Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 100 IB 240



100 Ib 240

39. Urteil der I. Zivilabteilung vom 17. September 1974 i.S. X. gegen
Eidgenössisches Amt für das Handelsregister. Regeste

    Art. 944 Abs. 1 OR. Art. 45 und 46 HRegV.

    Verlegung des Sitzes einer Firma in einen andern Registerbezirk. Die
ursprüngliche Ortsangabe darf bei der Neueintragung nicht beibehalten
werden. Voraussetzungen, unter denen ein regionaler oder territorialer
Zusatz in die Firma aufgenommen werden darf (Erw. 4 und 5).

Sachverhalt

    A.- X. betreibt ein Geschäft für Rohrisolationen und
Kunststoffbeschichtungen von Behältern, Böden und Wänden, das im
Handelsregister Bern unter der Firma "Isolationswerk Bern ..." eingetragen
war. Bei der Verlegung des Geschäftssitzes von Bern nach Schüpfen verlangte
das Eidgenössische Amt für das Handelsregister über das nunmehr zuständige
Handelsregisteramt Aarberg eine entsprechende Änderung der Firma. Die alte
Sitzbezeichnung, machte es geltend, sei unwahr und täuschend, und dürfe
daher nicht mehr eingetragen werden. Die von X. gewünschte Zustimmung
zur Weiterführung der bisherigen Firma lehnte es durch Verfügung vom
29. April 1974 ab.

    B.- Mit der vorliegenden Verwaltungsgerichtsbeschwerde begehrt X, es
sei ihm "zu gestatten, die Firma "Isolationswerk Bern" im Handelsregister
Aarberg einzutragen." Das Eidgenössische Amt für das Handelsregister
beantragt Abweisung der Beschwerde.

Auszug aus den Erwägungen:

              Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Nach Art. 945 Abs. 1 OR muss, wer als alleiniger Inhaber
ein Geschäft betreibt, den wesentlichen Inhalt seiner Firma aus
dem Familiennamen mit oder ohne Vornamen bilden. Das Begehren des
Beschwerdeführers, die Firma "Isolationswerk Bern" im Handelsregister
Aarberg einzutragen, kann daher zum vorneherein nicht geschützt
werden. Zudem lautete die Eintragung im Handelsregister des Amtsbezirkes
Bern auf die Firma "Isolationswerk Bern ...". Von einer Weiterführung
der bisherigen Firma könnte nur dann die Rede sein, wenn mindestens der
Familienname des Beschwerdeführers als Bestandteil beibehalten würde.

Erwägung 2

    2.- Art. 934 Abs. 1 OR bestimmt, dass wer ein Handels-, Fabrikations-
oder anderes nach kaufmännischer Art geführtes Gewerbe betreibt, seine
Firma am Ort der Hauptniederlassung in das Handelsregister eintragen
lassen muss. Der Beschwerdeführer hat den Sitz seines Geschäftes von
Bern nach Schüpfen verlegt. Hier befinden sich gemäss den Darlegungen des
Amtes in der Beschwerdeantwort die Leitung und der technische Betrieb des
Unternehmens. Etwas anderes ergibt sich weder aus der Beschwerdeschrift
noch sonst aus den Akten. Der Beschwerdeführer erklärt im Zusammenhang mit
der Verlegung des Sitzes, dass die "Geschäftstätigkeit die gleiche" bleibe,
sich "höchstens die Lokalitäten" ändern, "in welchen das Gewerbe ausgeübt
wird". Es kann also angenommen werden, dass Sitz und Hauptniederlassung
des Geschäftes örtlich zusammenfallen.

    Im Kanton Bern wird das Handelsregister, wie Art. 927 Abs. 2 OR es
gestattet, bezirksweise geführt. Schüpfen liegt im Registerbezirk Aarberg.
Die Verlegung des Sitzes an jenen Ort bedingte daher gemäss Art. 49 HRegV
die entsprechende Neueintragung der Firma, was der Beschwerdeführer denn
auch nicht bestreitet.

Erwägung 3

    3.- Der Beschwerdeführer rügt, die angefochtene Verfügung sei
"im Hinblick auf den bisherigen Gebrauch der Firma" unangemessen.
Unangemessenheit kann jedoch nur geltend gemacht werden, wenn eine der in
Art. 104 lit. c OG genannten Voraussetzungen erfüllt ist. Das trifft hier
nicht zu. Insbesondere fehlt eine bundesrechtliche Bestimmung, dergemäss
die angefochtene Verfügung auf ihre Angemessenheit hin überprüft werden
könnte. Zulässig ist die Beschwerde wegen "Verletzung von Bundesrecht
einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens" im Sinne
von Art. 104 lit. a OG. Gewiss soll das Amt auch im Rahmen des ihm
zustehenden Ermessens sich von sachlichen Gesichtspunkten leiten lassen
und nach Recht und Billigkeit befinden. Indessen hat das Bundesgericht im
verwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren nicht sein eigenes Ermessen
anstelle desjenigen des Amtes zu setzen. Es kann eine Beschwerde nur
gutheissen, wenn das Amt unerlaubterweise nach Ermessen verfügt oder sein
Ermessen überschritten hat (BGE 97 I 75, 94 I 560, 93 I 564, 92 I 294).

Erwägung 4

    4.- Nach Art. 944 Abs. 1 OR dürfen in jede Firma, neben den
gesetzlich vorgeschriebenen, noch Angaben aufgenommen werden, die
zur näheren Umschreibung der darin genannten Personen dienen oder auf
die Natur des Unternehmens hinweisen, vorausgesetzt, dass der Inhalt
der Firma der Wahrheit entspricht, keine Täuschungen verursachen kann
und keinem öffentlichen Interesse zuwiderläuft. Damit übereinstimmend
verlangt Art. 38 Abs. 1 HRegV für alle Eintragungen im Handelsregister,
dass sie wahr sein müssen, keine Täuschungen veranlassen und keinem
öffentlichen Interesse widersprechen dürfen. Sie unterliegen gemäss
Art. 115 HRegV der Prüfung und Genehmigung durch das Eidgenössische Amt
für das Handelsregister.

    Ob eine Firma täuschend wirkt, ist nach dem Eindruck zu entscheiden,
den sie beim Durchschnittsleser hervorruft (BGE 95 I 279 Erw. 4). Unter
diesem Gesichtspunkt ist mit dem Amt davon auszugehen, dass in der
Firma des Beschwerdeführers die Ortsangabe "Bern" in Verbindung mit der
Sachbezeichnung "Isolationswerk" nur als Hinweis auf den Sitz oder auf die
örtliche Lage der Betriebsstätte des Unternehmens aufgefasst werden kann.

    Gilt die Ortsangabe in der Firma einer Aktiengesellschaft zumeist
als schwaches, wenig charakteristisches und daher nebensächliches Element
(BGE 90 II 203), so hat sie in der Einzelfirma ihre Bedeutung im Hinblick
auf die Ausschliesslichkeitsbestimmung des Art. 946 OR. Jedenfalls
aber unterliegt ihre Verwendung den allgemeinen Grundsätzen der
Firmenbildung. Da sie in der Firma des Beschwerdeführers auf "Bern"
lautet, ist sie für das mit Sitz und Betriebstätte nach Schüpfen
verlegte Unternehmen offenkundig unwahr, folglich auch täuschend. Das
vom Beschwerdeführer geforderte "Verständnis für die wirtschaftlichen
Belange" vermag daran sowenig etwas zu ändern, wie die Behauptung, dass
"die Geschäftstätigkeit die gleiche" geblieben ist.

Erwägung 5

    5.- Der Beschwerdeführer stellt sich auf den Standpunkt, dass sich
sein Geschäft auch nach der Verlegung des Sitzes "im Raume Bern" befinde
und durch den Zusatz "Bern" in der Firma als "dem Raum oder gar Kanton
Bern zugehörig" gelte, was gemäss BGE 98 I b 299 erlaubt sei.

    a) Nach Art. 46 in Verbindung mit Art. 45 HRegV darf ein territorialer
oder regionaler Zusatz als Bestandteil der Firma nur mit Bewilligung des
Eidg. Amtes in das Handelsregister eingetragen werden, wenn "besondere
Umstände" vorliegen. Es steht ausser Zweifel, dass der Durchschnittsleser
das Wort "Bern" als Ortsangabe, nicht als territoriale oder regionale
Bezeichnung, wie sie durch den adjektivischen Zusatz "Berner" oder
"bernisch" zum Ausdruck gebracht werden könnte, versteht. Ausserdem
liegen auch keine besondern Umstände vor, um dem Beschwerdeführer die
Aufnahme eines regionalen oder territorialen Zusatzes in seine Firma
zu gestatten. Nach BGE 96 I 612 kann ein solcher Zusatz nicht allein
deshalb in die Firma aufgenommen werden, weil er das Gebiet umschreibt,
in welchem das Unternehmen seinen Sitz hat oder tätig ist. Freilich
verwirft das Bundesgericht im Entscheid 98 I b 299 die Ansicht des
Amtes, der territoriale oder regionale Zusatz dürfe nur bewilligt
werden, wenn der Inhaber der Firma im betreffenden Gebiet praktisch eine
Monopolstellung habe, d.h. die repräsentative Organisation sei. Daraus
folgt indessen nicht, dass umgekehrt eine Firma zugelassen werden müsse,
die durch den regionalen Zusatz fälschlicherweise den Eindruck erweckt,
dem Unternehmen komme die erwähnte Sonderstellung zu. Gerade das gilt
für die Firma des Beschwerdeführers, sobald man den Zusatz "Bern" nicht
auf den Ort, sondern auf die Region bezieht. Das Amt erklärt in seiner
Verfügung unwidersprochen, das Unternehmen des Beschwerdeführers sei weder
das einzige noch das wirtschaftlich überragende Werk der Isolationsbranche
im Kanton Bern. Im übrigen ist darauf hinzuweisen, dass in BGE 98 I b 298 f
die damalige Beschwerdeführerin die Bezeichnung "Coop Oberwallis" verwenden
wollte, um die Zugehörigkeit zum Verband Coop Schweiz auszudrücken und ihre
- auf das Oberwallis ausgedehnte genossenschaftliche Tätigkeit - gegenüber
den andern Mitgliedern des Verbandes abzugrenzen. Ähnliche Verhältnisse
liegen beim Unternehmen und der Firma des Beschwerdeführers nicht vor.

    b) Der Beschwerdeführer kann nach der Sitzverlegung den Zusatz
"Bern" in seiner Firma auch nicht mit dem Hinweis darauf beanspruchen,
dass das Amt die Eintragung der Firmen "Solsano Köniz Immobilien AG"
und "Maschinenfabrik Bern AG" zur Eintragung zugelassen hat. Abgesehen
davon, dass die erwähnten Firmen nach den Darlegungen des Amtes im
Vergleich zur Firma des Beschwerdeführers Unterschiede aufweisen und im
vorliegenden Verfahren nicht auf ihre Zulässigkeit zu überprüfen sind,
ist das Bundesgericht an die Praxis der Registerbehörden nicht gebunden
und dürfen diese ihre Praxis aus sachlichen Gründen ändern. Zudem ist
jeder Fall nach den ihm eigenen Umständen zu würdigen (BGE 97 I 78 und
dort erwähnte Entscheide).

Erwägung 6

    6.- Der Beschwerdeführer behauptet, die Änderung der Firma bringe eine
unerträgliche "wirtschaftliche Einbusse" mit sich. Wie es sich mit dieser
nicht näher belegten Behauptung verhält, kann offen bleiben. Jedenfalls
führt sie nicht zu einer andern Beurteilung. Das Gebot der Firmenwahrheit,
vorbehältlich der hier nicht in Betracht kommenden gesetzlichen
Milderungen, und das Täuschungsverbot haben absolute Geltung. Das
öffentliche Interesse an ihrer Durchsetzung geht dem privaten Interesse
des Beschwerdeführers vor. Die Handelsregisterbehörden sind denn auch
verpflichtet, die Änderung einer Eintragung durchzusetzen, wenn diese
"mit den Tatsachen" nicht mehr übereinstimmt (Art. 60 HRegV). Zudem ist
nicht anzunehmen, dass der Beschwerdeführer bei sachgerechter Aufklärung
der interessierten Kreise eine Beeinträchtigung seiner Kundschaft
erfahren wird. Die Anpassung von Anschriften auf Geschäftsfahrzeugen,
auf Geschäftsemblemen usw., hat Auslagen zur Folge, die bei der
Verlegung des Geschäftssitzes vorauszusehen sind. Dasselbe gilt für
das Geschäftspapier. Der vom Beschwerdeführer in seinem Schreiben vom
18. April 1974 an das Amt behauptete Aufwand von Fr. 10 000.-- für
unrichtigen Neudruck hätte sich durch vorherige Orientierung über die
Rechtslage vermeiden lassen. Die entsprechenden Kosten können dem Zwang
zur Firmaänderung umsoweniger zugeschrieben werden, als der gewählte
Briefkopf - mit der Abkürzung "IWB" und der Angabe "Isolationswerk Bern
Inhaber: ..." - auch dem bisherigen Firma-Eintrag im Handelsregister
nicht entspricht.

Entscheid:

Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Beschwerde wird abgewiesen.