Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 100 IA 378



100 Ia 378

54. Urteil vom 30. Oktober 1974 i.S. Minelli gegen Kantonsrat des Kantons
Zürich. Regeste

    Art. 85 lit. a OG; Kantonales Initiativrecht; Wiedererwägungsantrag.

    Legitimation der Initianten zur Anfechtung eines behördlichen
Beschlusses betreffend Wiedererwägung eines Volksentscheids (E. 1).

    Zulässigkeit eines behördlichen Vorstosses auf Wiedererwägung
eines Volksentscheids, sofern eine gesetzliche "Sperrfrist" für das neue
Aufgreifen einer bereits entschiedenen Frage fehlt und das Vorgehen nicht
als rechtsmissbräuchlich zu qualifizieren ist (E.2 und 4).

Sachverhalt

    A.- Am 21. August 1972 reichte Ludwig A. Minelli als Präsident
eines Initiativkomitees dem Zürcher Kantonsrat eine kantonale
Volksinitiative zu einem Gesetz zur Bekämpfung der Jugendkriminalität
ein. Die Initiative wurde dem Volk am 30. Juni 1974 zusammen mit
sechs anderen Vorlagen, darunter einem Gesetz über die Änderung
des Gerichtsverfassungsgesetzes, der Strafprozessordnung und des
Einführungsgesetzes zum Schweiz. Strafgesetzbuch (sog. "kleine
Strafprozessrevision") unterbreitet und entgegen der Empfehlung des
Kantonsrates und des Regierungsrates von den Stimmberechtigten des Kantons
Zürich mit 143 723 Ja gegen 129 527 Nein angenommen.

    Nach der Abstimmung wurde von verschiedenen Seiten geltend gemacht,
zwischen der Volksinitiative und der gleichzeitig vom Volk angenommen
"kleinen Strafprozessrevision" beständen Widersprüche und das durch Annahme
der Initiative geschaffene Gesetz zur Bekämpfung der Jugendkriminalität
(JKG) laufe teilweise dem Bundesrecht zuwider. Mit dieser Begründung
erhoben der Regierungsrat des Kantons Zürich und zwei Winterthurer
Stimmberechtigte gegen die Erwahrung der die beiden Vorlagen betreffenden
Abstimmungsergebnisse Einsprache. In der Folge wurden die Einsprachen
zurückgezogen und der Kantonsrat erwahrte am 2. September 1974 die
Ergebnisse der Volksabstimmung vom 30. Juni 1974.

    B.- Am 26. August 1974 reichte der II. Vizepräsident des Kantonsrates,
Konrad Gisler-Flaach, eine parlamentarische Initiative ein, welche die
Aufhebung des JKG verlangte. Der Kantonsrat stimmte dieser Initiative zu
und verabschiedete am 16. September 1974 mit 101 gegen 3 Stimmen zuhanden
der Volksabstimmung ein kurzes Gesetz, das lediglich die Aufhebung des
JKG vom 30. Juni 1974 zum Inhalt hat. Die Volksabstimmung über diese
Vorlage wurde vom Regierungsrat auf den 8. Dezember 1974 festgesetzt.

    C.- Gegen den Beschluss des Kantonsrates vom 16.  September 1974
über das Gesetz betreffend die Aufhebung des JKG vom 30. Juni 1974
reichte Ludwig A. Minelli gemäss Art. 85 lit. a OG beim Bundesgericht
Stimmrechtsbeschwerde ein mit dem Antrag, der angefochtene Beschluss
sei aufzuheben.

    Zur Begründung wird im wesentlichen geltend gemacht, der Beschluss sei
rechtsmissbräuchlich; die in § 50 Abs. 4 des Gemeindegesetzes umschriebene
Regel, wonach auf Antrag der Gemeindevorsteherschaft Initiativen durch
den Bezirksrat als unzulässig erklärt werden können, "wenn sie sich
als Wiederholung eines innert Jahresfrist von der Gemeindeversammlung
behandelten Geschäftes darstellen und keine neuen Tatsachen vorliegen,
die eine nochmalige Behandlung rechtfertigen", gelte nicht nur
für Gemeindeinitiativen, sondern als ungeschriebenes Recht für alle
Initiativen im Kanton Zürich und zwar auch für entsprechende Vorstösse
der Behörden. Die erst nach der Volksabstimmung erkannte Möglichkeit
der Konkurrenz zwischen Bestimmungen des JKG und den Vorschriften der
"kleinen Strafprozessrevision" sei keine neue Tatsache. Zudem könnte
dieser Umstand niemals die Wiederholung der Abstimmung über das ganze
Gesetz rechtfertigen, sondern es müsste genügen, über die unvereinbaren
Normen neu abzustimmen. - Die angebliche Bundesrechtswidrigkeit sei höchst
umstritten. Zur Behebung eventueller Verstösse gegen Bundesrecht bedürfte
es im übrigen keiner neuen Volksabstimmung, denn gemäss Art. 2 UeB/BV träte
das Bundesrecht ohne weiteres an Stelle der bundesrechtswidrigen Norm. -
Auch mit der Behauptung einer angeblichen Irreführung der Stimmbürger
lasse sich eine faktische Wiederholung der Abstimmung über die Initiative
nicht begründen. Der Titel der Initiative sei vom Regierungsrat vor der
Abstimmung nicht als irreführend beanstandet oder abgeändert worden, die
Bezeichnung sei im Rahmen der üblichen demokratischen Gepflogenheiten
abgefasst. Der Aufhebungsbeschluss lasse sich auch nicht mit der
persönlichen Meinung der Mehrheit der Kantonsräte rechtfertigen, das
JKG sei von den Stimmberechtigten in Unkenntnis seines wirklichen Inhalts
angenommen worden. - Der "Beleuchtende Bericht" zum angefochtenen Beschluss
behaupte in wahrheitswidriger Weise, das JKG widerspreche Bundesrecht
und schaffe auf dem Boden des kantonalen Rechts unlösbare Konflikte.

    D.- Der Kantonsrat schliesst in seiner Vernehmlassung auf Abweisung
der Beschwerde im wesentlichen mit der Begründung, § 50 Abs. 4 des
Gemeindegesetzes sei eine singuläre Bestimmung und lasse sich nicht durch
Analogie auf den vorliegenden Fall zur Anwendung bringen.

Auszug aus den Erwägungen:

              Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- In Anlehnung an die frühere Praxis des Bundesrates hat das
Bundesgericht schon wiederholt entschieden, dass jeder stimmfähige
Bürger auch zur Beschwerde gegen die Zulassung von Referendums- oder
Initiativbegehren legitimiert sei (Angaben über die ältere Rechtsprechung
in BGE 59 I 122). Lediglich im Urteil vom 30. September 1965 i.S. Schmid
(abgedruckt in ZBl 67/1966 S. 31 ff.) wurde angenommen, die Anordnung
der Abstimmung über eine angeblich unzulässige Initiative schränke das
Stimmrecht nicht ein, sondern erweitere es, weshalb dem Stimmberechtigten
die Legitimation zur Anfechtung eines solchen Beschlusses fehle. Von
diesem Präjudiz distanzierte sich aber das Bundesgericht in BGE 99 Ia
728 E. 1 (betreffend Volksinitiative gegen das Expressstrassen-Y) wieder
und stellte fest, einzige Voraussetzung der Beschwerdebefugnis sei die
Stimmberechtigung bei der in Frage stehenden Abstimmung oder Wahl.

    In der bisherigen Rechtsprechung zu dieser Legitimationsfrage ging
es noch nie um die Zulässigkeit einer von den Behörden ausgearbeiteten
Vorlage, sondern es handelte sich durchwegs um die Zulässigkeit von
Volksbegehren. Nach der allgemeinen Formulierung in den Erwägungen
von BGE 99 Ia 728 E. 1 hat der Stimmberechtigte die Befugnis, jede
Abstimmungsvorlage mit der Behauptung anzufechten, sie sei unzulässig. Ob
eine so weite Fassung mit allen Konsequenzen zutreffend ist, kann hier
offen bleiben.

    Im vorliegenden Fall macht ja der Beschwerdeführer nicht einfach
geltend, er werde durch eine nach seiner Auffassung unzulässige
Volksabstimmung beschwert, sondern er bringt - mindestens implicite -
zudem vor, durch den angefochtenen Beschluss werde der Erfolg der von
ihm unterzeichneten und eingereichten Volksinitiative in rechtswidriger
Weise in Frage gestellt. Die Beschwerde gemäss Art. 85 lit. a OG schützt
nach konstanter Praxis auch das Initiativrecht. Initianten können sich mit
diesem Rechtsmittel dagegen zur Wehr setzen, dass durch ein unzulässiges
Vorgehen der Behörden bei Abstimmungsfragen die Wirkungen der Annahme
eines Volksbegehrens verhindert werden. Der Beschwerdeführer ist daher
legitimiert, mit staatsrechtlicher Beschwerde geltend zu machen, durch
den angefochtenen Beschluss des Kantonsrates werde gesetzwidrig oder
rechtsmissbräuchlich versucht, mittels einer neuen Abstimmung den Erfolg
der JKG-Initiative zu vernichten.

Erwägung 2

    2.- Eine Vorschrift, welche dem Kantonsrat verbieten würde, eine
Frage, über welche die Stimmbürger vor kurzer Zeit entschieden haben,
erneut der Volksabstimmung zu unterbreiten, besteht in der Zürcher
Gesetzgebung nicht. Das Gemeindegesetz (Gesetz über das Gemeindewesen
vom 6. Juni 1926/14. September 1969) gibt in § 50 Abs. 4 dem Bezirksrat
die Möglichkeit, Initiativen auf Antrag der Gemeindevorsteherschaft
unzulässig zu erklären, wenn es sich um reine Wiedererwägungsinitiativen
handelt. Solche Beschränkungen des Initiativrechts auf Gemeindeebene kennen
auch andere Kantone (z.B. Schwyz GOG § 8 Abs. 2). Dass die "Sperrfrist"
für entsprechende Vorstösse der Gemeindebehörden ebenfalls gelten muss,
ist damit nicht gesagt. Für die Annahme, § 50 Abs. 4 Gemeindegesetz
enthalte eine Beschränkung, die als ungeschriebener Rechtssatz für das
gesamte Zürcher Initiativrecht auch auf kantonaler Ebene und in analoger
Weise für Vorlagen der Behörden gelte, fehlt jeder Anhaltspunkt.

    Das Bundesgericht hat in BGE 94 I 125 f. angenommen, eine Initiative,
welche auf die Wiedererwägung eines Gemeindeversammlungsbeschlusses
hinauslaufe, sei an sich zulässig, sofern das Gesetz derartige Initiativen
nicht in der eben dargelegten Weise durch eine "Sperrfrist" ausdrücklich
verbiete oder das Vorgehen als rechtsmissbräuchlich erscheine. Ausser den
allgemeinen Schranken des Initiativrechts - Verletzung von Vorschriften des
Bundes oder des Kantons, offensichtliche Undurchführbarkeit - wurde somit
beim Fehlen einer gesetzlichen "Sperrfrist" für das neue Aufgreifen einer
bereits entschiedenen Frage lediglich das Kriterium des Rechtsmissbrauchs
als mögliches Hindernis betrachtet. Diese Auffassung wurde in BGE 99
Ia 405 f. in bezug auf die Zulässigkeit von Wiedererwägungsanträgen an
Tagwen- oder Gemeindeversammlungen im Kanton Glarus bestätigt: Soweit
Anträge auf Wiedererwägung vom Gesetz nicht ausdrücklich ausgeschlossen
werden, haben sie - abgesehen vom Fall des Rechtsmissbrauchs - als
zulässig zu gelten. Schweigt das Gesetz über diese Frage, so kann das
Recht auf Stellung von Wiedererwägungsanträgen nicht durch Lückenfüllung
ausgeschlossen oder beschränkt werden. Zur Frage des Rechtsmissbrauchs wird
in diesem Urteil festgestellt, dass ein erstmaliger Wiedererwägungsantrag,
besonders bei knappem Abstimmungsergebnis, nicht rechtsmissbräuchlich
sei; Rechtsmissbrauch könnte allenfalls angenommen werden, wenn die
Stimmberechtigten ihren Willen in der betreffenden Sache schon mehr als
einmal klar bekundet hätten. - Die Frage, ob eine Initiative unzulässig
erklärt werden könne, weil sie eine bereits entschiedene Frage betreffe,
wurde auch bei der Beratung des Falles Bebi und Konsorten gegen Aargau
(BGE 98 Ia 640 f.) und des bereits erwähnten Falles Burkhalter und
Konsorten gegen Zürich (BGE 99 Ia 728 f.) im gleichen Sinne erörtert,
ohne dass dies in den Motiven dieser Urteile zum Ausdruck kommt. Es
besteht kein Grund, von der mehrfach bestätigten Auffassung abzuweichen,
wonach - beim Fehlen gesetzlicher Beschränkungen - durch Initiative oder
Antrag auch die Wiedererwägung eines bereits getroffenen Entscheides
vorgeschlagen werden kann und diese Möglichkeit in der Regel nur am
Kriterium des Rechtsmissbrauchs ihre Grenze findet.

    Wenn aber der Stimmbürger durch Ausübung der ihm zur Verfügung
stehenden demokratischen Rechte ein Zurückkommen auf gefasste Beschlüsse
veranlassen darf, dann besteht kein sachlicher Grund, dem kantonalen
Parlament zu verwehren, dass es mit einer neuen Abstimmungsvorlage die
Korrektur eines vorangehenden Volksentscheides anstrebt. Es ist in erster
Linie ein Gebot der politischen Klugheit, dass von dieser Möglichkeit,
eine entschiedene Frage erneut zur Diskussion zu stellen, weder von den
Stimmberechtigten noch von den Behörden im Übermass Gebrauch gemacht
wird. Diese freiheitliche, einen Vorstoss auf Wiedererwägung nicht
hindernde Regelung kann zur Folge haben, dass erfolgreiche Initianten
gezwungen werden, ihre Anliegen in einem zweiten Abstimmungskampf
zu vertreten. Das ist jedoch keine Behinderung oder Einschränkung des
Initiativrechts, sondern die unvermeidliche Konsequenz des Fehlens einer
die Wiedererwägung hindernden Sperrfrist. Steht einer Initiative, welche
praktisch die Wiedererwägung eines Volksentscheides verlangt, nichts
entgegen, so muss im gleichen Umfang auch von Seiten der Behörden ein
Vorstoss auf Wiedererwägung zulässig sein. In allen diesen Fällen wird
der Gegner des durch die Wiedererwägung angestrebten Ziels zu einem
für ihn unerwünschten, erneuten Abstimmungskampf gezwungen. Will man
dies vermeiden, so muss eine gesetzliche "Sperre" eingeführt werden;
die Regelung liesse sich selbstverständlich so ausgestalten, dass nicht
nur Volksinitiativen, sondern auch behördliche Vorstösse, welche die
Wiedererwägung von Volksentscheiden zum Gegenstand haben, innert einer
gewissen Frist nicht mehr zulässig wären. Ob solche Beschränkungen
wünschbar sind, ist hier nicht zu beurteilen. Zwei Motionen, welche auf
Bundesebene das Initiativrecht u.a. in diesem Sinne begrenzen wollten,
wurden 1923 vom Parlament abgelehnt (BURCKHARDT, Schweiz. Bundesrecht II
Nr. 572 III und IV S. 371/72). Ein Ausschluss der Wiedererwägung lässt
sich nicht durch richterliche Rechtsfindung einführen, sondern er besteht
nur dort, wo das Gesetz Anträge auf Wiedererwägung an bestimmte Fristen
bzw. besondere Voraussetzungen knüpft. Da im Kanton Zürich eine solche,
die Wiedererwägung von Volksentscheiden beschränkende oder ausschliessende
Regelung nur im Gemeinderecht besteht, in bezug auf kantonale Abstimmungen
aber fehlt, ist davon auszugehen, dass der angefochtene Beschluss des
Kantonsrates keine Bestimmung der einschlägigen kantonalen Gesetzgebung
verletzt.

Erwägung 3

    3.- Hat der Kantonsrat somit die Möglichkeit, dem Volk die
Aufhebung eines kürzlich beschlossenen Gesetzes vorzuschlagen, ohne dass
besondere Voraussetzungen erfüllt sein müssten, so erübrigt es sich,
auf die weitern in der Beschwerde aufgeworfenen Fragen einzutreten;
denn diese Möglichkeit, dem Volk die Wiedererwägung eines getroffenen
Entscheides zu beantragen, ist rechtlich unabhängig davon, ob eine neue,
erst nach der vorangehenden Abstimmung eingetretene oder erkannte Tatsache
vorliegt. Auch die behauptete Bundesrechtswidrigkeit einzelner Bestimmungen
des JKG oder die geltend gemachten Widersprüche zur gleichzeitig vom Volk
angenommenen "kleinen Strafprozessrevision" sind nicht Voraussetzung
für die Zulässigkeit des angefochtenen Beschlusses. Wenn auch diese
Argumente für die politische Rechtfertigung des aussergewöhnlichen
Vorgehens von Bedeutung sein mögen, so ist deren Stichhaltigkeit trotzdem
für die Rechtmässigkeit des beanstandeten Beschlusses ohne Belang; denn
eine neue Vorlage in der gleichen Sache ist an sich zulässig, ohne dass
Widersprüche zwischen dem aufzuhebenden Gesetz und anderen Erlassen des
Kantons oder des Bundes nachgewiesen sein müssen.

    Das Bundesgericht hat auch nicht im Hinblick auf die bevorstehende
zweite Abstimmung zu untersuchen, ob die gegen das JKG erhobenen
Vorwürfe und Beanstandungen zutreffen. Auf das beiläufige Begehren,
es sei gewissermassen präventiv festzustellen, ob Bestimmungen des JKG
bundesrechtswidrig seien und ob unlösbare Widersprüche innerhalb des
kantonalen Rechts entständen, ist nicht einzutreten; denn diese Probleme
bilden wohl den Hintergrund, aber nicht den rechtlich relevanten Gegenstand
des angefochtenen Beschlusses. Es ist Sache der Initianten, ihre Vorlage
in der kommenden Auseinandersetzung gegebenenfalls gegen ungerechtfertigte
Kritik zu verteidigen.

    Ebenfalls nicht einzutreten ist auf die Rüge des Beschwerdeführers, der
"Beleuchtende Bericht" zum angefochtenen Beschluss enthalte Unwahrheiten,
war doch dieser Bericht - wie der Vernehmlassung des Kantonsrates zu
entnehmen ist - bei Einreichung der staatsrechtlichen Beschwerde noch
gar nicht herausgegeben worden.

Erwägung 4

    4.- Zu prüfen bleibt, ob der Vorstoss auf Aufhebung des JKG im Sinne
der dargelegten Praxis als rechtsmissbräuchlich zu qualifizieren ist.

    Lässt die Gesetzgebung Anträge auf Wiedererwägung ohne spezielle
Beschränkung zu, so kann nur in Extremfällen bei krassem Missbrauch der
demokratischen Institutionen eine erneute Abstimmung untersagt werden. Im
vorliegenden Fall fand die Mehrheit des Kantonsrates offenbar, das durch
die Annahme der Initiative entstandene Gesetz schaffe Unklarheiten und
die Stimmberechtigten hätten sich anlässlich der ersten Abstimmung
mit dieser Vorlage zu wenig auseinandergesetzt. Dass das Verhältnis
einzelner Vorschriften des JKG zu Bestimmungen des kantonalen Rechts
und des Bundesrechts nicht von vornherein klar ist, wird auch vom
Beschwerdeführer nicht bestritten. Ob die Auslegung mit mehr oder weniger
Mühe Klarheit schaffen könnte, bleibe dahingestellt. Auf jeden Fall ist
es nicht rechtsmissbräuchlich, dass der Kantonsrat versucht, die nach
seiner Auffassung sich ergebenden Schwierigkeiten durch eine Aufhebung
des JKG zu klären. - Sogar eine erstmalige Wiedererwägung, die einfach
deswegen angestrebt wird, weil das Parlament oder unterlegene Initianten
hoffen, eine bessere Information der Stimmberechtigten werde zu einem
andern Resultat führen, ist nicht rechtsmissbräuchlich. Damit wird
einfach der legale Weg benützt, um ein möglicherweise eher zufälliges,
auf ungenügender Orientierung beruhendes Abstimmungsresultat durch eine
zweite Abstimmung überprüfen zu lassen. Im allgemeinen dürfte die Skepsis
der Stimmberechtigten gegenüber solchen Wiederholungen von Urnengängen
über die gleiche Frage die Gefahr eines Missbrauchs dieser Möglichkeit
stark eindämmen. Nur wenn der demokratische Apparat in sinnloser Weise
strapaziert und dadurch in Frage gestellt würde, könnte allenfalls wegen
Rechtsmissbrauchs eine erneute Abstimmung verhindert werden. Gründe für ein
solches Einschreiten bestehen im vorliegenden Fall offensichtlich nicht.

    Auch die Tatsache, dass der faktisch in Wiedererwägung gezogene
Volksentscheid die Annahme einer Initiative betrifft, kann nicht zu einer
andern Beurteilung der Frage des Rechtsmissbrauchs führen. Wenn aus den
bereits dargelegten Erwägungen -beim Fehlen gegenteiliger Bestimmungen
- sowohl Initianten als auch Behörden verlangen können, dass ein vor
kurzem entschiedenes Problem dem Volk erneut unterbreitet wird, dann
lässt sich folgerichtig auch aus dem Verbot des Rechtsmissbrauchs nicht
ein besonderer (- im Vergleich zu andern Volksentscheiden weitergehender
-) Schutz eines durch Initiative zustandegekommenen Entscheides gegen
behördliche Wiedererwägungsbestrebungen ableiten.

Entscheid:

Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten werden kann.