Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 100 IA 392



100 Ia 392

56. Urteil vom 27. November 1974 i.S. Komitee für Indochina und Kaufmann
gegen Stadtrat von Zug und Regierungsrat des Kantons Zug Regeste

    Demonstrationen auf öffentlichem Grund. Meinungsäusserungs- und
Versammlungsfreiheit.

    1.  Die Durchführung von Demonstrationen auf öffentlichem Grund darf
als gesteigerter Gemeingebrauch bewilligungspflichtig erklärt werden
(Erw. 2 und 3).

    2.  Das ungeschriebene Verfassungsrecht des Bundes gewährleistet neben
der Meinungsäusserungs- und der Versammlungsfreiheit kein weitergehendes,
selbständiges Demonstrationsrecht (Erw. 4).

    3.  Die Behörde darf beim Entscheid über die Bewilligung einer
Demonstration auf öffentlichem Grund neben dem Gesichtspunkt der
polizeilichen Gefahrenabwehr auch andere öffentliche Interessen
berücksichtigen; sie hat aber den besonderen ideellen Gehalt der
Meinungsäusserungs- und der Versammlungsfreiheit in die vorzunehmende
Interessenabwägung einzubeziehen. Kognition des Bundesgerichtes (Erw. 5).

    4.  Prüfung des konkreten Falles: Durchführung eines politischen
Strassentheaters mit Megaphonen auf dem Landsgemeindeplatz in Zug
(Erw. 6).

Sachverhalt

    Das Komitee für Indochina stellte am 4. April 1973 bei der Behörde der
Stadt Zug das Gesuch, es sei ihm zu bewilligen, am Samstag, den 14. April
1973 um 15.00 Uhr auf dem Landsgemeindeplatz in Zug ein Strassentheater
aufzuführen und hiebei Megaphone zu benützen. Der Stadtrat von Zug
lehnte das Gesuch am 10. April 1973 ab. Auf Beschwerde bestätigte der
Regierungsrat des Kantons Zug am 5. Fe bruar 1974 den Entscheid des
Stadtrates.

    Alfred Kaufmann führt in eigenem Namen und im Namen des Komitees
für Indochina staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung der
Meinungsäusserungs- und der Versammlungsfreiheit; er verlangt ausserdem die
Anerkennung einer durch ungeschriebenes Verfassungsrecht gewährleisteten
Demonstrationsfreiheit.

    Das Bundesgericht tritt auf die Beschwerde des Komitees für Indochina
nicht ein und weist jene von Alfred Kaufmann ab, aus folgenden

Auszug aus den Erwägungen:

                           Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- a) Der Stadtrat von Zug bestreitet in seiner Vernehmlassung die
Beschwerdelegitimation des Komitees für Indochina und von Alfred Kaufmann.

    aa) Das Komitee für Indochina ist keine juristische Person,
insbesondere kein Verein, sondern eine Gruppierung, über deren
Zusammensetzung und Organisation sich den Akten nichts Genaueres
entnehmen lässt. Wenn auch diese Gruppe im kantonalen Verfahren ohne
weiteres als Partei behandelt wurde, so kann sie trotzdem nicht Trägerin
verfassungsmässiger Rechte sein. Es fehlt somit dem "Komitee für Indochina"
die Legitimation zur selbstständigen Einreichung einer staatsrechtlichen
Beschwerde.

    bb) Hingegen kommt diese Legitimation den einzelnen Personen zu,
welche unter dieser Bezeichnung eine bestimmte Aktivität entfalten wollen
und sich durch die gegenüber dem Komitee getroffene Entscheidung in ihren
verfassungsmässigen Rechten verletzt fühlen.

    Der Beschwerdeführer Alfred Kaufmann gehört unbestrittenermassen
zur Gruppierung, die als "Komitee für Indochina" um die Bewilligung zur
Durchführung eines Strassentheaters ersucht hat. Er unterzeichnete das an
das Polizeiinspektorat der Stadt Zug gerichtete Gesuch und führte gegen
die Verweigerung der Bewilligung im Namen des Komitees und in eigenem Namen
beim Regierungsrat Beschwerde. Durch die angefochtenen Entscheidungen wurde
er als einer der Initianten des Strassentheaters direkt betroffen. Alfred
Kaufmann ist daher zur Einreichung der staatsrechtlichen Beschwerde
legitimiert.

    b) Das ursprüngliche Gesuch bezog sich auf eine Veranstaltung, die am
14. April 1973 stattfinden sollte. Ein aktuelles praktisches Interesse
an der Beurteilung der Frage, ob in jenem Zeitpunkt und am vorgesehenen
Ort die Aufführung eines Strassentheaters hätte bewilligt werden müssen,
besteht nicht mehr.

    Das Bundesgericht tritt ausnahmsweise trotz Fehlens eines aktuellen
praktischen Interesses auf staatsrechtliche Beschwerden ein, wenn der
gerügte Eingriff sich jederzeit wiederholen könnte und eine rechtzeitige
verfassungsgerichtliche Überprüfung im Einzelfall kaum je möglich ist, so
dass das Erfordernis des aktuellen praktischen Interesses eine Kontrolle
der Verfassungsmässigkeit faktisch verhindern würde (BGE 96 I 553 mit
Verweisungen; vgl. auch 97 I 918). Bei der Frage der Bewilligung einer
Demonstration sind diese Voraussetzungen erfüllt (BGE 99 I a 691): Das
aktuelle praktische Interesse an der positiven Beurteilung eines konkreten
Gesuches dürfte in der Regel längst nicht mehr bestehen, bis über eine
die Bewilligungsverweigerung anfechtende staatsrechtliche Beschwerde
entschieden werden kann. Vom Erfordernis eines aktuellen praktischen
Interesses kann daher im vorliegenden Fall abgesehen werden. Zudem
besteht ein gewisses aktuelles Interesse insofern, als im Entscheid des
Regierungsrates Alfred Kaufmann als Vertreter der Beschwerdeführer mit
einer Spruchgebühr von Fr. 100.-- belastet wurde.

    c) Die vorliegende staatsrechtliche Beschwerde richtet sich nach ihrem
Wortlaut sowohl gegen den Beschluss des Stadtrates vom 10. April 1973
als auch gegen den diesen Beschluss bestätigenden Beschwerdeentscheid
des Zuger Regierungsrates vom 5. Februar 1974.

    Mit der Beschwerde an den Regierungsrat konnten "alle Mängel" des
erstinstanzlichen Entscheides geltend gemacht werden (§ 2 des Gesetzes über
das Beschwerdeverfahren vor dem Regierungsrat). Dem Regierungsrat stand
somit freie Kognition zu. Auch wenn er in Angelegenheiten der vorliegenden
Art aus praktischen Gründen der Gemeindebehörde einen gewissen Spielraum
belässt und nur bei Ermessensüberschreitung oder sonstiger Verfassungs-
oder Gesetzesverletzung eingreift, so ersetzt sein Entscheid prozessual
doch jenen des Stadtrates. Die staatsrechtliche Beschwerde kann sich
daher nur gegen den Beschwerdeentscheid des Regierungsrates richten (BGE
94 I 462; 99 Ia 148 E. 2, 160, 346 E. 3, 354 E. 1b, 484 E. 2 a; LUDWIG,
ZBJV 1974 S. 198 ff. mit weiteren Hinweisen). Soweit darüber hinaus auch
die Aufhebung des Beschlusses des Stadtrates verlangt wird, ist auf die
Beschwerde nicht einzutreten.

    d) Mit staatsrechtlicher Beschwerde kann in der Regel nur die
Aufhebung des angefochtenen Entscheides verlangt werden (BGE 95 I 516
mit Hinweisen). Eine Ausnahme von diesem Grundsatz gilt dann, wenn die
verfassungsmässige Lage nicht schon mit der Aufhebung des kantonalen
Entscheides hergestellt wird, sondern hiefür eine positive Anordnung
des Bundesgerichts notwendig ist (BGE 97 I 226, 841). Ob im Falle einer
Gutheissung der vorliegenden Beschwerde zusätzliche Feststellungen und
Anweisungen notwendig wären, wie dies die Beschwerdeführer beantragen,
braucht nicht vorweg abgeklärt zu werden. Darüber ist zweckmässigerweise
erst zu befinden, wenn die materielle Prüfung zur Aufhebung des
angefochtenen Entscheides führen sollte.

Erwägung 2

    2.- Mit dem projektierten Strassentheater möchten die Veranstalter
durch eine Theateraufführung auf öffentlichem Grund nicht nur Zuschauer
erreichen, welche an dieser Manifestation bewusst teilnehmen wollen,
sondern es soll auch auf zufällige Passanten eine politische Appellwirkung
erzielt werden. Nach dem Zweck und der Art der Durchführung fällt das
Strassentheater somit unter den Oberbegriff der Demonstration, wie er in
der Diskussion um die Demonstrationsfreiheit verstanden wird (vgl. hiezu
JÜRG BOSSHART, Demonstrationen auf öffentlichem Grund, Diss. Zürich 1973;
RHINOW, Bundesgerichtliche Praxis zur Demonstrationsfreiheit, ZBl 1971
S. 33 ff.).

    Unter dem Gesichtspunkt des öffentlichen Sachenrechts ist die
Benützung öffentlicher Strassen und Plätze für Demonstrationen als eine
Form gesteigerten Gemeingebrauchs zu qualifizieren (vgl. BGE 96 I 225, 99
Ia 693). Der bewilligungsfreie Gemeingebrauch von Strassen und Plätzen
wird in erster Linie bestimmt durch den der Widmung entsprechenden
Zweck. Die Benützung der Strasse zum Verkehr unter Einschluss des
kurzfristigen Abstellens von Fahrzeugen und Waren bildet die Hauptform
des Gemeingebrauchs öffentlicher Verkehrswege. Bei einzelnen Plätzen und
Anlagen wird nach der Widmung und der konkreten Ausgestaltung weniger die
Ortsveränderung als das Anhalten und Verweilen den vorwiegenden Inhalt
des Gemeingebrauchs darstellen. Die Grenze des bewilligungsfreien
Gebrauchs kann so gezogen werden, dass jede Benützung, die sich
nicht mit dem widmungsgemässen Zweck deckt, als bewilligungspflichtig,
d.h. als gesteigerter Gemeingebrauch betrachtet wird (vgl. H. J. WOLFF,
Verwaltungsrecht I 7.A. S. 399). Denkbar ist aber auch eine etwas
weitere Fassung des bewilligungsfreien Gebrauchs, indem auch durch den
Hauptzweck nicht gedeckte Benützungsformen noch als bewilligungsfreier
Gemeingebrauch toleriert werden, sofern sie den Hauptzweck der Strasse
oder des Platzes nicht beeinträchtigen und keine Kontrolle oder spezielle
Überwachung erfordern. Dem französischen "usage privatif" entspricht wohl
eher diese zweite Abgrenzungsmethode (vgl. GRISEL, Droit administratif
suisse, S. 298). Grenzfälle dürften bei dieser auf die sogenannte
Gemeinverträglichkeit abstellenden Umschreibung etwa das Plakattragen
und das Verteilen von Flugblättern durch eine Einzelperson (vgl. BGE 96
I 589 ff) sein. Ob von einem etwas weitern oder einem engern Begriff
des Gemeingebrauchs ausgegangen wird, so lässt sich auf jeden Fall die
Veranstaltung eines Strassentheaters oder einer andern Demonstration
auf einem öffentlichen Platz im Bereich des Verkehrs nicht als
bewilligungsfreie, für jedermann zulässige Benützung öffentlichen Bodens
betrachten; denn die Dauer, die Intensität und die Art der Beanspruchung
des öffentlichen Raumes durch den Appell an einen unbestimmten Kreis
von Verkehrsteilnehmern machen, wie in der vorliegenden Beschwerde nicht
bestritten wird, eine gewisse Kontrolle und in vielen Fällen sogar einen
eigentlichen polizeilichen Ordnungsdienst notwendig. Es handelt sich somit
nicht um eine Art des Gebrauchs öffentlichen Grundes, die ohne besondere
Zulassung jederzeit zu dulden wäre, sondern um eine Benützungsform,
welche oft das Risiko einer gewissen Verkehrsbeeinträchtigung mit sich
bringt und auch in verkehrsfreien Zonen (Fussgängerstrassen, Parkanlagen)
dem Hauptzweck der beanspruchten öffentlichen Flächen (Ruhe, Erholung,
freies Zirkulieren der Fussgänger) in der Regel nicht entspricht. Ähnlich
wie die verschiedenen Arten gewerblicher Betätigung auf Strassen und
Plätzen (Markt, Schausteller usw.), die Sportveranstaltungen (Radrennen,
Strassenläufe usw.) und die Festumzüge ist der gesteigerte Gemeingebrauch
durch Demonstrationen an bestimmten Orten und in gewissem Umfang mit
dem Hauptzweck des beanspruchten öffentlichen Bodens einigermassen in
Einklang zu bringen. Durch das Bewilligungsverfahren muss im Einzelfall
abgeklärt werden, ob die vorgesehene Veranstaltung ohne übermässige
Beeinträchtigung des Hauptzweckes der beanspruchten Fläche öffentlichen
Grundes durchführbar ist.

    Auch die Verwendung von Megaphonen auf Strassen oder Plätzen
ist eine den Gemeingebrauch überschreitende Nutzung und daher
bewilligungspflichtig. Ob und unter welchen Voraussetzungen die Verwendung
von Megaphonen oder Lautsprechern auf privatem Boden im Sinne der
polizeilichen Lärmbekämpfung der Bewilligungspflicht unterstellt werden
kann, braucht hier nicht untersucht zu werden; denn es geht im konkreten
Fall um die Verwendung von Megaphonen auf einem öffentlichen Platz.

Erwägung 3

    3.- Nach ständiger Praxis des Bundesgerichts bedarf die
Bewilligungspflicht für gesteigerten Gemeingebrauch keiner gesetzlichen
Grundlage. Die Behörde, welche die Aufsicht über die Sachen im
Gemeingebrauch ausübt, ist auch ohne besondere gesetzliche Regelung befugt,
zu prüfen, ob eine über den Gemeingebrauch hinausgehende Nutzung mit
diesem vereinbar ist, und gegebenenfalls die erforderliche Bewilligung zu
erteilen (BGE 95 I 249 mit Hinweisen). - Im Kanton Zug ordnet § 43 Abs. 2
des Baugesetzes vom 18. Mai 1967 die Bewilligungspflicht ausdrücklich:
"Der gesteigerte Gemeingebrauch und die Sondernutzung gemeindlicher
Strassen und Plätze durch Private bedürfen einer Bewilligung des
Einwohnerrates." Die Verwendung von Lautsprecher- und Verstärkeranlagen
im Freien wird durch § 5 Abs. 2 des Reglementes der Einwohnergemeinde Zug
über die Lärmbekämpfung vom 18. Januar 1972 allgemein - auch auf privatem
Grund - der Bewilligungspflicht unterstellt.

    Bei der Beurteilung von Gesuchen um Bewilligung gesteigerten
Gemeingebrauchs haben die zuständigen Behörden vor allem insofern ein
erhebliches Ermessen, als sie bestimmte Arten der den Gemeingebrauch
übersteigenden Nutzung von Strassen und Plätzen - z.B. durch
Verkaufsstände, Aufstellen von Taxis usw. - an geeigneten Orten
konzentrieren und an andern Stellen - etwa im Interesse des Verkehrs oder
der Ruhe - generell ausschliessen dürfen.

Erwägung 4

    4.- In der Beschwerdeschrift wird geltend gemacht, die Benützung
öffentlichen Grundes für eine politische Demonstration richte sich nach
andern Gesichtspunkten, den Behörden stehe kein Spielraum des Ermessens zu.
In erster Linie verlangen die Beschwerdeführer, die Demonstrationsfreiheit
sei als ein ungeschriebenes verfassungsmässiges Recht anzuerkennen. Werde
dieser Schritt nicht getan, so müsse auf jeden Fall bei der Beurteilung
des Gesuches um Bewilligung einer Demonstration auf öffentlichem Grund
der politische Zweck unter dem Aspekt der Versammlungsfreiheit und
der Meinungsäusserungsfreiheit gebührend berücksichtigt werden. Nur
aus polizeilichen Gründen dürfe allenfalls die Bewilligung für eine
politische Demonstration am gewünschten Ort und zur gewünschten
Zeit verweigert werden. Eine über den allgemeinen Polizeivorbehalt
hinausgehende Beschränkung der Demonstrationsmöglichkeit zur Wahrung
anderer Interessen der Allgemeinheit sei unzulässig.

    a) Die Meinungsäusserungsfreiheit (BGE 87 I 117; 91 I 485/6; 96 I 224,
592; 97 I 896; 98 Ia 80, 413, 421; 99 Ia 693) und die Versammlungsfreiheit
(BGE 96 I 224; 97 I 914, 99 Ia 693) sind nach der neuern Rechtsprechung
durch ungeschriebenes Verfassungsrecht gewährleistete Freiheitsrechte. Dass
dem § 10 der Zuger Kantonsverfassung neben den heute bundesrechtlich
gewährleisteten Freiheitsrechten eine besondere Bedeutung zukomme, wird
im vorliegenden Verfahren nicht geltend gemacht.

    b) Neben Meinungsäusserungsfreiheit und Versammlungsfreiheit hat
ein selbständiges verfassungsmässiges Recht auf Demonstration nur einen
Sinn, wenn darunter der Anspruch verstanden wird, im Bereich öffentlicher
Strassen und Plätze politische Veranstaltungen mit gezielter Appellwirkung
gegen die Passanten, die Benützer der öffentlichen Verkehrsfläche,
durchzuführen. Versammlungen und Meinungsäusserungen auf privatem
Grund, die sich nicht an Passanten wenden, sondern nur die eigentlichen
Teilnehmer erfassen, sind durch die bereits erwähnten Freiheitsrechte gegen
staatliche Eingriffe umfassend geschützt. Eigentliche Demonstrationen mit
Appellfunktion an eine breitere Öffentlichkeit setzen in der Regel voraus,
dass die Demonstranten nicht nur von öffentlichen Strassen und Plätzen aus
gesehen (und gehört) werden, sondern auch selber den öffentlichen Grund in
einer den Gemeingebrauch übersteigenden Weise benützen (Umzug, Versammlung,
Strassentheater). Eine diesem wirklichkeitsnahen Begriff der Demonstration
entsprechende Demonstrationsfreiheit müsste folgerichtig zum Inhalt
haben, dass - auch bei Aufrechterhaltung der Bewilligungspflicht - jede
Demonstration in der von den Veranstaltern gewünschten Weise zu bewilligen
wäre, sofern dadurch nicht eine mit angemessenen polizeilichen Massnahmen
nicht zu beseitigende, erhebliche Gefahr der Störung des Verkehrs oder
der Störung von Ruhe und Ordnung geschaffen würde. Eine derart konzipierte
Demonstrationsfreiheit wäre nicht ein blosses Abwehrrecht gegen staatliche
Eingriffe, sondern müsste den Demonstranten einen Anspruch auf gesteigerten
Gemeingebrauch von öffentlichen Strassen und Plätzen vermitteln, und dieser
verfassungsmässige Anspruch dürfte nur ganz ausnahmsweise im öffentlichen
Interesse aus polizeilichen Gründen eingeschränkt werden. Die Frage,
ob als ungeschriebenes Grundrecht eine besondere Demonstrationsfreiheit
bestehe, wurde in BGE 96 I 224 und 99 I a 693 offen gelassen; sie ist
im vorliegenden Fall zu entscheiden (vgl. zur Bedeutung einer klaren
Entscheidung H. HUBER in ZBJV 107/1971 S. 410).

    c) Eine Gewährleistung von in der Verfassung nicht genannten
Freiheitsrechten durch ungeschriebenes Verfassungsrecht wurde vom
Bundesgericht bisher nur inbezug auf solche Befugnisse angenommen, welche
die Voraussetzung für die Ausübung anderer (in der Verfassung genannter)
Freiheitsrechte bilden oder sonst als unentbehrliche Bestandteile der
demokratischen und rechtsstaatlichen Ordnung des Bundes erscheinen (BGE 96
I 107, 224; 99 Ia 693; GRISEL, Droit public non écrit, in Gedenkschrift
für Max Imboden S. 143). Das trifft hinsichtlich der postulierten
Demonstrationsfreiheit nicht zu (vgl. dazu BOSSHART, aaO S. 53 ff). Ein
selbständiges Grundrecht im oben umschriebenen Sinn als ein andern
öffentlichen Interessen grundsätzlich vorgehender, nur aus polizeilichen
Motiven beschränkbarer Anspruch auf die Benützung öffentlichen Grundes
für politische Demonstrationen ist weder eine notwendige Voraussetzung für
die Ausübung anderer Freiheitsrechte noch ein unentbehrlicher Bestandteil
der demokratischen und rechtsstaatlichen Ordnung. Wohl entspricht die
Möglichkeit demonstrativer Veranstaltungen auf öffentlichem Grund bis zu
einem gewissen Grade einem legitimen Bedürfnis. Das gilt namentlich für
jene Minderheiten, die ihre politische Meinung innerhalb der bestehenden
demokratischen Einrichtungen nicht oder nicht genügend zur Geltung
bringen können und die auch über keine anderen Mittel verfügen, um an eine
breitere Öffentlichkeit zu appellieren. Demonstrationen haben insoweit eine
"Warn-, Kontroll- und Innovationsfunktion" (GEORG RESS, in Demonstration
und Strassenverkehr, Beiträge des Max-Planck-Institutes für ausländisches
öffentliches Recht und Völkerrecht, Bd. 54, S. XXXI). Sie sind jedoch kein
unentbehrlicher Teil des demokratischen Willensbildungsprozesses. Wenn
das Bundesgericht in seiner bisherigen Rechtsprechung gewisse Befugnisse
als durch ungeschriebenes Verfassungsrecht gewährleistet ansah,
so handelte es sich, vom Sonderfall der Sprachenfreiheit abgesehen,
um klassische Freiheitsrechte, die in der Lehre anerkannt waren und
teilweise auch in den Kantonsverfassungen Ausdruck gefunden hatten
(vgl. hinsichtlich Meinungsäusserungs- und Versammlungsfreiheit BGE 96
I 223 f mit Literaturhinweisen). Demgegenüber würde die richterliche
Anerkennung eines ungeschriebenen Demonstrationsrechtes einer solchen
Grundlage entbehren. Der Begriff einer besonderen Demonstrationsfreiheit
ist den kantonalen Verfassungen wie übrigens auch der Europäischen
Menschenrechtskonvention, der die Schweiz am 3. Oktober 1974
beigetreten ist, fremd, und auch in der neueren schweizerischen
Rechtslehre wird die Frage, wieweit Demonstrationen auf öffentlichem
Grund verfassungsrechtlich geschützt seien, regelmässig nur unter dem
Gesichtspunkt der Meinungsäusserungs- und der Versammlungsfreiheit
erörtert (AUBERT, La liberté d'opinion, ZSR 92/1973 I S. 429-450;
MORAND, Tendances récentes dans le domaine de la liberté d'expression,
in: Douzième Journée Juridique 1972 de la faculté de droit de Genève,
S. 23-57; vgl. auch H. HUBER in ZBJV 107/1971 S. 411). Dass ein
selbständiges, nur an die Schranke der öffentlichen Ordnung gebundenes
Demonstrationsrecht nicht zu den unentbehrlichen und selbstverständlichen
Grundlagen des demokratischen Rechtsstaates gehört, erhellt wohl schon
daraus, dass die Arbeitsgruppe für die Vorbereitung einer Totalrevision
der Bundesverfassung (Arbeitsgruppe Wahlen) die Aufnahme eines solchen
Rechtes in die Verfassung aus staatspolitischen Gründen abgelehnt hat
(Schlussbericht der Arbeitsgruppe vom 29. September 1972, S. 146/7). Zwar
werden in dieser verfassungsgeberischen Frage auch andere Meinungen
vertreten (vgl. Arbeitspapiere der Expertenkommission 1974 I, Art. 12 des
Entwurfes Aubert, S. 142), doch würde das Bundesgericht mit der Anerkennung
eines ungeschriebenen Demonstrationsrechtes die dem Verfassungsrichter
gesetzten Grenzen überschreiten.

Erwägung 5

    5.- Fehlt somit bei der heutigen Rechtslage eine besondere, durch
ungeschriebenes Verfassungsrecht gewährleistete Demonstrationsfreiheit,
so bleibt zu prüfen, wieweit der angefochtene Entscheid des Zuger
Regierungsrates mit anderen, anerkannten Freiheitsrechten vereinbar ist.

    Eine politische Demonstration ist regelmässig auch eine Betätigung
der Meinungsäusserungs- und der Versammlungsfreiheit (vgl. BGE 96 I 223
ff, 99 Ia 693). Sie wird dadurch, dass sie, entsprechend ihrem Zweck
und Wesen, auf öffentlichem Grund stattfindet, dem Schutzbereich dieser
Grundrechte nicht entzogen. Doch sind solche öffentlichen Veranstaltungen
weitergehenden Beschränkungen unterworfen als Versammlungen auf privatem
Boden und anderweitige Formen der Meinungsäusserung. Demonstrationen
auf öffentlichen Strassen und Plätzen stellen, wie ausgeführt, in der
Regel einen gesteigerten Gemeingebrauch dar und unterliegen nicht nur
den allgemeinen polizeilichen Schranken, sondern überdies jenen des
öffentlichen Sachenrechtes. Ihre Durchführung kann von der Erteilung
einer Bewilligung abhängig gemacht werden (BGE 96 I 223 ff), und die
Behörde, der die Aufsicht und die Verfügung über den beanspruchten
öffentlichen Boden zusteht, darf beim Entscheid über die Bewilligung der
Demonstration neben dem Gesichtspunkt der polizeilichen Gefahrenabwehr
auch andere öffentliche Interessen berücksichtigen, zumal ein besonderes
Demonstrationsrecht im oben umschriebenen Sinn nicht besteht. Doch ist
die Behörde dabei nicht nur an das Willkürverbot und an den Grundsatz
der Rechtsgleichheit gebunden. Sie hat darüber hinaus den besonderen
ideellen Gehalt der Freiheitsrechte, um deren Ausübung es geht, in die
vorzunehmende Interessenabwägung einzubeziehen. Insoweit entfalten die
Meinungsäusserungsfreiheit und die Versammlungsfreiheit ihre Wirkung
auch bei Betätigungsformen, die mit einem gesteigerten Gemeingebrauch
verbunden sind. Ob und allenfalls unter welchen Auflagen einem Gesuch
um Bewilligung einer Demonstration zu entsprechen ist, steht demnach
nicht im freien Belieben der Behörde. Sie hat die entgegenstehenden
Interessen nach objektiven Gesichtspunkten abzuwägen und dabei dem
legitimen Bedürfnis, Veranstaltungen mit Appellwirkung an eine breitere
Öffentlichkeit durchführen zu können, angemessen Rechnung zu tragen
(BGE 96 I 232; 97 I 898 E. 6 a; 99 Ia 693 f E. 7). Es darf somit nicht
jede Demonstration im Bereiche öffentlicher Strassen und Plätze unter
Hinweis auf die Bedürfnisse des Verkehrs oder andere öffentlichen
Interessen zum vornherein abgelehnt werden. Ebensowenig geht es an,
die Bewilligung zur Durchführung gleichartiger Demonstrationen im einen
Fall zu erteilen, im andern Fall zu verweigern, ohne dass stichhaltige
sachliche Gründe eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen. Ob die
von den Demonstranten vertretenen Auffassungen der zuständigen Behörde
mehr oder weniger wertvoll und wichtig erscheinen, kann für den Entscheid
über das Gesuch nicht massgebend sein. Als beachtliche Gesichtspunkte, die
der verlangten Bewilligung entgegenstehen können, kommen jedoch nicht nur
sogenannte "polizeiliche Gründe" in Frage, sondern auch Erwägungen einer
zweckmässigen Nutzung der vorhandenen öffentlichen Anlagen im Interesse
der Allgemeinheit und der Anwohner.

    Ob der angefochtene Entscheid mit diesen verfassungsrechtlichen
Prinzipien vereinbar ist, prüft das Bundesgericht grundsätzlich frei;
doch setzt es nicht sein Ermessen anstelle desjenigen der kantonalen
und kommunalen Behörden, und es übt auch Zurückhaltung, soweit es um die
Würdigung der besonderen örtlichen Verhältnisse geht (BGE 97 I 898 f E. 6a,
99 Ia 695).

Erwägung 6

    6.- Prüft man den angefochtenen Entscheid im Lichte dieser
grundsätzlichen Erwägungen, so ergibt sich folgendes:

    a) Die auf dem Landsgemeindeplatz der Stadt Zug geplante Demonstration
hätte offenbar nicht zu besonderen verkehrstechnischen Schwierigkeiten
geführt. Das in dieser Richtung bestehende geringe Risiko wäre mit einem
bescheidenen polizeilichen Ordnungsdienst zu bewältigen gewesen. Es bestand
auch nicht die Gefahr, dass die im Strassentheater zum Ausdruck gebrachten
Auffassungen zu Ausschreitungen oder ähnlichen Störungen der öffentlichen
Ruhe und Ordnung führen würden. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass es
möglich sein muss, eine Demonstration dieser Art auf dem Gebiet der Stadt
Zug irgendwo durchzuführen. Die Frage, in welchen zeitlichen Abständen auch
eine Wiederholung dieser Demonstration zuzulassen ist, stellt sich hier
nicht, da die Gesuchsteller von der früheren Bewilligung des Polizeiamtes
der Stadt Zug für den 17. März 1973 keinen Gebrauch gemacht haben.

    b) Der Entscheid des Regierungsrates stützt sich im wesentlichen
auf das Argument, die Gemeinde Zug wolle den von den Demonstranten
beanspruchten Landsgemeindeplatz als Zone der Ruhe und der Erholung
erhalten; die Gemeinde sei berechtigt, aus solchen Überlegungen einen
bestimmten Platz für politische Demonstrationen grundsätzlich nicht zur
Verfügung zu stellen.

    Bei der Bewilligung gesteigerten Gemeingebrauches haben die Behörden,
wie oben ausgeführt, im allgemeinen ein gewisses Ermessen; sie können
insbesondere über die spezifische zusätzliche Verwendung einzelner
Plätze (als Marktplatz, für Konzerte usw.) bestimmen. Auch politische
Demonstrationen dürfen im Sinne einer vernünftigen Planung des gesteigerten
Gemeingebrauches auf einzelne Sektoren beschränkt werden. Der Einfluss
der Meinungsäusserungs- und der Versammlungsfreiheit auf die behördliche
Verfügung über Strassen und Plätze führt nicht zu einem absoluten Vorrang
politischer Veranstaltungen vor irgendwelchen anderen Interessen. Darin,
dass die Gemeindebehörden einen bestimmten Platz zum Schutze der Anwohner
und der Benützer grundsätzlich nicht für Demonstrationen zur Verfügung
stellen, liegt keine Verfassungsverletzung.

    Verfassungswidrig wäre es jedoch, wenn die Bewilligung zur Benützung
eines bestimmten Platzes einzelnen Gesuchstellern ohne objektiven
Grund verweigert würde, während andere Interessenten Demonstrationen
an diesem Ort durchführen dürfen. Im vorliegenden Fall ist eine solche
Rechtsungleichheit nicht nachgewiesen. Daraus, dass der Landsgemeindeplatz
für einzelne grosse Veranstaltungen (wie Kirchweih-Budenstadt, Bundesfeier,
1. Mai-Feier, Empfang eines neugewählten Bundesrates) benutzt wird,
ergibt sich keine Verpflichtung der zuständigen Behörde, an diesem Ort
auch jede Durchführung einer Demonstration zu bewilligen. Die alljährlich
auf wenige Tage beschränkte Verwendung für gewisse Veranstaltungen,
an denen ein grosser Teil der Bevölkerung interessiert ist, nimmt dem
Platz den Charakter einer Zone relativer Ruhe nicht. Es ist auch nicht
rechtsungleich, bei der Bewilligung gesteigerten Gemeingebrauches
zwischen dem Strassentheater der Beschwerdeführer und den erwähnten
Veranstaltungen, die einen anderen Charakter haben, einen Unterschied
zu machen. In der Beschwerde wird nicht geltend gemacht, dass in letzter
Zeit mit der Veranstaltung der Beschwerdeführer vergleichbare politische
Demonstrationen auf dem Landsgemeindeplatz bewilligt worden seien. Ein
Verstoss gegen die Rechtsgleichheit läge übrigens auch dann nicht vor,
wenn der Stadtrat sich erst aufgrund der neuern Entwicklung - im Sinne
seines Beschlusses vom 17. Juli 1973 - hinsichtlich der Benützung des
Landesgemeindeplatzes zu einer restriktiveren Praxis entschlossen hätte.

    c) Es stellt sich jedoch die Frage, wieweit die Veranstalter des
Strassentheaters Anspruch auf Zuweisung eines anderen geeigneten Platzes
haben. Die Gründe, die sich gegen die Erteilung der nachgesuchten
Demonstrationsbewilligung vorbringen lassen, beziehen sich einzig
auf den Ort der Veranstaltung, d.h. auf die verlangte Benützung
des Landsgemeindeplatzes. Hingegen wäre es bei verfassungskonformer
Interessenabwägung nicht zulässig, die Durchführung des Strassentheaters
auch auf jedem andern Platz der Stadt Zug zu untersagen. Aus dem
angefochtenen Entscheid (S. 8) geht indirekt hervor, dass dies auch
die Meinung des Regierungsrates ist, und der Stadtrat von Zug erklärt
in der Vernehmlassung an das Bundesgericht nunmehr ausdrücklich, dass
auf entsprechendes Gesuch hin für die Durchführung des Strassentheaters
allenfalls ein anderes Areal zur Verfügung gestellt würde. Es versteht
sich nach dem Gesagten, dass die Behörde dabei dem Publizitätsbedürfnis
der Veranstaltung angemessen Rechnung zu tragen hat. Der mit dem
Strassentheater beabsichtigte Appell an eine weitere Öffentlichkeit ist
nur möglich, wenn ein geeigneter, verhältnismässig zentral gelegener
Platz zugewiesen wird.

    Mit dem abgelehnten Gesuch und auch mit der Beschwerde an den
Regierungsrat war indessen lediglich die Benützung des Landsgemeindeplatzes
verlangt worden, auf dessen Zurverfügungstellung die Beschwerdeführer nach
wie vor beharren. Ein Begehren um Überlassung eines geeigneten anderen
Platzes - auf welche Möglichkeit der Regierungsrat sinngemäss hingewiesen
hatte - wurde nicht gestellt, so dass sich der angefochtene Entscheid mit
dieser Frage nicht weiter zu befassen hatte. Die erhobenen Verfassungsrügen
sind somit unbegründet, weshalb die Beschwerde abzuweisen ist.

    d) Hält der angefochtene Entscheid, mit dem die Verweigerung der
Bewilligung eines Strassentheaters auf dem Landsgemeindeplatz geschützt
wurde, vor der Verfassung stand, so braucht an sich nicht mehr geprüft
zu werden, ob das Verbot von Megaphonen bei einer solchen Veranstaltung
zulässig ist. Da aber die gleiche Frage sich bei der Bewilligung eines
Strassentheaters an einem andern Ort wieder stellen wird, erscheint eine
grundsätzliche Erwägung hiezu doch angebracht.

    Der vom Regierungsrat herangezogene § 5 Abs. 3 des kommunalen
Reglementes über die Lärmbekämpfung, wonach die Verwendung von
Lautsprechern "nur zum Zwecke der Werbung" verboten ist, bezieht sich nach
Wortlaut und Sinn der Vorschrift nicht auf den Einsatz von Megaphonen
bei der Aufführung eines Strassentheaters. Hingegen gilt die in § 5
Abs. 2 des Reglementes vorgesehene generelle Bewilligungspflicht für
die Verwendung von Verstärkeranlagen im Freien entgegen der Auffassung
der Beschwerdeführer auch dann, wenn es sich um eine politische
Veranstaltung handelt. Der Ansicht, das Verursachen von Lärm zum Zwecke der
politischen Meinungsäusserung unterliege keinen Beschränkungen, sondern
sei stets zu dulden, ist nicht beizupflichten. Wird die Durchführung
des Strassentheaters an einem bestimmten Ort bewilligt, so ist unter
Berücksichtigung der gesamten Umstände auf dem Wege der Interessenabwägung
zu entscheiden, ob und in welchem Umfange der Einsatz von Megaphonen oder
ähnlichen Einrichtungen notwendig und zu verantworten ist.