Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 100 IB 113



100 Ib 113

19. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 21. Januar 1974
i.S. X. gegen Vormundschaftsbehörde Basel-Stadt und Justizdepartement
des Kantons Basel-Stadt Regeste

    Veröffentlichung der Bevormundung. Art. 375 ZGB. Anfechtbarkeit dieser
Massnahme beim Bundesgericht. Art. 97 und 44 lit. c OG.

    Die im Vormundschaftswesen getroffenen Verfügungen stützen sich
nicht auf öffentliches Recht des Bundes im Sinne von Art. 5 VwG. Die
Veröffentlichung der Bevormundung nach Art. 375 ZGB kann daher nicht mit
der Verwaltungsgerichtsbeschwerde gemäss Art. 97 OG angefochten werden
(Erw. 1).

    Die Veröffentlichung der Bevormundung unterliegt auch nicht der
Berufung an das Bundesgericht (Erw. 2; Bestätigung der Rechtsprechung).

Sachverhalt

    X. wurde vom Strafgericht des Kantons Basel-Stadt am 12. September
1973 zu einer Zuchthausstrafe von 3 1/2 Jahren verurteilt. Gestützt
auf Art. 371 ZGB wurde X. von der Vormundschaftsbehörde Basel-Stadt
mit Beschluss vom 21. November 1973 für die Dauer der Strafzeit
unter Vormundschaft gestellt. Als Vormund wurde seine Ehefrau
ernannt. Gleichzeitig ordnete die Vormundschaftsbehörde an, dass die
Bevormundung nach Eintritt der Rechtskraft des Beschlusses vom 21. November
1973 in Anwendung von Art. 375 ZGB zu publizieren sei.

    Gegen die vorgesehene Veröffentlichung der Bevormundung erhob X. einen
Rekurs an das Justizdepartement des Kantons Basel-Stadt, welches ihn
am 8. Januar 1974 abwies. In der Begründung wurde festgehalten, dass eine
Verschiebung der zwingend vorgeschriebenen Veröffentlichung zwar nach Art.
375 Abs. 2 ZGB ausnahmsweise möglich sei, solange der Entmündigte in einer
Anstalt untergebracht sei, dass aber im vorliegenden Fall ein solcher
Aufschub vermieden werden sollte, weil die Publikation sonst nach einer
allfälligen bedingten Entlassung nachgeholt werden müsste.

    X. reichte gegen diesen Entscheid eine Verwaltungsgerichtsbeschwerde
beim Bundesgericht ein, mit welcher er beantragte, von der Veröffentlichung
der Bevormundung abzusehen. Die Errichtung der Vormundschaft focht er
nicht an.

    Das Bundesgericht tritt auf die Beschwerde nicht ein.

Auszug aus den Erwägungen:

                       Aus den Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- Nach Art. 97 OG beurteilt das Bundesgericht letztinstanzlich
Verwaltungsgerichtsbeschwerden gegen Verfügungen im Sinne von Art. 5 des
Bundesgesetzes über das Verwaltungsverfahren. Die Beschwerde ist u.a.
zulässig gegen Verfügungen, die von den kantonalen Behörden in letzter
Instanz getroffen wurden (Art. 98 lit. g OG). Gemäss Art. 5 VwG gelten
als Verfügungen Anordnungen der Behörden, die sich auf öffentliches Recht
des Bundes stützen.

    Rein theoretisch können Verfügungen im Gebiete des Vormundschaftswesens
zum öffentlichen Recht gezählt werden. Indessen ist nach der im geltenden
Recht verankerten Auffassung die Bevormundung und alles, was mit der
Führung der Vormundschaft zusammenhängt und im ZGB geregelt wird, als
Teil des Privatrechts zu betrachten. So hat denn auch der Bundesrat
in seiner Botschaft an die Bundesversammlung über den Ausbau der
Verwaltungsgerichtsbarkeit im Bunde vom 24. September 1965 zu Art. 99
lit. p des Entwurfes, der dem heutigen Art. 100 lit. g OG entspricht,
festgehalten, dass die Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegenüber Verfügungen
im Rahmen der Aufsicht über die Vormundschaftsbehörden kein geeignetes
Rechtsmittel darstelle; denn diese Verfügungen hätten regelmässig
zivilrechtliche Verhältnisse zum Gegenstand. Angemessenes Rechtsmittel wäre
eher die zivilrechtliche Berufung, die jedoch gemäss Art. 44 OG gegenüber
solchen Verfügungen ausgeschlossen sei (BBl 1965 II S. 1312). Wenn dies
schon auf die Tätigkeit der Vormundschaftsbehörden zutrifft, so gilt es
umso eher für die Verfügung, welche die Bevormundung ausspricht, und für
die durch sie entfalteten Rechtswirkungen, die eindeutig privatrechtliche
Verhältnisse betreffen.

    Gewiss kann zwischen der Bevormundung an sich und der Veröffentlichung
dieser Massnahme unterschieden werden. Wird jedoch die Veröffentlichung
als eine selbständige Massnahme betrachtet, weil ihr Vollzugscharakter
zukomme, so fällt sie unter Art. 100 lit. g OG, wonach Verfügungen
auf dem Gebiete der Aufsicht über die Vormundschaftsbehörden nicht
mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde angefochten werden können. Als
Vollzugsmassnahme (BGE 91 II 176) fällt die Veröffentlichung der
Bevormundung auch unter Art. 101 lit. c OG, welcher bestimmt, dass die
Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen Verfügungen über die Vollstreckung
von Verfügungen unzulässig ist.

    Zusammenfassend kann gesagt werden, dass alles, was mit der
Vormundschaft zusammenhängt, nach der geltenden Rechtsauffassung zum
Zivilrecht gehört und dass sich somit die in diesem Bereich getroffenen
Verfügungen nicht auf öffentliches Recht des Bundes im Sinne von Art. 5 VwG
stützen. Die Revision des Organisationsgesetzes der Bundesrechtspflege vom
Jahre 1968 bezweckte nicht, die bisherige Ordnung im Vormundschaftswesen
zu ändern. Sie wollte weder eine Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen die
nicht in Art. 44 lit. c OG erwähnten Verfügungen im Vormundschaftswesen
noch gegen die Verfügungen auf dem Gebiete der Aufsicht über die
Vormundschaftsbehörden einführen.

    Die vorliegende Beschwerde kann daher nicht als
Verwaltungsgerichtsbeschwerde entgegengenommen werden.

Erwägung 2

    2.- Dass ein Begehren um Verschiebung oder Unterlassung der
Veröffentlichung der Entmündigung nicht auf dem Wege der Berufung an
das Bundesgericht weitergezogen werden kann, geht aus der Rechtsprechung
eindeutig hervor (BGE 91 II 175/76 Erw. 4). Darnach ordnet Art. 44 lit. a-c
OG die der Berufung unterliegenden Fälle abschliessend. Dieses Rechtsmittel
ist somit nur gegen den eigentlichen Entscheid über die dort angeführten
Massnahmen und über deren Aufhebung gegeben, nicht aber gegen die auf
einen solchen Entscheid folgenden, seinem Vollzug dienenden Verfügungen,
wozu auch die Veröffentlichung der Bevormundung gehört. Auf eine Berufung
könnte daher nicht eingetreten werden.