Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 100 IB 222



100 Ib 222

35. Auszug aus dem Beschluss vom 2. August 1974 i.S. Talimex AG gegen
Eidg. Departement des Innern Regeste

    Art. 99 lit. e OG. Unzulässigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde
gegen den vom Eidg. Departement des Innern nach Art. 56 der Verordnung
des Bundesrates zum Schutze der Gewässer gegen Verunreinigung durch
wassergefährdende Flüssigkeiten vom 19. Juni 1972 ausgestellten
endgültigen Ausweis für die Verwendung eines bestimmten Typs einer
Gewässerschutzemrichtung (hier: eines Leckschutzsystems für Öltankanlagen).

Sachverhalt

                       Aus dem Tatbestand:

    Die Talimex AG fabriziert und vertreibt das Leckschutzsystem
"CH-Vacumatic-II" für Öltanks (Alt- und Neuanlagen). Das Eidg. Departement
des Innern (EDI) hat ihr hiefür am 6. Dezember 1973 einen endgültigen
Ausweis gemäss Art. 56 der Verordnung des Bundesrates zum Schutze der
Gewässer gegen Verunreinigung durch wassergefährdende Flüssigkeiten
vom 19. Juni 1972 (VWF) ausgestellt. Der Ausweis bestätigt, dass das
Leckschutzsystem den Anforderungen der Technischen Tankvorschriften
genügt, und legt in 11 Ziffern Bedingungen und Auflagen fest, die bei
der Verwendung des Systems einzuhalten sind. Die Ziff. II, welche die
Altanlagen betrifft, sieht in lit. b vor, dass in der Zone B unter
bestimmten Voraussetzungen auf das Anbringen eines Doppelschachtes
("doppelten Mannlochschachtes"), der für die Zone A vorgeschrieben ist,
verzichtet werden kann.

    Die Talimex hat den endgültigen Ausweis gemäss Rechtsmittelbelehrung
mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde angefochten. Sie verlangt, dass sie von
der Verpflichtung, in der Zone A den Doppelschacht anzubringen, in den
Fällen zu befreien sei, in denen diese Ausrüstung in der Zone B nicht
gefordert wird. Sie macht geltend, auch ohne die beanstandete Auflage
werde beim Anpassen von Altanlagen in der Zone A annähernd der gleiche
Sicherheitsgrad wie bei Neuanlagen erreicht (Art. 49 Abs. 2 VWF); die
Verwendung des Doppelschachtes bei Altanlagen erhöhe den Sicherheitsgrad,
der ohne sie 75% desjenigen der Neuanlagen betrage, nur um 5%, aber
die Kosten der Anpassung um mehr als 70%; die Auflage sei daher mit dem
Grundsatz der Verhältnismässigkeit nicht vereinbar.

    Das EDI hat beantragt, die Beschwerde sei abzuweisen, soweit darauf
einzutreten sei.

    Zwischen dem Bundesgericht und dem durch das Eidg. Justiz- und
Polizeidepartement vertretenen Bundesrat hat ein Meinungsaustausch über
die Kompetenzfrage stattgefunden.

Auszug aus den Erwägungen:

                       Aus den Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- (Die Ausstellung des angefochtenen Ausweises ist eine Verfügung
im Sinne des Art. 5 VwG.)

Erwägung 2

    2.- Nach Art. 99 lit. e OG ist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen
die Erteilung oder Verweigerung von Bau- oder Betriebsbewilligungen für
technische Anlagen oder für Fahrzeuge unzulässig. Das EDI vertritt in
der Vernehmlassung den Standpunkt, dass auf Grund dieser Bestimmung die
Beschwerde an das Bundesgericht gegen Entscheide der letzten kantonalen
Instanz über Bewilligungsgesuche nach Art. 28 VWF ausgeschlossen sei. Aus
seinen Ausführungen ist zu schliessen, dass nach seiner Meinung Art. 99
lit. e OG auch auf den in Art. 56 VWF vorgesehenen endgültigen Ausweis
anwendbar ist, wenn dessen Ausstellung eine beschwerdefähige Verfügung
darstellt.

    Unter einer technischen Anlage (installation technique) im Sinne
von Art. 99 lit. e OG ist ein System von Einrichtungen zu verstehen,
das einem bestimmten Zweck zu dienen hat und dessen Herstellung oder
dessen Verwendung besondere Kenntnisse und Erfahrungen erfordert. Hier
hat man es mit einer solchen Anlage zu tun. Es handelt sich in der Tat
um eine Gesamtheit von Apparaten, mit der ein bestimmtes Ziel erreicht
werden soll und deren Konstruktion nur das Werk von Fachleuten sein
kann. Die angefochtene Verfügung macht den Einbau der Einrichtung in alte
Tankanlagen, die sich in einer Zone A befinden, von der Einhaltung der
strittigen Auflage abhängig; sie lässt ihn nicht zu, wenn die Auflage
nicht erfüllt wird. Es liegt daher nahe, in der Verfügung eine teilweise
Verweigerung einer Bau- oder Betriebsbewilligung für technische Anlagen
im Sinne von Art. 99 lit. e OG zu erblicken.

    Die Beschwerdeführerin meint, die Anwendung von Art. 99 lit. e OG
falle ausser Betracht, wenn - wie hier - die Erteilung einer Bewilligung
davon abhängt, dass den Anforderungen des Gewässerschutzes Genüge getan
ist. Diese Einschränkung ist nicht gerechtfertigt. Wenn der Staat eine
Bewilligungspflicht statuiert, will er sich damit stets die Kontrolle
einer Tätigkeit oder eines Zustandes um der damit verbundenen Gefahren
willen sichern. Nichts lässt darauf schliessen, dass nach dem Sinne
von Art. 99 lit. e OG der Ausschluss der Verwaltungsgerichtsbeschwerde
auf Fälle beschränkt ist, wo es um die Abwendung bestimmter Arten von
Gefahren geht. Es besteht kein Grund, die Anwendung dieser Bestimmung
auf Bewilligungen, die zum Schutze der Gewässer gegen Verunreinigung
erforderlich sind, von vornherein auszuschliessen.

    Allerdings wollte der Gesetzgeber mit den neuen Bestimmungen über die
Verwaltungsgerichtsbarkeit im Bund nicht alle Streitigkeiten technischen
Charakters von der Zuständigkeit des Bundesgerichts ausnehmen. Das ergibt
sich klar aus der Entstehungsgeschichte der Novelle: Art. 100 lit. i
des Entwurfes des Bundesrates, wonach die Verwaltungsgerichtsbeschwerde
gegen Verfügungen, die das Bundesrecht "überwiegend an unbestimmte oder
technische Voraussetzungen knüpft", unzulässig sein sollte, ist vom
Parlament gestrichen worden (Protokoll der 2. Sitzung der Kommission
des Nationalrates, S. 50). Es würde daher dem Willen des Gesetzgebers
zuwiderlaufen, aus Art. 99 lit. e OG abzuleiten, dass Verfügungen in
Angelegenheiten technischer Natur nie der Verwaltungsgerichtsbeschwerde
unterliegen. Es ist zu beachten, dass in verschiedenen Materien, namentlich
auf dem Gebiete des Gewässerschutzes, die Streitigkeiten vielfach mehr
oder weniger technische Probleme betreffen. Würde das Bundesgericht
sich in allen Beschwerdefällen. in denen solche Probleme zu beurteilen
sind, unzuständig erklären, so würde es seinen Kompetenzbereich in einem
beträchtlichen Masse einschränken und nicht die Rolle spielen, die ihm
im Gesetz zugedacht ist und die auf dem Gebiete des Gewässerschutzes
sich auch auf die Prüfung der Angemessenheit der angefochtenen Verfügung
erstreckt. Das Gericht hat denn auch schon wiederholt seine Zuständigkeit
in Gewässerschutzfällen mit technischem Einschlag bejaht. Gerade in
dieser Materie kann indessen die Abgrenzung des Bereiches, in dem die
Verwaltungsgerichtsbeschwerde nach Art. 99 lit. e OG unzulässig ist,
Schwierigkeiten bereiten.

    Art. 99 lit. e OG ist aber zumindest - auch in Gewässerschutzsachen -
dann anwendbar, wenn es um das Ergebnis einer Typenprüfung geht, wie dies
bei den in der Bestimmung erwähnten Verfügungen über die Erteilung oder
Verweigerung von Bau- oder Betriebsbewilligungen für Fahrzeuge vielfach
zutreffen wird. Die hier angefochtene Verfügung beruht auf einer solchen
Typenprüfung. Gegenstand des Streites ist im wesentlichen die Frage,
ob die von der Beschwerdeführerin als ausreichend betrachtete Art der
Anpassung der in einer Zone A gelegenen alten Öltankanlagen an sich genügt,
um der mit dem Leckwerden solcher Tanks im allgemeinen verbundenen Gefahr
der Gewässerverschmutzung zu begegnen. Diese Frage des technischen Genügens
eines Typs einer Gewässerschutzeinrichtung stellt sich unabhängig von den
besonderen Risiken, die an einem bestimmten Standort der Tanks - etwa wegen
der Nähe eines der Trinkwasserversorgung dienenden Grundwasservorkommens -
auftreten können; sie ist insofern abstrakter Natur. Der in der Beschwerde
der Talimex erhobene Einwand, der Grundsatz der Verhältnismässigkeit sei
verletzt, stützt sich auf tatsächliche Vorbringen, deren Richtigkeit
und Tragweite der Richter nur mit Hilfe eines über die erforderlichen
technischen Kenntnisse verfügenden Experten prüfen könnte. Demnach
überwiegen in der vorliegenden Streitsache die technischen Aspekte.

    Diese Überlegungen führen zum Schluss, dass es sich hier um die
teilweise Verweigerung einer Bau- oder Betriebsbewilligung für eine
technische Anlage im Sinne von Art. 99 lit. e OG handelt. Daraus folgt,
dass zur Beurteilung der Beschwerde nicht das Bundesgericht, sondern der
Bundesrat zuständig ist. Das Eidg. Justiz- und Polizeidepartement hat
sich im Meinungsaustausch dieser Auffassung angeschlossen (Schreiben vom
30. Juli 1974).

Entscheid:

                    Demnach wird beschlossen:

    Die Beschwerde wird dem Bundesrat übergeben.