Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 100 II 134



100 II 134

21. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 21. Mai 1974
i.S. Müller und Mitbeteiligte gegen Kanton Obwalden. Regeste

    Direktprozess. Werkhaftung.

    Art. 58 OR. Als Werk gilt die Strasse mit ihren Bestandteilen. Dazu
gehören auch unter der Strasse erstellte Durchlässe für Wildbäche. Der
Strasseneigentümer haftet auch für Schäden an Grundstücken, die im
Bereich der Schadenswirkung des mangelhaften Werkes liegen (Erw. 2).
Der Werkmangel im Sinne des Art. 58 OR hängt von der Zweckbestimmung des
Werkes sowie davon ab, ob die Vermeidung oder Beseitigung (tatsächlicher)
Mängel der Anlage technisch möglich und dem Eigentümer finanziell zumutbar
war (Erw. 4). Unwetter in Berggegenden gelten grundsätzlich nicht als
höhere Gewalt (Erw. 5).

    Art. 59 OR. Anspruch des Grundeigentümers auf Anordnung sichernder
Massnahmen gegen drohenden Schaden infolge mangelhafter Anlage der unter
der Strasse bestehenden Durchlässe für Wildbäche (Erw. 6).

Sachverhalt

    A.- Robert Burch-Grimm hatte am 10. Januar 1941 das landwirtschaftliche
Heimwesen "Schwendiboden" von 31 044 m2 in Giswil erworben. Es liegt an der
Brünigstrasse und wird durch diese in zwei Parzellen geteilt, eine obere
mit Nr. 440 von 11 220 m2 und eine untere mit Nr. 438 von 19 824 m2. Gemäss
Vertrag vom 20. Dezember 1967 verkaufte Robert Burch das Wiesland auf
Parzelle 440 sowie Wiesland und Scheune auf Parzelle 438 zu je hälftigem
Eigentum an Franz Müller-Amschwand und Hermann Bürgi-Gisler. Er behielt
das Eigentum am Wohnhaus mit Umschwung auf der Parzelle 438 und liess sich
das Recht einräumen, das Land dieser Parzelle "von Jahr zu Jahr gegen eine
Entschädigung von Fr. 700.-- jährlich zu nutzen". Hermann Bürgi starb am
30. Dezember 1970. Er hinterliess als Erben die Ehefrau und sechs Kinder.

    B.- Das Heimwesen Schwendiboden befindet sich im Einzugsgebiet der
Bäche des Rudenzerberges, die seit Menschengedenken bei Gewittern in
grossen Mengen Geschiebe (Steingeröll, Schlamm, Holz, Steinblöcke und
dgl.) zu Tal befördern. Zwei dieser Bäche, der sogenannte Leitigraben
("Hinter Schwendibodengraben") und der Deltigraben, verlaufen wenig
höher südöstlich der Grundstücke, von den Eckpunkten ca. 50 m bzw. 110 m
entfernt. An den für sie angelegten Durchlässen unter der Brünigstrasse
kann bei starkem Unwetter sperriges Material Stauungen verursachen und
bewirken, dass ausfliessendes Wasser über die dort eine leichte Biegung
aufweisende und deswegen im Querprofil talseitig überhöhte Strasse das
mitgeführte Geschiebe auf die untere Parzelle des Heimwesens Schwendiboden
treibt. Das soll bereits im August 1954, im Juli 1955 und in den Jahren
1959, 1960 und 1963 geschehen sein.

    Im Zusammenhang mit Bauarbeiten an der Brünigstrasse im Jahre 1956
wurden auch Anpassungen am Leitigraben-Durchlass vorgenommen. Robert Burch
glaubte, damit hätten sich die Verhältnisse verschlechtert, und machte
unter Hinweis auf frühere Schritte mit Schreiben vom 28. März 1957 den
kantonalen Baudirektor darauf aufmerksam. Das Baudepartement lehnte am
26. September 1958 jede Haftung ab.

    C.- Am 23. Juni 1970 führte ein heftiges Unwetter zu neuen
Überschwemmungen. In bisher nicht gekanntem Ausmass wurden dabei Geröll
und Schutt auf die Parzelle 438 und das zum Wohnhaus Burch gehörende Land
der beim Verkauf der Liegenschaft ausgesparten Parzelle 1475 getragen. Mit
Schreiben vom 7. November 1970 meldeten Robert Burch, Franz Müller und
Hermann Bürgi beim Regierungsrat des Kantons Obwalden Haftungsansprüche
aus Art. 58 und 59 OR an, verbunden mit der unpräjudizierlichen Anregung,
sich gütlich zu einigen. An einer Besprechung vom 19. Februar 1971 wurde
vereinbart, den Rechtsstreit gemäss Art. 42 OG vom Bundesgericht als
einziger Instanz beurteilen zu lassen.

    D.- Daraufhin klagten am 21. Juni 1971 Franz Müller, die Erben des
Hermann Bürgi und Robert Burch gegen den Kanton Obwalden mit den Begehren:

    "1.  Der Beklagte sei zu verurteilen den Miteigentümern Franz Müller
und Erbengemeinschaft Bürgi je zu 1/2 Fr. 40 000 plus 5% Zins seit dem
23. Juni 1970 zu bezahlen oder evtl. wieviel.

    2.  Der Beklagte sei zu verurteilen dem Eigentümer und Pächter
R. Burch Fr. 2300.-- plus 5% Zins seit dem 23. Juni 1970 zu bezahlen
oder evtl. wieviel.

    3.  Der Beklagte sei zu verhalten, zwecks Abwendung der Gefahr für die
Streitgenossen, Erbengemeinschaft Bürgi, Franz Müller und Robert Burch,
die gemäss Expertise erforderlichen Schutzmassregeln vorzunehmen."

    Sie machen geltend, der Schaden sei durch fehlerhafte Anlage
und mangelhaften Unterhalt der Durchlässe des Leiti- und des
Deltigrabens unter der Brünigstrasse verursacht worden. Der Kanton als
Strasseneigentümer hafte dafür gemäss Art. 58 OR und sei überdies nach
Art. 59 OR verpflichtet, die nötigen Vorkehren zur Abwendung künftiger
Gefahr zu treffen. Die Kläger 1 und 2 verlangen Fr. 40 000 für Kosten der
Räumung und Instandstellung der Parzelle 438 und der Kläger 3 beansprucht
Fr. 2300.-- für Nutzungsausfaall in zwei Jahren hinsichtlich der Parzelle
438 (Fr. 1600.--) und des Gartens (Fr. 200.--) sowie für die Kosten der
Wiederinstandstellung der Zäune (Fr. 200.--) und des Brunnentroges auf der
Parzelle 1475 (Fr. 300.--). In der Hauptverhandlung erweitert der Kläger
3 das Klagebegehren 2 auf Fr. 4100.--, indem er für Nutzungsausfall des
Wieslandes und des Gartens für weitere zwei Jahre Fr. 1800.-- verlangt.

    Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen, eventuell ihn
zu verpflichten, die Parzelle 438 auf eigene Kosten zu säubern und
instandzustellen und dem Kläger 3 für die Wiederherstellung der Zäune
und des Brunnentroges eine richterlich festzusetzende Entschädigung
auszurichten. Er bestreitet, die angeblich fehlerhafte Anlage der
Durchlässe und lehnt die Haftung sowohl grundsätzlich und - für den Fall
eines Werkmangels - wegen nicht adäquaten Kausalzusammenhanges ab.

    E.- Nach einfachem Schriftenwechsel fanden im Beisein des
Sachverständigen in Giswil die Vorbereitungsverhandlung und anschliessend
ein Augenschein bei den Grabendurchlässen der Brünigstrasse sowie auf
den bis dahin nicht gereinigten Grundstücken der Kläger statt.

    In der Folge holte der Instruktionsrichter vom Sachverständigen ein
schriftliches Gutachten ein, das von den Parteien nicht beanstandet wurde
und auch dem Gericht keinen Anlass zu Ergänzungen gab.

    Ein Gesuch der Kläger um Erlass einer vorsorglichen Verfügung
zur Abwehr drohenden Schadens im Sinne von Art. 79 ff. BZP hat der
Instruktionsrichter abgewiesen.

Auszug aus den Erwägungen:

                       Aus der Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- (Prozessrecht.)

Erwägung 2

    2.- Die Brünigstrasse ist Kantonshauptstrasse und nach Rechtsprechung
und Lehre ein Werk im Sinne des Art. 58 OR. Werkcharakter haben auch
ihre Bestandteile, wie die eingebauten Durchlässe des Leiti- und des
Deltigrabens (BGE 98 II 40, 91 II 484, 487; OFTINGER Haftpflichtrecht II/1
S. 36, 69; KELLER, Haftpflicht im Privatrecht S. 144; GUHL/MERZ/KUMMER,
OR S. 193 mit zahlreichen Hinweisen). Eigentümer der Strasse und damit
ihrer Durchlässe ist der Beklagte. Er haftet nach Art. 58 OR grundsätzlich
für den Schaden, der durch fehlerhafte Anlage oder Herstellung oder durch
mangelhaften Unterhalt des Werkes verursacht wird. Gemeint ist damit nicht
nur der Schaden an Personen und beweglichen Sachen, sondern auch an den
benachbarten Grundstücken (Nrn. 438 und 1475), deren Eigentümer die Kläger
sind (BGE 91 II 485 f). Als benachbart (das eben genannte Präjudiz spricht
sich darüber nicht näher aus) haben hier neben den direkt anstossenden,
entsprechend der allgemeinen Tragweite des Art. 58 OR - der hinsichtlich
der Anspruchsberechtigung über Art. 679 ZGB hinausgeht - alle im Bereiche
der Schadenswirkung eines Werkmangels liegenden Grundstücke zu gelten
(so bereits FRÖLICHER, Die Abgrenzung der Haftung des Werkeigentümers nach
Art. 58 OR von der Verantwortlichkeit des Grundeigentümers nach Art. 679
ZGB, Diss. Bern 1950, S. 91 f in Verbindung mit S. 68 f).

    Analog verhält es sich für Art. 59 OR, der Art. 58 OR ergänzt und
unter gleichen Haftungsbedingungen einen zusätzlichen Anspruch gibt
(BGE 98 II 324).

Erwägung 3

    3.- a) Die Kläger belangen den Beklagten wegen eingetretenen
und drohenden Übersarungen ihrer Grundstücke aus dem Leiti- und dem
Deltigraben. Der Beklagte lehnt die Gleichstellung der beiden Bergbäche
("Gräben") ab und hält dafür, dass der Deltigraben und dessen Durchlass
im Prozess ausser acht bleiben könne.

    Das trifft nicht zu. Nach den Feststellungen des Sachverständigen
befinden sich beide Bäche in einem geologisch ähnlichen Einzugsgebiet und
weisen oberhalb der Brünigstrasse kein wesentlich verschiedenes Gefälle
auf. Dagegen ist der Leitigraben mit einem wesentlich reichlicheren
und schwereren Geschiebe befrachtet. Die beiden Durchlässe sind zwar von
verschiedener Beschaffenheit, genügen aber für die Ableitung von Murgängen
nicht. Ferner steht fest, dass bei den Übersarungen vom 23. Juni 1970
infolge Verstopfung beider Durchlässe das Material des Deltigrabens
mindestens teilweise strassenabwärts geflossen sein und sich dort am
Geschiebehaufen des Leitigrabens zusätzlich aufgestaut haben dürfte. Der
Vertreter des Beklagten gab denn auch beim gerichtlichen Augenschein zu,
dass Mur auch aus dem Deltigraben auf die Grundstücke gelangte.

    b) Nach unbestrittener Darstellung des Beklagten wurde die
Brünigstrasse von Giswil nach Kaiserstuhl ungefähr im Jahre 1860 mit der
heutigen Linienführung als Fahrstrasse erstellt. Im Jahre 1936 sodann wurde
diese Strecke - was vorher geschah, ist ungewiss - als Alpenstrasse mit
Hilfe von Bundessubventionen und auf Grund eines eidgenössisch genehmigten
Projektes ausgebaut sowie der bisherige Durchlass des Leitigrabens etwas
verlängert, in den Dimensionen aber nicht verändert. Schliesslich wurde im
Jahre 1956 bei örtlichen Arbeiten an der Strasse der Leitigraben-Durchlass
umgebaut.

    c) Die Kläger behaupten, durch Umbauarbeiten an der Brünigstrasse im
Jahre 1956 sei die Stauungsgefahr an den ohnehin ungenügend dimensionierten
Durchlässen erhöht worden. Der Sachverständige stellt indessen fest,
dass damals im Bereich der beiden Durchlässe an der Strasse keine
baulichen Veränderungen vorgenommen wurden, die den natürlichen Abfluss
des Geschiebes beeinträchtigt und damit die Gefahr für die bedrohten
Liegenschaften erhöht hätten; dass der Umbau des Leitigrabens eine ganz
wesentliche Verbesserung der Durchflussverhältnisse (Durchflusskapazität,
Ein- und Auslaufverhältnisse) bewirkt habe und dass der Durchlass des
Leitigrabens seit 1936 unverändert blieb, noch heute die ursprünglichen
Dimensionen und die ehemals in Natursteinplatten ausgeführte Abdeckung
aufweist.

    d) Ferner stellt der Sachverständige fest, dass in bautechnischer
und funktioneller Hinsicht die beiden Durchlässe dem freien Wasserablauf
genügen, jedoch wegen der allgemein zu kleinen Dimensionierung und der
Gefällsbrüche für die Ableitung von Murgängen nicht geeignet sind.

Erwägung 4

    4.- Demnach ist erwiesen, dass die Durchlässe des Leiti- und des
Deltigrabens für Murgänge, mit denen bei Wildbächen zu rechnen ist,
tatsächlich nicht genügen. Zu prüfen ist, ob sie auch im Rechtssinne
mangelhaft sind.

    Das hängt zunächst ab von der Zweckbestimmung des Werkes (BGE 96 II
341, 94 II 153, 91 II 487, 90 II 229; KELLER, aaO S. 147) und ist unter
diesem Gesichtspunkte ohne weiteres zu bejahen. Die Durchlässe sind so
angelegt, dass sie das Wasser und Geschiebe der Bergbäche nicht ableiten
und damit auch den Verkehr auf der Brünigstrasse nicht sichern können.

    Weitere Voraussetzung ist sodann, dass die Vermeidung oder Beseitigung
nachträglich entstandener Mängel der Anlage technisch möglich und dem
Eigentümer finanziell zumutbar war. Die entsprechenden Kosten müssen in
einem vernünftigen Verhältnis stehen zum Schutzinteresse der Benützer des
Werkes und zu dessen Zweck (BGE 98 II 43 f, 90 II 231, 66 II 112; OFTINGER,
aaO S. 47; KELLER, aaO S. 148 f). Zwar dürfen nach der Rechtsprechung in
bezug auf Anlage und Unterhalt von Strassen nicht Anforderungen gestellt
werden, die auf einen technischen Höchststand abzielen (vgl. BGE 90 IV 270,
59 II 395, OFTINGER aaO S. 43 und 73). Aber darum geht es hier nicht,
sondern um durchaus elementare Schutzvorkehren. Die Brünigstrasse ist
eine viel befahrene Alpenstrasse und gilt als Hauptstrasse. Sie ist mit
Bezug auf das Trasse bautechnisch richtig angelegt, insbesondere über den
fraglichen Durchlässen, und auch in der Linienführung offenbar nicht zu
beanstanden. Aber sie führt zwischen Giswil und Kaiserstuhl durch ein mit
Wildbachläufen durchzogenes Gebiet und ist deswegen natürlichen Gefahren
ausgesetzt. Zudem schafft sie durch den künstlichen Eingriff in den freien
Ablauf der Bäche, den ihre Anlage darstellt, zusätzliche Gefahren nicht
nur für den Verkehr, sondern auch für das umliegende Gelände. Der Beklagte
hat selber eingesehen, dass für Abhilfe der bestehenden Gefahren gesorgt
werden muss, auch wenn er eine entsprechende Rechtspflicht bestreitet.

    Nach dem Sachverständigen fallen grundsätzlich zwei Arten von
Sicherungsmassnahmen in Betracht, die darin bestehen, entweder das
"Zustandekommen von Murgängen grösseren... Umfanges an der Wurzel zu
unterbinden" bzw. auftretende Murgänge vor dem Erreichen der Durchlässe an
der Strasse abzufangen (Variante 1) oder durch bauliche Veränderungen der
Strassenkreuzung (Über- oder Unterführungen) den ungehinderten Abfluss
der Murgänge zu gewährleisten (Variante 2). Der Experte schildert und
beurteilt im Rahmen der beiden Varianten 6 verschiedene Möglichkeiten,
die Brünigstrasse und deren Durchlässe als Ursachen für die eingetretenen
Schäden auszuschalten. Dabei lehnt er die Erstellung von Galerien über
der Strasse (Variante 2a), die Hebung der Brünigstrasse (Variante 2ba),
die Vertiefung der Durchlasssohlen (Variante 2bb) aus überzeugenden
wasser- und strassenbautechnischen Gründen ab. Dagegen erachtet er als
durchführbare und wirksame Massnahmen die Gewässerverbauung (Variante 1a)
mit einem Kostenaufwand von ca. 1,5 - 1,7 Mio Franken pro Graben, die
Erstellung von Geschiebesammlern unmittelbar oberhalb der Durchlässe mit
einem Aufwand von ca. Fr. 170 000.-- pro Anlage, Erschliessung inbegriffen
(Variante 1b) und endlich die seitliche Verschiebung der Brünigstrasse
aus dem Hang hinaus über eigens erstellte Brücken (unter welchen die
Rüfengänge ohne Behinderung durchfluten und sich auf dem Schuttkegel
ablagern könnten) mit einem Aufwand von 3,l Mio Franken für den Bereich
des Leiti- und des Deltigrabens und weiteren Kosten von 0,8 Mio Franken
für die Mitberücksichtigung des Rütigrabens (Kostenberechnungen auf
Preisbasis 1972). Der Beklagte hätte die eine oder andere vom Experten
als tauglich erachtete Massnahme schon beim Ausbau der Brünigstrasse
treffen können. Er hat nunmehr für die Verschiebung der Brünigstrasse ein
Projekt erstellt und berechnet, kann es aber nach seiner Darstellung in
der Klageantwortschrift nicht ausführen, weil die erforderlichen Mittel
angesichts der angespannten Finanzlage und dringlicherer öffentlicher
Aufgaben nicht zu beschaffen seien. Dieses Argument gilt nicht bloss
für die heutige Lage, sondern hätte auch beim Ausbau der Brünigstrasse in
der Krisenzeit anerkannt werden müssen. Denn schon damals wäre es, wenn
auch bei tieferen Ansätzen, um einen namhaften Mehraufwand gegangen, der
jedenfalls dann nicht geboten war, wenn dem Beklagten eine billigere Lösung
offen stand. Eine solche hätte im Einbau einer Geschiebesammler-Anlage
bestanden; sie wäre nicht nur objektiv angezeigt und zur Gewährleistung
der rechtlichen Mängelfreiheit geeignet, sondern dem Beklagten finanziell
auch zumutbar gewesen.

Erwägung 5

    5.- Der Sachverständige führt die an den Liegenschaften der Kläger
entstandenen Schäden auf den Bestand der Brünigstrasse und ihre für die
Ableitung von Murgängen ungenügenden Durchlässe zurück. Diese Feststellung
über den natürlichen Kausalzusammenhang wird nicht dadurch entkräftet,
dass die Grundstücke auch bei freiem Ablauf der Murgänge, d.h. wenn es
die Brünigstrasse und ihre Durchlässe nicht gäbe, gefährdet wären. Denn es
steht nicht fest, ob und gegebenenfalls wann die Bäche durch die im Laufe
der Jahre auftretenden Pendelbewegungen die Liegenschaften mit Geschiebe
überschwemmt hätten. Offenkundig ist, dass die auf mangelhafte Erstellung
und Anlage eines Werkes zurückzuführende Fehlleitung von Murgängen
nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge und der Lebenserfahrung geeignet
ist, die streitigen Schäden zu verursachen, weshalb auch der adäquate
Kausalzusammenhang erfüllt ist (vgl. BGE 98 II 291 mit Hinweisen).

    Der Beklagte behauptet, das Unwetter vom 23. Juni 1970 sei eine
eigentliche Naturkatastrophe im Sinne höherer Gewalt gewesen. Dieser
Einwand trifft jedoch nicht zu. Gewitter mit wolkenbruchartigen Regenfällen
in der warmen Jahreszeit sind hier, insbesondere in Berggegenden, nicht so
aussergewöhnlich, dass mit ihnen nicht gerechnet werden muss (vgl. BGE 91
II 487 E. 8). Der Experte stellt denn auch fest, dass rasch abfliessende
Hochwasser und grosse Murgänge bei starken Niederschlägen eine normale
Folge der Lage und der Geologie des Einzugsgebietes der beiden Bäche
seien. Beim derzeitigen Zustand der Durchlässe an der Strasse bedurfte
es ohnehin keiner Naturkatastrophe für die Verursachung von Stauungen und
Übersarungen. Dass am 23. Juni 1970 mehr Geschiebe auf die Grundstücke der
Kläger gelangte als bei früheren Ablagerungen, braucht nicht allein mit der
Heftigkeit des Unwetters zusammenzuhangen, sondern kann auch auf Zufall,
wie früherer oder dichterer Verstopfung der Durchlässe, beruhen. Jedenfalls
ist nicht erwiesen, dass der fragliche Murgang das durch die naturgegebenen
Verhältnisse an den Bächen bestimmte Ausmass überschritten hat. Das kann
umsoweniger angenommen werden, als die Kenntnis und Erfahrung der Parteien
über das Verhalten der beiden Bäche bloss wenige Jahrzehnte zurückreichen,
während Rüfengänge im fraglichen Gebiet offenbar seit Jahrtausenden
vorkommen und auch nach dem Ereignis vom 23. Juni 1970 solange in Betracht
zu ziehen sind, als keine Sanierungsmassnahmen getroffen werden.

Erwägung 6

    6.- a) Zusammenfassend ergibt sich, dass der Beklagte als Eigentümer
eines mit Mängeln behafteten Werkes gegenüber den Klägern sowohl für den
Ersatz eingetretenen wie für die Abwehr drohenden künftigen Schadens nach
Art. 58/59 OR haftet.

    b) Der Beklagte hat sich im Eventualstandpunkt zum Klagebegehren 1
bereit erklärt, die den Klägern 1 und 2 gehörende Parzelle 438 auf eigene
Kosten selber zu säubern und instandzustellen.

    Nach Art. 43 Abs. 1 OR bestimmt der Richter Art und Umfang des
Schadenersatzes. Die Kläger 1 und 2 stellen eine Forderung von Fr. 40
000.--, um die Kosten der Räumung und Instandstellung der Parzelle 438
zu decken. Dieser Aufwand entsteht ihnen nicht, wenn der Beklagte die
erforderlichen Arbeiten selber ausführt. Sie erhalten also das, was ihnen
zukommt. Es besteht demnach kein Grund, ihnen Geldersatz zuzusprechen,
statt den Beklagten gemäss Eventualantrag zu verpflichten. Unter diesen
Umständen wird das Begehren der Kläger, den Schaden zu begutachten,
gegenstandslos.

    c) (Ausführungen über die Anerkennung des nachträglich erweiterten
Klagebegehrens 2).

    d) Die Kläger sind unter den geschilderten Verhältnissen mit weiterem
Schaden bedroht. Sie haben daher gemäss Klagebegehren 3 Anspruch auf
Anordnung sichernder Massnahmen (vgl. dazu E. 4) Unter diesem Gesichtspunkt
ist der Einbau von Geschiebesammlern in angepasster Grösse oberhalb der
Durchlässe des Leiti- und des Deltigrabens als zweckmässig und genügend
zu erachten. Der vom Experten als "wünschbar" bezeichnete Ausbau des
Deltigraben-Durchlasses ist der Aufmerksamkeit des Beklagten zu empfehlen,
scheint aber, da jener Durchlass im Vergleich zum Leitigraben-Durchlass
für die Grundstücke der Kläger ohnehin eine geringere Bedrohung darstellt,
nicht unmittelbar geboten. Der finanzielle Aufwand für die Erstellung der
Sammler, ihre periodische Entleerung und den Abtransport des Materials
ist dem Beklagten umsomehr zuzumuten, als die fragliche Massnahme auch
der Sicherung des Verkehrs auf der Brünigstrasse dient. Die entsprechenden
Kosten dürften auch in einem vernünftigen Verhältnis stehen zum Aufwand,
den der Beklagte im Laufe der Jahre für die Behebung eigenen und fremden
Schadens zu tragen hätte, wenn nicht für Abhilfe des bestehenden
Zustandes gesorgt würde. Die Ausführung der Anlage sollte, wie eine
mündliche Rückfrage des Instruktionsrichters beim Experten ergeben hat,
etwa drei Monate beanspruchen, jedoch vorzugsweise in einer Jahreszeit,
da wenig Wasser anfällt, d.h. im Herbst erfolgen, so dass ab heute mit
sechs Monaten zu rechnen ist.

    Anderseits ist nicht schlechthin auszuschliessen, dass der Beklagte
im Rahmen eines umfassenderen Projektes und allenfalls im Einvernehmen
mit der Gemeinde Giswil eine andere Lösung, wie beispielsweise den
Gewässerausbau, vorzöge. Das kann durch entsprechende Fassung des
Urteilsspruchs vorbehalten werden, wobei zu beachten ist, dass der
Zeitaufwand grösser wäre, daher die genannte Frist für Planung des
Projektes und Beginn der Arbeiten zu gelten hätte.

Entscheid:

Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Klage wird dahin gutgeheissen, dass der Beklagte verpflichtet wird,

    a)  die im Eigentum der Kläger 1 und 2 stehende Parzelle Nr. 438 in
Giswil auf eigene Kosten zu säubern und instandzustellen;

    b)  dem Kläger 3 fr. 4100.-- nebst 5% Zins ab 23. Juni 1970 zu
bezahlen;

    c)  zur Abwendung des den Klägern drohenden Schadens bei den
Druchlässen des Leiti- und des Deltigrabens an der Brünigstrasse
grössenmässig angepasste Geschiebesammler mit den nötigen Zufahrten
binnen sechs Monaten zu erstellen und in der Folge zu unterhalten oder
innert der gleichen Frist eine andere im Sinne der Erwägungen geeignete
Sicherungsmassnahme zu planen und anhandzunehmen.