Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 100 II 440



100 II 440

66. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 28. November 1974
i.S. D. gegen M. und H. Regeste

    Erbteilung; Art. 608, 610 ZGB.

    Losbildung, wenn der Erblasser durch Teilungsanordnung Erbschaftswerte
einem Erben zugewiesen hat (Erw. 4).

    Zuweisung einer Liegenschaft zu einem bestimmten Anrechnungswert als
Vorausvermächtnis oder als Teilungsanordnung? (Erw. 5-7).

Sachverhalt

    A.- Am 4. Oktober 1965 starb in Bern Dr. T. Seine gesetzlichen Erben
sind seine drei Töchter, nämlich M., H. und D.

    Dr. T. hinterliess eine eigenhändige letztwillige Verfügung vom
16. Juli 1964, in welcher er eingehende Vorschriften über die Teilung
des Nachlasses aufstellte.

    B.- Die Erbinnen schlossen am 23. September 1969 einen partiellen
Teilungsvertrag. Da sie sich über die weitere Teilung des Nachlasses
nicht einigen konnten, erhob M. am 20. April 1970 Klage gegen ihre
beiden Schwestern. Sie verlangte die Teilung des noch verbleibenden
Nachlasses und insbesondere die Zuteilung bestimmter Nachlassaktiven. Die
Beklagten forderten ihrerseits die Teilung des restlichen Nachlasses
gemäss Testament, bestritten gewisse Zuweisungsansprüche der Klägerin
und stellten eigene Anträge auf Zuweisung einzelner Vermögenswerte.

    C.- Der Appellationshof des Kantons Bern ermittelte den Wert des
Nachlasses mit Fr. 7 156 845.54 und den Erbteil jeder Erbin mit Fr.
2 385 615.18. In seinem Urteil vom 20. Dezember 1973 nahm er die Teilung
des restlichen Nachlasses vor und verpflichtete H., ihren Schwestern
zusammen Fr. 546 011.20 zu bezahlen.

    Von den Liegenschaften, die im Eigentum des Erblassers gestanden
hatten, teilte der Appellationshof M. ausser dem ihr bereits früher
durch Teilungsvertrag zugewiesenen Schlossgut L. die Liegenschaften
Beatusstrasse 32 und Dufourstrasse 47 in Bern und H. den Miteigentumsanteil
an der Liegenschaft Münzgraben 6 in Bern zu. D. erhielt keine Immobilien
zugewiesen.

    D.- D. hat gegen das Urteil des Appellationshofes des Kantons Bern beim
Bundesgericht Berufung eingereicht. Sie stellt den Antrag, das angefochtene
Urteil teilweise aufzuheben und die Liegenschaft Dufourstrasse 47 in Bern
ihr zuzuweisen unter entsprechender Abänderung der von der Vorinstanz
errechneten Anteile an der Herausschuld von H.

    Während M. beantragt, die Berufung sei abzuweisen, erklärt H., sie
sei am Ausgang des Verfahrens nicht interessiert und zum voraus bereit,
sich dem Urteil des Bundesgerichtes zu unterziehen.

    Das Bundesgericht heisst die Berufung gut und weist die Liegenschaft
Dufourstrasse 47 in Bern der Berufungsklägerin zu.

Auszug aus den Erwägungen:

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Ein Erbteilungsanspruch gegen einen Miterben muss von allen übrigen
Erben in notwendiger Streitgenossenschaft verfolgt werden. Nur so lässt
sich erreichen, dass das Urteil gegenüber allen Erben Recht schafft. Gibt
aber ein Miterbe, der sich am Prozess nicht beteiligen will, zuhanden
des Gerichtes die Erklärung ab, er anerkenne das Urteil, wie es auch
ausfallen werde, als für sich ebenfalls verbindlich, so besteht kein
Anlass, diese Erklärung abzulehnen, zumal das Urteil dann dank diesem
antizipierten Abstand vom Prozess auch diesem Erben gegenüber vollstreckt
werden kann. Das Bundesgericht hat folgerichtig einen solchen Verzicht
als zulässig erklärt (BGE 93 II 15, 74 II 217 und 220, sowie KUMMER,
Das Klagerecht und die materielle Rechtskraft im schweizerischen Recht,
Bern, 1954, S. 198/199). Die Erklärung von H., sie sei zum voraus bereit,
sich dem Urteil zu unterziehen, ist deshalb vom Bundesgericht zu beachten.

Erwägung 2

    2.- ... (offensichtliches Versehen).

Erwägung 3

    3.- Vor Bundesgericht geht es nur noch um das Schicksal der
Liegenschaft Dufourstrasse 47 in Bern. Der Erblasser traf in seinem
Testament vom 16. Juli 1964 folgende Bestimmun gen über seine Immobilien:

    "A

    Der Verkauf von Liegenschaften soll grundsätzlich nicht stattfinden,
wenn einer oder mehrere Erben auf die Zuweisung einer zur Erbschaft
gehörenden Liegenschaft oder einer andern Sache Anspruch erheben. In
diesem Fall soll der objektive, nicht Liebhaberwert der Sache, wenn nötig
durch Expertise ermittelt und die Sache dem betreffenden Erben zugewiesen
werden. Verlangen mehrere Erben Zuweisung einer Sache, so soll das Los
entscheiden. Auf Verlangen eines Erben hat die Losziehung durch einen
Notar zu erfolgen.

    D

    Die in Bern gelegenen Liegenschaften mit Ausnahme derjenigen an der
Beatusstrasse sollen zum Verkehrswert verkauft oder einem Erben, der sie
zu diesem Wert zugewiesen erhält, zugewiesen werden.

    E

    Meine Tochter M. hat mich seit dem Hinschied meiner lieben Frau
in hingebender Weise betreut und meinen Haushalt geführt. Dadurch
war es mir möglich, ein Leben zu führen, wie es zu Lebzeiten meiner
Frau der Fall war. Ich bin ihr hiefür zu besonderer Anerkennung und
ausserordentlichem Dank verpflichtet. Das auferlegt mir die Pflicht,
dafür zu sorgen, dass sie nach meinem Tode sorglos und zufrieden weiter
leben kann. Daraus erklären sich die besondern Bestimmungen, die ich zu
diesem Zweck in diesem Testament aufstelle.

    Ich verfüge deshalb, dass meiner Tochter M. in der Erbteilung folgende
Sachen zugewiesen werden:

    1.  Die Besitzung Beatusstrasse 32 in Bern, die ihr vor allem als
Wohnung dienen soll. ... Die Liegenschaft ist meiner Tochter in der
Erbschaft zum Ertragswert anzurechnen, den ich auf Fr. 100 000.-- bestimme.

    2.  Das Rebgut L. d.h. alle in L. auf meinen Namen im Grundbuch
eingetragenen Liegenschaften zum Ertragswert. Über diesen Wert besteht
eine Expertise, die aber wahrscheinlich im Zeitpunkt meines Todes überprüft
werden muss."

    Der Anspruch von M. auf das Schlossgut L. im amtlichen Wert von
rund Fr. 700 000.-- zum Anrechnungswert von Fr. 500 000.-- und auf die
Liegenschaft Beatusstrasse 32 im amtlichen Wert von Fr. 144 000.-- zum
Anrechnungswert von Fr. 100 000.-- ist nicht angefochten.

    Streitig ist dagegen, ob sich M. auch noch um die Zuteilung einer
weiteren Liegenschaft bewerben durfte. M. verlangt, die im Testament
vorgesehene Losziehung sei unter allen drei Erbinnen durchzuführen
und so über das Schicksal der verbleibenden zwei Liegenschaften zu
entscheiden. Die Beklagten wollen nur unter sich durch das Los entscheiden
lassen, welche Liegenschaft jeder von ihnen zufallen soll.

    Gestützt auf eine prozessuale Vereinbarung vom 8. Dezember 1972 wurde
vorsorglich für beide Eventualitäten das Los gezogen. Bei Beteiligung
aller drei Erbinnen zog M. die Liegenschaft Dufourstrasse 47 und H. die
Liegenschaft Münzgraben 6, während D. leer ausging. Bei der Verlosung
nur unter den beiden Beklagten fiel die Liegenschaft Münzgraben 6 an H.,
die Liegenschaft Dufourstrasse 47 an D. Die Beklagten anerkennen für sich
das Ergebnis dieser zweiten Losziehung.

    Die Vorinstanz gelangte in ihrem Urteil zum Schluss, M. habe die
Liegenschaften L. und Beatusstrasse 32 als Vorausvermächtnis erhalten;
darum könne sie sich mit den beiden andern Erbinnen noch um die
verbleibenden Liegenschaften bewerben, auch wenn sie anständigerweise
darauf hätte verzichten sollen. Das Los habe zu ihren Gunsten
entschieden. Dieser unliebsame Ausgang müsse akzeptiert werden.

    D. macht mit der Berufung geltend, es liege kein Vorausvermächtnis,
sondern eine testamentarische Teilungsvorschrift vor. Der Anspruch von
M. auf die Zuteilung von Liegenschaften sei durch die Zuweisung der im
Testament genannten Besitzungen konsumiert.

Erwägung 4

    4.- Nach Art. 607 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 610 Abs. 1 ZGB haben
alle Erben, unter Vorbehalt anderer Vorschriften, den gleichen Anspruch auf
die Gegenstände der Erbschaft (ESCHER, N. 1 zu Art. 610 ZGB; TUOR/PICENONI,
N. 2 zu Art. 610 ZGB). Die Ausnahmen können im Gesetz selbst enthalten sein
(z.B. hinsichtlich landwirtschaftlicher Liegenschaften, Sachgesamtheiten
usw., Art. 618 ff., 620 ZGB) oder sich aus testamentarischer Anordnung
ergeben.

    Aus dem gleichen Anspruch auf Erbschaftssachen ergibt sich,
dass bei der Bildung der Lose gemäss Art. 611 ZGB die Gegenstände des
Nachlasses auch nach Kategorien möglichst ausgeglichen aufzuteilen sind,
so dass sich die Barmittel, Wertschriften, Mobilien, Kunstgegenstände,
Liegenschaften usw. gleichmässig auf die einzelnen Erben verteilen (JOST,
Der Erbteilungsprozess, S. 106). Sind durch Erbteilungsanordnungen des
Erblassers bestimmte Erbschaftswerte einem Erben zugewiesen worden, so ist
bei der Losbildung darauf zu achten, dass die übrigen Erben womöglich Werte
gleicher Art aus den restlichen Nachlassgegenständen zugeteilt erhalten
(vgl. ALEXANDER BECK, Schweizerisches Erbrecht, S. 153).

Erwägung 5

    5.- a) Das Vermächtnis ist die Zuwendung eines Vermögensvorteils
(z.B. einzelner Erbschaftssachen) durch den Erblasser an einen Bedachten
(Art. 484 ZGB). Ist der Bedachte zugleich Erbe, so spricht man von einem
Vorausvermächtnis. Der Bedachte erhält einen obligatorischen Anspruch auf
Herausgabe der vermachten Sache; auf sein Begehren ist sie ihm vorweg aus
der Hinterlassenschaft herauszugeben. Sie ist nicht mehr Gegenstand der
Losbildung (vgl. TUOR, N. 12 zu Art. 484 und N. 13 zu Art. 485 ZGB). Ist
der Bedachte zugleich Erbe, so hat er bei der Teilung des verbleibenden
Nachlasses demnach ohne Rücksicht auf das erhaltene Vorausvermächtnis
dieselben Ansprüche auf die einzelnen Sachen bzw. auf Zuteilung von
Gegenständen der einzelnen Sachkategorien wie die übrigen Erben.

    b) Gegenstand eines Vermächtnisses bzw.  Vorausvermächtnisses kann
jeder Vermögensvorteil sein. Wird eine Sache einem Erben ohne Anrechnung
auf seinen Erbteil zugewandt, dann liegt eindeutig ein Vorausvermächtnis
über die Sache selbst vor. Spricht der Erblasser dagegen einem Erben einen
bestimmten Gegenstand zu einem Betrage zu, den der Erbe sich auf seinen
Erbteil anrechnen lassen muss, so ist zu prüfen, ob die Sache als solche
vermacht und lediglich eine teilweise Anrechnung gefordert wird, oder ob
dem Bedachten nur die Differenz zwischen wirklichem und Anrechnungswert
als Vorausvermächtnis vermacht werden sollte, während in der Zuweisung
der Sache selbst eine blosse Teilungsvorschrift liegt. Möglich ist beides,
es kommt auf den Inhalt der letztwilligen Verfügung an.

    c) Die Teilungsvorschrift im Sinne von Art. 608 Abs. 1 ZGB beeinflusst
weder die Grösse der einzelnen Erbteile noch entzieht sie bestimmte
Nachlasswerte der Erbteilung und damit der Losbildung. Sie ist nur für die
Zusammensetzung der Lose von Bedeutung, indem sie einem Erben den Anspruch
auf Zuweisung bestimmter Sachen im Rahmen einer Losbildung verleiht.

    Im Zweifel gilt die Zuweisung einer Erbschaftssache an einen Erben nach
ausdrücklicher gesetzlicher Bestimmung als Teilungsvorschrift und nicht als
Vermächtnis (Art. 608 Abs. 3 ZGB, TUOR/PICENONI, N. 12 zu Art. 608 ZGB).
Damit wird eine Regel bestätigt, die allgemein bereits in Art. 522 Abs. 2
ZGB aufgestellt wurde.

    d) Die Vorinstanz scheint anzunehmen, ein Vorausvermächtnis über
die Sache selbst liege vor, wenn diese einem Erben zu einem unter
ihrem wirklichen Wert liegenden Anrechnungspreis zugewendet wird.
Sie stützt sich dabei auf ESCHER, N. 1 zu Art. 608 ZGB, der ausführt:
"Die Teilungsvorschrift kombiniert sich mit einem Vermächtnis, wenn der
Erblasser anordnet, ein Erbe könne einen bestimmten Gegenstand übernehmen
zu einem bestimmten vorteilhaften Anrechnungspreis." ESCHER selbst verweist
auf TUOR/PICENONI, N. 14 zu Art. 608 ZGB, der erklärt: "Wenn der vom
Erblasser bestimmte Übernahmepreis nicht dem wahren Wert entspricht, so
liegt eine Begünstigung, ein Vermächtnis in der Differenz, bei zu niedrigem
Übernahmepreis zu Gunsten des übernehmenden Erben..." Daraus folgt jedoch
nur, dass die Wertdifferenz als Vorausvermächtnis zu betrachten ist. Das
Schicksal der Sache selbst bleibt offen. Die testamentarische Zuweisung
der Sache an einen Erben ist auch jetzt im Zweifel Teilungsvorschrift,
was sich gerade auch auf Grund der erwähnten Zitate bestätigt.

    e) Die Klägerin ist sich dieser Rechtslage übrigens durchaus
bewusst. Sie führt in der Berufungsantwort nämlich zutreffend aus,
dass die sehr beträchtlichen Differenzen zwischen dem wirklichen Wert
der Liegenschaften L. und Beatusstrasse 32 und deren Anrechnungswert
als Vorausvermächtnis zu betrachten sind, während die Zuweisung dieser
Liegenschaften selbst im Zweifel blosse Teilungsvorschrift ist. Diese
Liegenschaften scheiden also bei der Losbildung nur aus, wenn die
letztwillige Verfügung nachweisbar als Vermächtnis über die Liegenschaften
selbst und nicht bloss über die Differenz zwischen wirklichem Wert und
Anrechnungswert zu betrachten ist. Die Klägerin anerkennt auch richtig,
dass sie hiefür die Beweislast trägt.

Erwägung 6

    6.- Nach ständiger Rechtsprechung ist das Bundesgericht nicht an
die vorinstanzliche Auslegung eines Testamentes gebunden. Es prüft frei,
was der Erblasser mit seinem Testament wollte. Verbindlich sind für das
Bundesgericht nur die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen
Urteils, aus denen dieser Wille erschlossen wird (BGE 91 II 99 Erw. 3,
90 II 480 mit Hinweisen).

    Bei der Auslegung eines Testamentes ist von dessen Wortlaut auszugehen.
Ist dieser für sich selbst betrachtet und aus sich selbst erklärt klar, so
hat es bei dieser Aussage zu bleiben. Sind dagegen Testamentsbestimmungen
so unklar, dass sie ebensogut im einen wie im andern Sinne ausgelegt werden
können, so dürfen ausserhalb der Testamentsurkunde liegende Beweismittel
zur Auslegung herangezogen werden (BGE 91 II 269, 88 II 73, 86 II 463).

    Das angefochtene Urteil erklärt, dass der Erblasser "M. in dieser
geradezu unbegreiflichen Weise begünstigen wollte", weil "er sich ihr
gegenüber dankbar erweisen wollte dafür, dass sie ihm seit dem Tode seiner
Ehefrau den Haushalt geführt habe...". Die Vorinstanz hat diesen Willen des
Erblassers nicht etwa auf Grund von Zeugenaussagen, Briefen usw. ermittelt
und das Ergebnis dieser Feststellungen tatsächlicher Art dann für die
Auslegung des Testamentes herangezogen. Sie hat vielmehr nach allgemeinen
Regeln die letztwillige Verfügung auszulegen versucht und ist gestützt
darauf dazu gelangt, der Erblasser habe nicht nur eine Teilungsvorschrift
erlassen, sondern ein Vermächtnis errichtet. Die Schlussfolgerung der
Vorinstanz unterliegt demnach der Überprüfung durch das Bundesgericht.

Erwägung 7

    7.- a) Die Verfügungen des Testators über die Liegenschaften,
insbesondere lit. È des Testamentes, können sowohl als Teilungsvorschrift
wie als Vorausvermächtnis betrachtet werden, und dies nicht nur
hinsichtlich der Wertbegünstigung beim Anrechnungspreis, sondern auch was
die Zuweisung der Liegenschaften Beatusstrasse 32 und L. selbst betrifft.

    Im Zweifel ist nach gesetzlicher Vermutung anzunehmen, es handle sich
um eine blosse Teilungsvorschrift. An den Gegenbeweis sind. allerdings
keine allzu strengen Anforderungen zu stellen, weil es regelmässig
schwerfällt, nach dem Tode des Erblassers den früher einmal niedergelegten
Willen zu ermitteln. Immerhin muss aber der Wille des Erblassers, nicht
eine Teilungsvorschrift, sondern ein Vermächtnis zu verfügen, aus dem
Testament selbst ersichtlich sein; die hiefür sprechenden Umstände müssen
mindestens als Indizienbeweis ausreichen (ESCHER, N. 10 zu Art. 608 ZGB,
TUOR, N. 21-23 zu Art. 522 und TUOR/PICENONI, N. 12 zu Art. 608 ZGB; wenn
TUOR in N. 23 zu Art. 522 ZGB als Indiz die Zuweisung zu einem bestimmten
Anrechnungswert nennt, so bezieht sich das nur auf den damit geleisteten
Beweis einer Begünstigung durch den niedrigeren Anrechnungswert, nicht
auf die Zuweisung der Sache selbst als Vorausvermächtnis.).

    b) Die Vorinstanz verweist zur Auslegung des Testaments vorerst auf
dessen Einleitung, nämlich:

    "Obschon ich annehme, dass meine Töchter im Andenken an ihre Eltern
im friedlichen Einvernehmen sich über die Teilung meiner Erbschaft ohne
besondere Wegleitung verständigen würden, will ich doch nicht unterlassen,
von der Bestimmung des Art. 608 ZGB Gebrauch zu machen und in einigen
Punkten, die mir besonders am Herzen liegen, bindende Vorschriften über
die Teilung meiner Erbschaft aufzustellen. Ich verfüge deshalb letztwillig
wie folgt: ..."

    Das Urteil schliesst daran längere Ausführungen über den rechtlichen
Charakter und die Bedeutung von Teilungsvorschriften. Die Vorinstanz
verliert dabei aus den Augen, dass die letztwillige Verfügung in ihrem
generellen Ingress ausdrücklich auf Art. 608 ZGB verweist und "Vorschriften
über die Teilung der Erbschaft" aufstellt. Der Erblasser als erfahrener
Jurist war sich der Bedeutung seiner Formulierung sicher bewusst. Die
Formulierung spricht dafür, dass auch abgesehen von der gesetzlichen
Vermutung der Inhalt des Testaments als Teilungsvorschrift zu betrachten
ist, soweit nicht das Gegenteil eindeutig zum Ausdruck kommt.

    c) Entscheidendes Gewicht legt die Vorinstanz auf den Umstand, dass
der Erblasser M. aus besonderer Dankbarkeit begünstigen wollte.

    Hätte der Erblasser verfügt, als Zeichen seiner Dankbarkeit vermache
er die beiden Liegenschaften M., so wäre der Vorinstanz ohne Bedenken
zuzustimmen. Auch wenn der Erblasser die Liegenschaften M. zugeteilt hätte,
ohne etwas über den Anrechnungswert zu sagen, müsste die Verfügung wohl als
Vermaächtnis betrachtet werden, wenn diese Zuweisung mit der besonderen
Dankesschuld motiviert würde. Wohl kann auch bei voller Anrechnung die
Zuweisung einer Liegenschaft einen immateriellen oder sogar materiellen
Vorteil bieten (ESCHER, N. 1 a.E. zu Art. 608 ZGB), doch wäre damit kaum
eine besondere Dankespflicht getilgt.

    Nun wies aber der Erblasser in der Verfügung M. die Besitzungen
Beatusstrasse 32 in Bern und das Schlossgut L. zu Anrechnungswerten zu,
die um insgesamt Fr. 244640.-- unter dem amtlichen Wert und vermutlich
noch wesentlich mehr unter dem wirklichen Wert liegen. Wie bereits
ausgeführt und von der Klägerin anerkannt, erhält diese mit den günstigen
Anrechnungswerten ein Vorausvermächtnis in entsprechender Höhe.

    Kann aus dem in der letztwilligen Verfügung ausgedrückten Gefühl
besonderer Dankbarkeit des Erblassers abgeleitet werden, dieser habe auch
über die Liegenschaften selbst zu Gunsten von M. verfügen wollen? Die
Vorinstanz führt überhaupt keinen Umstand an, der eine so weitgehende
Schlussfolgerung erlauben oder gar aufdrängen würde. Jedenfalls behauptet
sie selbst nicht, die Begünstigung durch das Vorausvermächtnis in
der Höhe von rund Fr. 245 000.-- sei ein ungenügendes Zeichen der
Dankbarkeit für die geleisteten Dienste gewesen. Sie findet es im
Gegenteil unbegreiflich und stossend, der Klägerin auch noch ein Recht
an den übrigen Liegenschaften zuzubilligen. Selbst wenn man zu Recht
davon ausgeht, dass der Erblasser in seiner letzwilligen Verfügung aus
Dankbarkeit M. gegenüber den andern Töchtern begünstigen wollte, spricht
nichts dafür, dass er ihr mehr als die Differenz zwischen Verkehrs-
und Anrechnungswert zuwenden wollte.

    d) Gegen die Auslegung der Vorinstanz spricht auch die Formulierung
der entscheidenden Bestimmung des Testaments. Der Erblasser führte nämlich
wörtlich aus:

    "Ich verfüge deshalb, dass meiner Tochter M. in der Erbteilung folgende
Sachen zugewiesen werden:..."

    Der Erblasser hat also M. ausdrücklich "in der Erbteilung
folgende Sachen zugewiesen"; "in der Erbteilung", nicht im voraus;
"zugewiesen", nicht vermacht. Der Jurist Dr. T. bediente sich einer
eindeutig juristischen Terminologie, die eine Teilungsvorschrift für
die Liegenschaften und ein Vorausvermächtnis für die Wertdifferenz zum
Ausdruck bringt. Hätte er so verfügen wollen, wie es die Klägerin und
die Vorinstanz annehmen, so hätte er sich wohl anders ausgedrückt.

    e) Bei freier Auslegung des Testamentes, wie sie dem Bundesgericht
zusteht, ergibt sich somit, dass in der Zuweisung der Liegenschaften L. und
Beatusstrasse 32 nur eine Teilungsvorschrift zu erblicken ist. Die Annahme
der Vorinstanz, die gesetzliche Vermutung einer Teilungsvorschrift sei
widerlegt worden, ist demnach bundesrechtswidrig.

Erwägung 8

    8.- Enthält die letztwillige Verfügung in bezug auf die Besitzungen
Beatusstrasse 32 und L. eine Teilungsvorschrift, so konnte M. auf diese
Liegenschaften nicht vorweg als Vermächtnisnehmerin Anspruch erheben;
dagegen durfte sie bei der Aufstellung der Lose verlangen, dass diese
Liegenschaften in ihr Los einbezogen wurden. Sie wurde dadurch freilich
ein weiteres Mal bevorzugt, da sie vorweg zwei Liegenschaften zugeteilt
erhielt. Den beiden Miterbinnen verblieb nur noch je eine Liegenschaft,
wobei die Losziehung über die konkrete Zuteilung zu entscheiden hatte. Die
Zulassung von M. zur Losziehung über die beiden restlichen Liegenschaften
und die Zuteilung der einen Liegenschaft an M. gestützt auf das Ergebnis
dieser Losziehung verletzt den Anspruch der Berufungsklägerin auf
Gleichberechtigung der Erben.

Erwägung 9

    9.- Der Erblasser bestimmte in seinem Testament ganz allgemein, dass
über die Zuteilung der Liegenschaften das Los entscheiden solle, falls
sich die Erben darüber nicht einigen könnten. Um seiner Dankbarkeit
gegenüber seiner Tochter M. Ausdruck zu geben, bestimmte er sodann
im besondern, dass ihr die beiden Liegenschaften Beatusstrasse 32 und
L. zugewiesen würden. Das Testament enthält somit eine Regelung, wie die
Zuteilung der andern Liegenschaft zu erfolgen habe. Deshalb ist die von
der Berufungsbeklagten aufgeworfene Frage, weshalb der Erblasser nicht
auch für die beiden übrigen Liegenschaften Teilungsvorschriften erliess,
unberechtigt.