Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 100 III 35



100 III 35

11. Urteil der II. Zivilabteilung vom 21. Mai 1974 i.S. Näf AG und
Mitbeteiligte gegen Klingentalmühle

AG Regeste

    Kollokationsklage; Art. 250 SchKG.

    Die Kantone können vorsehen, dass dem Kollokationsprozess ein
Vermittlungsverfahren vorauszugehen habe. Machen sie von dieser Möglichkeit
Gebrauch, so ist es auch ihnen überlassen, innerhalb des Bezirkes des
Konkursgerichts das für das Vermittlungsverfahren zuständige Vermittleramt
zu bezeichnen (Erw. 2).

    Art. 139 OR

    Diese Bestimmung verpflichtet den unzuständigen Richter nicht, dem
Kläger eine Nachfrist anzusetzen. Die Frage der Anwendbarkeit von Art. 139
OR stellt sich erst, wenn die zurückgewiesene Klage beim zuständigen
Richter bzw. in verbesserter Form neu eingereicht wird (Erw. 3).

Sachverhalt

    A.- Im Konkurs des in Oberbüren wohnhaften Kurt Näf erhoben die Näf AG,
Emmi Näf-Brüschweiler und Karl Näf am 6. Juni 1973 beim Vermittleramt
Wil Kollokationsklage gegen die Klingentalmühle AG, mit folgenden
Rechtsbegehren:

    "1. Die im Konkurs Kurt Näf, Buchental, Oberbüren, gemäss
Kollokationsplan vom 29. Mai 1973 in der V. Klasse kollozierte Forderung
der Beklagten aus Kaufvertrag über Fr. 106 413.-- sei teilweise abzuweisen.

    " 2. Demnach sei der Kollokationsplan in dem Sinne abzuändern, dass
nur eine Forderung der Beklagten von Fr. 33 000.-- als Forderung V. Klasse
kolloziert wird."

    Am 6. Juli 1973 stellte der Vermittler den Leitschein aus. Als Ende
der Einschreibefrist wurde der 6. Oktober 1973 angegeben.

    Am 16. August 1973 wurde die Klage beim Bezirksgericht Wil eingereicht.
Dieses trat jedoch mit Urteil vom 12. Okto ber 1973 "mangels rechtzeitiger
Anhängigmachung" nicht darauf ein. In der Begründung führte es aus,
bei den im beschleunigten Verfahren zu behandelnden Prozessen betrage
die Einschreibefrist lediglich 14 Tage; diese Frist stehe während
der Gerichtsferien nicht still; sie sei daher bei Einleitung der Klage
längst abgelaufen gewesen; auf die Klage sei überdies auch deswegen nicht
einzutreten, weil sie beim örtlich unzuständigen Vermittleramt eingeleitet
worden sei; zuständig sei nämlich nicht das Vermittleramt am Sitze des
Konkursamtes in Wil, sondern dasjenige am Wohnsitz des Gemeinschuldners,
also dasjenige von Oberbüren.

    B.- Eine Berufung gegen diesen Entscheid wurde vom Kantonsgericht
St. Gallen am 20. Dezember 1973 abgewiesen. Auch das Kantonsgericht
verneinte sowohl die Zuständigkeit des angerufenen Vermittleramtes als
auch die Rechtzeitigkeit der Einschreibung der Klage beim Gericht.

    C.- Gegen das Urteil des Kantonsgerichts erklärten die Kläger die
Berufung ans Bundesgericht. Gleichzeitig führten sie Nichtigkeitsbeschwerde
beim Kassationsgericht des Kantons St. Gallen. Die Nichtigkeitsbeschwerde
wurde am 18. April 1974 abgewiesen, soweit darauf einzutreten war.

    Mit der Berufung beantragen die Kläger, es sei festzustellen, dass
die Anbegehrung und Durchführung der Vermittlung bei einem unzuständigen
Vermittler, aber im zuständigen Gerichtsbezirk, einen heilbaren Mangel
darstelle, dass das Bezirksgericht Wil folglich anzuweisen sei, auf die
Streitsache einzutreten, und dass den Klägern im Sinne von Art. 139 OR
eine lotägige Nachfrist zur Korrektur der genannten Verfahrensmängel
anzusetzen sei.

Auszug aus den Erwägungen:

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Gemäss den Feststellungen der Vorinstanz, die sich auf die
übereinstimmenden Angaben der Parteien stützen, beträgt der Streitwert
ungefähr Fr. 18 000.--. Auf die Berufung ist daher einzutreten (Art. 46
OG).

Erwägung 2

    2.- Die Vorinstanz hat ihren Nichteintretensentscheid unter
anderem damit begründet, dass das Vermittleramt Wil unzuständig
gewesen sei. Die Kläger sind jedoch der Ansicht, das vor diesem Amt
durchgeführte Vermittlungsverfahren sei als gültig zu erachten, da Sitz
des nach Art. 250 Abs. 1 SchKG für die Behandlung von Kollokationsklagen
zuständigen Konkursgerichtes Wil und nicht Oberbüren sei. Zudem habe sich
die Beklagte widerspruchslos auf die Vermittlung in Wil eingelassen.

    Wie die Vorinstanz zutreffend ausführt, regelt Art. 250 Abs. 1
SchKG nur die örtliche Zuständigkeit für die Kollokationsklage, während
die Ordnung der sachlichen Zuständigkeit den Kantonen überlassen ist
(BGE 71 III 197, 64 III 123 f.). Dementsprechend können die Kantone
vorschreiben, dass dem Kollokationsprozess ein Vermittlungsverfahren
vorauszugehen habe (JAEGER, N. 5 zu Art. 250 SchKG). Machen sie von
dieser Möglichkeit Gebrauch, so ist es auch ihre Sache, innerhalb des
Bezirkes des Konkursgerichts das für das Vermittlungsverfahren zuständige
Vermittleramt zu bezeichnen. Bundesrecht kann daher nicht verletzt sein,
wenn die Vorinstanz das Vermittleramt Wil als unzuständig erachtete.

    Eine Verletzung von Bundesrecht ist auch darin nicht zu erblicken,
dass die Vorinstanz die Einlassung der Beklagten vor dem Vermittleramt
Wil nicht als stillschweigende Gerichtsstandsvereinbarung ansah. Denn
das Bundesrecht enthält keine Bestimmung, die die Kantone zur Beachtung
von Gerichtsstandsvereinbarungen verpflichten würde (BGE 87 III 26 ff.,
76 II 249).

Erwägung 3

    3.- Die Vorinstanz ist sodann auch deswegen nicht auf die Klage
eingetreten, weil der Leitschein nicht rechtzeitig beim Gericht eingereicht
wurde. Auch in diesem Punkt stützte sie sich auf kantonales Recht, dessen
Anwendung vom Bundesgericht im Berufungsverfahren nicht überprüft werden
kann (Die Kläger leiten nichts daraus ab, dass die Einschreibefrist auf
dem Leitschein unrichtig angegeben war). Art. 139 OR, auf den sich die
Kläger berufen, ist im vorliegenden Fall nicht anwendbar. Denn diese
Bestimmung setzt ihrem Wortlaut nach voraus, dass eine Klage wegen
Unzuständigkeit des angerufenen Richters oder wegen eines verbesserlichen
Mangels zurückgewiesen worden ist. Ist dies der Fall, so läuft dem Kläger
von Gesetzes wegen eine neue Frist zur Geltendmachung seines Anspruchs. Der
Richter, der eine Klage wegen Unzuständigkeit oder wegen eines prozessualen
Mangels zurückweisen möchte, braucht sich daher nicht darum zu kümmern,
ob die Voraussetzungen für die Anwendbarkeit von Art. 139 OR allenfalls
erfüllt seien, und diese Bestimmung verpflichtet ihn auch nicht dazu,
dem Kläger eine Nachfrist anzusetzen. Erst wenn die zurückgewiesene (oder
zurückgezogene; vgl. BGE 72 II 326 ff.) Klage beim zuständigen Richter
bzw. in verbesserter Form neu eingereicht wird, stellt sich die Frage,
ob der Kläger die Nachfrist zu Recht beansprucht habe. Die Vorinstanz
verletzte daher Bundesrecht nicht, wenn sie sich nicht mit Art. 139 OR
befasste. Unter diesen Umständen kann weiterhin offen bleiben, ob Art.
139 OR auf Klagefristen des Betreibungsrechts überhaupt anwendbar sei
(vgl. dazu BGE 96 III 95, 91 III 15 ff., 89 II 310/311).

    Im übrigen können die Kläger aus Art. 139 OR ohnehin nichts
ableiten. Denn die in dieser Bestimmung vorgesehene Nachfrist kommt nach
der Rechtsprechung des Bundesgerichts einem Kläger nur dann zugute, wenn
er innert der Frist, die nach kantonalem Prozessrecht für die Einreichung
der Klage beim Gericht gilt, etwas - wenn auch nicht das Richtige -
unternommen hat. Einem Kläger, der diese Frist unbenützt verstreichen
lässt, ist die Nachfrist dagegen nicht zu gewähren (BGE 98 II 183/184, 93
II 370 Erw. 4, 89 II 312). Da die Kläger nicht nur an einen unzuständigen
Vermittler gelangt sind, sondern darüber hinaus die Frist zur Einreichung
des Leitscheins beim Bezirksgericht verpasst haben, können sie sich auf
keinen Fall auf Art. 139 OR berufen.

    Die Berufung ist daher als offensichtlich unbegründet abzuweisen.