Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 100 IB 121



100 Ib 121

22. Urteil der II. Zivilabteilung vom 28. Februar 1974
i.S. Erbengemeinschaft der Rosa Kuntschen-Zenruffinen gegen Staatsrat
des Kantons Wallis Regeste

    Erbteilungsvertrag: Vertrag über angefallene Erbanteile.

    Im Rahmen eines Erbteilungsvertrages kann sowohl die Übertragung von
Grundeigentum als auch die Begründung beschränkter dinglicher Rechte,
die sonst nur in öffentlich beurkundetem Vertrag errichtet werden können,
in einfacher Schriftfonn vereinbart werden (Erw. 1).

    Anforderungen an einen Erbteilungsvertrag, damit er als Ausweis für
eine Eintragung im Grundbuch gelten kann (Erw. 2).

    Art. 635 ZGB enthält eine besondere Formvorschrift lediglich für die
Übertragung von angefallenen Erbanteilen oder von Bruchteilen derselben.
Werden einzelne Gegenstände oder Rechte aus einem Nachlass nicht in einem
Erbteilungsvertrag aufgeteilt, so müssen sie nach den gewöhnlichen Regeln
der Rechtsgeschäfte unter Lebenden auf den Erwerber übertragen werden
(Erw. 4).

Sachverhalt

    Die Mitglieder der Erbengemeinschaft Rosa Kuntschen-Zenruffinen
schlossen am 16. Oktober 1972 einen schriftlichen Vertrag ab. Sie
vereinbarten, zu Lebzeiten weder das Grundstück in den Mayens de
Sion noch das Apartment in Hause Zenruffinen in Leuk zu teilen oder
zu verkaufen. Myriam und Germaine Kuntschen räumten sie am erwähnten
Apartment in Leuk die Nutzniessung auf Lebenszeit ein. Sodann regelten
sie die Ausgleichung einer Zuwendung, die Melchior Kuntschen von der
Erblasserin bei Lebzeiten.auf Anrechnung an seinen Erbteil erhalten
hatte. Schliesslich ordneten sie unter anderem noch die Verwaltung des
beweglichen und unbeweglichen Vermögens.

    Am 16. Januar 1973 verlangte Notar Allet beim Grundbuchamt des Kreises
Leuk, dass die erwähnte Nutzniessung ins Grundbuch eingetragen werde. Der
Grundbuchverwalter sandte die Anmeldung jedoch unbehandelt zurück. Er
machte verschiedene Mängel geltend und verlangte überdies, dass der Vertrag
über die Einräumung der Nutzniessung öffentlich beurkundet werde. Entgegen
der Ansicht von Notar Allet könne der Vertrag nicht als Teilungsvertrag im
Sinne von Art. 634 Abs. 2 ZGB betrachtet werden. Er genüge infolgedessen
nicht als Ausweis für die Eintragung der Nutzniessung ins Grundbuch.

    Gegen diese Verfügung erhoben die Erben der Rosa Kuntschen beim
Staatsrat des Kantons Wallis Beschwerde, die von diesem am 17. Oktober
1973 jedoch abgewiesen wurde.

    Gegen den Entscheid des Staatsrates führen die Erben der Rosa
Kuntschen beim Bundesgericht Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Sie
beantragen, den Entscheid des Staatsrates aufzuheben, soweit damit
die öffentliche Beurkundung des Vertrages verlangt und die kantonalen
Kosten den Beschwerdeführern auferlegt werden. Sie machen im wesentlichen
geltend, bei der Vereinbarung vom 16. Januar 1972 handle es sich um einen
partiellen Erbteilungsvertrag, der nach Art. 634 Abs. 2 ZGB in einfacher
Schriftform abgefasst werden könne. Sei die Übertragung von Grundeigentum
in einem Erbteilungsvertrag in einfacher Schriftform möglich, so müssten
auch beschränkte dingliche Rechte, wie die Nutzniessung, in dieser Form
begründet werden können. Sollte diese Auffassung nicht geteilt werden,
so sei in der Einräumung der Nutzniessung jedenfalls ein Vertrag über
angefallene Erbanteile nach Art. 635 ZGB zu erblicken, der ebenfalls
bloss in einfacher Schriftform abgefasst werden müsse.

    Sowohl der Staatsrat des Kantons Wallis als auch das Eidgenössische
Justiz- und Polizeidepartement beantragen in ihren Vernehmlassungen,
die Beschwerde abzuweisen.

Auszug aus den Erwägungen:

                       Aus den Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtes kann im Rahmen eines
Erbteilungsvertrages gemäss Art. 634 Abs. 2 ZGB die Übertragung von
Grundeigentum in einfacher Schriftform gültig vereinbart werden (BGE 86
II 351 Erw. 3 a mit Hinweisen). Nach Ansicht einer Mehrheit von Autoren
können auch beschränkte dingliche Rechte, die sonst der öffentlichen
Beurkundung bedürfen, im Teilungsvertrag in einfacher Schriftform
an Nachlassgrundstücken zugunsten einzelner Miterben begründet werden
(ESCHER, N. 12 zu Art. 634 ZGB, TUOR/SCHNYDER/JÄGGI, ZGB, 8. Aufl., Zürich,
1968, S. 420 und 573/574, PICENONI in ZBGR, 1972, S. 137/138 und HAUSER,
Der Erbteilungsvertrag, Diss. Zürich, 1973, S. 83 ff). In der Tat wäre
nicht einzusehen, weshalb dies nicht zulässig sein sollte, wenn doch die
Übertragung des vollen Eigentumsrechtes an der Liegenschaft in dieser Form
möglich ist (vgl. hiezu auch Art. 712 d Abs. 3 ZGB, wonach die Einräumung
von Stockwerkeigentum im Erbteilungsvertrag in einfacher Schriftform
zulässig ist). Aus Art. 19 Abs. 1 GBV geht denn auch eindeutig hervor,
dass der Gesetzgeber die Nutzniessung und die andern dort angeführten
beschränkten dinglichen Rechte in der Erbteilung nicht abweichend vom
Eigentum behandelt wissen wollte. Dürfen aber diejenigen beschränkten
dinglichen Rechte, die sonst nur in einer öffentlichen Urkunde errichtet
werden können, im Erbteilungsvertrag in einfacher Schriftlichkeit begründet
werden, so muss dies auch für die in Art. 19 Abs. 1 GBV nicht erwähnten
Dienstbarkeiten gelten, deren Errichtungsakt sonst bloss öffentlich
zu beurkunden ist, falls damit eine gesetzliche Eigentumsbeschränkung
aufgehoben oder abgeändert wird. Es ist demnach davon auszugehen, dass
im Erbteilungsvertrag beschränkte dingliche Rechte allgemein in einfacher
Schriftform begründet werden können.

Erwägung 2

    2.- Durch den Erbteilungsvertrag werden die Ansprüche der Erben
konkretisiert und die obligatorische Verpflichtung begründet, das
Gesamteigentum in ganz bestimmter Art und Weise aufzuheben (HAUSER, aaO,
S. 85). Ein Teilungsvertrag liegt demnach nur vor, falls aus der Urkunde
der übereinstimmende Wille aller Erben hervorgeht, sich definitiv im
Sinne einer gänzlichen oder beschränkten Auseinandersetzung zu binden,
und wenn sich dem Vertrag alle Angaben entnehmen lassen, die notwendig
sind, um gestützt auf ihn die ganze oder partielle Auseinandersetzung ohne
weitere Vereinbarungen durchführen zu können (HAUSER, aaO, S. 98). Der
Teilungsvertrag muss infolgedessen eine Zusammenstellung über die Lose
enthalten und bestimmen, welchen Miterben die einzelnen Lose zufallen
sollen. Handelt es sich bloss um eine objektiv partielle Erbteilung,
so genügt es, dass aus dem Vertrag hervorgeht, inwieweit der Teil
des Nachlasses, der ausgeschieden werden soll, dem Los des erwerbenden
Miterben anzurechnen ist. Genügt ein Vertrag diesen Anforderungen nicht,
so kann er jedenfalls nicht als Teilungsvertrag im Sinne des Gesetzes
und infolgedessen auch nicht als Ausweis für eine Eintragung im Grundbuch
gelten.

Erwägung 3

    3.- Der Vertrag, den die Erben der Rosa Kuntschen am 16. Oktober
1972 abschlossen, ist eher als Vertrag über den Ausschluss der Teilung
denn als Teilungsvertrag zu qualifizieren. Die Erben vereinbarten darin
nämlich ausdrücklich, dass das Grundeigentum in den Mayens de Sion und in
Leuk zu ihren Lebzeiten nicht geteilt werden dürfe, und regelten überdies
die Verwaltung des beweglichen und unbeweglichen Nachlassvermögens, womit
implicite ebenfalls der Wille zur Aufrechterhaltung der Erbengemeinschaft
zum Ausdruck gebracht wird. Aber auch bezüglich der Einräumung der
Nutzniessung zugunsten der Erbinnen Myriam und Germaine Kuntschen kann
der Vertrag nicht als partielle Erbteilung betrachtet werden. Einerseits
lässt sich ihm nämlich kein übereinstimmender Teilungswille entnehmen,
andererseits geht aus ihm nicht hervor, inwieweit die Nutzniessung den
beiden Erbinnen auf deren Erbteil anzurechnen ist. Dass sich beide mit der
Nutzniessung ihren ganzen Erbteil abgelten lassen wollten, kann wohl kaum
vermutet werden. Der Grundbuchverwalter von Leuk nahm deshalb zu Recht
an, die Vereinbarung über die Nutzniessung könne nicht als partieller
Erbteilungsvertrag gelten.

Erwägung 4

    4.- Die Beschwerdeführer machen im weitern geltend, sofern die
Vereinbarung über die Einräumung der Nutzniessung nicht als partieller
Erbteilungsvertrag betrachtet werde, müsse darin jedenfalls ein Vertrag
über angefallene Erbanteile gemäss Art. 635 ZGB erblickt werden. Sie
übersehen dabei jedoch, dass einzelne Gegenstände oder Rechte aus
dem Nachlass nicht Gegenstand eines Vertrages nach Art. 635 ZGB bilden
können. Werden diese Gegenstände oder Rechte nicht in einem Teilungsvertrag
auf einzelne Miterben aufgeteilt, so müssen sie nach den gewöhnlichen
Regeln der Rechtsgeschäfte unter Lebenden auf den Erwerber übertragen
werden. Art. 635 ZGB enthält eine besondere Formvorschrift lediglich
für die Übertragung von angefallenen Erbanteilen oder von Bruchteilen
derselben. Aus der Vereinbarung der Erben Rosa Kuntschen ergibt sich
nun keineswegs, dass einzelne Erben den Miterben ihre angefallenen
Erbanteile oder Bruchteile davon abtreten wollten; sondern aus ihr geht
im Gegenteil deutlich hervor, dass sie Myriam und Germaine Kuntschen
lediglich die Nutzniessung am Apartment in Leuk einräumen wollten.
In dieser Vereinbarung kann demzufolge keine Abtretung von Erbanteilen
nach Art. 635 ZGB erblickt werden.

Erwägung 6

    6.- Schliesslich verlangen die Beschwerdeführer noch, dass auch die vom
Staatsrat ausgesprochene Verteilung der Kosten für das kantonale Verfahren
aufgehoben werde. Der Entscheid des Staatsrates über die Kosten gründet
sich jedoch ausschliesslich auf kantonales Recht. Er ist somit nicht eine
auf öffentliches Recht des Bundes gestützte Verfügung im Sinne von Art. 5
VwG und konnte deshalb nicht selbständig mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde
angefochten werden. Da das Bundesgericht den Entscheid der Vorinstanz
nicht abändert, ist eine Änderung des angefochtenen Kostenentscheides
auch auf Grund von Art. 157 OG ausgeschlossen.

    Wird die Beschwerde gegen den Kostenentscheid als staatsrechtliche
Beschwerde betrachtet, so kann auf sie nicht eingetreten werden, weil
sie nicht in einer den Anforderungen des Art. 90 OG genügenden Weise
begründet ist (BGE 99 Ib 215 mit Hinweisen).

Entscheid:

               Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Beschwerde wird abgewiesen.