Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 100 III 64



100 III 64

17. Entscheid vom 7. August 1974 i.S. Konkursmasse Holzbau AG. Regeste

    Kompetenzverteilung zwischen Aufsichtsbehörden und Richter

    Die endgültige Entscheidung über die Frage, was als Vermögen des
Gemeinschuldners zur Konkursmasse gehört und was Dritte beanspruchen
können, obliegt dem Richter.

Sachverhalt

    A.- Am 9. Januar 1974 eröffnete der Präsident des Bezirksgerichts
Frauenfeld den Konkurs über die Holzbau AG. Unmittelbar nach der
Konkurseröffnung befriedigte diese die drei betreibenden Gläubiger.
Insbesondere bezahlte sie dem Vertreter der Edwin Vogt AG, Dr. Kurt
H. Etter, einen Betrag von Fr. 11 550.50. Gleichzeitig erhob sie Beschwerde
gegen das Konkurserkenntnis, welcher der Präsident der Rekurskommission
des Obergerichtes des Kantons Thurgau aufschiebende Wirkung beilegte. Die
Rekurskommission wies indessen die Beschwerde ab und legte den neuen
Konkurseröffnungstermin auf den 14. Februar 1974 fest. Mit Verfügung vom
27. Februar 1974 wies hierauf das Konkursamt Frauenfeld Dr. Etter an, die
bei ihm deponierte Summe von Fr. 11 550.50 unverzüglich dem Betreibungsamt
Matzingen auszuzahlen, da diese Summe in die Konkursmasse falle.

    B.- Gegen diese Verfügung beschwerte sich die Edwin Vogt AG bei der
Rekurskommission des Obergerichtes des Kantons Thurgau als kantonaler
Aufsichtsbehörde über Schuldbetreibung und Konkurs. Am 5. April 1974
fällte diese folgenden Entscheid:

    "1. Die Beschwerde wird geschützt. Der angefochtene Entscheid wird
aufgehoben und die Beschwerdeführerin als berechtigt erklärt, den am
9.1.1974 seitens der Holzbau AG bezahlten Betrag von Fr. 11 550.50 als
Zahlung für sich zu behalten.

    "2. ... (Mitteilungen)."

    In der Begründung führte die Rekurskommission aus, der Schuldner bleibe
bis zur Bestätigung des Konkurserkenntnisses durch die Rekursinstanz
dispositionsfähig, wenn der Beschwerde gegen die Konkurseröffnung
aufschiebende Wirkung beigelegt werde. Insbesondere könne er rechtsgültig
Schulden tilgen. Die streitige Zahlung der Holzbau AG stehe daher der
Edwin Vogt AG und nicht der Konkursmasse zu.

    C.- Mit dem vorliegenden Rekurs an die Schuldbetreibungs- und
Konkurskammer des Bundesgerichts beantragt des Konkursamt Frauenfeld namens
der Konkursmasse der Holzbau AG, der Entscheid der Rekurskommission sei
aufzuheben und die Edwin Vogt AG zu verpflichten, ihm den Betrag von
Fr. 11 550.50 zuhanden der Konkursmasse auszuhändigen.

    Die Edwin Vogt AG beantragt in ihrer Vernehmlassung die Abweisung
des Rekurses.

    Mit Verfügung vom 8. Mai 1974 erteilte der Präsident der
Schuldbetreibungs- und Konkurskammer dem Rekurs aufschiebende Wirkung.

Auszug aus den Erwägungen:

    Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Als Konkursverwaltung hat das Konkursamt die Interessen der Masse
zu wahren. Es ist daher legitimiert, den diese Interessen berührenden
Entscheid der kantonalen Aufsichtsbehörde im Namen der Masse an das
Bundesgericht weiterzuziehen (BGE 97 III 96, 96 III 107, 85 III 91/92
mit Hinweisen).

Erwägung 2

    2.- Angesichts der bundesgerichtlichen Rechtsprechung (vgl. BGE 85
III 158, 79 III 46 ff., 54 III 11 f.) bestreitet das Konkursamt zu Recht
nicht, dass die Schuldnerin bis zur Bestätigung des Konkurserkenntnisses
durch die Rekurskommission dispositionsfähig blieb und daher an sich bis
zu diesem Zeitpunkt in der Lage war, die Schuld gegenüber der Edwin Vogt
AG rechtsgültig zu tilgen. Es macht jedoch geltend, in der Aushändigung
des streitigen Betrages an Dr. Etter sei keine eigentliche Zahlung zu
erblicken. Die Hingabe des Geldes sei vielmehr unter der Bedingung
erfolgt, dass das Konkursdekret aufgehoben werde. Diese Bedingung
sei aber in der Folge nicht eingetreten, da die Rekurskommission das
Konkurserkenntnis im Gegenteil bestätigt habe. Deshalb müsse der Betrag
der Konkursmasse zurückbezahlt werden.

    Ob die Zahlung den ihr vom Konkursamt beigelegten Sinn gehabt habe
und ob die Edwin Vogt AG das Geld behalten dürfe, ist indessen nicht
von den Aufsichtsbehörden zu entscheiden. Es handelt sich dabei um eine
materiell-rechtliche Auseinandersetzung zwischen der Konkursverwaltung
und einem Dritten darüber, was als Vermögen des Gemeinschuldners zur
Konkursmasse gehört und was der Dritte beanspruchen kann. Die endgültige
Entscheidung über eine solche Frage obliegt jedoch dem Richter (JAEGER,
N. 4C zu Art. 197 SchKG). Befindet sich die vom Dritten beanspruchte Sache
in dessen Gewahrsam, so kann die Konkursverwaltung sie nur durch Klage zur
Masse ziehen; durch blosse Verfügung kann sie dagegen den Dritten nicht zur
Herausgabe der Sache verpflichten (BGE 99 III 14 ff. mit Hinweisen). Im
Ergebnis hat daher die Rekurskommission richtig entschieden, wenn sie
die Beschwerde der Edwin Vogt AG gegen die Verfügung des Konkursamtes,
gemäss welcher der streitige Betrag in die Konkursmasse einzuwerfen war,
guthiess. Sie war dagegen nicht kompetent, darüber zu befinden, ob die
Edwin Vogt AG das Geld behalten dürfe. Der diesbezügliche Passus ist
deshalb aus dem Dispositiv des angefochtenen Entscheids zu streichen.

Entscheid:

Demnach erkennt die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer:

    In teilweiser Gutheissung des Rekurses wird folgender Teil von
Dispositiv Ziffer 1 des angefochtenen Entscheids gestrichen: "und die
Beschwerdeführerin als berechtigt erklärt, den am 9.1.1974 seitens
der Holzbau AG bezahlten Betrag von Fr. 11 550.50 als Zahlung für sich
zu behalten". Im übrigen wird der angefochtene Entscheid im Sinne der
Erwägungen bestätigt.