Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 100 IB 132



100 Ib 132

24. Auszug aus dem Urteil vom 3. Mai 1974 i.S. Personalfürsorgestiftung
der ehemaligen Firma Riggenbach & Krayer AG gegen Regierungsrat des
Kantons Basel-Stadt Regeste

    Stiftungsaufsicht, Art. 84 Abs. 2 ZGB.

    1.  Umfang der Aufsichtskompetenz nach Art. 84 Abs. 2 ZGB (Erw. 3).

    2.  Der Ort des Sitzes einer Stiftung ist für die Bestimmung der
örtlichen Zuständigkeit der Aufsichtsbehörde nicht allein entscheidend
(Erw. 4).

Sachverhalt

                      Aus dem Sachverhalt:

    A.- Nicolas Riggenbach-Hornung hat mit Urkunde vom 22.  Dezember 1955
die Riggenbach-Hornung-Stiftung errichtet, eine Stiftung im Sinne von
Art. 80 ff. ZGB zugunsten des Personals der Firmen Riggenbach zum Arm AG
und Krayer Ramsperger AG in Basel. Nach § 2 der Stiftungsurkunde konnte
der Stiftungsrat mit Zustimmung der Aufsichtsbehörde den Sitz der Stiftung,
der sich zunächst am Sitze der Firma Riggenbach zum Arm AG in Basel befand,
innerhalb der Schweiz nach Belieben verlegen.

    Im Jahre 1963 änderte die Krayer-Ramsperger AG ihre Firma in
Riggenbach & Krayer AG und übernahm den Geschäftsbetrieb der Firma
Riggenbach zum Arm AG. Die Statuten der Riggenbach-Hornung-Stiftung
wurden am 13. September 1963 ohne wesentliche Umgestaltung ihres
Inhaltes den veränderten Verhältnissen angepasst; die Stiftung erhielt
den Namen "Personalfürsorgestiftung der Firma Riggenbach & Krayer
AG". Im Jahre 1968 fusionierte die Firma Riggenbach & Krayer AG mit der
Firma Lebensmittel-Christen AG in Basel und wurde im Handelsregister
gelöscht. Die Mehrzahl der Arbeitnehmer der Firma Riggenbach & Krayer
AG trat in die Firma Lebensmittel-Christen AG über. Die Stiftung
wurde unter dem Namen "Personalfürsorgestiftung der ehemaligen Firma
Riggenbach & Krayer AG" weitergeführt. Eine neue, vom 20. September
1968 datierte Stiftungsurkunde übernahm im wesentlichen die bisherige
Regelung. Im Jahre 1969 ging die Firma Lebensmittel-Christen AG an die
USEGO AG Olten über. Die USEGO AG delegierte zwei Arbeitgebervertreter
in den Stiftungsrat der Personalfürsorgestiftung der ehemaligen Firma
Riggenbach & Krayer AG. Im Stiftungsrat, in dem neben den beiden
Vertretern der USEGO AG eine Destinatärin der Stiftung sass, kam es in
der Folge zu Meinungsverschiedenheiten über das weitere Schicksal der
Stiftung und die Verwendung des Stiftungsvermögens. Am 8. Oktober 1970
beschloss der Stiftungsrat, den Destinatären sämtliche Arbeitnehmer-
und Arbeitgeberbeiträge auszuzahlen. Die Aufsichtsbehörde, das
Justizdepartement des Kantons Basel-Stadt, stimmte diesem Beschlusse
zu. Über die Verwendung des freien Stiftungsvermögens von damals
rund Fr. 90 000.--, das auf einen Beitragsausgleichsfonds und einen
Unterstützungsfonds aufgeteilt war, konnten sich die Mitglieder des
Stiftungsrates hingegen nicht einigen. In einem Schreiben vom 25. Januar
1971 unterbreitete der Stiftungsrat der Aufsichtsbehörde dazu einen
Mehrheits- und einen Minderheitsvorschlag. Die Aufsichtsbehörde lehnte
in ihrer Antwort vom 5. Februar 1971 den Mehrheitsvorschlag ab und sprach
sich für den Minderheitsvorschlag aus.

    Am 28. Februar 1973 gab die USEGO AG der Aufsichtsbehörde nach einem
längeren Briefwechsel bekannt, der Stiftungsrat habe am 22. Februar 1973
mit den Stimmen der beiden Vertreter der USEGO AG gegen die Stimme der
Vertreterin der Destinatäre beschlossen, den Sitz der Stiftung von Basel
nach Olten zu verlegen, das freie Stiftungsvermögen an den Wohlfahrtsfonds
der USEGO-Mitarbeiter zu übertragen "mit der Auflage, dass mindestens
Fr. 103 805.15 (Wert des Stiftungsvermögens per 1. Januar 1973) abzüglich
jeweilige Stiftungsleistungen dauernd zu Gunsten des ehemaligen Personals
der ehemaligen Firma Riggenbach & Krayer AG zur Verfügung stehen muss",
und die Stiftung nach Vollzug dieser Operation aufzulösen.

    Die Aufsichtsbehörde erklärte in ihrer als Verfügung ausgestalteten
Antwort vom 28. März 1973, sie könne der Sitzverlegung nicht zustimmen,
solange die seit Jahren offenen Fragen nicht gelöst seien, und erteilte
dem Stiftungsrat bestimmte Weisungen für das weitere Vorgehen.

    B.- Der Stiftungsrat focht die Verfügung der Aufsichtsbehörde
beim Regierungsrat des Kantons Basel-Stadt an. Dieser beschloss am 17
September 1973:

    "1. - Wird der Rekurs des Stiftungsrates der Personalfürsorgestiftung
der ehemaligen Firma Riggenbach & Krayer AG vollumfänglich abgewiesen.

    " 2. - Wird der Stiftungsrat angewiesen, innert Monatsfrist, vom Tage
der Zustellung dieses Entscheides an gerechnet, nach den Weisungen des
Justizdepartements vom 28. März I 973 vorzugehen und der Aufsichtsbehörde
hievon gebührend Mitteilung zu machen.

    " 3. - Bei Zuwiderhandlung wird Absetzung des Stiftungsrates in
Aussicht gestellt."

    C.- Mit der vorliegenden Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragt
die Stiftung, den Entscheid des Regierungsrates aufzuheben und den
Mehrheitsbeschlüssen des Stiftungsrates vom 22. Februar 1973 zuzustimmen.

    D.- Der Regierungsrat beantragt Abweisung der Beschwerde unter
Kostenfolge, während das Eidg. Justiz- und Polizeidepartement darauf
verzichtet hat, einen Antrag zu formulieren.

Auszug aus den Erwägungen:

                       Aus den Erwägungen:

Erwägung 3

    3.- Nach Art. 84 Abs. 2 ZGB hat die Aufsichtsbehörde dafür zu
sorgen, dass das Stiftungsvermögen seinen vom Stifter grundsätzlich
frei bestimmbaren Zwecken gemäss verwendet wird (BGE 99 I/b 258/259
Erw. 3). Dies schliesst die Befugnis ein, dafür zu sorgen, dass
der Stiftungsrat die Stiftungsurkunde und allfällige Reglemente
beachtet und allfälliges Ermessen nicht überschreitet oder missbraucht
(unveröffentlichtes Urteil vom 6. April 1960 i.S. Pensionsfonds der
Angestellten der Henkel & Cie AG, Erw. 3, 4 und 5). Die Aufsichtsbehörde
kann im Rahmen dieser Befugnis nicht nur die Korrektur bestimmter mit dem
Stiftungszweck in Widerspruch stehender Handlungen der Stiftungsorgane
erzwingen (BGE 99 I/b 259 Erw. 4), sondern durch verbindliche Weisungen
auch vorbeugend eingreifen (zit. Urteil i.S. Pensionsfonds der Angestellten
der Henkel & Cie AG, Erw. 4). Die Stiftungsaufsicht nach Art. 84 Abs. 2
ZGB ist aber keine Vormundschaft. Die Stiftung ist grundsätzlich
voll handlungsfähig (vgl. EGGER, Kommentar zu Art. 84 ZGB N. 7; MAX
GUTZWILLER, Schweiz. Privatrecht II S. 616). Die Aufsichtsbehörde muss
dem Stiftungsrat deshalb eine gewisse Handlungsfreiheit lassen. Sie darf
grundsätzlich nicht einfach an Stelle des Stiftungsrates handeln. In reinen
Ermessensfragen hat sie sich zurückzuhalten. Im übrigen bestimmt sich
der Umfang der Aufsichtsbefugnisse nach den Umständen des Einzelfalles.

Erwägung 4

    4.- Die Beschwerdeführerin ersucht das Bundesgericht, der Verlegung
ihres Sitzes von Basel nach Olten zuzustimmen. Zur Begründung dieses
Antrages verweist sie einzig auf den Brief, den die USEGO AG am 28. Februar
1973 an die Aufsichtsbehörde gerichtet hat. Die USEGO AG hat darin
ausgeführt, die Stiftung werde schon seit Jahren von Olten aus verwaltet;
aus dem Umstand, dass der Sitz der Stiftung im Jahre 1968 in Basel belassen
wurde, könne nichts abgeleitet werden; die Verlegung des Sitzes an den Ort
der tatsächlichen Verwaltung der Stiftung gewährleiste enge und wirksame
Kontakte zwischen der Stiftung und der Aufsichtsbehörde; der Verkehr
mit den Amtsstellen sei im Normalfalle grösser als der Verkehr mit den
Destinatären; die Zustimmung zur Sitzverlegung könne in Anbetracht von §
2 der Stiftungsurkunde nur verweigert werden, "wenn z.B. der Stiftungszweck
beeinträchtigt würde oder Gefahr für das Vermögen bestünde".

    Die Vorinstanz hat die Verweigerung der Zustimmung zur Sitzverlegung
damit begründet, dass die Umstände des Falles den Anschein erweckten,
die Sitzverlegung bezwecke lediglich, die Weisungen des baselstädtischen
Justizdepartementes zu umgehen; ausserdem liege es im Interesse der
Destinatäre, die mehrheitlich in Basel und Umgebung wohnten, sich
nötigenfalls an die nächstgelegene Aufsichtsbehörde wenden zu können.

    Aus den Darlegungen, auf die sich die Beschwerdeführerin zur
Begründung ihres Begehrens beruft, ergibt sich, dass sie nicht so
sehr eine Sitzverlegung als solche beabsichtigt, als vielmehr einen
Wechsel der Aufsichtsbehörde. Nun können aber weder der Stifter noch
die Stiftungsorgane bestimmen, welcher Aufsichtsbehörde die Stiftung
unterstehen soll, wird die zuständige Aufsichtsbehörde doch vom Gesetze
bezeichnet (Art. 84 Abs. 1 ZGB, HAFTER, Kommentar zu Art. 84 ZGB
N.11). Nach Art. 84 Abs. 1 ZGB stehen die Stiftungen unter der Aufsicht
des Gemeinwesens, dem sie nach ihrer Bestimmung angehören. Ist der Zweck
der Stiftung durch den Kreis der Destinatäre örtlich begrenzt, so ist
diese örtliche Begrenzung für die Bestimmung des zuständigen Gemeinwesens
massgebend. Bei Personalfürsorgestiftungen kommt es in erster Linie
darauf an, wo sich der Sitz der Unternehmung befindet (EGGER, Kommentar
zu Art. 84 ZGB N. 4 und 5). Der Ort des Sitzes der Stiftung selbst ist
hingegen für sich allein nicht entscheidend.

    Im vorliegenden Falle sprechen zwei Umstände dafür, dass die Stiftung
der Aufsicht des Kantons Basel-Stadt untersteht. Die Destinatäre der
Stiftung sind ehemalige Arbeitnehmer von heute nicht mehr bestehenden
Unternehmungen, die ihren Sitz in Basel hatten, und die Mehrzahl von ihnen
wohnt unbestrittenermassen noch heute im Kanton Basel-Stadt. Zwar wird
die Stiftung heute tatsächlich von Olten aus verwaltet. Dies vermag aber
für sich allein die Zuordnung, die sich aus dem Zweck der Stiftung ergibt,
nicht in Frage zu stellen. Anders wäre höchstens zu entscheiden, wenn damit
die Beaufsichtigung der Stiftung übermässig erschwert und vielleicht ihrer
Wirkung beraubt würde. Dies trifft aber nicht zu, übt die Stiftung doch
lediglich eine beschränkte und einfache Tätigkeit aus, deren Überwachung
ohnehin keine besonderen Schwierigkeiten verursachen kann.

    Die Verlegung des Stiftungssitzes von Basel nach Olten würde, wie
gesehen, nicht ohne weiteres bewirken, dass künftig statt dem Kanton
Basel-Stadt der Kanton Solothurn die Aufsicht über die Stiftung auszuüben
hätte. Sollte die Beschwerdeführerin ihren Sitz dennoch nach Olten verlegen
wollen und damit einverstanden sein, weiterhin der Aufsicht des Kantons
Basel-Stadt zu unterliegen, so könnte die baselstädtische Aufsichtsbehörde
ihr die Zustimmung zur Sitzverlegung wohl kaum noch länger verweigern. Ob
die Beschwerdeführerin an einer Sitzverlegung unter diesen Umständen noch
Interesse hätte, erscheint allerdings fraglich, es sei denn, steuerliche
Erwägungen bewegten sie dazu.

    Im Sinne dieser Erwägungen muss der Antrag der Beschwerdeführerm,
der Verlegung ihres Sitzes nach Olten zuzustimmen, abgewiesen werden.