Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 100 II 450



100 II 450

67. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 10. Dezember 1974
i.S. Asbrink Eiker AB gegen Rapid Maschinen & Fahrzeuge AG. Regeste

    Internationales Privatrecht.

    Bestimmung des anwendbaren Rechtes inbezug auf den
Alleinvertretungsvertrag (Anderung der Rechtsprechung) und die einfache
Gesellschaft.

Auszug aus den Erwägungen:

    Nach Lehre und Rechtsprechung ist auf Verträge, die mit verschiedenen
Rechtsordnungen Beziehungen haben, mangels Parteiabrede das Recht des
Staates anzuwenden, mit dem sie räumlich am engsten zusammenhangen. Das ist
in der Regel das Recht am Wohnsitz jener Partei, welche die den Vertrag
kennzeichnende Leistung erbringt (BGE 100 II 37/38, 99 II 318/19, 96
II 89). Das Bundesgericht hat im Entscheid 78 II 81 ff. anerkannt,
dass der Alleinvertretungsvertrag wirtschaftlich gesehen zu den
Vermittlungsverträgen gehöre und daher dem Agenturvertrag verwandt sei, für
den Art. 418 b Abs. 2 OR auf das Recht des Landes verweise, in welchem der
Agent seine Tätigkeit ausübe. Es hat aber für den Alleinvertretungsvertrag
trotzdem das Recht am Wohnsitz des Geschäftsherrn als grundsätzlich
massgebend erklärt, weil das Schwergewicht auf seinen Pflichten als
Verkäufer liege. Indessen hat es Sonderfälle vorbehalten, in denen
zwischen dem Geschäftsherrn und dem Alleinvertreter engere Beziehungen
bestehen, so wenn z.B. ein Alleinvertretungsvertrag für eine lange Dauer
abgeschlossen worden ist oder tatsächlich jahrelang bestanden hat oder
wenn der Alleinvertreter keine Mindestabnahmepflicht eingegangen ist,
wenn er seine ganze Arbeitskraft dem Geschäftsherrn zur Verfügung zu
stellen hat. In solchen Fällen, sagt das Bundesgericht, sei es denkbar,
dass bei der Ermittlung des anwendbaren Rechtes seine Stellung jener
des Agenten gleichzuachten ist (BGE aaO S. 82). Im Urteil 88 II 474/75
hat das Bundesgericht einen Sonderfall dieser Art angenommen und einen
Alleinvertretungsvertrag mit Rücksicht auf seine lange Dauer dem Recht
am Wohnort des Alleinvertreters unterstellt. Es hat aber offengelassen,
ob an der in BGE 78 II 82 grundsätzlich vertretenen Auffassung überhaupt
festgehalten werden könne. Im Entscheid 78 II 82 wurde insbesondere
ausgeführt, wesentlich sei für den Geschäftsherrn, eine bestimmte
Menge Waren zu verkaufen, und für den Vertreter sie zu kaufen. Die
vom Geschäftsherrn eingegangene Pflicht, niemand anders zu beliefern,
diene lediglich der Verstärkung seiner Verkäuferpflichten, während die
Pflicht des Alleinvertreters, den Absatz der Ware zu fördern und gewisse
Interessen des Geschäftsherrn wahrzunehmen, bloss eine Begleiterscheinung
des Alleinvertretungsrechtes sei. Solche Argumentation trägt indessen dem
Zweck des Alleinvertretungsvertrages zuwenig Rechnung. Dieser besteht
in erster Linie darin, dass der Geschäftsherr seine Ware durch einen
selbständigen Kaufmann in einem andern Lande vertreiben lässt. Dazu kommt,
dass die Grösse des Umsatzes - anders als beim Kauf- nicht zum voraus fest
bestimmt, sondern vom Einsatz des Alleinvertreters abhängig ist. Deshalb
ist die Leistung des Alleinvertreters funktionell und wirtschaftlich
betrachtet bedeutender als jene des Geschäftsherrn (vgl. WYNIGER, vom
Alleinverkaufsvertrag, insbesondere im Internationalen Privatrecht
der Schweiz, S. 76 und 78; VISCHER, Internationales Privatrecht, in
Schweizerisches Privatrecht I S. 674; SCHÖNENBERGER/JÄGGI, Kommentar
zum OR, allgemeine Einleitung, Nachträge S. 612). Daraus ergibt sich,
dass der Beklagte die für den Alleinvertretungsvertrag charakteristische
Leistung erbracht hat, weshalb schweizerisches Recht anzuwenden ist.

    Der Entwicklungsvertrag sodann hat, sofern er als Gesellschaftsvertrag
anzusehen ist, angesichts des als massgebend zu erachtenden
Entwicklungszweckes seinen Schwerpunkt in der Leistung des Beklagten,
also sachlich und örtlich in der Schweiz (vgl. SCHÖNENBERGER/JÄGGI,
Kommentar zum OR, allgemeine Einleitung, N. 235-239, 323, ferner N. 322
in Verbindung mit SIEGWART, Vorbemerkungen zu Art. 530-551 OR N. 129). Es
gilt somit auch hier schweizerisches Recht.