Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 100 IA 263



100 Ia 263

37. Urteil vom 3. Juli 1974 i.S. Bürgin und Mitbeteiligte gegen
Einwohnergemeinde Schaffhausen, Regierungsrat und Obergericht des Kantons
Schaffhausen. Regeste

    Art. 67 und 90 KV Schaffhausen, Art. 4 BV; Aufsicht über das
Finanzgebaren der Gemeinden.

    1.  Legitimation (Erw. 1).

    2.  Keine Verletzung der politischen Rechte der Gemeindebürger durch
die regierungsrätliche Festsetzung eines dem Willen der Mehrheit der
Stimmberechtigten nicht entsprechenden Steuerfusses; Voraussetzung einer
solchen Massnahme (Erw. 3 b und c).

    3.  Ein ungeschriebenes Verfassungsrecht, das die demokratische
Grundordnung garantieren soll, besteht weder im Bund noch im Kanton
Schaffhausen (Erw. 4b).

Sachverhalt

    A.- Gemäss Art. 90 Abs. 1 der Verfassung des Kantons Schaffhausen vom
24. März 1876 (KV) sind die Gemeinden grundsätzlich befugt, innerhalb der
Schranken der Verfassung und der Gesetze ihre Angelegenheiten selbständig
zu ordnen.

    Art. 90 Abs. 2 und 3 KV lautet:

    "Hat sich eine Gemeinde unfähig erzeigt, ihre Angelegenheiten
selbständig zu ordnen, so kann dieselbe durch Beschluss des Grossen Rates
vorübergehend unter staatliche Verwaltung gestellt werden.

    Erstreckt sich diese Unfähigkeit nur auf einzelne Zweige der
Gemeindeverwaltung, so hat der Regierungsrat die erforderlichen Massnahmen
zu treffen."

    Nach Art. 67 Abs. 1 KV "wacht der Regierungsrat über die gesetzliche
Verwaltung des Vermögens der Gemeinden und sorgt dafür, dass dasselbe
ungeschmälert erhalten bleibt". Diese Verfassungsgrundsätze werden in den
Art. 192 und 197 des Gemeindegesetzes vom 9. Juli 1892 (GG) wiederholt. Die
Festsetzung der jährlichen Voranschläge und die Bewilligung von Steuern
stehen grundsätzlich der Gemeindeversammlung zu (Art. 23 lit. e und g GG).
Art. 120 und Art. 136 lit. a GG bestimmen sodann:

    Art. 120:

    "Der Gemeinde ist alljährlich und rechtzeitig der von der
Verwaltungsbehörde, bzw. dem Gemeindeausschuss festzustellende und zu
begutachtende Voranschlag der Einnahmen und Ausgaben für das künftige
Rechnungsjahr zur Begutachtung und Genehmigung vorzulegen (Abs. 1).

    Der Rechnungsprüfungskommission kommt die Prüfung dieses Voranschlages
zu (Abs. 2).

    Zeigt dieser Voranschlag einen Ausfall, so ist gleichzeitig ein
Antrag über die Art der Deckung, insbesondere darüber vorzulegen,
ob und in welchem Verhältnis und auf welchen Zeitpunkt eine Steuer zu
erheben sei. Hierüber hat die Gemeinde gleichzeitig Beschluss zu fassen
(Art. 1l6). (Abs. 3).

    Beschlüsse über die Erhebung von Gemeindesteuern unterliegen der
Genehmigung des Regierungsrates (Abs. 4)."

    Art. 136:

    "Bei Erhebung von Gemeindesteuern kommen folgende Grundsätze zur
Anwendung:

    a) Die im jährlichen Budget aufzuführenden Ausgaben sollen durch die
ordentlichen Einnahmen des gleichen Jahres gedeckt werden. Übersteigen die
Ausgaben des Voranschlages die Einnahmen, so ist der Ausfall durch Steuern
zu decken."

    In Erweiterung des Rechtes, das Budget (Art. 67 Abs. 2 KV)
und den Steuerfuss (Art. 120 Abs. 4 GG) zu genehmigen, beansprucht
der Regierungsrat aufgrund von Art. 90 Abs. 3 KV die Befugnis, bei
Unfähigkeit einer Gememde, ihren Finanzhaushalt selbständig zu ordnen,
die erforderlichen Massnahmen zu treffen.

    B.- Die ordentliche Verwaltungsrechnung der Einwohnergemeinde
Schaffhausen wies seit 1965 jährliche Rückschläge auf. Für 1972 ergab
sich ein Defizit von 2,4 Millionen Franken und für 1973 musste auf Grund
des Budgets mit einem Fehlbetrag von 3,4 Millionen Franken gerechnet
werden. Seit 1963 wies auch die ausserordentliche Verwaltungsrechnung, mit
Ausnahme des Jahres 1971, zum Teil hohe Rückschläge auf. Zur Verbesserung
der Finanzlage schlug der Stadtrat den Stimmbürgern wiederholt eine
Erhöhung des Steuerfusses vor, der zur Zeit 124% der sogenannten einfachen
Gemeindesteuer beträgt. Diese lehnten jedoch eine Steuererhöhung sechsmal
ab. Auch für das Jahr 1974 beantragte der Stadtrat eine Erhöhung des
Steuerfusses auf 130%, da sich gemäss Voranschlag für dieses Jahr in
der ordentlichen Verwaltungsrechnung ein Defizit von Fr. 3 550 000.--
voraussehen liess. Er stützte sich dabei auf ein Gutachten des Instituts
für Finanzwirtschaft und Finanzrecht an der Hochschule St. Gallen, das ihm
im Oktober 1973 erstattet worden war. Durch eine geplante, im Voranschlag
noch nicht enthaltene Reallohnerhöhung für das städtische Personal würde
sich der Fehlbetrag sogar auf rund fünf Millionen Franken erhöhen. Das
Budget für 1974, das dem fakultativen Referendum untersteht, blieb
unangefochten und wurde anschliessend vom Regierungsrat genehmigt. Hingegen
lehnten die Stimmberechtigten die beantragte Steuererhöhung am 18. November
1973 mit 7666 Nein gegen 7043 Ja ab. Der Regierungsrat setzte darauf
den Steuerfuss der Gemeinde Schaffhausen mit Beschluss vom 22. Januar
1974 für das Jahr 1974 auf 130% fest, nachdem der Stadtrat bei ihm ein
entsprechendes Gesuch gestellt hatte. Hanspeter Bürgin, Marcel Cuttat
und Urs Husmann fochten den Beschluss des Regierungsrates für sich
und den Verein "Programm S" erfolglos beim Obergericht des Kantons
Schaffhausen als Verwaltungsgericht an, das am 8. März 1974 erkannte,
der Regierungsrat habe mit seinem Beschluss sein aufsichtsrechtliches
Ermessen nicht überschritten.

    C.- Bürgin, Cuttat und Husmann verlangen mit staatsrechtlicher
Beschwerde die Aufhebung des obergerichtlichen Urteils und des
regierungsrätlichen Beschlusses. Sie behaupten eine willkürliche
Rechtsanwendung insbesondere der Art. 67 Abs. 2 und 90 Abs. 2 KV, sowie
eine Verletzung der demokratischen Grundordnung als ungeschriebenem
Verfassungsrecht.

    Der Regierungsrat und das Obergericht des Kantons Schaffhausen
beantragen die Abweisung der Beschwerde. Der Stadtrat von Schaffhausen
hat auf eine Vernehmlassung verzichtet.

Auszug aus den Erwägungen:

              Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Die Beschwerdeführer sind stimmberechtigte Bürger der Stadt
Schaffhausen und unbestrittenermassen steuerpflichtig. Sie sind daher
durch die wider ihren Willen verfügte Erhöhung des Steuerfusses für
die städtischen Steuern durch den entsprechenden allgemeinverbindlichen
Erlass in ihren Rechten, gesetzmässig besteuert zu werden, gegebenenfalls
verletzt; ihre Beschwerdelegitimation ist daher zu bejahen (BGE 42 I
192). Eine Beeinträchtigung des Stimmrechtes machen sie nicht geltend. Da
sie aber behaupten, durch die Anordnung der Steuerfusserhöhung trotz
mehrmaliger Ablehnung einer solchen durch die Stimmbürger habe der
Regierungsrat den Volkswillen missachtet, kann in ihrer Beschwerde auch die
Rüge der Verletzung ihres Stimmrechtes gesehen werden (BGE 94 I 435). Dass
auch die Gemeindeautonomie missachtet worden sei, wenden sie nicht ein.

Erwägung 2

    2.- Die Beschwerdeführer fechten sowohl den Entscheid des
Verwaltungsgerichtes als auch den Beschluss des Regierungsrates an. Die
dreissigtägige Beschwerdefrist zur Anfechtung des Regierungsratsbeschlusses
war jedoch abgelaufen, als sie ihre Beschwerde einreichten. Indessen
gestattet die Rechtsprechung des Bundesgerichtes auch noch die
nachträgliche Anfechtung eines solchen Beschlusses im Zusammenhang mit
der Beschwerde gegen den Entscheid einer Beschwerdeinstanz, wenn dieser
nur eine beschränkte Überprüfungsbefugnis zukommt (BGE 98 I a 156 E. 3,
mit Hinweisen).

    Das Schaffhauser Obergericht kann als Verwaltungsgericht in zwei Fällen
angerufen werden: Einmal sind letztinstanzliche Entscheide kantonaler
Verwaltungsbehörden mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde anfechtbar
(Art. 34 ff. des Gesetzes über den Rechtsschutz in Verwaltungssachen
vom 20. September 1971). Dann kann das Obergericht auch Erlasse auf
ihre Verfassungs- und Gesetzmässigkeit hin überprüfen (Art. 51 ff. des
genannten Gesetzes). Das Obergericht hat sich nicht dazu geäussert,
ob es die fragliche Beschwerde als eine nach Art. 34 ff. oder nach
Art. 51 ff. behandelte, d.h. ob der Regierungsratsbeschluss als Verfügung
oder als Erlass zu bezeichnen ist. Diese Frage braucht hier indessen
nicht entschieden zu werden, da in beiden Fällen das Obergericht den
Regierungsratsbeschluss nicht auf seine Angemessenheit überprüfen durfte,
seine Kognition also eine beschränkte ist und deshalb die nachträgliche
Beschwerde gegen den Regierungsratsbeschluss mit jener gegen das Urteil
des Obergerichts verbunden werden konnte.

Erwägung 3

    3.- a) Bei Stimmrechtsbeschwerden prüft das Bundesgericht Auslegung
und Anwendung des kantonalen Verfassungs-. rechtes frei, ebenso das
Gesetzesrecht, sofern es den Umfang und Inhalt des Stimmrechtes näher
regelt (BGE 99 I a 520 E. 3 a mit Hinweisen). Bei andern Beschwerden
überprüft es das Verfassungsrecht der Kantone ebenfalls frei, entfernt
sich aber, sofern der Kanton nicht dem Einzelnen ein Individualrecht
einräumt, nicht ohne triftige Gründe von der Auslegung, welche die obersten
kantonalen Behörden der Verfassung geben. Die Auslegung und Anwendung
des Gesetzesrechtes in diesem Fall wird nur unter dem Gesichtspunkt der
Willkür geprüft. Handelt die kantonale Behörde unmittelbar gestützt auf
eine Verfassungsbestimmung (z.B. Art. 90 Abs. 3 KV), die ihr hinsichtlich
der Wahl der zu treffenden Massnahmen einen Ermessensbereich einräumt,
muss sich die Prüfung des Bundesgerichts ebenfalls auf Willkür beschränken
(vgl. MARTI, Die staatsrechtliche Beschwerde, S. 144).

    b) Die Beschwerdeführer bestreiten nicht, dass dem Regierungsrat in
den Art. 90 und 67 KV Befugnisse zum Eingreifen kraft Aufsichtsgewalt
eingeräumt werden, falls eine Schaffhauser Gemeinde ihre Aufgaben
nicht mehr ordnungsgemäss zu erfüllen vermag, und sie behaupten nicht,
dass ihm grundsätzlich verboten sei, den Steuerfuss einer Gemeinde
selber festzusetzen. Sie behaupten aber, bei der Wahl der zu treffenden
Massnahmen hätte der Regierungsrat den unmissverständlich zum Ausdruck
gebrachten Volkswillen beachten müssen; da er dies nicht getan habe,
sei er in Willkür verfallen.

    Diese Auffassung ist irrig. Abgesehen davon, dass bei rein negativen
Entscheiden, wie der Verwerfung einer Steuererhöhung, nicht immer
zweifelsfrei festzustellen ist, welches die Motive der Stimmbürger
gewesen sind (vgl. auch BGE 94 I 434 E. d), ist es gerade der Sinn der
genannten Verfassungsbestimmungen, in den Fällen, wo die demokratische
Willensbildung in einer Gemeinde nicht zu einer haltbaren und mit dem
Gesetz in Übereinstimmung bleibenden Ordnung der Gemeindeangelegenheiten
führt, dem Regierungsrat die Befugnis zu geben, das Nötige vorzukehren
und für die Gemeinde ersatzweise zu handeln. Die Voraussetzungen für
einen solchen Eingriff sind besonders dann gegeben, wenn das Verhalten
der Bürger widersprüchlich wird, indem sie zwar Ausgaben beschliessen,
sich aber den nötigen Massnahmen zur Deckung des dadurch geschaffenen
Finanzbedarfs wiederholt widersetzen und damit die Gefahr der Zerrüttung
der Gemeindefinanzen heraufbeschwören. Die verfassungsmässige Ordnung sieht
für einen solchen Fall gerade vor, dass die demokratische Willensbildung
in der Gemeinde vor dem übergreifenden Allgemeininteresse an der Erhaltung
gesunder Gemeinden zurückzutreten hat. Sofern aber die Voraussetzungen für
den Eingriff erfüllt sind, kann durch die Nichtbeachtung der Beschlüsse
der Gemeindebürger auch kein Eingriff in deren Stimmrecht vorliegen. Ihr
Recht, über die Höhe des Steuerfusses selbst zu bestimmen, wird eben
durch Art. 90 KV im angegebenen Sinne beschränkt.

    c) Bei der Prüfung der Frage, ob die Voraussetzungen für einen Eingriff
gegeben sind und welche Massnahmen gegebenenfalls zur Herstellung einer
funktionsfähigen Ordnung getroffen werden müssen, steht dem Regierungsrat
- wie auch die Beschwerdeführer zugestehen - ein Bereich des Ermessens
zu. Nach Art. 136 GG ist das finanzielle Verhalten einer Gemeinde schon
dann nicht mehr rechtsgemäss, wenn in ihrem ordentlichen Haushalt die
vorgesehenen Ausgaben durch die Einnahmen nicht mehr gedeckt und die
entsprechenden Steuereinnahmen nicht erhöht werden. Dass das Finanzgebaren
der Gemeinde Schaffhausen nicht mehr den Vorschriften von Art. 136 und
120 Abs. 3 GG entsprach, ist nach dem früher Gesagten unbestritten. Die
von Art. 90 Abs. 3 vorausgesetzte Notsituation war eingetreten. Zur
Herstellung geordneter Verhältnisse standen, wie ebenfalls anerkannt wird,
dem Regierungsrat verschiedene Möglichkeiten zur Verfügung; z.B. auch
die von den Beschwerdeführern vorgeschlagene Lösung einer Rückweisung des
Budgets zur Reduktion der Ausgaben, nachdem feststand, dass die Bürger sich
der zur Herstellung des.Budgetgleichgewichts nötigen Einnahmenvermehrung
widersetzten. Ob die eine oder die andere Massnahme zu wählen ist,
steht im pflichtgemässen Ermessen des Regierungsrates. Dabei hätte er,
wenn er etwa das Budget hätte aufheben wollen, auch berücksichtigen
müssen, ob bei den vorgesehenen Ausgaben sich solche befanden,
die ohne Schaden für die Erfüllung der ordnungsgemässen oder sozial
notwendigen Aufgaben durch das Gemeinwesen gestrichen werden konnten,
und zwar nicht nur vorübergehend, sondern dauernd. Das hätte aber eine
eingehende Budgetanalyse vorausgesetzt, die von subjektiven Bewertungen
nicht frei gewesen wäre. Sodann hätte die Rückweisung des Voranschlages
zur Folge gehabt, dass die Stadt während voraussichtlich längerer Zeit
ohne rechtskräftiges Budget hätte verwaltet werden müssen. Die Zeitspanne
hätte umso länger ausfallen können, als nicht auszuschliessen ist, dass
ein neues Budget allenfalls durch ein Referendum der Volksabstimmung
unterbreitet und verworfen worden wäre. Unter diesen Umständen verletzt
es auf keinen Fall die Verfassung, sondern erscheint sogar richtig, dass
der Regierungsrat eine sofort wirksame Massnahme ergriff, die wenigstens
für ein Jahr eine Verminderung des Budgetdefizites ermöglichte.

    d) Die Beschwerdeführer wenden ein, die regierungsrätliche
Massnahme reiche nicht aus, um den gesetzmässigen Zustand herzustellen,
da auch nach der Steuererhöhung noch ein Defizit von ca. 1,9 Millionen
Franken verbleibe. Ob es jedoch gelungen wäre, das Budget im Falle einer
Rückweisung so zu beschneiden, dass der budgetierte Fehlbetrag verschwunden
wäre, ist fraglich. Es ist zudem vertretbar anzunehmen, das Gleichgewicht
müsse, sofern eine Sanierung vorzunehmen ist, nur nach einer gewissen
Frist erreicht werden, allenfalls unter Anwendung zusätzlicher Massnahmen
wie Ausgabenkürzungen und Erschliessung neuer Einnahmequellen. Art. 90
KV verpflichtet den Regierungsrat nicht unbedingt, nur solche Massnahmen
zu ergreifen, die eine sofortige Herstellung des gesetzmässigen Zustands
ermöglichen.

    Ist die Massnahme des Regierungsrates vertretbar, ja sogar angezeigt,
erweist sich der Vorwurf der Willkür als unhaltbar.

Erwägung 4

    4.- Der angefochtene Beschluss verletzt auch kein ungeschriebenes
Verfassungsrecht, das die demokratische Grundordnung zum Inhalt hat. Die
Beschwerdeführer sehen dieses behauptete Grundrecht dadurch.missachtet,
dass der Regierungsrat bei der Setzung von Verwaltungsakten diametral
entgegen dem in Abstimmungen klar geäusserten Volkswillen gehandelt habe.

    a) Diese Behauptung ist von den Beschwerdeführern erst im
staatsrechtlichen Beschwerdeverfahren aufgestellt worden. Vor dem
Verwaltungsgericht begnügten sie sich damit, den Regierungsratsbeschluss
als willkürlich zu bezeichnen. Doch sind neue rechtliche Vorbringen bei
Beschwerden, die an sich die Erschöpfung des kantonalen Instanzenzuges
voraussetzen, grundsätzlich zulässig, wenn die letzte kantonale Instanz
freie Kognition besass und das Recht von Amtes wegen anzuwenden hatte. Eine
Ausnahme gilt nur für Beschwerden wegen Willkür und für Beschwerden,
bei denen die Rüge, eine andere Verfassungsbestimmung sei verletzt,
mit derjenigen der Willkür zusammenfällt (BGE 98 I a 52 E. 2). Bei einem
Entscheid, ob ein solches Verfassungsrecht, das möglicherweise die dem
Regierungsrat in Art. 90 KV verliehene Ermessensfreiheit in bestimmter
Richtung beschränkt hätte, verletzt sei oder nicht, hatte aber das
Obergericht freie Kognition und es hatte die richtige Anwendung eines
solchen allenfalls bestehenden Rechtes von Amtes wegen zu prüfen. Die
Behauptung, es sei der die demokratische Grundordnung garantierende
Verfassungsrechtssatz verletzt, fällt auch nicht mit der Willkürrüge
zusammen. Sie kann sinngemäss nur bedeuten, dass der Regierungsrat von
Verfassungs wegen in einem ganz bestimmten, sein Ermessen ausschliessenden
Sinne hätte entscheiden müssen.

    b) Die Beschwerdeführer haben nicht näher dargelegt, inwiefern
ein solcher ungeschriebener Verfassungssatz, der ausserdem dem Bürger
ein Individualrecht garantiert oder das Stimmrecht abgrenzt, besteht.
Sie äussern sich nicht einmal darüber, ob es sich dabei ihrer Meinung
nach um einen ungeschriebenen Verfassungssatz des kantonalen oder des
Bundesstaatsrechtes handelt.

    aa) Ein ungeschriebenes Verfassungsrecht des Bundes im behaupteten
Sinne anzunehmen, verbietet sich schon im Hinblick auf Art. 6 BV, der
von Bundesrechts wegen den Kantonen die Wahl einer rein repräsentativen
Verfassung zubilligt, nach der das Volk seinen Willen nur bei der Wahl
seiner Repräsentanten rechtlich zum Ausdruck bringen kann (BURCKHARDT,
Kommentar, 3. Aufl., S. 67). Der wirkliche Volkswille fällt bei einer
repräsentativen Verfassung somit Beschlüssen seiner Vertreter gegenüber
rechtlich überhaupt nicht in Betracht. Dass die Bundesverfassung darüber
hinaus für jene Kantone, die sich nicht mit einer Repräsentativ-Verfassung
begnügten (praktisch sind das sämtliche Kantone), noch einen Grundsatz
hätte aufstellen wollen, wonach sie in jedem Fall den Volkswillen zu
achten hätten, ist ausgeschlossen. Es ist vielmehr Sache des kantonalen
Rechtes - abgesehen von der obligatorischen Mitwirkung des Volkes bei der
Verfassungsgesetzgebung - zu bestimmen, in welchem Umfang dem Volkswillen
Rechnung zu tragen sei.

    bb) Somit müsste es sich bei dem angeblichen ungeschriebenen
Verfassungsrecht um ein solches des kantonalen Rechtes handeln. Dass im
schaffhauserischen Recht ein derartiges ungeschriebenes Verfassungsrecht
als Individualrecht oder das Stimmrecht umschreibendes Recht bestehe, ist
nicht anzunehmen. Gewiss ist die Grundordnung des Kantons Schaffhausen
eine demokratische, die das Volk bei der Gesetzgebung und auch bei
wichtigen Verwaltungsakten mitwirken lässt. Diese Mitwirkung ist aber
durch Verfassung und Gesetze institutionalisiert worden und muss sich in
deren Rahmen bewegen. Wenn Verfassung und Gesetzgebung aber eine Behörde
ermächtigen, unter Umständen kraft Aufsichtsgewalt ohne Berücksichtigung
des Volkswillens Beschlüsse zu fassen, wäre es widersprüchlich, wenn sie
die Behörde dabei kraft ungeschriebenen Verfassungsrechtes doch dazu
anhielten. Das Verfassungsrecht des Kantons Schaffhausen gestattet
es aber dem Regierungsrat gerade, unter Umständen über den von den
Gemeindebürgern mehrheitlich geäusserten Willen hinwegzugehen. Gewiss
wird er das nur im Notfall tun und sich nach Möglichkeit im Rahmen des
erkennbaren Volkswillens halten, sofern das mit der richtigen Erfüllung
seiner Aufsichtsfunktion vereinbar ist. Aber bei einer solchen Beschränkung
in der Auswahl von Massnahmen befolgt er nur eine staatspolitische Maxime,
nicht einen ungeschriebenen Verfassungsrechtssatz.

Entscheid:

Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Beschwerde wird abgewiesen.