Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 100 IB 109



100 Ib 109

18. Auszug aus dem Urteil vom 8. Februar 1974 i.S. Denner AG, Dr. Jürg
Meister & Konsorten, Aktiengesellschaft für Allgemeinen Rechtsschutz
(AGAR) gegen Schweizerische Treuhandgesellschaft (STG) und Eidg.
Bankenkommission Regeste

    Bundesgesetz über die Anlagefonds (AFG:) Abberufung eines Sachwalters
durch die Aufsichtsbehörde; Voraussetzungen; Abklärungspflicht der
Bankenkommission.

Auszug aus den Erwägungen:

                       Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- Hauptgegenstand des vorliegenden Verfahrens ist das umstrittene
Problem der Abberufung eines Sachwalters durch die Aufsichtsbehörde,
die Bankenkommission.

    a) Der Sachwalter wird durch die Aufsichtsbehörde ernannt. Er tritt an
die Stelle der geschäftsuntüchtigen Fondsleitung oder Depotbank (Art. 45
Abs. 1 AFG). Im vorliegenden Fall des Interglobe-Anlagefonds hat die zum
Sachwalter ernannte STG die Aufgabe, das Fondsvermögen zu liquidieren
(Art. 46 Abs. 2 AFG). Die STG übt dieses Amt zum Schutz des Treugutes im
Interesse der Anleger aufgrund eines ihr erteilten öffentlichrechtlichen
Auftrages aus (vgl. AMMON K., Die Aufgabe des Sachwalters nach dem AFG,
in Wirtschaft und Recht 22/1970, S. 57; METZGER A., Die Stellung des
Sachwalters nach dem AFG, Diss. Zürich 1971, S. 149). Das Vorgehen
im einzelnen bei der Liquidierung des Fonds bestimmt der Sachwalter
grundsätzlich nach seinem Ermessen, soweit er nicht durch Weisungen der
Aufsichtsbehörde gebunden ist (Art. 43 Abs. 3 VO zum AFG vom 20. Januar
1967, AFV). Wegweisend für sein Handeln sind ihm dabei einzig das
Interesse der Anleger an einem für sie möglichst günstigen Ergebnis sowie
die Sorgfalts- und Treuepflicht gegenüber der Aufsichtsbehörde bzw. dem
Bund und gegenüber den Anlegern (Art. 25 Abs. 1 AFG; vgl. auch AMMON,
aaO, S. 70).

    b) Unter welchen Voraussetzungen der Sachwalter seines Amtes
enthoben werden kann bzw. abberufen werden muss, regelt das AFG nicht
ausdrücklich. Doch überträgt Art. 43 Abs. 1 AFG der Aufsichtsbehörde
allgemein die Pflicht, bei Gesetzes- oder Fondsreglementsverletzungen
sowie sonstigen Missständen, die zur Herstellung des rechtmässigen
Zustandes und zur Beseitigung der Missstände notwendigen Verfügungen zu
erlassen. Dies gilt nicht nur gegenüber Fondsleitung und Depotbank, sondern
ganz allgemein und insbesondere gegenüber dem Sachwalter. Verletzt dieser
in grober Weise seine Pflichten oder erweist er sich offensichtlich als
unfähig, den ihm übertragenen Auftrag im Interesse der Anleger zu erfüllen,
hat die Aufsichtsbehörde das zur Behebung dieser Missstände Notwendige,
allenfalls die Abberufung des Sachwalters, zu veranlassen.

    Beim Entscheid über die Frage, ob schwere Pflichtverletzungen
oder Unfähigkeit des Sachwalters vorliegen, ist der Aufsichtsbehörde
ein Beurteilungsspielraum eingeräumt. Die Begriffe der schweren
Pflichtverletzung und der Unfähigkeit sind unbestimmt. Das Bundesgericht
übt bei der Überprüfung des diesbezüglichen Entscheids der Bankenkommission
Zurückhaltung, weil die mit dem Wirtschaftsleben besser vertraute
Bankenkommission eher in der Lage ist, im Einzelfall zu beurteilen,
ob der Sachwalter pflicht- und sachgemäss gehandelt hat.

    Bei der Wahl der zur Behebung von allfälligen Missständen in der
Sachwalterschaft geeigneten Massnahmen stellen sich der Aufsichtsbehörde
auch Ermessensprobleme. So hat die Bankenkommission namentlich die
Zweckmässigkeit der Abberufung eines Sachwalters während der Liquidation
zu beurteilen. Den von der Aufsichtsbehörde diesbezüglich getroffenen
Zweckmässigkeitsentscheid überprüft das Bundesgericht einzig auf
Bundesrechtswidrigkeit, einschliesslich Missbrauch oder Überschreitung
des Ermessens, nicht aber auch auf seine Angemessenheit (Art. 104 OG).

    Richtungsweisend für die Bestimmung solcher Massnahmen im einzelnen,
allenfalls für eine Amtsenthebung des Sachwalters, können einzig die
Interessen der Anleger sein. Bestehen daher Zweifel, ob der Sachwalter noch
fähig ist, sein Amt im Interesse der Anleger zu erfüllen, oder werden von
seiten der Anleger dem Sachwalter grobe Pflichtverletzung bzw. Unfähigkeit
vorgeworfen, so hat die Aufsichtsbehörde eine Gesamtbeurteilung des
bisherigen Handelns des Sachwalters vorzunehmen. Gestützt darauf hat sie
abzuwägen, ob mit der Abberufung des Sachwalters und der Ernennung eines
neuen Sachwalters den Interessen der Anleger gedient, d.h. besser gedient
ist, als mit der Beibehaltung des bisherigen Sachwalters und der Erteilung
bestimmter Weisungen hinsichtlich der künftigen Amtsführung. Jeder Wechsel
in der Sachwalterschaft bringt nämlich Umtriebe, Kosten und zahlreiche
andere Nachteile mit sich, die - wenn immer möglich - im Interesse der
Anleger vermieden werden sollten.

    Daraus ergibt sich die Pflicht der Aufsichtsbehörde, abzuklären,
ob die Zweifel bzw. die von Anlegerseite geltend gemachten Vorwürfe
hinsichtlich der Fähigkeit des Sachwalters und seiner bisherigen
Amtsführung berechtigt sind. Dabei hat die Aufsichtsbehörde zunächst einen
Vorentscheid zu treffen. Hält sie die Zweifel bzw. die erhobenen Vorwürfe
nach Anhören des Sachwalters für begründet, so wird sie in der Regel die
Revisionsstelle beauftragen, sich in einem zusätzlichen Revisionsbericht
über die angebliche Verletzung der Treuepflicht zu äussern (Art. 39 Abs. 1
lit. f AFV). Die Revisionsstelle ist denn auch grundsätzlich geeignet,
diesbezügliche Einzelheiten abzuklären. Hält die Aufsichtsbehörde die
Vorwürfe der Anleger für nicht begründet bzw. wenig substantiiert und hegt
sie selber keine Zweifel an der Fähigkeit des Sachwalters, so kann sie das
Abberufungsbegehren aufgrund der ihr bekannten Aktenlage abweisen. Für ein
allfälliges zivilgerichtliches Verantwortlichkeitsverfahren der Anleger
gegen den Sachwalter ist damit nichts präjudiziert (Art. 25 AFG).

    c) Die Bankenkommission ist im vorliegenden Fall davon ausgegangen,
die ihr zugänglichen Akten genügten, um eine Schadenersatzpflicht
des Sachwalters mit einem hohen Grade von Wahrscheinlichkeit
auszuschliessen. Die Beschwerdeführer sind anderer Ansicht. Sie halten
dafür, die Bankenkommission habe den Tatbestand zu wenig abgeklärt und
sei auf eine Reihe von Vorwürfen nicht eingetreten; namentlich habe sie
eine Gesamtbeurteilung des Verhaltens des Sachwalters unterlassen.

    Es trifft zu, dass eine möglichst gründliche Abklärung der
erhobenen Vorwürfe im Interesse der Anleger liegt. Doch ist gerade
dann, wenn einzelne Anleger mit dem Sachwalter verfeindet erscheinen,
darauf Bedacht zu nehmen, dass die Untersuchungen sich nicht in
Einzelheiten verlieren. Soweit die Aufsichtsbehörde von der Fähigkeit
des Sachwalters zur pflichtgemässen Amtsführung überzeugt ist, kann sie
sich - ohne Verletzung von Bundesrecht - darauf beschränken, zu den von
den Verzeigern konkret und begründet erhobenen Vorwürfen Stellung zu
nehmen. Ein Gleiches gilt für das bundesgerichtliche Verfahren, das sich
nicht über die Fähigkeit des Sachwalters, sondern über die Rechtmässigkeit
des Entscheids der Aufsichtsbehörde auszusprechen hat.