Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 100 III 48



100 III 48

14. Entscheid vom 7. August 1974 i.S. Wehan Trust. Regeste

    1.  Betreibung für eine Forderung, für die mehrere Grundstücke
verpfändet sind. Die Bestimmung des Art. 816 Abs. 3 ZGB, wonach in diesem
Fall die Betreibung auf Pfandverwertung gleichzeitig gegen alle Grundstücke
zu richten ist, hat zwingenden Charakter.

    2.  Ein Rechtsöffnungsentscheid äussert ausschliesslich
betreibungsrechtliche Wirkungen; er schafft bloss Recht für die betreffende
Betreibung.

Sachverhalt

    A.- Am 15. Oktober 1971 errichtete Ursula Yourievsky-Beer zugunsten
des Wehan Trust reg., Vaduz, für den Betrag von Fr. 350 000.-- eine
Grundpfandverschreibung im ersten Rang auf Parzelle 9-92 sowie in
"letzter Pfandstelle mit einem springenden Nachrückungsrecht" auf
weitern 23 Grundbuchparzellen der sog. "Oase-Run-Liung" in Laax. Am
25. Juli 1972 leitete der Wehan Trust für die Forderung von Fr. 350
000.-- gegen Frau Yourievsky beim Betreibungsamt Ilanz Betreibung auf
Grundpfandverwertung ein (Betreibung Nr. 298/72). Im Laufe des langwierigen
Betreibungsverfahrens leistete die Schuldnerin am 1. Oktober 1973 eine
Abschlagszahlung von Fr. 50 000.--. Schliesslich führte das Betreibungsamt
Ilanz am 11. Februar 1974 für die Parzelle 9-92 der Oase-Run-Liung die
Grundpfandverwertung durch, die jedoch erfolglos verlief. Der Wehan Trust
erhielt am 21. Februar 1974 einen Pfandausfallschein.

    B.- Bereits am 26. Februar 1973 hatte der Wehan Trust gegen Frau
Yourievsky für denselben Betrag Betreibung auf Grundpfandverwertung der 23
weiteren verpfändeten Grundstücke angehoben (Betreibung Nr. 76/73). Obwohl
die Schuldnerin in diesem Verfahren die.Aberkennungsklage angestrengt
hatte, erhielt der Wehan Trust vom Kreisamt Ilanz am 4. Februar 1974
für den erlangten Rechtsöffnungsentscheid eine Rechtskraftbescheinigung,
worauf das Betreibungsamt Ilanz der Schuldnerin das Verwertungsbegehren
mit der Steigerungsanordnung zustellte.

    C.- Frau Yourievsky reichte hierauf beim Kantonsgerichtsausschuss
von Graubünden zwei Beschwerden ein. Mit der ersten verlangte sie, dass
in der Betreibung Nr. 76/73 die Anordnung der Steigerung aufzuheben
und festzustellen sei, dass die Verwertung vor Abschluss des pendenten
Aberkennungsprozesses nicht angeordnet werden dürfe. Mit der zweiten
Beschwerde beantragte sie, den in der Betreibung Nr. 298/72 erlassenen
Pfandausfallschein aufzuheben und das Betreibungsamt Ilanz anzuweisen,
eine zweite Steigerung anzuordnen.

    D.- Der Kantonsgerichtsausschuss behandelte die beiden Beschwerden
in demselben Verfahren. Er hob in der Betreibung Nr. 76/73 die
Steigerungsanordnung auf. Das Begehren um Anordnung einer zweiten
Steigerung in der Betreibung Nr. 298/72 lehnte er ab und erklärte
zugleich den ausgestellten Pfandausfallschein als hinfällig. Zudem
sistierte er im Betreibungsverfahren Nr. 298/72 die Verwertung, bis
das Betreibungsverfahren Nr. 76/73 bezüglich der andern mitverhafteten
Grundstücke in das Verwertungsstadium gelangt sei.

    E.- Gegen dieses Urteil des Kantonsgerichtsausschusses hat der Wehan
Trust beim Bundesgericht Rekurs eingereicht. Er stellt folgende Anträge:

    "a)  Es sei das Betreibungsamt anzuweisen, in der Betreibung Nr. 298/72
alle in der Grundpfandverschreibung vom 15. 10. 1971 im Betrage von
Fr. 350 000.-- bezeichneten Parzellen zu verwerten.

    b)  Eventualiter:

    Es sei das Betreibungsamt Ilanz anzuweisen, im Verwertungsstadium
die Betreibungen Nr. 298/72 und 76/73 zusammenzulegen.

    c)  Es sei festzustellen, dass das Urteil des
Kantonsgerichtsausschusses in Sachen der Parteien betreffend Rechtsöffnung
vom 25.5.1973 rechtskräftig geworden ist."

Auszug aus den Erwägungen:

    Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Der Rekurrent hatte im Betreibungsbegehren, mit dem er für die
Forderung von Fr. 350 000.-- die Grundpfandverwertung verlangte, als Grund
der Forderung angegeben: "Grundpfandverschreibung vom 15. Oktober 1972
auf Parzelle 9-92 der 'Oase-Run-Liung' (L- und S-Register) ca. 3619 m2
im I. Rang mit springendem Nachrückungsrecht auf das ganze Grundstück";
zudem hatte er dem Begehren die Grundpfandverschreibung in Photokopie
beigelegt. Er verlangte demnach bloss die Verwertung des Grundstückes 9-92
von ca. 3619 m2 der "Oase-Run Liung". Wohl hätte der Betreibungsbeamte auf
Grund des Pfandtitels erkennen können, dass für dieselbe Schuld weitere
23 Grundstücke verpfändet waren, und dem Gläubiger mitteilen sollen,
dass gemäss Art. 816 Abs. 3 ZGB eine Betreibung auf Pfandverwertung dieses
Grundstückes nur möglich sei, falls gleichzeitig die Verwertung aller mit
der gleichen Schuld belasteten Grundstücke verlangt werde. Aber entgegen
der Ansicht des Rekurrenten durfte der Betreibungsbeamte die Betreibung
keinesfalls von sich aus auf die übrigen Grundstücke ausdehnen, deren
Verwertung im Betreibungsbegehren nicht verlangt worden war. Infolgedessen
kann es nun ebenfalls nicht angehen, das Betreibungsamt anzuweisen,
alle Grundstücke in dieser Betreibung zu verwerten.

Erwägung 2

    2.- Die Bestimmung des Art. 816 Abs. 3 ZGB ist eine solche zwingenden
Rechtes, gegen deren Verletzung die Aufsichtsbehörden von Amtes wegen und
unabhängig davon, ob bei ihnen rechtzeitig Beschwerde erhoben worden ist,
einzuschreiten haben (BGE 40 III 248/249). Die kantonale Aufsichtsbehörde
hat deshalb zu Recht in das Betreibungsverfahren Nr. 298/72 eingegriffen
und den Pfandausfallschein, der dem Gläubiger nach der unzulässigen
Verwertung des Grundstückes 9-92 ausgestellt worden war, für ungültig
erklärt. Die Verwertung dieser Parzelle wird erst dann möglich sein,
wenn auch das andere Betreibungsverfahren, das sich auf die übrigen 23
Parzellen bezieht, in das Verwertungsstadium gelangt ist.

Erwägung 3

    3.- Ein Rechtsöffnungsentscheid äussert ausschliesslich
betreibungsrechtliche Wirkungen; er schafft bloss Recht für die betreffende
Betreibung. Leitet der Gläubiger demnach für dieselbe Forderung eine
neue Betreibung ein, so kann er, auch wenn er in einem frühern Verfahren
Rechtsöffnung erlangt hat, dem Schuldner im neuen Rechtsöffnungsverfahren
nicht die Einrede der abgeurteilten Sache entgegenhalten (JAEGER,
Schuldbetreibung und Konkurs, 3. Aufl., N. 7 zu Art. 80 SchKG;
FRITZSCHE, Schuldbetreibung und Konkurs, Bd. I, S. 137). Der Schuldner
kann somit die neue Betreibung wiederum durch Rechtsvorschlag hemmen
und, sofern dem Gläubiger die provisorische Rechtsöffnung bewilligt
wird, die Fortsetzung der Betreibung durch fristgemässes Anheben der
Aberkennungsklage verhindern. Alsdann wird erst im Aberkennungsprozess
über die Forderung materiell entschieden.

    Im vorliegenden Fall kann sich folglich der Gläubiger in der Betreibung
auf Verwertung der 23 restlichen Parzellen nicht auf den im frühern
Verfahren erlangten Rechtsöffnungstitel berufen.

Entscheid:

Demnach erkennt die Schuldbetr.- und Konkurskammer:

    Der Rekurs wird abgewiesen.