Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 100 II 30



100 II 30

7. Urteil der I. Zivilabteilung vom 21. Januar 1974 i.S. Bucher gegen
Hänzi Regeste

    Werkvertrag. Der Besteller eines mangelhaften Werkes kann sich nicht
alternativ auf die allgemeine Schadenersatzklage (Art. 97 f. OR) und die
Gewährleistungsansprüche (Art. 367-371 OR) berufen (Erw. 1 und 2).

Sachverhalt

    A.- Hänzi, der in Zürich ein Gipsergeschäft führt, schloss am
19. Dezember 1966 mit dem Baukonsortium Büchelring, Zürich, vertreten
durch Architekt Bucher, einen Werkvertrag über die Gesamtüberbauung im
"Büchelring" in Adliswil. Am 28. März 1968 übertrug ihm Bucher im eigenen
Namen gemäss Vertrag vom 19. Dezember 1966 die Gipserarbeiten für das Haus
A 3. "Die Ausführung und die Ausmasse" sollten grundsätzlich dem bereits
ausgeführten Haus A 1 entsprechen Am 18. Januar 1969 stellte Hänzi Rechnung
für Fr. 41 584.97, abzüglich Anzahlungen von Fr. 28 000.--. Bucher
bestritt die Restforderung von Fr. 14 139.37, indem er geltend machte,
gewisse Arbeiten seien mangelhaft ausgeführt worden, so dass er nach
Berücksichtigung des Minderwertes Fr. 7809.42 zuviel bezahlt habe.

    In der Folge klagte Hänzi gegen Bucher auf Zahlung von Fr. 14 139.37
nebst 5% Zins seit 18. Januar 1969. Der Beklagte machte widerklageweise
Fr. 3651.42 (Fr. 7809.42 abzüglich die Versicherungsgarantie von
Fr. 4158.--) geltend.

    B.- Das Bezirksgericht Zürich hiess die Klage im Teilbetrag von
Fr. 9086.15 nebst Zins seit 1. April 1969 gut und wies die Widerklage ab.

    Auf Berufung des Klägers und Anschlussberufung des Beklagten sprach
das Obergericht des Kantons Zürich dem Kläger Fr. 9119.51 zu. Im Mehrbetrag
wies es die Klage ab. Es stellte zudem fest, dass der Beklagte berechtigt
sei, auf Fr. 37 119.51 einen Skonto von 2% abzuziehen, wenn er die
Restforderung innert einem Monat seit Rechtskraft des Urteils bezahle.

    C.- Gegen dieses Urteil hat der Beklagte die Berufung erklärt. Er
beantragt, die Forderung auf Fr. 5159.51 herabzusetzen und dementsprechend
den skontoberechtigten Betrag auf Fr. 33 159.51 festzulegen; eventuell
das vorinstanzliche Urteil aufzuheben und die Sache zur Ergänzung des
Beweisverfahrens an das Obergericht zurückzuweisen.

    Der Kläger beantragt, die Berufung abzuweisen.

Auszug aus den Erwägungen:

              Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Im kantonalen Verfahren waren zwischen den Parteien verschiedene
Mängel streitig, die vor Bundesgericht nicht mehr zur Beurteilung
stehen. Der Beklagte hält indessen an seinem Standpunkt vor Obergericht
fest, der Kläger habe auf dem nackten Betonboden Lentolit statt gemäss
Baubeschrieb einen Zementanspritz, Grundputz und Abrieb bzw. Zementanwurf,
Grund- und Weissputz angebracht, was einen Minderwert von Fr. 3960.--
(990 m2 zu Fr. 4.-) ergebe. Es handle sich entgegen der Auffassung des
Obergerichts nicht um einen Werkmangel im Sinne des Art. 371 OR, sondern
um Nichterfüllung, die jederzeit geltend gemacht werden könne, also nicht
den Verjährungs- und Verwirkungsfristen des Werkvertragsrechtes unterstehe.

Erwägung 2

    2.- Die Haftung des Unternehmers für Mängel des Werkes wird in
Art. 367-371 OR geordnet (vgl. Randtitel "Haftung für Mängel"). Sie
hat ihr Gegenstück in der Haftung des Verkäufers für Sachmängel des
Kaufgegenstandes nach Art. 197 OR (vgl. GUHL/MERZ/KUMMER, OR S. 424,
BGE 93 II 316). Art. 368 OR, der vom "Recht des Bestellers bei Mängeln"
handelt, unterscheidet zwischen Mängeln und sonstigen Abweichungen
vom Vertrag (vgl. Abs. 1: "Leidet das Werk an... Mängeln oder weicht
es sonst... vom Vertrag ab..."). Beide Sachverhalte sind im Ausdruck
Mangel enthalten, den die übrigen Bestimmungen der Mängelhaftung allein
verwenden (vgl. Art. 367 und 369-371 OR). Die Unterscheidung in Art. 368
OR hat daher nur klassifikatorische, nicht rechtliche Bedeutung (GAUCH,
Der Unternehmer im Werkvertrag und seine Haftung für Mängel des Werkes,
1974, Nr. 110 S. 39). Es kommt daher nichts darauf an, dass Lehre und
Rechtsprechung (vgl. GUHL/MERZ/KUMMER, aaO S. 424; OSER/SCHÖNENBERGER N. 2
zu Art. 368 OR; REICHEL, ZSR 51/1932 S. 182; BGE 93 II 316) die Mängel und
sonstigen Abweichungen des Werkes vom Vertrag nach Art. 368 OR dem Fehlen
vorausgesetzter oder verabredeter Eigenschaften der Kaufsache gleichstellen
(vgl. GAUCH, aaO Nr. 11 l'S. 40). In beiden Fällen handelt es sich
schlechthin um Mängel, also um nicht richtige Erfüllung des Werkvertrages.

    Zu prüfen ist, ob sich der Besteller eines mangelhaften
Werkes alternativ auf die Rechtsbehelfe des Art. 368 OR und die
allgemeine Schadenersatzklage des Art. 97 OR berufen kann. Das ist zu
verneinen. Art. 368 OR wandelt die Sachleistungsobligation des Unternehmers
in bestimmte Gewährleistungsansprüche (Wandelung, Minderung, Nachbesserung
und Ersatz des Mängelfolgeschadens), wenn der Besteller die gesetzlich
vorgeschriebenen Voraussetzungen (Prüfung des Werkes und rechtzeitige
Rüge des Mangels) erfüllt hat (GAUTSCHI, N. 6 a und c zu Art. 368 OR
und 11 b zu Art. 369 OR; GAUCH, aaO Nr. 526, S. 129, GUHL/MERZ/KUMMER,
aaO S. 340; NEUENSCHWANDER, Die Schlechterfüllung im schweizerischen
Vertragsrecht, Diss. Bern 1971, S. 24, 26 und 86; A. SCHUBIGER,
Verhältnis der Sachgewährleistung zu den Folgen der Nichterfüllung oder
nicht gehörigen Erfüllung, Diss. Bern 1937, S. 37 ff.; R. FURRER, Beitrag
zur Lehre der Gewährleistung im Vertragsrecht, Diss. Zürich 1973, S.
34/35; unzutreffend KLAUSER (Die werkvertragliche Mängelhaftung und
ihr Verhältnis zu den allgemeinen Nichterfüllungsfolgen, Diss. Zürich
1973, S. 132/33), der die Art. 97 und 367 ff. OR alternativ anwenden
will, wenn Mängelansprüche des Bestellers im Sinne der Art. 369 bis 371
weder untergegangen noch verjährt sind).

    Das Obergericht hatte demnach die streitige Frage, ob der Kläger
die ihm übertragenen Arbeiten vertragsgemäss ausgeführt hat, nur dann
abzuklären, wenn der Beklagte den Mangel innert der vertraglichen
Garantiefrist oder nach einer allfälligen späteren Entdeckung sofort
gerügt hat (Art. 370 Abs. 3 OR). Die Vorinstanz stellt fest, dass keine
der beiden Parteien eine gemeinsame Prüfung des Werkes verlangt hat. Sie
schliesst daraus zu Recht, dass es zwei Monate nach Einreichung der
Schlussrechnung (Form. 118 SIA Art. 26 Abs. 5), d.h. am 18. März 1969, als
vorläufig abgenommen galt, und dass die von da an laufende (vertragliche)
zweijährige Rügefrist bei Einreichung der Berufungsbegründung vom
24. Januar 1973 abgelaufen war. Im übrigen räumt der Beklagte in der
Berufungsschrift selber ein, es möge richtig sein, dass er schon einige
Zeit vor jenem Datum von der angeblich vertragswidrigen Ausführung der
streitigen Arbeiten Kenntnis gehabt habe.

    Der Beklagte stellte sich im kantonalen Verfahren subsidiär auf den
Standpunkt, der Kläger habe die angeblich mangelhafte Ausführung der
Arbeiten arglistig verschwiegen, so dass die Rüge auch nach Ablauf der
Garantiefrist während zehn Jahren habe erhoben werden können. Richtig ist,
dass bei arglistiger Verschweigung eines Mangels die Verjährungsfrist für
Ansprüche des Bestellers nach Art. 371 Abs. 1 OR - analog Art. 210 Abs. 3
OR - zehn Jahre seit der Abnahme (réception) des Werkes im Sinne von
Art. 371 Abs. 2 OR beträgt (vgl. BGE 89 II 409 Erw. 2 b). Damit war aber
der Beklagte der Pflicht nicht enthoben, den Mangel sofort nach Entdeckung
zu rügen (Art. 370 Abs. 3 OR, VON BÜREN, OR II S. 147, GAUTSCHI, N. 10
zu Art. 370 OR). Nach den Festellungen des angefochtenen Urteils hat er
keinerlei Ausführungen darüber gemacht, wann er den angeblichen Mangel
entdeckt haben will. Das Werk galt somit als genehmigt (Art. 370 Abs. 3
OR), und die Vorinstanz brauchte die Behauptung des Beklagten betreffend
Arglist, Mangel und Minderwert des Werks nicht abzuklären.

Entscheid:

Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Obergerichts (II.
Zivilkammer) des Kantons Zürich vom 3. Juli 1973 bestätigt.