Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 100 IB 176



100 Ib 176

28. Auszug aus dem Urteil vom 8. Februar 1974 i.S. Erste Actienbrennerei
gegen Eidg. Finanz- und Zolldepartement Regeste

    Alkoholgesetz: Bewilligungspflicht für den Wechsel des Standortes von
Brennapparaten gewerblicher Brennereien (Art. 7 Abs. 3). Berücksichtigung
der Bedürfnisse der einzelnen Landesgegenden (Art. 5).

Sachverhalt

                       Aus dem Tatbestand:

    A.- Die im Jahre 1.896 gegründete Erste Actienbrennerei, die
ihren Sitz bis im Jahre 1971 in Basel hatte, ist Eigentümerin der fünf
Brennapparate Nr. BS 5, 6, 8, 10 und 11 mit einem Fassungsvermögen von
insgesamt 1530 Litern. Es wurde ihr eine Konzession für die Herstellung
von Spezialitätenbranntwein erteilt. In der Konzessionsurkunde vom 4. Mai
1944 ist als Standort der Brenneinrichtungen Basel angegeben.

    Im Jahre 1961 verkaufte die Erste Actienbrennerei ihre angestammte
Geschäftsliegenschaft an der Margarethenstrasse in Basel. Sie verlegte
ihr Geschäftsdomizil in gemietete Räumlichkeiten an der Efringerstrasse in
Basel und führte dort die Brennerei nur noch mit dem 200 Liter fassenden
Brennapparat Nr. BS 10 weiter. Im Jahre 1970 stellte sie das Brennen
vollständig ein. Seither stehen alle ihre Brenneinrichtungen plombiert
in einem Lagerkeller in Basel.

    Seitdem die Gesellschaft ihren Brennereibetrieb abzubauen begonnen
hatte, wurden die Rohstoffe aus dem Einzugsgebiet Basel, die bisher von ihr
eingekauft und verarbeitet worden waren, mehr und mehr von der Distillerie
Räber AG in Küssnacht a. R. abgenommen. Dieses Unternehmen lieferte
anderseits in der gleichen Zeit der Ersten Actienbrennerei den grössten
Teil ihres Bedarfes an Steinobstbranntwein. Im September 1971 erwarb
die Distillerie Räber AG sämtliche Aktien der Ersten Actienbrennerei. In
der Folge wurde der Sitz der Ersten Actienbrennerei nach Küssnacht a. R.
verlegt.

    B.- Da die Erste Actienbrennerei auch den Standort ihrer Brennanlagen
nach Küssnacht a. R. verlegen wollte, ersuchte sie am 22. September
1971 die Eidg. Alkoholverwaltung um die dafür nach Art. 7 Abs. 3 des
Alkoholgesetzes (AlkG) erforderliche Bewilligung.

    Die Alkoholverwaltung lehnte das Begehren am 29. November 1971
ab mit der Begründung: Aus Art. 5 Abs. 3 AlkG ergebe sich, dass
die Brennereirohstoffe möglichst dort gebrannt werden sollen, wo sie
anfallen. Die Gutheissung des Gesuches widerspräche dieser Zielsetzung;
verfügten doch die Spezialitätenbrennereien der Innerschweiz bereits
über einen derart grossen Brennraum, dass sie Rohstoffe aus anderen
Landesgegenden, insbesondere aus dem Kanton Baselland, beziehen müssten.

    Die Beschwerde der Ersten Actienbrennerei gegen diesen Entscheid wurde
vom Eidg. Finanz- und Zolldepartement am 21. September 1973 abgewiesen.

    C.- Die Erste Actienbrennerei ficht den Entscheid des Departementes mit
Verwaltungsgerichtsbeschwerde an. Sie beantragt erneut, die Verlegung ihrer
aus den Brennapparaten Nr. BS 5, 6, 8, 10 und 11 bestehenden Brennerei
von Basel nach Küssnacht a. R. zu bewilligen.

    Es wird u.a. geltend gemacht, die Standortsfrage habe nach Verfassung
und Gesetz nicht die Bedeutung, die ihr von der Verwaltung beigemessen
werde. Art. 7 Abs. 3 AlkG sei eine blosse Polizeivorschrift mit dem
Zweck, das "schwarze" Brennen zu verhindern. Zu Unrecht schliesse die
Verwaltung aus Art. 5 Abs. 3 AlkG, dass jeder Landesgegend soviel Brennraum
zugeteilt werden solle, als zur Verarbeitung der dort anfallenden Rohstoffe
notwendig sei. Nach Art. 5 Abs. 1 AlkG seien die Bedürfnisse "des Landes"
massgebend. Rechtslage und wirtschaftliches Bedürfnis sprächen für die
nachgesuchte Bewilligung.

    Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.

Auszug aus den Erwägungen:

                       Aus den Erwägungen:

Erwägung 3

    3.- Nach Art. 7 Abs. 3 AlkG (Fassung gemäss BG vom 25. Oktober
1949) dürfen Brennapparate und Brennanlagen nur mit Bewilligung der
Alkoholverwaltung erworben, aufgestellt, an einen neuen Standort verbracht,
ersetzt oder umgeändert werden. Die Beschwerdeführerin erblickt hierin
eine blosse Polizeivorschrift; sie macht geltend, die Bestimmung solle nur
verhindern, dass "schwarz" gebrannt werde. Richtig ist, dass Art. 7 AlkG
die Beaufsichtigung der Gewerbebrennereien durch die Alkoholverwaltung
beschlägt. Sein Abs. 3 soll laut Botschaft des Bundesrates vom 8. April
1949 betreffend die Revision des AlkG eine wirksame amtliche Kontrolle
über den Bestand sämtlicher Brennapparate ermöglichen (BBl 1949 I 702
f.). Damit ist aber noch nicht gesagt, unter welchen Voraussetzungen der
Wechsel des Standortes von Brennapparaten zu bewilligen ist, oder gar,
dass jeder solche Wechsel bewilligt werden müsste, sofern nur die Gefahr
des unbewilligten ("schwarzen") Brennens vermieden bliebe. Art. 7 Abs. 3
AlkG bestimmt über die Voraussetzungen der Bewilligung nichts. Daraus
kann geschlossen werden, dass der Verwaltung in dieser Beziehung ein
gewisser Spielraum belassen ist. Sie muss sich aber beim Entscheid an
Grundsätze halten. Wird die Bewilligung einer Verlegung des Standortes der
Brennapparate verlangt, so ist insbesondere zu beachten, welche Bedeutung
dem Standort nach der gesetzlichen Regelung zukommt.

Erwägung 4

    4.- Die Alkoholgesetzgebung soll den Verbrauch von Trinkbranntwein
und dementsprechend dessen Einfuhr und Herstellung vermindern (Art.
32bis Abs. 2 BV). Die Konzessionen für die gewerbsmässige Herstellung
gebrannter Wasser sollen die rechtzeitige Verwertung der Abfälle und
Rückstände des Obst-, Wein- und Zuckerrübenbaues und der Überschüsse
des Obst- und Kartoffelbaues ermöglichen, soweit diese Rohstoffe nicht
anders zweckmässig verwendet werden können (Art. 32bis Abs. 3 BV,
Art. 5 Abs. 2 AlkG). Demgemäss sieht Art. 5 AlkG in Abs. 1 vor, dass
Brennereikonzessionen erteilt werden, soweit dies den wirtschaftlichen
Bedürfnissen des Landes entspricht. Sodann bestimmt er in Abs. 3, dass
bei der Erteilung der Konzessionen zum Brennen einheimischer Rohstoffe
"Landesgegenden, wo sich in der Regel Überschüsse über den Ernährungs-
und Fütterungsbedarf hinaus ergeben, vorzugsweise zu berücksichtigen" sind.

    Die Verwaltung nimmt an, die in Art. 5 Abs. 3 AlkG erwähnte
Bevorzugung einzelner Landesgegenden sei "der allgemeinen Voraussetzung
der wirtschaftlichen Bedürfnisse nach Abs. 1 untergeordnet". Abs. 3
sei in dem Sinne zu verstehen, dass die Brennkapazität angemessen auf
die Bedürfnisse jeder Gegend verteilt werden solle. "Eine künstliche
Zusammenballung der Brennereien in einer bestimmten Gegend könnte auf
längere Sicht in der rechtzeitigen Verwertung der Obstüberschüsse des
Landes Störungen bewirken." Der Standort der Brennapparate sei somit
für die Erteilung der Konzession "mitentscheidend" und werde demgemäss
in der Konzessionsurkunde festgelegt. Auch beim Entscheid über Gesuche,
den Standort der Brennapparate verlegen zu dürfen, sei Art. 5 Abs. 3
AlkG anzuwenden, d.h. darauf Bedacht zu nehmen, dass die Rohstoffe nach
Möglichkeit in der Gegend gebrannt werden, wo sie anfallen.

    Die Auslegung, welche die Verwaltung dem Art. 5 Abs. 3 AlkG gibt,
ist mit dem Text dieser Bestimmung vereinbar und entspricht auch
ihrem Zusammenhang mit den vorhergehenden Absätzen 1 und 2. Art. 5
AlkG lässt erkennen, dass es nicht bloss auf die wirtschaftlichen
Bedürfnisse des ganzen Landes (Abs. 1), sondern auch auf diejenigen der
einzelnen Landesgegenden ankommt (Abs. 3). Er geht offenbar davon aus,
dass die rechtzeitige Verwertung der Abfälle und Rückstände des Obstbaues
usw. (Abs. 2) durch eine gewisse Regionalisierung der Brennereikonzessionen
erleichtert wird. Dementsprechend bestimmt Art. 2 Abs. 4 VV, dass bei der
Erteilung und Erneuerung der Konzessionen für Gewerbebrenner in Betracht
zu ziehen sei, wie weit "im natürlichen Einzugsgebiet der einzelnen
Brennereien" die Rohstoffe (Abfälle und Überschüsse des Obstbaues
usw.) durch Brennen verwertet werden müssen. Wenn aber schon bei der
Erteilung der Konzessionen darauf zu achten ist, dass der Standort der
Brennapparate sich in der Regel im natürlichen Einzugsgebiet der einzelnen
Brennereien befinden soll, ist es folgerichtig, diesen Grundsatz auch beim
Entscheid über Gesuche um Bewilligung des Verlegens der Apparate an einen
"neuen" Standort (Art. 7 Abs. 3 AlkG) anzuwenden.

    Das Gesagte gilt insbesondere auch für die Spezialitätenbrennereien
(vgl. Botschaft des Bundesrates vom 1. Juni 1931 zum Entwurf des
AlkG, BBl 1931 I 734; A. REICHMUTH, Das schweizerische Alkoholmonopol,
Diss. Freiburg 1971, S. 97). Art. 12 AlkG, wonach das Brennrecht solcher
Betriebe nicht nur mengenmässig, sondern auch nach der Herkunft der
Rohstoffe unbeschränkt ist, steht dem nicht entgegen. Dieses Recht ist
vom einzelnen Brennereibetrieb dort auszuüben, wo sich der behördlich
bewilligte Standort seiner Brennapparate befindet. Für die Festlegung
dieses Standortes ist aber Art. 5 AlkG massgebend, der auch auf die
Spezialitätenbrennerei anwendbar ist.

    Hinsichtlich der Frage, ob der eine oder der andere Standort nach
Massgabe der wirtschaftlichen Bedürfnisse vorzuziehen sei, ist der
Verwaltung naturgemäss ein weites Feld der Würdigung eingeräumt (vgl. BGE
94 I 505 oben). Das Bundesgericht überprüft daher ihren Entscheid mit
einer gewissen Zurückhaltung.

Erwägung 5

    5.- Die Innerschweiz, wohin die Beschwerdeführerin ihre Brennapparate
verlegen möchte, verfügt bereits über bedeutend mehr Brennraum, als für die
Verarbeitung der dort anfallenden Rohstoffe nötig ist. Wie die Verwaltung
feststellt, haben die grossen Brennereibetriebe der Zentralschweiz
im Durchschnitt der Jahre 1968-1972 mehr als die Hälfte der von ihnen
eingekauften Mengen Brennkirschen aus andern Gebieten des Landes bezogen.
Anderseits steht fest, dass in der. Nordwestschweiz, wo sich der Standort
der Brennapparate der Beschwerdeführerin befindet, ein fühlbarer Mangel
an Brennraum herrscht. Die Inner- und die Nordwestschweiz sind zwei
verschiedene Landesgegenden im Sinne des Art. 5 Abs. 3 AlkG, insbesondere
hinsichtlich der Überschüsse an Kirschen, um die es hier hauptsächlich
geht; die beiden Regionen sind von jeher gesonderte Kirschbaugebiete
(vgl. BBl 1931 I 733). Es lässt sich nicht bestreiten, dass durch die
Verlegung des Standortes der Brennapparate der Ersten Actienbrennerei von
Basel in die Zentralschweiz die in dieser Landesgegend bereits bestehende
Ballung von Brennraum noch verschärft würde. Die Auffassung der Verwaltung,
dass unter diesen Umständen der von der Beschwerdeführerin erstrebte
Standortwechsel keinem wirtschaftlichen Bedürfnis im Sinne des Gesetzes
entspreche und daher nicht zu bewilligen sei, erscheint als haltbar. Das
Gericht hat keinen Anlass, sie in rechtlicher oder tatsächlicher Beziehung
zu beanstanden.