Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 100 IB 166



100 Ib 166

27. Urteil vom 5. Juli 1974 i.S. X. AG gegen Eidg. Steuerverwaltung Regeste

    Warenumsatzsteuer, Überwälzung auf den Abnehmer.

    1.  Das Bundesgericht kann die Rechtsbeständigkeit des Art. 29 WUStB
und des BRB betreffend Überwälzung der Warenumsatzsteuer vom 24. Juli
1951 nicht überprüfen.

    2.  Die Steuer auf baugewerblichen Arbeiten (z.B. Bodenbelagsarbeiten)
darf nur durch Einrechnung in den Lieferungspreis überwälzt werden, auch
wenn der Abnehmer nicht ein privater Bauherr, sondern ein Gewerbetreibender
ist, der die Arbeiten seinerseits seinem Besteller in Rechnung stellt.

Sachverhalt

    A.- Art. 29 WUStB bestimmte in der ursprünglichen Fassung: "Die
Überwälzung der Steuer bleibt der privatrechtlichen Vereinbarung zwischen
den Lieferanten und ihren Abnehmern vorbehalten.

    Wird nichts anderes abgemacht, so gilt als vereinbart, dass die
Warenumsatzsteuer bei Detaillieferungen im Entgelt eingeschlossen ist und
bei Engroslieferungen dem Abnehmer der Waren neben dem Entgelt angerechnet
werden kann.

    Vorbehalten bleiben die vom Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartement
aufzustellenden Grundsätze über die Berücksichtigung der
Warenumsatzsteuerbelastung beim Erlass von Preisvorschriften."

    Die heutige, durch den Bundesbeschluss vom 20. Dezember 1950 über
die Ausführung der Finanzordnung 1951 bis 1954 eingeführte und auf den
1. Oktober 1951 in Kraft gesetzte Fassung lautet:

    "Die Überwälzung der Steuer auf den Warenabnehmer ist gestattet. Bei
Detaillieferungen darf sie nur in der Weise bewirkt werden, dass der
Lieferer den von ihm geschuldeten oder ihm auf dem Überwälzungswege
angerechneten Steuerbetrag in den Lieferungspreis einrechnet. Ausnahmen
kann der Bundesrat bewilligen."

    Auf den letzten Satz des rev. Art. 29 WUStB stützt sich der
Bundesratsbeschluss vom 24. Juli 1951 betreffend Überwälzung der
Warenumsatzsteuer (BRB 1951), der bestimmt:

    "Art. 1

    Der Grossist darf die Warenumsatzsteuer auf Detaillieferungen dem
Abnehmer gesondert in Rechnung stellen, wenn er diese Lieferungen zu
Preisen ausführt, die er in seinem Geschäftsbetrieb für Engroslieferungen
fordert.

    Art. 2

    Dieser Beschluss tritt am 1. Oktober 1951 in Kraft."

    B.- Die X. AG ist als Grossist im Sinne des WUStB steuerpflichtig. Sie
vertreibt Teppiche und andere Bodenbeläge aus Textilien. Zum Teil
verlegt sie solche Beläge selber oder lässt sie in ihrem Namen durch
Unterakkordanten verlegen. Ausserdem liefert sie Belagsmaterial an
selbständige Unternehmer, die im eigenen Namen Verlegearbeiten ausführen.
Soweit sie das Material selber verlegt, sind ihre Kunden entweder private
Besteller oder Gewerbetreibende, welche bei ihnen bestellte Belagsarbeiten
von ihr ausführen lassen.

    C.- Die Eidg. Steuerverwaltung (EStV) stellte fest, dass die X. AG
bei der Fakturierung der für andere Unternehmer besorgten Verlegearbeiten
die Warenumsatzsteuer gesondert aufführte. Am 18. Januar 1973 entschied
sie, dass die Firma die Steuerüberwälzung bei Arbeiten an Bauwerken
(Bodenbelagsarbeiten) nur durch Einrechnung des Steuerbetrags in den
Lieferungspreis bewirken dürfe, und dass in Preislisten und Offerten für
solche Arbeiten jeder Hinweis auf die Warenumsatzsteuer untersagt sei. Auf
Einsprache der Steuerpflichtigen hin bestätigte die EStV diesen Entscheid
am 19. Juli 1973.

    Sie führte aus, nach den klaren Vorschriften könne der Grossist bei
Detaillieferungen die Steuer nur dann offen überwälzen, wenn er nachweise,
dass er für Detail- und Engroslieferungen der in Frage stehenden Art
die gleichen Preise berechne. Arbeiten an Bauwerken - mit oder ohne
Einbau von Werkstoffen - könnten aber nie Engroslieferungen sein; wie
Art. 15 bis Abs. 3 WUStB bestätige, seien sie immer Detaillieferungen,
gleichgültig, ob der Besteller ein Privater oder ein Unternehmer sei,
welcher sie seinerseits seinem Besteller verrechne. Die Anwendung des BRB
1951 auf die Herstellung von Bauwerken sei somit generell ausgeschlossen.

    D.- Die X. AG erhebt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag,
der Einspracheentscheid sei aufzuheben, und es sei zu erkennen, "dass die
Beschwerdeführerin die Warenumsatzsteuer bei Lieferung von Bodenbelägen
an Wiederverkäufer mit Ausführung des Verlegens offen in Rechnung stellen
und erwähnen darf".

    Es wird geltend gemacht, Art. 15 bis WUStB stelle jedenfalls dann, wenn
er im Sinne der Auffassung der EStV verstanden werde, eine Fiktion auf, die
mit der Wirklichkeit nicht übereinstimme. Die Lieferung von Bodenbelägen
an Wiederverkäufer sei nicht eine Detail-, sondern eine Engroslieferung,
auch wenn der Lieferer für den Engroskunden die Verbindung mit dem Bauwerk
besorge und ihm dafür Rechnung stelle.

    Der Grundsatz, dass die Steuer bei Detaillieferungen nur verdeckt
überwälzt werden darf, sei offensichtlich nur eingeführt worden,
um die Stimmbürger nicht zu verärgern, obwohl er tatsächlich ihrem
Interesse zuwiderlaufe, da er dazu anreize, ihnen einen zu hohen Betrag
zu überwälzen. Er sei nun überholt, nachdem die Warenumsatzsteuer den
Charakter der Neuheit verloren habe; er dürfe daher nicht ausdehnend
interpretiert werden. Beim Erlass des BRB 1951 sei anscheinend kein Wert
mehr auf das Verdecken der Steuer gelegt worden; deshalb habe man die
offene Überwälzung selbst bei Fakturierung an Detailkunden gestattet,
wenn Engros- und Detailpreise zusammenfallen. Offenbar sollten damit
doppelte Kosten für Drucksachen usw. vermieden werden, welche nur die
Ware verteuerten. Die gleiche ratio legis gelte erst recht, wenn nicht
dem Detailkunden fakturiert werde, sondern dem Wiederverkäufer, für den
das offene Überwälzen ohnehin die Regel sei.

    Die Kosten des Verlegens müssten ihrer Natur nach allen Kunden zum
gleichen Preis fakturiert werden. Werde auf der Fiktion beharrt, dass
die Beschwerdeführerin ein Detailgeschäft tätige. wenn sie beim Verkauf
des Bodenbelags an Engroskunden auch das Verlegen übernehme, so müsse
der BRB 1951 auf dieses Geschäft ebenfalls Anwendung finden.

    Wenn es beim angefochtenen Entscheid bliebe, müsste die
Beschwerdeführerin zweierlei Preislisten erstellen und versenden, was
einen jährlichen Mehraufwand von mindestens Fr. 12 800.-- erfordern würde,
der schliesslich dem Detailkunden zur Last fiele, ohne ihm irgendwelchen
Nutzen zu bringen.

    Die Steuererhöhung, die am 1. Januar 1972 in Kraft getreten ist, habe
selbst bei Detaillieferungen und Bauarbeiten offen überwälzt werden dürfen,
wenn die frühere Offerte oder Vereinbarung auf den alten Steueransätzen
beruht habe. Auch in diesem Fall, der sich bei jeder neuen Steuererhöhung
wiederhole, werde also die Regel des Art. 29 WUStB durchbrochen.

    Übrigens stelle sich auch die Frage, ob die strittigen Bestimmungen
über die Steuerüberwälzung gesetz- und verfassungsmässig seien. Sie
stammten aus einer Zeit, da die Preise behördlich vorgeschrieben gewesen
seien. Heute beständen aber keine solchen Preisvorschriften mehr. Nach
dem geltenden Verfassungsrecht - Art. 41 ter BV - sei die Kompetenz
der Verwaltung auf die Festsetzung der Steuerforderung beschränkt. Die
umstrittene Ordnung ermangle nun der gesetzlichen Grundlage. Sie
widerspreche der Garantie der Handels- und Gewerbefreiheit.

    E.- Die EStV beantragt die Abweisung der Beschwerde.

Auszug aus den Erwägungen:

              Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Die Beschwerdeführerin ist offenbar der Meinung, der rev. Art. 29
WUStB und der BRB 1951 seien jedenfalls heute als verfassungs- und
gesetzwidrig zu erachten. Wie es scheint, nimmt sie an, das Bundesgericht
könne die Frage prüfen und gegebenenfalls jene Vorschriften unanwendbar
erklären. Diese Auffassung ist irrig.

    Die Bundesversammlung hat den Bundesbeschluss vom 20. Dezember 1950
über die Ausführung der Finanzordnung 1951-1954, in dem sie Art. 29 WStB
neu gefasst hat, gestützt auf eine ihr durch die Bundesverfassung (Art. 5
des Bundesbeschlusses vom 29. September 1950 über die Finanzordnung
1951-1954) erteilte Ermächtigung unter Ausschluss des Referendums
erlassen. Sie hat ihn nach der damaligen Praxis in die Form des einfachen
Bundesbeschlusses gekleidet. In der Lehre ist umstritten, ob rechtsetzende
einfache Bundesbeschlüsse zu den "von der Bundesversammlung erlassenen
Gesetzen und allgemein verbindlichen Beschlüssen" gehören, an die das
Bundesgericht nach Art. 113 Abs. 3 BV gebunden ist, oder ob sie vom Gericht
gleich wie Rechtsverordnungen des Bundesrates auf ihre Rechtsbeständigkeit
überprüft werden können. In einem Urteil vom 13. Mai 1966 (ASA Bd. 35
S. 385), das ebenfalls den genannten Bundesbeschluss vom 20. Dezember
1950 betrifft, hat das Bundesgericht die Frage offengelassen. Sie stellt
sich heute hinsichtlich des neuen Art. 29 WUStB nicht mehr, wie sich aus
den folgenden Überlegungen ergibt.

    Nachdem die Bestimmungen der Finanzordnung 1951-1954 (des
Bundesbeschlusses vom 29. September 1950) durch Bundesbeschluss vom
25. Juni 1954 über die Finanzordnung 1955-1958 auch für diese Jahre
anwendbar erklärt worden waren, wurde in Art. 8 Üb. Best. BV (Fassung
gemäss Bundesbeschluss vom 31. Januar 1958 über die verfassungsmässige
Neuordnung des Finanzhaushaltes des Bundes) u.a. angeordnet, dass bis
zum Erlass eines einschlägigen Ausführungsgesetzes zu Art. 41 ter
BV "die bisherigen Bestimmungen" über die Warenumsatzsteuer (unter
gewissen hier nicht in Betracht fallenden Vorbehalten) "in Kraft
bleiben". Entsprechend sagt der heutige Text des Art. 8 Üb. Best. BV
(Fassung gemäss Bundesbeschluss vom 11. März 1971 über die Weiterführung
der Finanzordnung des Bundes), dass unter Vorbehalt der Änderung durch
Bundesgesetz im Rahmen von Art. 41 ter (und unter weiteren Vorbehalten,
die hier nicht von Bedeutung sind) "die am 31. Dezember 1970 geltenden
Bestimmungen" über die Warenumsatzsteuer "in Kraft bleiben". Zu den
"bisheri-gen" und den "am 31. Dezember 1970 geltenden" Bestimmungen über
die Warenumsatzsteuer, die durch Art. 8 Üb. Best. BV (alt und neu) in Kraft
belassen worden sind, gehören aber auch der revidierte Art. 29 WUStB und
der BRB 1951. Sie sind demnach durch die Bundesverfassung bestätigt worden
und können daher vom Bundesgericht nicht auf ihre Rechtsbeständigkeit
überprüft werden. Da das Gericht an Art. 8 Üb. Best. BV gebunden ist,
muss es auch die Bestimmungen, die in dieser Verfassungsvorschrift für
verbindlich erklärt werden, ohne weiteres als massgebend betrachten.

    Zu prüfen bleibt der weitere Einwand der Beschwerdeführerin, jedenfalls
habe die EStV im angefochtenen Entscheid den Art. 29 WUStB und den BRB
1951 unrichtig ausgelegt und angewandt.

Erwägung 2

    2.- Nach Art. 29 WUStB darf die Warenumsatzsteuer auf den Warenabnehmer
überwälzt werden. Die Art der Überwälzung ist aber nicht völlig dem
Belieben des Lieferers überlassen. Für die Engroslieferungen bestehen
in dieser Beziehung keine Vorschriften. Anders verhält es sich mit den
Detaillieferungen: Bei ihnen darf nach Art. 29 WUStB die Überwälzung nur
in der Weise bewirkt werden, dass der Lieferer den von ihm geschuldeten
oder ihm auf dem Überwälzungswege angerechneten Steuerbetrag in
den Lieferungspreis einrechnet, unter Vorbehalt von Ausnahmen, die
der Bundesrat bewilligen kann. Gestützt auf diesen Vorbehalt hat
der Bundesrat mit seinem Beschluss vom 24. Juli 1951 dem Grossisten
erlaubt, die Steuer auf Detaillieferungen den Abnehmern dann gesondert
in Rechnung zu stellen, wenn er diese Lieferungen zu Preisen ausführt,
die er in seinem Geschäftsbetriebe für Engroslieferungen fordert. Wo
die offene Überwälzung verboten ist, darf die Steuer auch in Unterlagen
(Preislisten, Offerten usw.), die den Abnehmer vor dem Vertragsabschluss
über die Preise orientieren, nicht in Erscheinung treten.

    Wie Art. 15 Abs. 3 WUStB bestimmt, gilt als Engroslieferung die
Lieferung von Waren für den Wiederverkauf oder als Werkstoff für die
gewerbsmässige Herstellung von Waren oder Bauwerken. Als Detaillieferungen
gelten nach Art. 19 Abs. 2 WUStB alle Lieferungen, auf welche die
Voraussetzungen von Art. 15 Abs. 3 nicht zutreffen. Gemäss Art. 15bis
Abs. 3 WUStB gilt die Herstellung von Bauwerken für fremde Rechnung als
Detaillieferung desjenigen, der die Herstellung ausführt. Der Art. 29
WUStB und der BRB 1951 sind im Sinne dieser Umschreibungen auszulegen. Es
versteht sich von selbst, dass die Ausdrücke "Engroslieferungen" und
"Detaillieferungen" in allen Vorschriften der Gesetzgebung über die
Warenumsatzsteuer, in denen sie verwendet werden, die gleiche Bedeutung
haben müssen.

Erwägung 3

    3.- Die Beschwerdeführerin befasst sich u.a. mit der Verlegung von
Bodenbelägen für private Besteller und für Gewerbetreibende, welche
bei ihnen bestellte Belagsarbeiten von ihr ausführen lassen. Das
sind Arbeiten, die in der Verbindung von Werkstoffen mit Bauwerken
bestehen. Sie gelten nach Art. 18bis WUStB als Herstellung von Bauwerken
und sind, weil die Beschwerdeführerin sie für fremde Rechnung ausführt,
gemäss Art. 15bis Abs. 1 WUStB den Warenlieferungen gleichgestellt. Nach
Art. 15bis Abs. 3 WUStB sind sie als Detaillieferungen des Herstellers,
der Beschwerdeführerin, zu betrachten.

    In der Tat können baugewerbliche Arbeiten, wie sie hier in Frage
stehen, unter keinen Umständen als Engroslieferungen im Sinne des
Art. 15 Abs. 3 WUStB angesehen werden. Durch die Verbindung mit dem
Bauwerk verlieren die verwendeten Belagsmaterialien (Werkstoffe)
die Wareneigenschaft; denn sie können nun nicht mehr Gegenstand eines
Fahrniskaufes sein (Art. 17 WUStB). Sie werden dem Besteller nicht "für
den Wiederverkauf oder als Werkstoff für die gewerbsmässige Herstellung
von Waren oder Bauwerken" (Art. 15 Abs. 3 WUStB) geliefert, Vielmehr
wird ihm das bestellte Werk geliefert, in das die Belagsmaterialien bei
der Herstellung übergegangen sind (Art. 18 WUStB). Gegenstand einer
Engroslieferung im Sinne des Warenumsatzsteuerrechts können nur Waren
sein, nicht auch Bauwerke. Das ergibt sich schon aus Art. 15 Abs. 3 WUStB
und wird durch Art. 15 bis Abs. 3 WUStB bestätigt. Arbeiten, mit denen
Bauwerke für fremde Rechnung hergestellt werden, sind demnach immer
Detaillieferungen, auch wenn der Besteller nicht ein privater Bauherr
ist, sondern ein Gewerbetreibender, der die Arbeit seinerseits seinem
Besteller verrechnet.

    Die Beschwerdeführerin behauptet, mit der "Lieferung von Bodenbelägen
an Wiederverkäufer" führe sie eine "Engroslieferung" aus, und zwar auch
dann, wenn sie für den "Engroskunden" die Verbindung mit dem Bauwerk
besorge. Diese Ausdrucksweise mag einem kaufmännischen Sprachgebrauch
entsprechen, doch deckt sie sich nicht ganz mit den steuerrechtlichen
Begriffen der Detail- und der Engroslieferung. Allerdings liegt
eine Engroslieferung im Sinne des Art. 15 Abs. 3 WUStB vor, wenn die
Beschwerdeführerin Bodenbelagsmaterial für den Wiederverkauf oder als
Werkstoff für die vom Abnehmer auszuführende gewerbsmässige Herstellung
von Bauwerken verkauft. Anders verhält es sich dagegen, wenn nicht
der "Engroskunde", sondern die Beschwerdeführerin selber den von ihr
gelieferten Werkstoff mit dem Bauwerk verbindet. In diesem - Gegenstand
des Streites bildenden - Fall führt sie auf Grund eines Werkvertrages eine
Lieferung aus, die in der Herstellung eines Bauwerkes besteht. Solche
Lieferungen sind aber, wie gesagt, immer Detaillieferungen im Sinne des
Warenumsatzsteuerrechts.

Erwägung 4

    4.- Hieraus folgt, dass die Beschwerdeführerin bei allen von ihr
ausgeführten Belagsarbeiten nach der in Art. 29 WUStB aufgestellten Regel
verfahren muss, also die Warenumsatzsteuer nicht gesondert in Rechnung
stellen darf. Denn es kann nach dem Gesagten in ihrem Geschäftsbetriebe
gar keine vergleichbaren Engroslieferungen geben, so dass sie sich nicht
auf die im BRB 1951 vorgesehene Ausnahme berufen kann. Es besteht aber
keine weitere Vorschrift, nach der baugewerbliche Arbeiten für Rechnung
von Gewerbebetrieben, welche diese Leistungen ihrerseits ihren Bestellern
verrechnen, von jener Regel ausgenommen wären. Der angefochtene Entscheid
entspricht dem klaren Wortlaut des Art. 29 WUStB und des BRB 1951.

    Freilich ist daraus, dass der Text einer gesetzlichen Bestimmung an
sich klar ist, nicht ohne weiteres zu schliessen, dass für eine sinngemässe
Auslegung kein Raum bleibe. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts darf
von ihm abgewichen werden, wenn triftige Gründe die Annahme aufdrängen,
dass er nicht den wahren Sinn der Bestimmung wiedergibt. Solche Gründe
können sich aus der Entstehungsgeschichte der Bestimmung, aus ihrem Grund
und Zweck oder aus dem Zusammenhang mit anderen Vorschriften ergeben
(BGE 99 I/b 507 f. mit Hinweisen).

    Das grundsätzliche Verbot, die Steuer auf Detaillieferungen offen zu
überwälzen, wurde eingeführt, weil die ursprüngliche Ordnung - Freiheit
der Wahl zwischen offener und stiller Überwälzung - als unbefriedigend
betrachtet wurde. Man fand, das System der verdeckten Überwälzung sei
für den Detaillisten einfacher und bewahre ihn vor Fehlrechnungen. Es
sei aber auch für den Konsumenten vorteilhafter; denn es erlaube ihm,
sich schneller und zuverlässiger über die wirklichen Preise und deren
Unterschiede zu orientieren, und es schütze ihn vor Benachteiligung
durch irrtümliche Berechnungen. Zudem sollte vermieden werden, dass der
Bürger auf Schritt und Tritt an die unbeliebte Steuerbelastung erinnert
werde (vgl. Botschaften des Bundesrates vom 19. Juli 1950 über die
Finanzordnung 1951-1954 und vom 4. Dezember 1950 über die Ausführung
dieser Finanzordnung, BBl 1950 II 438 f. und III 579 f.). Man wollte vor
allem dem privaten Konsumenten Anstände und Ärger ersparen. Der Einfachheit
halber wurden aber alle Detaillieferungen (im steuerrechtlichen Sinne)
in das Verbot einbezogen, ohne Unterschied danach, ob der gelieferte
Gegenstand vom Abnehmer zum privaten oder zum gewerblichen Gebrauch
verwendet wird (WELLAUER, Warenumsatzsteuer, N 978). Immerhin wurde der
Bundesrat ermächtigt, Ausnahmen vom Verbot zu bewilligen, was er durch
Erlass des BRB 1951 getan hat. Die dort vorgesehene Ausnahme wurde deshalb
als erforderlich erachtet, weil sonst der Grossist, um bei der Festsetzung
des Offertpreises den richtigen Steueransatz anrechnen zu können, den
einzelnen Interessenten zum voraus anfragen müsste, wozu er die Ware
verwenden werde (WELLAUER, aaO, N 982). Diese Erwägung trifft aber auf
baugewerbliche Arbeiten nicht zu, weil diese stets Detaillieferungen
im Sinne des Warenumsatzsteuerrechtes darstellen und daher der Satz,
zu dem sie zu versteuern sind, vom Lieferer immer von vornherein, ohne
Anfrage beim Abnehmer, festgestellt werden kann. Der BRB 1951 kann daher
auf baugewerbliche Arbeiten nicht, auch nicht analog, angewandt werden.

    Mit dem rev. Art. 29 WUStB und dem BRB 1951 wurde eine einfache, leicht
durchführbare Ordnung geschaffen. Es besteht kein Grund zur Annahme,
dass diese Regelung zu offensichtlich sinnwidrigen, der ratio legis
widersprechenden Ergebnissen führt, wenn die dort verwendeten Begriffe der
Detail-und der Engroslieferung so verstanden werden, wie sie in Art. 15
Abs. 3, Art. 15bis Abs. 3 und Art. 19 Abs. 2 WUStB umschrieben sind. Es
mag sein, dass die Beachtung der so ausgelegten Überwälzungsvorschriften
in einem Unternehmen, wie es die Beschwerdeführerin betreibt, einen
zusätzlichen administrativen Aufwand zur Folge hat. Wenn dies zutrifft,
lässt sich daraus aber nicht ableiten, dass die Vorschriften entgegen
ihrem klaren Wortlaut ausgelegt werden müssen. Würden die von der
Beschwerdeführerin geltend gemachten Umstände eine Ausnahme von der
Regel des Art. 29 WUStB rechtfertigen, so wäre es Sache des Gesetzgebers,
das Erforderliche anzuordnen.

Erwägung 5

    5.- Allerdings räumt Ziff. II Abs. 4 des BRB vom 28. Juni 1971 über
die Änderung des WUStB dem Lieferer unter Vorbehalt einer abweichenden
Abmachung das Recht ein, vom Abnehmer die zusätzliche Vergütung des
Betrages zu verlangen, um den die Steuer nach den geänderten Bestimmungen
höher ist, wenn die Lieferung, für die das Entgelt vor dem 1. Januar 1972
vereinbart wurde, nach den neuen Bestimmungen zu versteuern ist. Eine
entsprechende Vorschrift findet sich in Ziff. II Abs. 3 des BRB vom
4. Juli 1973, durch den die Steuersätze nochmals erhöht worden sind. Diese
Vorschriften waren zum Schutz des Lieferers erforderlich. Die in ihnen
vorgesehene zusätzliche Vergütung der Steuerdifferenz ist naturgemäss
nur auf dem Wege der offenen Überwälzung erreichbar. Das gilt auch für
Detaillieferungen. Es liegt indes auf der Hand, dass mit den genannten
Vorschriften, welche blosse Übergangsbestimmungen sind, das grundsätzliche
Verbot der offenen Überwälzung bei Detaillieferungen nicht preisgegeben
worden ist.

Entscheid:

Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Beschwerde wird abgewiesen.