer telefonisch bei Baumann, einige der
verkauften Goldmünzen seien beschädigt. Baumann leitete die Beanstandung
an Vogelsang weiter und erhielt von diesem ungefähr 14 andere Münzen,
die er bei Saxer gegen die beschädigten umtauschte. Weitere Münzen liess
Vogelsang durch seinen Bruder und einen andern Schwager an die Bank Leu
in Zürich verkaufen. Im Sommer 1967 erhielten Luise Schellenberg und die
Erben Weibel Kenntnis vom Fund. Vogelsang verpflichtete sich gegenüber den
Erben Weibel am 11. August 1967 schriftlich, die noch in seinem Besitze
befindlichen Goldmünzen herauszugeben und den für die verkauften Stücke
gelösten Kaufpreis zu erstatten. In der Folge entstanden zwischen Luise
Schellenberg und den Erben Weibel Differenzen über das Eigentum an den
Münzen, die zu einem Prozess vor dem Bezirksgericht Muri führten. Am
7. Mai 1971 traten die Erben Weibel ihre allfälligen Ansprüche gegen die
AHH ohne Präjudiz für ihre Auseinandersetzung mit Luise Schellenberg an
diese ab. Die Käsereigesellschaft Bettwil verzichtete darauf, irgendwelche
Ansprüche zu stellen.

    B. - Mit der vorliegenden, am 30. Juli 1971 beim Handelsgericht des
Kantons Aargau eingereichten Klage belangte Luise Schellenberg die AHH
auf Herausgabe der von dieser gekauften Münzen bzw. auf Bezahlung des
bei deren Weiterverkauf erzielten Erlöses. Das Handelsgericht hiess die
Klage mit Urteil vom 14. Juli 1973 gut und verurteilte die Beklagte,
der Klägerin 351-Louis-d'or und 52-Louis-d'or zurückzugeben und ihr den
Betrag von Fr. 20 860.-- zu bezahlen.

    C.- Gegen dieses Urteil erklärte die Beklagte die Berufung ans
Bundesgericht. Mit dieser beantragt sie, der angefochtene Entscheid
sei aufzuheben und die Klage abzuweisen; eventuell sei die Sache an die
Vorinstanz zurückzuweisen.

    Die Klägerin beantragt die Abweisung der Berufung.

    D.- Die Beklagte hat das Urteil des Handelsgerichts überdies mit
staatsrechtlicher Beschwerde wegen Verletzung von Art. 4 BV angefochten.

Auszug aus den Erwägungen:

              Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Nach Art. 57 Abs. 5 OG wird die Entscheidung über die Berufung
in der Regel bis zur Erledigung einer staatsrechtlichen Beschwerde
ausgesetzt. Von dieser Regel kann jedoch abgewichen werden, falls
wahrscheinlich ist, dass die Berufung selbst dann gutgeheissen werden
muss, wenn auf die mit der staatsrechtlichen Beschwerde angefochtenen
tatsächlichen Feststellungen der kantonalen Behörde abgestellt wird
(BGE 89 III 49, 88 II 249, 85 II 585 f.).

Erwägung 2

    2.- Mit ihren Rügen, die Vorinstanz habe den Speicher zu Unrecht
als Fahrnisbaute betrachtet und sie habe einen Schatzfund statt einen
gewöhnlichen Fund angenommen, will die Beklagte dartun, der Klägerin
fehle die Aktivlegitimation zur vorliegenden Klage.

    a) Entgegen der Ansicht der Vorinstanz und der Klägerin ist es für den
vorliegenden Prozess nicht bedeutungslos, ob es sich bei den gefundenen
Goldmünzen um einen Schatz oder um einen gewöhnlichen Fund handle.
Bei Annahme eines Fundes müsste die Klage nämlich ohne weiteres abgewiesen
werden. Dass in diesem Falle nur die Erben Weibel als Eigentümer der
Münzen in Frage kämen, wie die Vorinstanz anzunehmen scheint, trifft nicht
zu. Wohl spricht eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür, dass einer ihrer
Vorfahren die Goldstücke versteckt hat, stand doch der Speicher offenbar
seit mehreren Generationen im Eigentum der Familie Weibel. Da aber nicht
feststeht, welcher Vorfahre es war, lässt sich daraus nicht ableiten,
die Erben Weibel seien dessen einzige Rechtsnachfolger. Der Umstand, dass
jene ihre Ansprüche gegen die Beklagte an die Klägerin abgetreten haben,
vermöchte dieser die Klagelegitimation daher entgegen der Ansicht der
Vorinstanz nicht zu verschaffen.

    Die Beklagte macht unter Berufung auf HAAB/SIMONIUS/SCHERRER, N. 8
zu Art. 723/724 ZGB, geltend, bei Münzen die als Handelsobjekte angesehen
würden, spreche die Vermutung dafür, sie seien erst vor verhältnismässig
kurzer Zeit verborgen worden; die Voraussetzungen für das Vorliegen
eines Schatzes seien daher nicht erfüllt. Unter den gefundenen Münzen
befanden sich indessen nicht nur gängige Louis-d'or, sondern auch seltene
und teure Stücke, wie z.B. bernische Doppeldublonen im Wert von über
Fr. 2000.--. Dazu kommt, dass kein einziges der vielen Goldstücke später
als 1800 geprägt worden ist. Dieser Umstand wie auch die Art des Verstecks
lässt auf ein langes Verborgensein schliessen. Anhaltspunkte dafür, wer
die Münzen versteckt haben könnte, bestehen nicht, und es ist auch nicht
zu ersehen, wie deren heutiger Eigentümer ermittelt werden könnte. Mit
der Vorinstanz ist daher anzunehmen, es liege ein Schatz im Sinne von
Art. 723 ZGB vor.

    b) Unzutreffend ist dagegen die Auffassung der Vorinstanz, der
Speicher sei als blosse Fahrnisbaute zu betrachten. Zu Recht rügt die
Beklagte die auf einem offensichtlichen Versehen beruhende Feststellung,
der Speicher sei im Grundbuch als Zugehör angemerkt gewesen. Die im
Grundbuchauszug vom 12. Oktober 1971 enthaltene Anmerkung bezieht sich
nämlich ohne jeden Zweifel nicht auf den Speicher als solchen, sondern
auf den Denkmalschutz. Aus der Liegenschaftsbeschreibung im Kaufvertrag
vom 5. April 1963 sowie aus einer bei den Akten liegenden Bestätigung des
Grundbuchamtes Muri vom 14. Oktober 1971 ergibt sich eindeutig, dass die
Baute grundbuchlich als Bestandteil des Grundstücks betrachtet wurde. Zwar
ist richtig, dass sie nicht fest mit dem Erdboden verbunden war, sondern
auf vier Steinplatten ruhte. Indessen deutet nichts darauf hin, dass der
seit mehreren Jahrhunderten am gleichen Ort stehende Speicher seinerzeit
ohne die Absicht dauernder Verbindung mit dem Grundstück errichtet
worden wäre. Das aber wäre eine wesentliche Voraussetzung dafür, ihn
als Fahrnisbaute zu betrachten. Das Bundesgericht betont zwar bei der
Beurteilung der Frage, ob eine Fahrnisbaute vorliege, in seiner neueren
Rechtsprechung neben dem subjektiven Moment vermehrt das objektive der
äussern Verbindung (BGE 92 II 230 ff.; MEIER-HAYOZ, N. 7 zu Art. 677
ZGB; kritisch dazu LIVER, ZBJV 1968 S. 25 ff., 1974 S. 29 f.). Aber
auch nach dieser Rechtsprechung ist vorab auf die Absicht der Beteiligten
abzustellen, wenn eine Baute nur lose mit dem Boden verbunden ist, wie dies
bei den in Art. 677 Abs. 1 ZGB aufgeführten Beispielen (Hütten, Buden,
Baracken) der Fall ist. Nun haben zwar die Parteien des Kaufvertrags
vom 5. April 1963 den Willen bekundet, den Speicher dadurch zu einer
beweglichen Sache zu machen, dass den Erben Weibel das Recht vorbehalten
wurde, ihn zu entfernen oder zu verkaufen. Eine Baute, die Bestandteil
eines Grundstücks ist, kann indessen nicht durch blosse Zweckänderung in
eine Fahrnisbaute umgewandelt werden (MEIER-HAYOZ, N. 28 zu Art. 677 ZGB;
HAAB, N. 17 zu Art. 667 ZGB; LEEMANN, N. 6 zu Art. 677 ZGB).

    c) Wird ein Bestandteil eines Grundstücks ohne dieses verkauft,
was nach Art. 187 Abs. 2 OR zulässig ist (vgl. GIGER, N. 18 ff. zu
Art. 187 OR; MEIER-HAYOZ, N. 41 zu Art. 642 ZGB), so wird er erst mit der
Abtrennung zur selbständigen Sache, die einen eigenen Eigentümer haben kann
(HAAB, N. 17 zu Art. 667 ZGB; MEIER-HAYOZ, N. 47 f. zu Art. 642 ZGB).
Demzufolge fällt der in einem auf Abbruch verkauften Gebäude entdeckte
Schatz an den Grundeigentümer, nicht den Käufer, wenn die Entdeckung
vor der Abtrennung des den Wertgegenstand bergenden Gebäudebestandteils
erfolgt ist (LEEMANN, N. 17 zu Art. 723 ZGB). Die Klägerin konnte daher
nur dann Eigentümerin der Münzen werden, sofern diese in einem bereits
abgetrennten Balken des Speichers gefunden wurden. Andernfalls kam das
Eigentum der Käsereigesellschaft Bettwil zu, die im Zeitpunkt des Fundes
als Eigentümerin des Grundstücks und damit auch des Speichers im Grundbuch
eingetragen war. (Aus dem Umstand, dass die Käsereigesellschaft den Schatz
nicht für sich beansprucht, kann die Klägerin nichts für sich ableiten;
es folgt daraus nicht, dass er ihr gehört). Nun enthält das angefochtene
Urteil aber keine näheren Feststellungen darüber, wie die Abbrucharbeiten
vor sich gingen und wie der Schatz gefunden wurde. Es steht daher nicht
fest, ob die Klägerin oder die Käsereigesellschaft als dessen Eigentümer
zu betrachten ist. Wie es sich damit verhält, kann indessen offen bleiben,
wenn es sich ergibt, dass die Beklagte jedenfalls nachträglich das Eigentum
an den ihr verkauften Münzen erworben hat. Dies ist dann der Fall, wenn
die Münzen Vogelsang anvertraut waren und wenn die Beklagte bei deren
Erwerb gutgläubig war (Art. 714 Abs. 2 und 933 ZGB).

Erwägung 3

    3.- Im Sinne von Art. 933 ZGB ist eine Sache dann anvertraut, wenn
sie mit Willen des wahren Berechtigten in den Besitz des Verfügenden
gelangt ist, z.B. auf Grund eines Miet-, Pacht-, Werk-, Pfand- oder
eines ähnlichen Vertrages (STARK, N. 24 und HOMBERGER, N. 12 ff. zu
Art. 933 ZGB; HAAB/SIMONIUS, N. 56 zu Art. 714 ZGB; OFTINGER, N. 335
ff. zu Art. 884 ZGB). Die Klägerin hat Vogelsang im stillschweigenden
Einverständnis mit der Eigentümerin und den Erben Weibel damit beauftragt,
den Speicher abzubrechen, ihn an einen andern Ort zu transportieren und
dort wieder aufzustellen. Der Speicher war daher Vogelsang zweifellos
anvertraut. Fraglich ist indessen, wie es sich mit den Goldmünzen
verhält. Da die Klägerin von den Münzen nichts wusste, kann sie diese auch
nicht willentlich an Vogelsang übergeben habe. WIELAND betrachtet deshalb
den Schatz als verlorene Sache (N. 4 zu Art. 934 ZGB). Dies mag zutreffen,
wenn er von einem beliebigen Dritten gefunden wird. Ist jedoch die den
Schatz bergende Sache jemandem anvertraut, so muss auch der Schatz selbst
als anvertraut gelten. Mit der Überlassung des Speichers an Vogelsang
hat die Klägerin die Gefahr auf sich genommen, dass allfällige darin
verborgene Gegenstände unrechtmässig weiter veräussert würden. Sie hat
den falschen Rechtsschein veranlasst (zum Veranlassungsprinzip vgl. STARK,
N. 29 ff. der Vorbem. zu den Art. 930-937 ZGB und N. 22 zu Art. 933 ZGB;
HAAB/SIMONIUS, N. 62 zu Art. 714 ZGB; MEIER-HAYOZ, N. 31 des System. Teils
zu Art. 641 ff. ZGB), und es erscheint daher als gerechtfertigt, dass
sie die Folgen der unrechtmässigen Handlungen Vogelsangs zu tragen hat,
sofern die Beklagte gutgläubig war. Im übrigen sind nach der Lehre
auch aus Irrtum übertragene Sachen als anvertraut zu betrachten (STARK,
N. 29 ff., HOMBERGER, N. 15, und OSTERTAG, N. 7 zu Art. 933 ZGB; HUBER,
Erläuterungen, II, S. 392; vgl. auch die deutsche Rechtsprechung, BGHZ
4 S. 33 ff.). Die Klägerin könnte sich daher nicht darauf berufen, sie
hätte Abbruch und Transport des Speichers nicht Vogelsang übertragen,
wenn sie gewusst hätte, dass darin ein Schatz verborgen war.

Erwägung 4

    4.- Nach den Feststellungen der Vorinstanz wusste die Beklagte
bzw. ihr Kassier Saxer nichts von den strafbaren Handlungen, die der
Veräusserung der Münzen zugrunde lagen. Bösgläubigkeit im engern Sinne
des Wortes, nämlich das Bewusstsein, unrecht zu handeln (vgl. JÄGGI,
N. 43-48 zu Art. 3 ZGB; EGGER, N. 6 zu Art. 3 ZGB; STARK, N. 48 zu
Art. 933 ZGB), fällt ihr daher nicht zur Last. Es fragt sich einzig,
ob ihr der Gutglaubensschutz deswegen zu versagen sei, weil sie die nach
den Umständen gebotene Sorgfalt nicht angewendet habe (Art. 3 Abs. 2 ZGB).

    a) Eine Bank, die ein übliches, mit kemen besonderen Risiken behaftetes
Geschäft tätigt, ist nach gefestigter Lehre und Rechtsprechung nicht
gehalten, Nachforschungen über die Vertrauenswürdigkeit des Kunden oder
die Herkunft der ihr angebotenen Wertobjekte anzustellen (BGE 83 II 139,
72 II 252, 70 II 106, 38 II 190, 35 II 587, 25 II 846; JÄGGI, N. 128 zu
Art. 3 ZGB; STARK, N. 50 zu Art. 933 ZGB; OFTINGER, N. 356 zu Art. 884
ZGB). Solches von ihr zu verlangen, hiesse, die Anforderungen an den
normalen Geschäftsverkehr zu überspannen. Das berechtigte Interesse
der Bank geht dahin, ihre Kunden so gut und so rasch wie möglich zu
bedienen. Es ist ihr nicht zuzumuten, einen Geschäftspartner durch
Bekundung von Misstrauen vor den Kopf zu stossen und damit Gefahr zu
laufen, nicht nur das vorgeschlagene Geschäft, sondern den Kunden
überhaupt zu verlieren. Die Bank darf daher auch einen unbekannten
Vertragspartner als ehrbaren Menschen betrachten und sich auf die durch
den Besitz geschaffene Rechtsvermutung (Art. 930 ZGB) verlassen, solange
nicht besondere Umstände Zweifel oder Misstrauen begründen. Zu Argwohn
besteht etwa dann Anlass, wenn der Bank aus früheren Vorkommnissen bekannt
ist, dass im geschäftlichen Umgang mit dem betreffenden Partner grösste
Vorsicht geboten ist, oder wenn das Geschäft selbst oder dessen nähere
Umstände Verdacht erwecken. Das Bundesgericht hat den Gutglaubensschutz
beispielsweise dann verweigert, wenn ein Mann, dessen schwere Verschuldung
der Bank bekannt war, plötzlich über Titel im Wert von über Fr. 10 000.--
verfügte (BGE 36 II 357), wenn ein subalterner Angestellter mit einem
Monatslohn von Fr. 125.-- mit Wertschriften im Betrag von Fr. 40 000.--
spekulierte und über deren Herkunft völlig unglaubwürdige Angaben machte
(BGE 38 II 469), wenn Obligationen, die einer Bank ohne weiteres zu höherem
Preis hätten verkauft werden können, durch einen völlig Unbekannten
in einem Zigarrenladen erheblich unter ihrem Wert angeboten wurden
(BGE 47 II 264), wenn jemand der kurz vorher einen ihm von der Bank "zur
Ansicht auf 1 Tag" anvertrauten Werttitel trotz Mahnung und schriftlichen
Rückgabeversprechens nach zwei Monaten noch nicht zurückgegeben hatte,
der gleichen Bank Wertschriften im Betrage von Fr. 27 000.-- verpfändete
(BGE 70 II 109) oder wenn der Käufer gewusst hat, dass der Verkäufer die
angebotenen Titel unter ungewöhnlichen und verdächtigen Umständen erworben
hatte (BGE 80 II 242).

    b) Nichts, was mit diesen Fällen verglichen werden könnte, liegt hier
vor. Der Bankkassier Saxer kannte Alfred Baumann und dessen Familie als
rechtschaffene Leute und langjährige Kunden der Bank. Ob die Familie
und insbesondere der Sohn Alfred in bescheidenen wirtschaftlichen
Verhältnissen lebte, wie die Klägerin behauptet, von der Vorinstanz aber
nicht festgestellt worden ist, ist unerheblich, da die Münzen nach den
glaubwürdigen Angaben Baumanns ja nicht aus Familienbesitz stammten,
sondern einem Verwandten vermacht worden waren. Sodann gehört der Ankauf
von alten Goldmünzen zu den üblichen Geschäften einer Bank. Wohl ist
auffällig, wenn einer Lokalbank ein dermassen grosser Posten Louis-d'or
angeboten wird, und es ist der Klägerin beizustimmen, dass den Erwerber
eine Pflicht zu weiteren Erkundigungen trifft, wenn es ungewöhnlich
ist, dass der Veräusserer mit Waren der betreffenden Art und in der
angebotenen Menge handelt (STARK, N. 51 zu Art. 933 ZGB mit weiteren
Hinweisen). Wenn er aber auf eine entsprechende Frage eine plausible
Auskunft erhält, so darf er sich mit dieser zufrieden geben und muss
nicht einen Beweis für deren Richtigkeit verlangen, zumal wenn er
den Veräusserer als vertrauenswürdig kennt (STARK, aaO, und BGE 71
II 92). Nach den Feststellungen der Vorinstanz hielt auch Saxer das
Geschäft für auffällig, stellte er doch Baumann die Frage, ob denn die
Münzen nicht etwa gestohlen seien. Die von Baumann gegebene Erklärung,
die Münzen stammten aus einem Vermächtnis, war indessen plausibel. Der
Vorwurf des Handelsgerichts, Saxer hätte mindestens nach dem Namen des von
Baumann erwähnten Verwandten fragen und eine Vollmacht von diesem verlangen
sollen, ist nicht begründet. Denn beiden Anforderungen hätte Baumann
vermutlich ohne weiteres nachkommen können (eine mündliche Vollmacht von
Max Vogelsang zum Verkauf der Münzen besass er), ohne dass sich an der
Abwicklung des Geschäftes etwas geändert hätte. Auch eine Rückfrage bei
der Polizei hätte nichts ergeben, weil die Münzen von niemandem vermisst
wurden. Aus der Unterlassung von Nachforschungen darf jedoch nur dann
das Fehlen des guten Glaubens abgeleitet werden, wenn die betreffenden
Vorkehren dazu geführt hätten, dass das mangelnde Verfügungsrecht des
Veräusserers entdeckt worden wäre (STARK, N. 51, und OSTERTAG, N. 23 zu
Art. 933 ZGB). An diesem Kausalzusammenhang fehlt es im vorliegenden Falle.

    Die weiteren von der Vorinstanz und in der Berufungsantwort
vorgebrachten Argumente gegen die Gutgläubigkeit der Beklagten dringen
ebeenfalls nicht durch. So war durchaus nicht verdächtig, dass der
von Baumann als Eigentümer der Münzen bezeichnete Verwandte nicht
selbst auf die Bank kam, bedienen sich doch viele ehrliche Leute eines
Vertreters bei der Abwicklungihrer Geschäfte. Auch der Umstand, dass
Baumann 14 schadhafte Stücke durch andere ersetzen konnte, bildete
keinen hinreichenden Anlass zu einem Verdacht. Wer 116 Goldstücke
verkauft, erweckt dadurch, dass er noch 14 weitere besitzt, keinen
Argwohn. Schliesslich war auch der an Baumann bezahlte Preis nach den
Feststellungen der Vorinstanz keineswegs auffällig niedrig, sondern
durchaus angemessen. Diese Feststellungen sind tatsächlicher Natur und
binden daher das Bundesgericht (Art. 63 Abs. 2 OG). Überdies hat Baumann
nicht einen bestimmten Preis verlangt, sondern die Beklagte nach dem
Wert der Münzen gefragt und darauf den angebotenen Preis akzeptiert. Der
Beklagten vorzuwerfen, sie habe im Hinblick auf die Unlauterkeit des
Geschäftes bewusst einen zu niedrigen Preis offeriert, würde bedeuten,
ihr nicht nur pflichtwidrige Verletzung der gebotenen Sorgfalt, sondern
vorsätzliche Bösgläubigkeit vorzuwerfen. Dazu besteht indessen kein
Grund. Daran ändert auch der von der Klägerin erwähnte Umstand nichts,
dass es sich bei 6 der verkauften 1-Louis-d'or um sogenannte "aux
lunettes"-Exemplare aus dem Jahre 1726 gehandelt habe. Sowohl in dem Buch
"Gold coins of the world" von Friedberg, auf das sich die Klägerin beruft,
als auch in verschiedenen bei den Akten liegenden Schätzungen wird der
Wert dieser Stücke nicht wesentlich höher veranschlagt als jener der
Münzen anderer Jahrgänge.

    Aus diesen Gründen ist mit der Minderheit der Vorinstanz davon
auszugehen, die Beklagte sei beim Erwerb der Münzen gutgläubig gewesen. Sie
kann daher nicht zur Herausgabe der noch vorhandenen Goldstücke bzw. zur
Bezahlung des Verkaufserlöses verpflichtet werden.

Entscheid:

               Demnach erkennt das Bundesgericht:

    In Gutheissung der Berufung wird das Urteil des Handelsgerichts des
Kantons Aargau vom 14. Juli 1973 aufgehoben und die Klage abgewiesen.